Die emphatische Bezugnahme realistischer Texte und Kunstformen auf ein ominöses ›Wirkliches‹ provoziert Nachfragen: Warum häufen sich gerade dort, wo der Bezug zur Wirklichkeit explizit gemacht wird, darstellerische Unschärfen, blinde Flecken und pararealistische Elemente?
Gerade in diesen prekären Wirklichkeitsbezügen identifiziert der Band zur »Wirklichkeit des Realismus« mit Beiträgen von Elisabeth Strowick, Hal Foster, Eva Geulen und Friedrich Balke u.a. einen Indikator des Realistischen in Literatur und Kunst. Realismus wird demnach ausdrücklich nicht im Sinne einer historischen Epochenbeschreibung verstanden, sondern als spezifische Schreibweise der Erzeugung, Erprobung und Ver(un)sicherung von Wirklichkeit. Der Frage, wie sich die »Wirklichkeit des Realismus« sowohl als ästhetisches wie als epistemologisches Problem formiert, geht der Band entlang der thematischen Fluchtpunkte Verdatung, Historizität, Subjektverhältnisse und Krisenwissen nach.
Copyright Year:
2018
The emphatic reference of realistic texts and art forms to an ominous 'real' provokes questions: Why do representational blurs, blind spots and pararealistic elements accumulate precisely where the reference to reality is made explicit?
In these precarious references to reality, the volume on the "Wirklichkeit des Realismus" identifies an indicator of realism in literature and art with contributions by Elisabeth Strowick, Hal Foster, Natalie Binczek, Friedrich Balke and others. Realism is thus expressly not understood in the sense of a historical epoch description, but as a specific way of writing the creation, testing and (in)securing of reality. The volume explores the question of how the "Wirklichkeit des Realismus" is formed both as an aesthetic and an epistemological problem, along the thematic vanishing points of dating, historicity, subject relations and crisis knowledge.
Veronika Thanner hat Neue deutsche Literatur, Politikwissenschaften und Neuere und Neueste Geschichte in Dresden, Toulouse und Berlin studiert. 2013 promovierte sie mit einer Arbeit unter dem Titel „Tückische Oberflächen und Höllische Gestade im Inneren. Topologien der Gefahr im 19. Jahrhundert“ zum Problem der Verunsicherung von Wirklichkeit und Wahrnehmung in realistischen Schreibverfahren Karl Gutzkows und Wilhelm Raabes. Sie arbeitet derzeit als Koordinatorin des Thematischen Netzwerks "Literatur–Wissen–Medien" am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin.
Joseph Vogl ist seit 2006 Professor für Neuere deutsche Literatur, Literatur- und Kulturwissenschaft/Medien an der Humboldt-Universität zu Berlin und Permanent Visiting Professor an der Princeton University, USA. Zuletzt hat Joseph Vogl mit den beiden Monographien, „Das Gespenst des Kapitals“ (2011) und „Der Souveränitätseffekt“ (2015), das Verhältnis von Literatur und ökonomischen Krisenwissen beleuchtet.
Dorothea Walzer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neugermanistik von Prof. Dr. Natalie Binczek an der Ruhr-Universität Bochum und Redakteurin des Archiv für Mediengeschichte 2014 und 2015. Eine Auseinandersetzung mit kritischen Schreibweisen des Realismus steht im Mittelpunkt ihrer Doktorarbeit mit dem Titel „Arbeit am Exemplarischen. Poetische Verfahren der Kritik bei Alexander Kluge“. Schwerpunkte ihrer aktuellen Forschungstätigkeit liegen auf Realismustheorien sowie auf Medien und Verfahren der Dokumentation (u.a. die (Foto-)Reportage und das Interview).