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Als Wort, als Lautfolge und als Creticus (—⏑—) steht „Saytenspiel“ für ein (insbesondere lyrisches) Dispositiv, das sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts etabliert. Vor allem seit 1733 bedienen sich lyrische Texte der Homophonie von Instrumentensaite und Buchseite, um zu einer neuartigen sozialen Medienpraxis anzuleiten. Dabei kommt es zu einer bemerkenswerten Verschiebung der für die Lyrik grundlegenden Leier-Metapher. Sie wird auf die Seite der Rezeption verlagert, die zum blätternden Spiel stilisiert wird. Zugleich wird die Rezeption aufgewertet, denn das Blättern taktet und begleitet die rhythmisierte Klangfolge der laut vorlesenden – oder auch singenden – Stimme(n). Indem ein Gedicht so, einem Rhythmusinstrument gleich, in die Hand gegeben wird, soll der angeblich von Herzen kommende Ton empfindsamer Lyrik, durch echte Ohren gehend, zu tatsächlichen Herzen finden. Hinter den Suggestionen dieser medialen Strategie stehen die Möglichkeiten, die sich mit den Standards und Innovationen des Buchdrucks und dem rasanten Wachstum des Buchmarkts im 18. Jahrhundert eröffnen: Laut und Rhythmus können immer breiter werdenden Leserschaften im Druckbild vorgegeben werden.
As a word, as a sound, and as a creticus (—⏑—), “Saytenspiel” speaks to a (predominantly lyrical) dispositive established in the mid-eighteenth century. Since 1733, in particular, poems employ the German homophony of instrument string (“Saite”) and book page (“Seite”) to foster a new, innovative social media-practice. Here, the metaphor of the lyre, which is so fundamental to lyric poetry, undergoes a striking shift as it now refers to an enhanced form of reception in which the act of turning, and leafing through, the pages of a poem is stylized in terms of playing a musical instrument. The text becomes a rhythm instrument accompanying, and keeping the time for, the voice(s) reading its rhythms and sounds out loud – or even singing them. That readers hold a poem in their hands is thus supposed to convey the allegedly heart-felt tone of lyric Sentimentalism – via real ears – to real hearts. This medial strategy relies on the possibilities afforded by the standards and innovations of the printing press and the rapidly growing book market in the eighteenth century. Thanks to them, the layout of a printed and circulating text can broadcast sound and rhythm to ever growing audiences.
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