Deserteure der Wehrmacht und der Waffen-SS brachen im Zweiten Weltkrieg mit dem NS-Staat. Sie überschritten in vielfacher Weise Grenzen: Normen der Militärjustiz und militärisch-maskuline Werte, territoriale Sperranlagen und Frontlinien, ideologische Feindbilder, ethnische Hierarchien und Sprachbarrieren. Desertieren war mit der Suche nach Zuflucht und Aufnahme, Amnestie und Anerkennung verbunden. Dabei bewegten sich Deserteure in politisch-sozialen Rahmen, formuliert von Partisanen, Alliierten, neutralen Staaten und schließlich von den Nachfolgestaaten NS-Deutschlands. Der politische Streit um die Deserteure endete vor 15 Jahren mit einer umfassenden Rehabilitierung. Die Beiträge des Bandes rekapitulieren diesen Prozess mit aktuellen Forschungen. Sie richten den Blick auf bislang wenig beachtete Aspekte, etwa dass ein Großteil der Deserteure nichtdeutscher Herkunft war und aus annektierten und besetzten Gebieten stammte, sowie auf die Rolle von Helferinnen und Helfern.
Copyright-Jahr:
2023
Deserters from the Wehrmacht and the Waffen-SS broke with the Nazi state during the Second World War. They crossed borders in many ways: Norms of military justice and masculine values, territorial barriers and front lines, ideological enemy images, ethnic hierarchies and language barriers. Fresh research sheds light on the field, and gives answers.
Kerstin von Lingen ist Professorin für Zeitgeschichte an der Universität Wien und arbeitete bereits zu Militärgeschichte, Repressionspolitik des Nationalsozialismus, Nachkriegsjustiz und Erinnerungskultur. Peter Pirker ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck und Lehrbeauftragter in Klagenfurt. Er arbeitet zur NS-Herrschaft in Österreich und im Alpen-Adria-Raum, zu Widerstand und Geschichtspolitik.