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In seiner ›unsichtbaren Handlung ‹Lohengrin für eine Solistin, Männerchor und Orchester von 1983 lotet der zeitgenössische italienische Komponist Salvatore Sciarrino das kultur- und gesellschaftskritische Potential einer besonderen Art von Geburtsträumen aus: Das Stück reflektiert im Modus des Traums über die Geburt, die hier nicht als ein Akt der Zeugung eines lebenden Wesens, sondern als soziokultureller Prozess erscheint. Mittels eines komplexen Bezugs zu Richard Wagners gleichnamiger ›romantischer Oper‹ von 1850 erkundet Sciarrino das Innenleben der weiblichen Protagonistin, Elsa von Brabant. Sciarrinos Elsa scheint unfähig, eine Rolle als handelndes Subjekt in der Tageswelt der symbolischen Interaktion an- und einzunehmen. Damit verharrt sie an der Schwelle zwischen Geburt und Tod, zwischen Subjektwerdung und geistiger Umnachtung. In meinem Beitrag werde ich Sciarrinos durchaus elliptischen Rückbezug auf Wagners Lohengrin herausarbeiten und dabei veranschaulichen, wie der Traum und die Gattung Oper bei Sciarrino zu einem gesellschaftskritisch aufgeladenen Mittel werden, um jene strukturelle Unabgeschlossenheit des Subjekts erfahrbar zu machen, die in der Tageswelt der symbolischen Interaktion verdrängt wird.