Purchase instant access (PDF download and unlimited online access):
Gervasius von Tilbury (ca. 1150–1220) macht im dritten Buch seiner Otia imperialia (1214) das Wunderbare zum Gegenstand einer höfischen Gesprächspraxis der Muße (›otium‹). Er formuliert Bedingungen, unter denen ›mirabilia‹ Verwunderung hervorrufen: Voraussetzung sei, dass ihre Faktizität kritisch geprüft werde; zugleich provoziere nur Ungewöhnliches Staunen, und so müsse Bekanntes in Neues verwandelt werden (›commutari‹). Der Beitrag fragt nach dem Verhältnis von Faktizitätsprüfung und sprachlicher Veränderung. Kritik und Konstruktion des Wunderbaren scheinen bei Gervasius keine Gegensätze zu sein, sondern einander wechselseitig bedingende Vorgehensweisen. Diese rhetorisch-poetische Praxis weist voraus auf die Herausbildung des poetologischen Begriffs des Wunderbaren im späten 16. Jahrhundert.