Der verbreitete zeitgenössische Anti-Realismus in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften, in Kulturinstitutionen, Feuilletons und gebildeten Kreisen ist Ausdruck einer intellektuellen Krise. Der Realismus, für den Julian Nida-Rümelin plädiert, geht von lebensweltlichen Selbstverständlichkeiten aus und bestimmt vor diesem Hintergrund die Rolle der Philosophie neu. So stellt sich dieses Buch gegen geistige Verwirrungen, die sich als Begleitphänomene einer intellektuellen Krise zeigen.
Das Erwachsenwerden ist Ergebnis der Auseinandersetzung mit der empirischen und der normativen Realität. Insofern hat der postmoderne Anti-Realismus, nämlich die Vorstellung, dass wir es sind, die in einem bestimmten kulturellen Kontext die Realität nach unserem Bild formen, etwas Kindliches.
In dieser Streitschrift nimmt der Autor eine umfassendere realistische Position ein: Als Teilhaber an der menschlichen Lebensform ist unsere Kommunikation stets auf einen unaufgebbaren Realismus angewiesen. Der systematische Zusammenhang zwischen wissenschaftlichem Realismus, meta-ethischem Realismus und einem umfassenden lebensweltlichen Realismus wird durch das Ethos epistemischer Rationalität gestiftet, also durch die Fähigkeit, sich von guten, auf unsere Alltagserfahrungen bezogenen Gründen überzeugen zu lassen. Die Philosophie setzt die lebensweltliche Praxis des Gründe-Gebens und Gründe-Nehmens fort, verallgemeinert und systematisiert diese und integriert einzelwissenschaftliche Methoden und Befunde zu einer stimmigen Weltsicht. Dieser Realismus ist unaufgeregt insofern, als er keine metaphysische Position umreißt und keine apriorischen Argumente ins Feld führt. Er verteidigt letztlich nur Trivialitäten gegen den in intellektuellen Diskursen häufig unternommenen Versuch, sich dieser zu entledigen.
Copyright Year:
2018
The widespread contemporary anti-realism in the humanities, cultural and social sciences, cultural institutions, feuilletons and educated circles is an expression of an intellectual crisis. The realism advocated by Julian Nida-Rümelin opposes the mental confusion that accompanies this intellectual crisis.
The realism represented in this book is comprehensive (it includes not only the natural and social sciences, but also ethics and aesthetics, but above all our life-worldly practice of communication), unagitated (it is not based on a specific metaphysics or ontology), epistemic (it sees itself as a natural interpretation of our practice of justifying opinions and actions) and pragmatic (it takes its starting point from the life practice of everyday life). Nevertheless, he challenges mainstream positions in both analytical and continental philosophy and in this sense sees himself as a philosophical polemic.
Julian Nida-Rümelin lehrt Philosophie und politische Theorie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er war Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie und der Gesellschaft für Analytische Philosophie, sowie Kulturstaatsminister im ersten Kabinett Schröder. Neben rein wissenschaftlichen Texten veröffentlicht er regelmäßig Bücher für ein breiteres Publikum, mit denen es ihm gelingt, Einfluss auf aktuelle gesellschaftliche Debatten zu nehmen.