Unmenge

Wie verteilt sich Handlungsmacht?

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In der Gegenwart ist die Liste möglicher Akteure scheinbar ins Unüberschaubare angewach-sen. Nimmt dabei die Hand-lungsmacht des Einzelnen in dem Maße ab, wie die Zahl der potentiellen Akteure zunimmt und auch Tiere, Dinge, (Un-)Tote oder Systeme umfasst? Oder aber ist die Logik, auf der diese Rechnung beruht, selbst frag-würdig geworden? Die Unmenge konfiguriert sich in wechselnden, raumzeitlichen Situationen ständig neu. In ihr sind wir Unzählige, die ohne dauerhafte Gestalt oder stabile Ontologie gemeinsam in Hand-lungen und Kämpfe verwickelt sind. Eine dominante Version der Moderne teilte die Sphären von Mensch, Natur und Technik von-einander ab, um einen stabilen Status von Subjekten und Objek-ten sowie regulierten Zugang zu (politischer) Repräsentation si-cherzustellen. Mit der Problemati-sierung dieser Moderne ist je-doch fragwürdig geworden, wer oder was überhaupt Träger von Handlungen sein kann. Was häu-fig als Einschränkung oder Verlust diagnostiziert wird, lässt sich e-benso als Ausbreitung oder Er-weiterung verstehen. Welches sind somit neue Formen der Handlungsmacht, die sich nicht nur in der gegenwärtigen Situa-tion, sondern auch in einem symptomatischen Blick auf histo-rische Bewegungen ausmachen lassen? Der Band rückt die Figur der Un-menge als Genealogie der Ge-genwart und Gegenentwurf zur zählbaren und repräsentierten Gemeinschaft (wie Volk, Nation, Menschheit) ins Zentrum. Er ana-lysiert diejenigen Formen der Handlungsmacht, denen histo-risch kein legitimer Ort der Reprä-sentation zugewiesen werden konnte. Dass diese Formen gleichwohl Veränderungen er-möglichten, lässt sich erst nach-träglich in symptomatischen Lektüren nachvollziehen. Die Publikation setzt drei Schwer-punkte: Unter dem Stichwort Mischwesen geht es um Relationen zwischen Menschen und technischen Wesen bzw. ästhetischen Artefakten, in de-nen klare Grenzziehungen eben-so fragwürdig geworden sind wie die Zuschreibungen Sub-jekt/Objekt oder aktiv/passiv. Wiedergänger befasst sich mit Konstellationen und Ereignissen, in denen Akteure, deren Hand-lungsmacht oder schiere Existenz vom ‚gesunden Menschenvers-tand’ oder der herrschenden Meinung vehement verdrängt oder negiert werden, von den Rändern ins Zentrum der Wahr-nehmung zurückkehren. Gewal-tenteilung schließlich nähert sich der Rolle der großen oder unbe-stimmbaren Zahl in politischen Kontexten und analysiert die Grenzen souveräner Macht.

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Individuation, Werden und Kollektiv
Gilbert Simondon und seine „Ergänzende Bemerkung zu den Konsequenzen des Individuationsbegriffs“
Pages: 35–43
Eyes Wide Shut
Die Agentur des Lichts – Szenen kinematographisch verteilter Handlungsmacht
Pages: 75–92
Agencement und Amusement
Duchamp, Slapstick und retroaktive Geschichten der Moderne
Pages: 93–121
Unmenge als Kategorie singulärer Erfahrung
Differenzphilosophische Grundlagen der Anonymisierung und der Temporalisierung von Handlungsmacht
Pages: 123–138
Mengenlehre
Pages: 139–154
Mixed zone – Wie man den Toten begegnet
Echenoz: Au piano – Campillo: Les Revenants
Pages: 191–226
Lebende Tote und geheime Communitas
Zu Dichtung, Geschichte und Handlungsmacht in Achim von Arnims Roman
Pages: 227–249
Vom Sinken
Figurationen von Handlungsmacht im deutschen kolonialen Diskurs
Pages: 321–335
Marx und Foucault auf Lesbos
Der Einsatz der Autonomie der Migration und die biopolitische Wende
Pages: 337–352
Metaphysik und Gewalt
Unendlichkeit bei Descartes und Lévinas
Pages: 353–369
Der Mythos von der schöpferischen Menge
Zum Problem des Ursprungs in der vertragstheoretischen Konstruktion der Gemeinschaft
Pages: 371–385
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