Lateinamerika avancierte im 20. Jahrhundert zu einem wichtigen Hotspot des weltweiten Staudammbaus. Anhand von Beispielen aus Brasilien, Mexiko, Venezuela und Uruguay wird gezeigt, dass viele Länder der Region Wissenszentren aus einheimischen Ingenieuren, Firmen und Behörden aufbauten, die ab den 1960er Jahren die damals weltweit größten Talsperren errichteten, darunter den venezolanischen Guri-Damm und den brasilianischen Tucuruí-Damm. Die neu formierten technischen Eliten konnten mit ihren Wissensbeständen globale Machtverhältnisse herausfordern, vor allem die Technologieabhängigkeit zum globalen Norden. Talsperren waren in entwicklungspolitische Vorstellungen eingebunden und sollten wirtschaftliches Wachstum entfachen. Die ambivalenten Erfahrungen Lateinamerikas mit dieser Entwicklungspolitik, aber auch mit Umweltzerstörung und zivilgesellschaftlichem Widerstand trugen zur sich global ändernden Wahrnehmung von Talsperren bei.
Copyright Year:
2022
Latin America was an important hotspot of global dam construction in the 20th century. The region established centers of knowledge that constructed the world’s largest dams from the 1960s onwards. State-owned agencies and technical elites were able to challenge global power relations, while environmental degradation and civil society protest contributed to changing global perceptions of dams.
Frederik Schulze hat an der Freien Universität Berlin über die Geschichte der deutschen Einwanderung nach Brasilien promoviert und sich an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zur Geschichte des lateinamerikanischen Staudammbaus habilitiert. Nach Stationen als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den genannten Universitäten vertritt er gegenwärtig die Professur für Ibero-Amerikanische Geschichte an der Universität Bielefeld.