Purchase instant access (PDF download and unlimited online access):
Die Erfahrung der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts regte eine Debatte über das Wesen des Menschen und den Richtungssinn seiner Geschichte an, in der die gängige Definition des Menschen als „animal rationale“ und die aufklärerische Deutung der Geschichte als eines unumkehrbaren entzaubernden Fortschritts entscheidend in Frage gestellt wurden. Denker wie Adorno, Horkheimer, Marcuse und Heidegger hoben hervor, dass sich die Vernunft in der abendländischen Geschichte als ein im Dienste der Technik stehendes Rechnungsvermögen entwickelt habe, das den Menschen seiner selbst entäußert und die Welt ihres innersten Werts entleert habe. Im Anschluss daran arbeitet Gadamer seine Konzeption des Mythos als Ausdruck des tieferen Selbstverständnisses eines Menschen aus, der sich zugehörig zu einer Tradition weiß, die sein eigenes Sein mitkonstituiert und die „geschichtliche“ Wahrheit seiner Welt ausmacht. Nach Gadamer versteht sich der Mythos als eine mit dem Logos zusammengehörende vernünftige Gestaltung der „Lebenskraft“ im ursprünglichen Bezug zu einem sie Umgreifenden. Damit erweist sich der Mensch als ein „Ex-sistierender“, der auf ein dialogisches, sinnbildendes Verhältnis mit dem vielschichtigen Sein seiner selbst und der anderen wesenhaft angewiesen ist.