1862 erscheint Gustave Flauberts Roman Salammbô. Ort und Handlung sind in ferner Vergangenheit angesiedelt. Karthago ist ein blinder Fleck auf der Landkarte der historischen Überlieferung. Gerade deswegen wählt Flaubert diese Stadt.
Nordafrikanische Landschaften, Stadtansichten der Seerepublik Karthago, pompöser Reichtum und kulturelle Artifizialität in Speisen, Sitten und Kleidung, monumentale Schlachten, grausame Bilder des Krieges und der ausschweifenden Gewalt an Mensch und Tier bilden die Szenen des neuen Romans. »Leute von schlechtem Geschmack« sind nach Flaubert solche, die »verschönern, reinigen und sich illusionieren, die verändern, kratzen und wegnehmen« und gleichwohl meinen, sie seien Klassiker. Die Aufsprengung der normativen Antike-Ansicht bedeutet für Flaubert, Klischees und abgenutzte Phrasen aufzubrechen sowie neue Sprachformen zu erfinden. Er eröffnet damit den Blick auf eine archaische Antike und auf das Phänomen der Gewalt in der Moderne.
Copyright Year:
2021
Gustave Flaubert's novel Salammbô was published in 1862. The place and the plot are set in the distant past. Carthage is a blind spot on the map of historical lore. This is precisely why Flaubert chooses this city.
North African landscapes, cityscapes of the maritime republic of Carthage, pompous wealth and cultural artificiality in food, customs and dress, monumental battles, gruesome images of war and debauched violence against humans and animals form the scenes of the new novel. "People of bad taste", according to Flaubert, are those who "embellish, purify and illude themselves, who change, scratch and take away" and yet think they are classics. For Flaubert, breaking up the normative view of antiquity means breaking down clichés and worn-out phrases as well as inventing new forms of language. He thus opens up a view of an archaic antiquity and of the phenomenon of violence in the modern age.
Alexander Arweiler ist Professor für Klassische Philologie mit Schwerpunkt Latinistik an der Westf.-Wilhelms-Universität Münster.
Karin Westerwelle ist Professorin für Französische und Italienische Literaturwissenschaft an der Westf.-Wilhelms-Universität Münster.