Wissen über die Wirkungen radioaktiver Strahlung bildet eine zentrale Voraussetzung für das Regieren von Strahlen. Um Sicherheitsdispositive gegen Strahlen entwerfen zu können, braucht es Erkenntnisse darüber, welche Effekte Strahlen auf lebende Organismen ausüben und welche Strahlendosen bzw. -mengen gefährlich sind. Im beginnenden ‚Atomzeitalter‘ schien es deshalb zunehmend dringlich, zu erforschen, inwiefern Strahlen schädliche Auswirkungen auf Menschen, andere Lebewesen und die Umwelt haben. Erst wenn bekannt war, wie Strahlen wirken, konnten Grenzwerte festgelegt werden, um Strahlen in ihren vielfältigen Anwendungen in der Medizin, der Industrie und der Forschung zu überwachen und zu regulieren. Wissen über die Wirkungen von Strahlen war jedoch ebenso notwendig, um Schutzmaßnahmen gegen den Einsatz von Atomwaffen zu entwickeln. Sowohl im Hinblick auf einen nuklearen Alltag als auch einen atomaren Notfall erwies sich strahlenbiologisches Grundlagenwissen folglich als unabdingbar.
Dieses Kapitel behandelt die Förderung und Entwicklung der biologischen Strahlenforschung in der Schweiz während des Kalten Krieges. Die Produktion von Strahlenwissen wurde Ende der 1940er Jahre zu einer gouvernementalen Aufgabe erklärt. Als zunehmend wichtiger Bestandteil der schweizerischen Atompolitik vermochte die biologische Strahlenforschung in der Folge umfangreiche Ressourcen zu mobilisieren.1 Untersucht wird, wie sich die schweizerische Forschungspolitik in diesem Wissensgebiet im Verlaufe des Kalten Krieges veränderte und welche Interessen und Strategien, Strukturen und Paradigmen den Forschungs- und Forschungsförderungsbereich der biologischen Strahlenforschung prägten.2 Damit rückt die wenig bekannte Geschichte eines Forschungsfeldes in den Blick, das mit den politischen Kontexten des Kalten Krieges ebenso verschränkt war wie mit den grundlegenden Transformationen der Biowissenschaften im ‚Atomzeitalter‘.
Für die folgenden Ausführungen ist eine begriffliche Vorbemerkung notwendig: Das Forschungsfeld der Strahlenbiologie lässt sich insbesondere bis Mitte der 1960er Jahre nicht klar von anderen biowissenschaftlichen Forschungsgebieten abgrenzen, was eine Definition erschwert. Grundsätzlich lassen sich jedoch zwei Verwendungen des Begriffs unterscheiden: In einem weiten Sinn stellte Strahlenbiologie ein Sammelbegriff dar, unter welchem sämtliche medizinische und biologische Forschungen subsumiert wurden, die sich in irgendeiner Weise mit Wirkungen und Anwendungen von Strahlen befassten.3 In einem engeren Sinn stand die Bezeichnung der Strahlenbiologie für eine selbstständige Disziplin, die Strahlen als epistemische Dinge erforschte, das heißt, das Forschungsinteresse galt den biologischen Wirkungen, die Strahlen auf lebende Organismen ausüben.4 Im Folgenden verwende ich den Begriff Strahlenbiologie (sowie das Synonym Radiobiologie) in der Regel für die engere Lesart, während ich für die weiter gefasste Bedeutung den Begriff der biologischen Strahlenforschung benutze.5 Allerdings handelt es sich bei den Forschungsfeldern, die diese Begriffe bezeichnen, um moving targets, was eine trennscharfe Abgrenzung über den gesamten Untersuchungszeitraum unmöglich macht.6
2.1 Autarkie und Offenheit. Anfänge der biologischen Strahlenforschung, 1947–1958
Die Schweizerische Studienkommission für Atomenergie (SKA) war die erste Institution der schweizerischen Atompolitik, und sie war auch die erste Organisation, die sich mit der Forschungsförderung im Bereich der biologischen Strahlenforschung befasste.7 Sie wurde im Herbst 1945 auf Initiative von Bundesrat Karl Kobelt, dem Vorsteher des Eidgenössischen Militärdepartements (EMD), ins Leben gerufen und war aufgrund des starken Interesses des Militärs an der Atomtechnologie dessen Departement unterstellt.8 Wie im Zweckartikel ausgeführt, bestand die offizielle, in einer bundesrätlichen Verordnung festgeschriebene Aufgabe der SKA darin, das in der Schweiz verfügbare Wissen und Know-how im Bereich der Atomphysik zu erweitern. Dazu sollte die aus zunächst elf, später zwölf Vertretern der Wissenschaft und der Bundesverwaltung zusammengesetzte Expertenkommission Forschungen an Schweizer Hochschulen anregen und unterstützen, Forschungsaufträge erteilen, Behörden beraten und Wissenschaftler ausbilden.9 Das EMD erließ indessen zusätzliche, als geheim deklarierte „Richtlinien für die Arbeiten der SKA auf militärische[m] Gebiet“ (Abb. 1).
Die geheimen militarischen Richtlinien des EMD fur die SKA vom 5.2.1946.
In diesem inoffiziellen militärischen Arbeitsprogramm beauftragte das EMD die SKA nicht nur damit, „die Schaffung einer schweizerischen Bombe oder anderer geeigneter Kriegsmittel, die auf dem Prinzip der Atomenergie beruhen“, anzustreben, sondern wies diese auch an, „die Mittel [zu] studieren, die uns ermöglichen, uns gegen Uran-Bomben und ähnliche Kriegsmittel möglichst wirksam zu schützen.“ Neben der Prüfung baulicher Schutzmaßnahmen sollte in diesem Zusammenhang untersucht werden, „[w]elche Gefahr der Nachwirkung durch radioaktive Elemente besteht.“10 Die klandestin verfolgte Beschaffung eigener Atomwaffen und die angestrebte Suche nach Strahlenschutzmitteln bildeten folglich zwei komplementäre Teile desselben militärstrategischen Projekts. Die von der SKA aufgrund militärischer Interessen geförderte biologische Strahlenforschung steht im Zentrum dieses Teilkapitels. Sie fand in der schweizerischen Geschichtswissenschaft bisher nur marginale Beachtung, obwohl sie für die Entwicklung der biomedizinischen Forschung in der Schweiz von großer Bedeutung war.11
Strahlenbiologisches Wissen und totale Landesverteidigung
In der unmittelbaren Nachkriegszeit und verstärkt im frühen Kalten Krieg avancierte die Vorstellung eines mit Atom- und anderen Massenvernichtungswaffen geführten Krieges in der Schweiz zum neuen Bedrohungsszenario.12 Für diese neue Form der Kriegsführung wurde der Begriff des totalen Krieges verwendet und – als Gegenstück zu dieser Vorstellung – die Idee der totalen Landesverteidigung entwickelt.13 Dem stark auf Erfahrungen und Denkweisen aus dem Zweiten Weltkrieg beruhenden Konzept der totalen Landesverteidigung lag die Überlegung zugrunde, dass der totale Krieg sämtliche Gesellschaftsbereiche verletze, weshalb alle potenziellen gesellschaftlichen Verwundbarkeiten bereits bei der Planung der nationalen Verteidigung mitberücksichtigt werden müssten.14 Das ideologische Fundament der totalen Landesverteidigung, welche in die beiden Hauptbereiche militärische und zivile Landesverteidigung unterteilt wurde, bildete die Geistige Landesverteidigung.15 In der Zwischenkriegszeit als staatstragende Integrationsideologie gegen den Kommunismus einerseits und den Nationalsozialismus andererseits entstanden, erlebte dieses gemeinschaftsideologische Konstrukt im Kalten Krieg eine Renaissance, in deren Zug sowohl Aufrüstungsbestrebungen als auch Repressionen gegen (vermeintliche) äußere und innere Feinde leichter legitimierbar und durchsetzbar wurden. Als identitätsstiftende Kernelemente beschwor die Geistige Landesverteidigung nationale Symbole und Mythen wie die Milizarmee und die Wehrbereitschaft und zementierte einen auf einem starken Antikommunismus und der bewaffneten Neutralität basierenden politischen Grundkonsens.16
Mit Blick auf die schweizerische Atomtechnologieentwicklung und insbesondere die im Geheimen angestrebte Beschaffung einer eigenen Atombombe haben verschiedene Historiker die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Militärvertretern in der SKA auf eine militärisch-wissenschaftliche Allianz zurückgeführt.17 Der Begriff der Allianz weckt indessen falsche Vorstellungen. Er suggeriert nämlich, Militär und Wissenschaft seien ursprünglich ‚autonome‘ gesellschaftliche Teilsysteme gewesen, die dann zu einer bestimmten Zeit eine Allianz gebildet hätten. Eine solche Deutung ist für die Schweiz – gerade während des Kalten Krieges – nicht plausibel: Für das schweizerische Milizsystem – so auch für die SKA als Expertenkommission – war vielmehr die permanente Vermischung der männlichen Eliten aus Wissenschaft, Militär, Verwaltung, Politik und Wirtschaft konstitutiv.18 Zusammengehalten wurden diese Eliten durch gemeinsame Normen und Werte sowie politische Maximen, insbesondere die Einhaltung des schweizerischen Kalte-Krieg-Konsenses. Wer sich nonkonformistisch verhielt und diese Überzeugungen nicht teilte, drohte mundtot gemacht und aus diesem Machtzirkel ausgeschlossen zu werden. Ein kurzes Beispiel aus der SKA verdeutlicht dies: Mit Rekurs auf die humanitäre Tradition der Schweiz warf Kommissionsmitglied Jean Rossel, Professor für Physik an der Universität Neuenburg, anlässlich einer Sitzung im Januar 1956 die Frage auf, ob nicht die SKA oder der Bundesrat im Namen der Schweiz einen Appell zur Vermeidung eines Atomkrieges oder zumindest zur Einstellung der oberirdischen Atombombenversuche erlassen solle. Dieser Antrag wurde klar abgelehnt. Die protokollierte Diskussion ist zwar in höflichem Ton gehalten, die gegen Rossels Idee ins Feld geführten Argumente zeigen jedoch, dass dieser durch sein pazifistisches Ansinnen in die Nähe von Defätisten respektive Kommunisten gerückt wurde. So meinte ein Kommissionsmitglied, Rossels Vorschlag sei „Wasser auf die Mühle der PdA [Partei der Arbeit]“, während ein anderes befürchtete, dass „wir damit nur unsere Bevölkerung beunruhigen würden“. Am Ende sah sich Rossel dazu veranlasst, nachzugeben und sich persönlich zu verteidigen.19 Pazifistische Haltungen galten vor dem Hintergrund des schweizerischen Kalte-Krieg-Konsenses tendenziell als verdächtig, weil sie die militärischen und politischen Ziele der totalen Landesverteidigung sowie die mit dieser verbundenen idealisierten Imaginationen einer wehrhaften und autarken Schweiz infrage stellten. Dies war in der SKA nicht erwünscht. So gaben militärisch begründete Autarkievorstellungen, wie ich im Folgenden zeigen werde, den wesentlichen Anstoß für das Engagement der SKA im Bereich der biologischen Strahlenforschung.
Strahlenschutzfragen waren nach Ansicht der schweizerischen Militärspitze von zentraler Bedeutung, um in einem künftigen Atomkrieg die militärische Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Bereits anlässlich einer vor der konstituierenden Sitzung der SKA im November 1945 durchgeführten Gesprächsrunde, an welcher neben den designierten Kommissionsmitgliedern auch Bundesrat Karl Kobelt und weitere hochrangige Vertreter des EMD teilnahmen, stellten Schutzmaßnahmen gegen Atomwaffen ein zentrales Diskussionsthema dar. Generalstabschef Louis de Montmollin wollte von Kommissionspräsident Paul Scherrer, Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und Leitfigur der schweizerischen Atomphysik, etwa wissen, welche Schutzvorkehrungen die Armee „im Hinblick auf einen Angriffskrieg mit Atombomben“ treffen müsse. Den Ausbildungschef der Armee Hans Frick wiederum beschäftigte die Frage, ob ein Gelände nach einem Atombombeneinsatz „wegen einer allfälligen radioaktiven Strahlung“ noch betretbar sei.20 Einen weiteren Hinweis darauf, als wie wichtig die Schweizer Militärs Probleme des Strahlenschutzes erachteten, stellt die Wahl von Hermann Gessner dar, der im Dezember 1950 vom Bundesrat auf Antrag der Kriegstechnischen Abteilung des EMD als zusätzliches zwölftes Mitglied in die SKA gewählt wurde. Gessner hatte kurz zuvor die Leitung der Sektion für Schutz und Abwehr gegen ABC-Waffen in der Abteilung für Sanität des EMD übernommen und baute die neugeschaffene ABC-Sektion in der Folge kontinuierlich aus.21
Auf Initiative von Kommissionsmitglied Alexander von Muralt, Physiologieprofessor an der Universität Bern, begann die SKA 1947 damit, die biologischen Wirkungen von Strahlen zu erforschen. Der spätere Initiant und erste Präsident des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung schlug vor, „dass nun auch die Probleme der durch die Uranmaschine und Atombombe hervorgerufenen Strahlenschädigungen vom medizinischen und biologischen Standpunkte aus in Angriff genommen werden sollten.“22 Von Muralt plädierte dafür, zur Klärung dieser Fragen zusätzlich den Berner Radiologen Adolf Zuppinger hinzuzuziehen. In der SKA war zu diesem Zeitpunkt augenscheinlich nur wenig strahlenbiologisches Wissen vorhanden. Als ersten Schritt nahm ein Assistent der unter der Leitung von von Muralt und Zuppinger stehenden Arbeitsgruppe deshalb die Aufarbeitung der aktuellen Forschungsliteratur in Angriff. Die Resultate dieser Recherche – im Wesentlichen eine Zusammenfassung der bis zu diesem Zeitpunkt zugänglichen mehrheitlich US-amerikanischen und britischen medizinischen Forschungsliteratur – fanden Eingang in den zweiten von insgesamt vier geheimen militärischen Berichten, welche die SKA zwischen 1947 und 1950 verfasste, um die in den militärischen Richtlinien aufgeworfenen Fragen zu beantworten.23 Dieser Bericht über die „Wirkung der Atombombe auf den Menschen“ befasste sich aus medizinischer Sicht mit der biologischen Wirkung von Strahlen. Gleich zu Beginn hielt der Bericht fest, deren Kenntnis bilde „die Voraussetzung, um für evtl. Atombombenangriffe die nötigen Schutzmassnahmen und Hilfsvorbereitungen treffen zu können.“24 Eigene Forschungsergebnisse enthielt der Bericht hingegen praktisch keine, da sich die entsprechenden Untersuchungen der SKA erst im Anfangsstadium befanden.
Um die biologische Strahlenforschung gezielt voranzutreiben, hielten Mitglieder der SKA im Dezember 1947 eine spezielle Sitzung ab. Auf der Tagesordnung stand ein einziger Punkt: „Welches Gerät oder Mittel ist am zweckmässigsten und steht am schnellsten zur Verfügung zur Untersuchung der Wirkung der von der Atombombe ausgehenden durchdringenden Strahlen auf den tierischen Körper?“ Während der Diskussion setzte sich von Muralt besonders stark für die Durchführung strahlenbiologischer Forschungen ein. Für ihn bestand der Zweck der dringend nötigen Strahlenuntersuchungen darin,
therapeutische Massnahmen gegen die beim Bestrahlen durch eine A-Bombe auftretenden Körperschäden treffen zu können und wenn möglich, Vorräte von Heilmitteln zu schaffen. Wenn zweckmässige Heilmittel in genügender Menge vorhanden sind, dann ist die Stellung des Bundesrates in einem Konfliktsfalle wesentlich anders, als wenn keine Vorkehren getroffen sind.
Seine Ausführungen schloss er mit den eindringlichen Worten, er sei dafür, „dass etwas und zwar etwas Rechtes geschieht.“25 Die übrigen Sitzungsteilnehmer teilten von Muralts Überzeugungen. Nach rund eineinhalbstündiger Diskussion entschieden sich die Mitglieder der SKA für die Anschaffung eines Betatrons – ein Teilchenbeschleuniger –, das sie als das geeignetste Gerät für die beabsichtigten Strahlenversuche betrachteten.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Arbeitsgruppe unter von Muralt und Zuppinger lediglich einige erste experimentelle Bestrahlungsversuche mit bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannten Strahlungsquellen durchgeführt. So waren im Einklang mit der internationalen strahlenbiologischen Forschung allgemeine Fragen der Strahlenwirkung untersucht und mittels Röntgenstrahlen und Radium Tiere und einzelne Nervenfasern bestrahlt sowie die blutbildende Wirkung bestimmter Stoffe studiert worden.26 Für die von der SKA geplanten strahlenbiologischen Versuche sollte nun die viel leistungsfähigere Betatron-Anlage angeschafft werden. Mit diesem Teilchenbeschleuniger konnten hochenergetische Photonenstrahlen erzeugt werden, was 1947 in der Schweiz nirgends möglich war, weil die dazu notwendigen Apparate fehlten. Da Zuppinger davon ausging, dass auch Neutronenstrahlen für die bei den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki entstandenen Strahlenschäden verantwortlich waren, hätte er gerne sowohl mit energiereichen Photonen- als auch mit Neutronenstrahlen experimentiert.27 Ein Neutronengenerator, der im Bedarfsfall für Tierversuche zur Verfügung stand, befand sich bereits im Physikalischen Institut von Kommissionsmitglied Paul Huber an der Universität Basel, und die Mitglieder der SKA hielten es für „sehr schwierig und kostspielig“, eine solche Apparatur zusätzlich in Bern zu installieren.28
In einem Bericht begründete Zuppinger die Beschaffung des Betatrons mit der Relevanz der strahlenbiologischen Forschung für die schweizerische Landesverteidigung. Als besonders problematisch erachtete er, dass die SKA hinsichtlich der schädlichen Wirkungen von Strahlen „vollständig auf die Mitteilungen amerikanischer und englischer Beobachter angewiesen“ sei. „Diese Mitteilungen sind von beschränktem Wert, da gegenwärtig das ganze Atombombenproblem von einer Geheimsphäre umgeben ist. […] Bei der Durchsicht der veröffentlichten offiziellen Berichte gewinnt man den Eindruck, dass wichtige Punkte nicht gebührend berücksichtigt resp. ‚aus Sicherheitsgründen‘ übergangen wurden.“ Die in der Schweiz geplanten „Vorbereitungen für Abwehr und Behandlung der Geschädigten“ müssten „sich auf sichere Unterlagen stützen können“. Aus diesem Grund schlug Zuppinger vor, selbst Tierversuche durchzuführen, „um die vorhandenen Angaben zu verifizieren und die fehlenden Daten nach Möglichkeit durch eigene Versuche zu ergänzen.“29 Zuppinger argumentierte also, eigenständig und unabhängig durchgeführte strahlenbiologische Untersuchungen würden eine wesentliche Voraussetzung dafür darstellen, dass die Schweiz militärisch relevantes Strahlenschutzwissen gewinnen könne. In diesem Plädoyer für eine autarke Wissensproduktion spiegelte sich das militärstrategische und das ideologische Konzept der totalen Landesverteidigung wider.
Im März 1948 fällte die SKA den grundsätzlichen Beschluss, für die angestrebten strahlenbiologischen Untersuchungen ein eigenes Betatron zu kaufen. Kommissionssekretär Alfred Krethlow holte zu diesem Zweck bei einer US-amerikanischen, einer britischen und der im aargauischen Baden ansässigen Firma Brown, Boveri & Cie. (BBC) Offerten ein. Die SKA entschied sich schließlich dafür, den Bau eines Betatrons mit einer Elektronenenergie von 30 MeV bei der BBC in Auftrag zu geben.30 Die Auftragsvergabe für die Herstellung von Apparaten und Forschungsinstrumenten an die nationale Industrie ist als eine schweizerische Strategie interpretiert worden, um die Embargo-Politik der USA auf dem Gebiet der Atomenergie zu umgehen.31 Tatsächlich hätte – dies war den Kommissionsmitgliedern bewusst – die Lieferung eines amerikanischen Betatrons in die Schweiz einer Bewilligung der US-Regierung bedurft. Die im entsprechenden Sitzungsprotokoll zusammengefassten Voten deuten indessen nicht darauf hin, dass die Umgehung des US-Embargos der ausschlaggebende Grund für die Wahl der BBC als Herstellerfirma darstellte, zumal ja auch ein britisches Gerät im Gespräch war. In der protokollierten Diskussion werden vielmehr zwei andere Kriterien erwähnt. Erstens bot die BBC in ihrer Offerte die kürzeste Lieferfrist für die Anfertigung eines Betatrons an.32 Der Frage des Liefertermins kam seit Beginn der Anschaffungsdiskussion hohe Priorität zu, da die SKA daran interessiert war, möglichst rasch mit den Bestrahlungsversuchen zu beginnen.33 Zweitens spielte die Tatsache, dass es sich bei der BBC um ein schweizerisches Unternehmen handelte, bei der Wahl der Herstellerfirma eine entscheidende Rolle. Dies verdeutlicht die unwidersprochene Aussage eines Kommissionsmitglieds, welches dafür plädierte, „dass man ein B.B.C.-Betatron kaufen solle und nicht ein ausländisches.“34 Der Beschluss der SKA, einer Schweizer Firma den Vorzug zu geben, fügte sich in symbol- wie auch in wirtschaftspolitischer Hinsicht bestens in die Autarkievorstellungen der totalen Landesverteidigung ein.
Die Autarkielinie wurde im frühen Kalten Krieg von der Kriegstechnischen Abteilung besonders vehement vertreten. Diese fungierte als Schlüsselstelle für die Entwicklung und Beschaffung von Rüstungsgütern für die Schweizer Armee und war in der SKA durch ihren Chef René von Wattenwyl sowie durch den Sektionschef Alfred Krethlow vertreten.35 Eine möglichst autarke Forschung und Entwicklung wurde zu Beginn des Kalten Krieges indessen nicht nur bei der Beschaffung von Kriegsmaterial angestrebt.36 Vielmehr war dieses Postulat auch für die wirtschaftliche und die zivile Landesverteidigung sowie allgemein für die Versorgung des Landes mit als lebenswichtig erachteten Produkten und Gütern maßgebend.37 So sollte beispielsweise der Blutspendedienst ab dem Ende der 1940er Jahre so aufgebaut werden, dass er in einem Katastrophenfall eine autarke Versorgung der Schweiz mit Blut und Blutprodukten garantieren würde.38 Im Bereich der Energieversorgung war die Vorstellung der Autarkie ebenfalls präsent, was sich in den 1950er und 1960er Jahren unter anderem im Versuch niederschlug, eine eigene Reaktorlinie zu entwickeln, an welcher sich die SKA finanziell beteiligte.39 In der Realität waren solchen Autarkiebestrebungen aufgrund zunehmender wirtschaftlicher und technologischer Verflechtungen und Abhängigkeiten indes Grenzen gesetzt. Dennoch zeigt der Betatron-Kaufentscheid, dass die Produktion von Strahlenwissen für die SKA auch in technologischer Hinsicht eine Aufgabe darstellte, die mit dem Autarkieideal der totalen Landesverteidigung übereinstimmen sollte und deshalb in Zusammenarbeit mit der nationalen Industrie zu lösen war.
Transnationaler Know-how-Transfer und nationale Wissensproduktion
Die Beschaffung des Betatrons war mit großen Schwierigkeiten verbunden. Rund drei Jahre nach dem grundsätzlichen Kaufentscheid war die SKA aufgrund von Entwicklungsschwierigkeiten der BBC noch keinen Schritt weitergekommen. Zudem waren auf dem Markt inzwischen neue, leistungsfähigere Betatron-Typen erhältlich, sodass sich erneut die Frage stellte, welches Gerät nun tatsächlich angeschafft werden sollte.40 Wie sich im Folgenden zeigen wird, trug der Austausch mit US-amerikanischen Wissenschaftlern und Forschungsinstituten maßgeblich dazu bei, die von der SKA anvisierte strahlenbiologische Forschung schließlich doch in Gang zu setzen. Dieser transnationale Know-how-Transfer konterkarierte die schweizerische Prämisse einer autarken Wissensproduktion.
Der aufgrund der Entwicklungsschwierigkeiten des Betatrons stark verzögerte Beginn der Strahlenversuche sorgte unter den Mitgliedern der SKA für Unmut. In einer Sitzung im Januar 1951 diagnostizierte Alexander von Muralt unter Verweis „auf die in grossem Umfange in den U.S.A. laufenden Arbeiten“ dringenden Handlungsbedarf und betonte: „Auch bei uns muss etwas geschehen.“ Später setzte er nach: „Tun wir nichts, so vernachlässigen wir die der SKA übertragene Aufgabe.“ Kommissionsmitglied Max Kaufmann, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, sah dies genauso und rekurrierte auf die öffentliche Meinung: „Das Volk erwartet, dass die SKA betreffend Strahlungsschäden auf biologischem Gebiete etwas tut.“ René von Wattenwyl unterstützte die Voten seiner Vorredner und ergänzte, dass „das ganze Volk an den Strahlungsproblemen interessiert“ sei. Die Mitglieder der SKA waren sich zudem einig darüber, dass man den Standort Bern unter der Führung der Professoren von Muralt und Zuppinger „zum Zentrum für biologische Forschung ausbaut“.41
Hauptgegenstand der anlässlich dieser Sitzung geführten Diskussion bildete die Frage, ob, wie ursprünglich beabsichtigt, ein Betatron mit einer Elektronenenergie von ungefähr 30 MeV oder ein Gerät mit einer Energie von 60–100 MeV angeschafft werden solle. Während für die strahlenbiologischen Forschungen ein 30 MeV-Betatron genügt hätte, zeigten vor allem Physiker Interesse an einem Apparat mit einer energiereicheren Strahlung, da mit einem derartigen Gerät auch Materialuntersuchungen durchgeführt werden konnten, wie sie insbesondere die Kriegstechnische Abteilung plante.42
Um – wie ein Sitzungsprotokoll festhielt – „einwandfrei festzustellen, welches Betatron für die vorgesehenen Arbeiten am zweckmässigsten ist“, unternahm Adolf Zuppinger im Auftrag der SKA im Oktober und November 1951 eine Studienreise in die USA.43 Während seines sechswöchigen Aufenthalts besuchte er über ein Dutzend Universitätsinstitute, Nationale Forschungslaboratorien und Armeeforschungseinrichtungen, deren strahlenbiologische Arbeiten größtenteils von der Atomic Energy Commission, dem amerikanischen Pendant zur SKA, in Auftrag gegeben oder von dieser finanziell unterstützt wurden.44 Aus dem Reisebericht, den Zuppinger für die SKA verfasste, wird ersichtlich, dass er in den renommiertesten strahlenbiologischen Forschungseinrichtungen mit führenden Wissenschaftlern, ranghohen Militärs und wichtigen Funktionären der Atomic Energy Commission in Kontakt kam.45 Um nur zwei Beispiele zu nennen: Im kalifornischen Berkeley besprach sich Zuppinger mit den Brüdern Ernest O. und John Lawrence sowie mit Joseph Hamilton. In Berkeley befand sich bereits seit den 1930er Jahren ein Teilchenbeschleuniger, ein sogenanntes Zyklotron, mit dem Radioisotope produziert werden konnten und für dessen Entwicklung Ernest O. Lawrence 1939 den Nobelpreis für Physik erhalten hatte. Die Radioisotope fanden in den Laboratorien von Berkeley sowie an der Medical School der University of California in San Francisco in biologischen und therapeutischen Experimenten Verwendung.46 Am Oak Ridge National Laboratory in Tennessee tauschte sich Zuppinger mit Alexander Hollaender aus. Hollaender hatte nach dem Zweiten Weltkrieg mit Unterstützung der Atomic Energy Commission ein großes strahlenbiologisches Forschungsprogramm initiiert, das von Strahlen verursachte genetische Mutationen an Mäusen untersuchte mit dem Ziel, die Säugetiergenetik mit der anhand von Untersuchungen der Drosophila-Fliegen entwickelten Mutationstheorie zu verbinden.47
In seinem Reisebericht strich Zuppinger besonders „die ausserordentliche Offenheit und Bereitwilligkeit“ heraus, „mit der sie [die Forscher] ihre bisherigen Ergebnisse und ihre laufenden Untersuchungen mitteilen“. Zudem zeigte er sich äußerst beeindruckt darüber, „mit welcher Energie und mit welchem Ausmass von Mitteln in den USA an der Lösung strahlenbiologischer Probleme gearbeitet wird“, da „ein allgemeines Verständnis dafür [besteht], dass die Förderung der Wissenschaft lebens-, ja existenznotwendig ist.“48 In einer Übersicht fasste Zuppinger die in den USA behandelten strahlenbiologischen Probleme in fünf Aufgabenkreisen zusammen: erstens strahlenbiologische Forschungen zu Strahlentod und -schäden, die – wie die von der SKA angestrebten Untersuchungen – das Ziel verfolgten, Mittel zu finden, um diese Schäden zu kurieren oder zumindest zu minimieren; zweitens die Anwendung radioaktiver Isotope in Forschung, Diagnostik und Therapie; drittens die Abklärung allgemeiner biologischer Probleme mittels radioaktiver Substanzen, auch wenn diese nicht in einem offensichtlichen Zusammenhang mit strahlenbiologischen und kernphysikalischen Fragen standen; viertens die Verhütung von Strahlenschäden und – mit diesem Punkt verbunden – fünftens die Ausbildung von Spezialisten für die Durchführung von Strahlenschutzmessungen und die sichere Anwendung radioaktiver Substanzen.49 Weil die USA damals auf dem Gebiet der biologischen Strahlenforschung weltweit führend waren, gaben diese Themenfelder den angestrebten internationalen Standard für Forschungsprogramme vor. Wenngleich Zuppinger einräumte, dass es „keiner Erläuterung“ bedürfe, „dass man die Verhältnisse in den USA nicht ohne weiteres auf unser Land übertragen kann“, orientierten sich seine Vorschläge für die SKA praktisch eins zu eins an den in seinem Bericht erwähnten Empfehlungen der US-amerikanischen Wissenschaftler.50 So regte er an, dass sich die SKA künftig neben der eigentlichen strahlenbiologischen Forschung auch für Untersuchungen mit radioaktiven Substanzen und stabilen Isotopen sowie – über die Forschungsförderung hinausgehend – für übergeordnete Aufgaben wie den Auf- und Ausbau von Strahlenschutzmaßnahmen für den Friedens- und den Kriegsfall einsetzen solle.51
Zuppingers Aufenthalt in den USA brachte auch die gewünschte Klärung hinsichtlich der Frage des anzuschaffenden Gerätetyps. Einstimmig schloss sich die SKA der Empfehlung „[a]merikanische[r] Fachkreise“ an, die „dem 60 MeV-Beta-Synchrotron unbedingt den Vorzug vor dem 30 MeV-Gerät“ gaben, und bestellte bei der BBC Ende 1951 ein Beta-Synchrotron mit einer Leistung von 60 MeV.52 Die BBC war indessen wiederum nicht in der Lage, dieses Gerät bis zum vereinbarten Liefertermin Ende Juni 1954 fertigzustellen.53 Immerhin konnte die Berner Arbeitsgruppe für ihre Strahlenexperimente ab Juli 1953 ein Betatron mit einer Leistung von rund 30 MeV benutzen, welches die BBC leihweise zur Verfügung stellte.54
Die von Zuppinger unternommene Studienreise zeigt exemplarisch, dass die SKA auf den US-amerikanischen Know-how-Transfer angewiesen war, um die eigene strahlenbiologische Forschung basierend auf internationalen Forschungs- und Technologiestandards voranzutreiben. Es war in erster Linie dieser unverzichtbare transnationale Wissenstransfer, welcher das vor dem Hintergrund der totalen Landesverteidigung propagierte Ideal einer autonomen Wissensproduktion von Anfang an unterminierte.
Kooperationen und ‚strategische Multioptionalität‘
Mit dem von der BBC geliehenen Betatron (Abb. 2) unternahm Adolf Zuppingers Team am Röntgeninstitut der Universität Bern ab dem Sommer 1953 physikalische, biologische und therapeutische Bestrahlungsversuche, wobei letztere primär auf die Behandlung von Krebstumoren ausgerichtet waren.55 Daneben arbeiteten Zuppinger und seine Mitarbeiter auch mit chemischen Strahlenschutzstoffen sowie mit radioaktiven Isotopen, die ihnen sowohl zu diagnostischen als auch zu therapeutischen Zwecken dienten.56 Im Folgenden fokussieren meine Ausführungen die von der Berner Arbeitsgruppe durchgeführten Strahlenversuche und die damit verbundenen Kooperationen.
Das Berner Betatron. Schwarzer Tubus rechts: Austritt der Strahlung von circa 30 MeV. Weiser Tubus links: Austritt der diagnostischen Rontgenstrahlung.
Die Versuchsanordnungen der biologischen Strahlenforschung waren durch eine Offenheit gegenüber unterschiedlichen Forschungsstrategien und -zielen charakterisiert. Solche Untersuchungsanordnungen lassen sich im Sinne von Hans-Jörg Rheinberger als Experimentalsysteme auffassen, die sich „durch Mehrdeutigkeit“ sowie durch den Umstand auszeichnen, „dass sie noch unbekannte Antworten auf Fragen geben, die der Experimentator ebenfalls noch gar nicht klar zu stellen in der Lage ist.“57 Diese für Experimentalsysteme charakteristische Offenheit führte dazu, dass sich für Zuppingers Arbeitsgruppe vielfältige Kooperationsmöglichkeiten eröffneten, die sowohl disziplinäre als auch räumliche Grenzen überschritten. Zudem bedingten die Planung, Vorbereitung und Durchführung der Strahlenexperimente und -behandlungen, aber auch die Konstruktion, Handhabung und Optimierung der dafür notwendigen technischen Apparate und Instrumente sowohl Know-how und Wissen aus verschiedenen Disziplinen als auch Objekte und Materialien von anderen Forschungseinrichtungen, privaten Unternehmen oder staatlichen Stellen. Für eine erfolgversprechende Durchführung der Forschungsarbeiten war Zuppingers Team folglich in konstitutiver Weise auf Zusammenarbeit angewiesen.
Aus den Jahresberichten, die Adolf Zuppinger für die SKA verfasste, lassen sich zahlreiche lokale, nationale und transnationale Forschungskooperationen erschließen. Auf lokaler Ebene fand eine rege Zusammenarbeit zwischen Zuppingers Röntgeninstitut und anderen Instituten und Kliniken der Universität Bern und des Inselspitals statt.58 Aufgeführt sei nur eine kleine Auswahl von Beispielen: Mit dem Anatomischen Institut unternahm Zuppingers Team Strahlenversuche an Gewebekulturen, mit der Augenklinik führte es die Strahlentherapie zur Behandlung von Augenkrankheiten ein, mit der Frauenklinik arbeitete es mit radioaktiven Kobaltperlen an der Behandlung von Gebärmuttergeschwülsten, und mit der Urologischen Klinik experimentierte es mit Kobaltisotopen an der Beseitigung von Blasentumoren.59 Zudem testete Zuppingers Forschergruppe mit dem Medizinisch-Chemischen Institut chemische Substanzen auf deren Potenzial als Strahlenschutzstoffe. Untersuchungen mit chemischen Strahlenschutzstoffen lösten zu Beginn der 1950er Jahre international große Hoffnungen auf eine Heilung von Strahlenschäden aus. Durchschlagende Erfolge blieben allerdings aus.60 Schließlich führte Zuppingers Arbeitsgruppe mit dem Physiologischen und dem Physikalischen Institut physikalische Versuche – beispielsweise thermische Messungen und Neutronenmessungen – am Betatron durch, um Dosierungsprobleme zu lösen. Die Beantwortung von Dosierungsfragen bildete die Voraussetzung für die strahlentherapeutische Anwendung des Betatrons am Menschen.61 Daneben entwickelte und verbesserte Zuppingers Forschergruppe in Zusammenarbeit mit dem Theodor-Kocher-Institut verschiedene Apparate. Darunter befand sich ein sogenannter Scinti-Scanner, mit dem sich als Tracer verwendete Radioisotope lokalisieren ließen. Beim Berner Scinti-Scanner handelte es sich, wie der Name schon antönt, um einen Szintillationszähler, einen Prototypen moderner bildgebender Verfahren. Mit dieser Methode konnten unter anderem Leber- und Hirntumore festgestellt, aber beispielsweise auch Schilddrüsenfunktionen untersucht werden.62
Zu diesen lokalen Kooperationen kam auf nationaler Ebene die Zusammenarbeit mit schweizerischen Hochschulinstituten und Bundesstellen hinzu. Mit dem Röntgeninstitut der Universität Genf führten die Berner Forscher eine Versuchsserie zum Vergleich der Betatron- und der Kobaltstrahlung durch, während sie mit der Abteilung für Sanität des EMD die Schutzwirkung verschiedener Strahlenschutzmittel überprüften. Das Physikinstitut der Universität Fribourg machte für die Berner Wissenschaftler mit einer Tropfenkammer Aufnahmen der Betatron-Strahlung, und die Reaktor AG in Würenlingen aktivierte Gold für die Behandlung von Tumoren. Außer zur BBC unterhielt Zuppingers Team Kontakte zu weiteren Schweizer Industrieunternehmen – hauptsächlich, um für diese Materialuntersuchungen und -messungen vorzunehmen. Für die Berner Firma Wander AG etwa wurden C14-Messungen an organischen Präparaten und für die ebenfalls in Bern ansässige Firma G. Hasler Materialprüfungen an Flugzeuginstrumenten durchgeführt.63
Auf transnationaler Ebene tauschte sich das Berner Team mit verschiedenen US-amerikanischen Forschungseinrichtungen aus. Eine besonders enge Kooperation bestand mit der Medical School der University of California in San Francisco, deren Leiter Robert Stone Zuppinger auf seiner Studienreise kennengelernt hatte.64 Bei dieser Zusammenarbeit ging es insbesondere um den Vergleich von Messwerten von mit dem Betatron durchgeführten physikalischen und biologischen Experimenten. Weitere Zusammenarbeiten fanden auch mit der University of Illinois School of Medecine in Chicago statt. Verbindungen bestanden ebenfalls zu Wissenschaftlern und Forschungsstellen in der Bundesrepublik Deutschland und in Großbritannien. So führte etwa Richard Glocker, Direktor des Röntgeninstituts an der Technischen Universität Stuttgart, für ein Forschungsprojekt von Zuppingers Team verschiedene Messvergleiche durch.65 Mitte der 1950er Jahre absolvierte ein Mitarbeiter von Zuppinger einen dreimonatigen Aufenthalt in Großbritannien, um sich an führenden britischen Forschungszentren über den neuesten Entwicklungsstand auf den Gebieten der Isotopenanwendung und der Strahlenbiologie zu orientieren. Aus Großbritannien fanden überdies verschiedene Therapiestoffe und Forschungsobjekte den Weg nach Bern. Die Berner Wissenschaftler pflegten auch Kontakte mit ausländischen Firmen, um technische Instrumente und Apparaturen zu erhalten, etwa mit den Physikalisch-Technischen Werkstätten Dr. Pychlau GmbH in Freiburg im Breisgau, die sich zu einem führenden Unternehmen in der Herstellung von Dosimetern und anderen Strahlenmessgeräten entwickelten.66
Im Hinblick auf diese Forschungsverbindungen sind drei Punkte hervorzuheben: Erstens verdeutlichen die erwähnten Kooperationen, dass es sich bei der biologischen Strahlenforschung um ein multidisziplinäres Forschungsgebiet handelte, in welchem medizinisches, chemisches, biologisches und physikalisches Wissen und Know-how ineinanderflossen und die Disziplinengrenzen mitunter verschwammen. Eine starke Transdisziplinarität zeichnete die biologische Strahlenforschung von Beginn an aus, weil die epistemischen und technologischen Anforderungen der Experimentalsysteme in diesem Forschungsgebiet äußerst voraussetzungsreich waren.67 So bedurften die Mediziner an Zuppingers Röntgeninstitut beispielsweise der Mitarbeit eines erfahrenen Physikers, damit das Betatron reibungslos funktionierte.68 Die biologische Strahlenforschung erwies sich somit nicht nur als offen und attraktiv für den Zugriff verschiedener Disziplinen, diese Offenheit bildete vielmehr die unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung der Strahlenversuche. Insofern war eine fächerübergreifende Zusammenarbeit für die Entwicklung dieses Forschungsfeldes förderlich. Gleichzeitig erschwerte diese Transdisziplinarität – darauf werde ich im nächsten Teilkapitel zurückkommen – die Disziplinbildung bzw. die Ausbildung eines Fachverständnisses, was sich für die Institutionalisierung der Strahlenbiologie als selbstständiges Fach an schweizerischen Universitäten als hinderlich erwies.
Zweitens zeugen diese Kooperationen erneut davon, dass Autarkieideale, wie sie im Konzept der totalen Landesverteidigung propagiert wurden, für die Berner Arbeitsgruppe im Forschungsalltag nicht handlungsleitend waren. Vielmehr orientierte sich Zuppingers Team an internationalen Forschungsstandards und aktuellen Forschungsthemen und veröffentlichte in zahlreichen Konferenzbeiträgen und Fachpublikationen eigene Forschungsergebnisse, die in renommierten internationalen Zeitschriften wie dem American Journal of Radiology und dem American Journal of Urology erschienen.69 Diese im Wissenschaftsbetrieb übliche Zirkulation von Wissen ist keineswegs so selbstverständlich, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Aufgrund einer bundesrätlichen Verordnung bedurfte nämlich jede Publikation von Forschungsresultaten, die mit Geldern der SKA unterstützt worden waren, der Zustimmung des EMD.70 Es finden sich zwar keinerlei Hinweise darauf, dass es im Bereich der biologischen Strahlenforschung je zu einer Einschränkung oder gar einem Verbot einer wissenschaftlichen Veröffentlichung gekommen wäre. Die vom Bundesrat aufgestellte Regelung unterstreicht jedoch deutlich die militärstrategische Bedeutung, welche die schweizerische Regierung der Atom- und Strahlenforschung zuschrieb.
Drittens zeigen diese Kooperationen, dass für die erfolgreiche Durchführung der Strahlenexperimente der transnationale Austausch von Methoden und Techniken, Materialien und Objekten grundlegend war. Als besonders wichtig erwiesen sich Austauschbeziehungen mit US-amerikanischen Wissenschaftlern und Instituten. Die im vorherigen Abschnitt beschriebene Studienreise von Adolf Zuppinger sowie die eben erläuterte Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Forschungseinrichtungen können – folgt man dem Wissenschafts- und Technikhistoriker John Krige – als Beispiele für die transnationale Koproduktion von Wissen interpretiert werden, die auf einer „amerikanischen Hegemonie“ basierte. Krige vertritt die These, dass die USA mit solchen Zusammenarbeiten das Ziel verfolgten, andere Staaten an die US-amerikanische Forschungs- und Technologieentwicklung zu binden und dadurch dem sowjetischen Einflussbereich zu entziehen. Mit dieser Strategie versuchten die USA im beginnenden Kalten Krieg, ihre globale Führungsrolle in wissenschaftlicher und technologischer Hinsicht auszubauen.71 Allerdings zeigt die Liste der Kooperationspartner, dass die USA nicht den einzigen Bezugspunkt für Kooperationen der Berner Forscher bildeten. Mit Wissenschaftlern und Forschungseinrichtungen aus Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland wurden ebenfalls wichtige Austauschbeziehungen gepflegt. Das in der Schweiz erarbeitete Strahlenwissen ist deshalb nicht oder zumindest nicht nur als Produkt US-amerikanischer Hegemonie zu verstehen.72 Die Arbeits- und Austauschbeziehungen der Berner Arbeitsgruppe sollten vielmehr dazu beitragen, auch ohne die Möglichkeiten von Großforschung international konkurrenzfähige Forschung zu betreiben. Die handlungsleitende Maxime der Schweizer Forscher lässt sich deshalb als ‚strategische Multioptionalität‘ beschreiben, indem die schweizerische Strategie darauf abzielte, für mangelndes Wissen, fehlendes Know-how und benötigte Materialien alle verfügbaren Kanäle zu mobilisieren.
Die inhärente Offenheit und Eigendynamik von Experimentalsystemen begünstigten indessen nicht nur vielfältige, über die Grenzen von Nationen und Disziplinen hinausgehende Kooperationen. Vielmehr ermöglichten sie auch eine Verschiebung von Untersuchungszielen und Anwendungshorizonten. Wiewohl die SKA einen militärstrategischen Auftrag hatte, verloren die aus militärischen Interessen verfolgten Strahlenuntersuchungen zunehmend an Bedeutung. Demgegenüber kam es, wie der nächste Abschnitt zeigt, zu einem Aufschwung klinischer Strahlenanwendungen im diagnostisch-therapeutischen Bereich.
Grenzauflösungen und Verschiebungen
Kliniker des Inselspitals interessierten sich von Anfang an für Strahlenuntersuchungen mit dem Betatron. Dies belegt ein Vertrag, welcher auf Vorschlag der SKA zwischen dem Bund und dem Kanton Bern abgeschlossen wurde. Gemäß diesem Übereinkommen aus dem Jahr 1953, seitens des Bundes vom EMD und seitens des Kantons Bern von der Erziehungsdirektion unterzeichnet, zahlte die SKA die Kosten für das Gerät, während sich der Kanton Bern zur Übernahme der Raum-, Unterhalts- und Betriebskosten des Betatrons auf dem Areal des Inselspitals verpflichtete. Als Gegenleistung für diese Kostenbeteiligung erhielt das Inselspital im Abkommen das Recht zugesichert, das Betatron während der halben Arbeitszeit für medizinisch-therapeutische Zwecke zu nutzen.73
Zum einen verdeutlicht das institutionelle Arrangement zwischen dem Bund bzw. der SKA und dem Kanton Bern bzw. dem Inselspital die gemeinsamen Interessen von Militär und Medizin im Bereich der immer apparateintensiveren Strahlenforschung. Der Zugang zu modernen, teuren Geräten sowie radioaktiven Substanzen bildete sowohl für die strahlenbiologische Grundlagenforschung als auch für die Weiterentwicklung der klinischen Strahlenmedizin eine unabdingbare Voraussetzung.74 Die Beschaffung der technischen Ausrüstung von Hochschulinstituten stellte deshalb ein wichtiges, jedoch äußerst kostspieliges Aufgabengebiet staatlicher Forschungsförderung in diesem Bereich dar.75 Die von der SKA im Falle des Betatrons angewandte Praxis, das Gerät an sich, nicht aber die dafür notwendige Infrastruktur zu finanzieren, wurde von ihren Nachfolgeorganisationen im Bereich der Forschungsförderung beibehalten. Das Inselspital wiederum konnte durch die Beteiligung am Gemeinschaftsprojekt über die Nutzung der Anlage mitbestimmen.
Zum anderen basierte dieses Joint Venture auf Seiten der Vertragspartner auf unterschiedlichen Forschungsprämissen: Die SKA war aus militärstrategischen Gründen primär an Grundlagenforschungen über Strahlen interessiert. Ziel dieser Untersuchungen war die Produktion von Präventivwissen für den Strahlenschutz. Die SKA wollte Strahlen somit als eigentliche Wissensobjekte – als epistemische Dinge – erforschen. Demgegenüber waren für das Inselspital Bern zivile Anwendungshorizonte maßgebend, weshalb es in erster Linie ein Interesse an klinischer Forschung im Hinblick auf neue, strahlenbasierte Diagnose- und Therapiemethoden zeigte. Das Berner Inselspital wollte Strahlen demnach als technische Dinge, das heißt als analytische und therapeutische Werkzeuge, verwenden.76 Bisweilen gingen militärische und zivile Untersuchungsziele und Anwendungshorizonte von Strahlen jedoch fließend ineinander über. So betonte Zuppinger: „Beim Betrieb werden sich die durch die Untersuchungen der SKA verursachten Kosten nicht genau von den Kosten der Benützung für medizinische Zwecke unterscheiden lassen; zum Teil werden jene Untersuchungen sogar unmittelbar für medizinische Belange ausgewertet werden können.“77 In diesem Zitat wird deutlich, wie unscharf die Grenze zwischen militärischen und zivilen Erkenntnisinteressen war. Gleiches galt für die herkömmliche Unterscheidung von Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung.78 Dies lässt sich anhand zweier Beispiele illustrieren: Zuppingers Arbeitsgruppe führte mit dem Betatron unter anderem Strahlenversuche an Mäusetumoren durch, die menschlichen Karzinomen ähnlich waren. Diese Bestrahlungsversuche schufen sowohl Grundlagenwissen über die biologische Strahlenwirkung als auch praxisorientierte Erkenntnisse für die Krebstherapie.79 Das zweite Beispiel betrifft die Arbeit mit Radioisotopen, welche die Berner Forscher für diagnostische und therapeutische Zwecke benutzten. Zuppingers Arbeitsgruppe entwickelte dabei eine eigene Methodik, um mit radioaktivem Gold Krebsmetastasen in der Leber zu erkennen. Gleichzeitig zeigten diese als Tracer verwendeten Radioisotope, wie radioaktive Stoffe im Stoffwechsel des Körpers zirkulierten, was wiederum von grundlegendem strahlenbiologischem Erkenntnisinteresse war.80 In der Forschungspraxis erwies sich die Trennlinie zwischen Grundlagen- und Anwendungsforschung also als unscharf, weil Strahlen im experimentellen Setting der biologischen Strahlenforschung gleichzeitig als epistemische und als technische Dinge fungieren konnten.
Diese Grenzauflösungen in den Experimentalsystemen der biologischen Strahlenforschung dürfen indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass in forschungsprogrammatischer Hinsicht eine Verschiebung hin zur klinischen Forschung einsetzte. Zivile Forschungsinteressen, insbesondere im Bereich der Krebstherapie, verdrängten die ursprünglichen militärischen Forschungsziele zusehends.81 Vertreter des Militärs befürchteten mitunter, die klinische Forschung konkurriere die von ihnen gewünschten Untersuchungen, die zum strahlenbiologischen Präventivwissen beitragen sollten. Diese Bedenken gelangten 1955 anlässlich einer Reorganisation des Betatron-Betriebs im Inselspital zum Ausdruck, als sich die Kriegstechnische Abteilung schriftlich bestätigen ließ, dass die vertraglich festgelegten Verpflichtungen gegenüber dem EMD bzw. der SKA tatsächlich eingehalten würden.82 Die Befürchtungen des Militärs waren nicht gänzlich unbegründet. Wie das nächste Teilkapitel zeigen wird, wurde die Atom- und Strahlentechnologie im zweiten Nachkriegsjahrzehnt unter zivilen Vorzeichen neu positioniert. Parallel zum Aufschwung der zivilen Nutzung der Atomenergie gewann insbesondere die aufstrebende biomedizinische Forschung massiv an Bedeutung.
2.2 Förderung und Institutionalisierung. Aufschwung der Biowissenschaften und Blüte der Strahlenbiologie, 1958–ca. 1965
Ende der 1950er Jahre intensivierte der Bund seine Anstrengungen auf dem Gebiet der Atompolitik.83 Die zivile Nutzung der Atomenergie hatte in den Industrieländern seit Mitte der 1950er Jahre zunehmend Fahrt aufgenommen, und die Schweiz bemühte sich darum, den Anschluss an die internationale Entwicklung nicht zu verpassen.84 Aus diesem Grund reorganisierte der Bund auch seine Forschungsförderung im Bereich der Atomforschung. Die bis dahin zuständige Schweizerische Studienkommission für Atomenergie wurde Ende 1958 aufgelöst und ihre Aufgabe der im selben Jahr neu geschaffenen, dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung angegliederten Kommission für Atomwissenschaft (KAW) übertragen.85 Mit dieser Neuorganisation der Atompolitik rückten militärische Forschungsinteressen aus mindestens zwei Gründen weiter in den Hintergrund: Erstens lag der förderpolitische Fokus nun – wie bereits angetönt – klar auf den zivilen Anwendungen der Atomenergie, zweitens gehörte die KAW nicht mehr dem Eidgenössischen Militärdepartement an und es waren in ihr auch keine Militärangehörigen mehr vertreten.86 Unter der Ägide der KAW fand also eine inhaltliche und institutionelle Neuausrichtung der schweizerischen Atompolitik im Hinblick auf einen künftigen nuklearen Alltag statt.
Das atompolitische Förderprogramm der KAW umfasste neben der Kernphysik, für die am meisten Ressourcen bestimmt waren, weitere Forschungsgebiete, darunter die biologische Strahlenforschung.87 In diesem biomedizinischen Bereich war ein breites Spektrum von Forschungen vorgesehen. Dazu zählten Untersuchungen, welche die Wirkungen von und den Schutz vor Strahlen fokussierten, wie auch solche, die auf Anwendungen von Strahlen ausgerichtet waren. So sah die Förderagenda des Bundes unter der Bezeichnung „Strahlenschutz, Strahlenbiologie“ Studien „über die Einwirkung der Radioaktivität auf den lebenden Organismus“ sowie „über die unmittelbaren und die langfristigen Folgen radioaktiver Bestrahlung unter Einschluss des Einflusses auf das Erbgut“ vor. Weiter sollten „Bemühungen um geeignete Substanzen und Verfahren, welche die schädliche Strahlenwirkung vermindern“, unterstützt werden.88 Neben diesen strahlenbiologisch-präventivmedizinischen Forschungen wollte der Bund im Bereich der Biomedizin insbesondere „Tracer- Anwendungen“ fördern. Das Tracer-Verfahren erweise sich „von ausserordentlicher Bedeutung sowohl für die Chemie, die Biologie, die Medizin als auch für die Landwirtschaft, ganz abgesehen von den Anwendungen in der Praxis“. Es ermögliche, „die Entstehung von Krankheiten zu beobachten, Krankheitsursachen festzustellen und ihrem Auftreten entgegenzuwirken“, ebenso ließe sich „die Wirkungsweise von Heilmitteln verfolgen“. Auf diesen Gebieten seien Untersuchungen beabsichtigt, die „eine enge Zusammenarbeit zwischen Medizinern, Radiologen, Physikern und Biochemikern sowie auch die Errichtung besonderer klinisch-wissenschaftlicher Zentren“ erfordern würden. Ähnliche Zentren seien „namentlich für die Krebsforschung geplant, bei der Biochemiker und Physiker mit den Medizinern zusammenwirken“ sollten.89
Im anvisierten Arbeitsprogramm des Bundes verdeutlichte sich die zunehmende Ausdifferenzierung der biologischen Strahlenforschung in zwei Felder: auf der einen Seite die strahlenbiologische Forschung im engeren Sinn, die sich mit der gesundheitsschädigenden Wirkung von Strahlen und dem Strahlenschutz beschäftigte, und auf der anderen Seite die biomedizinische Forschung mit Radioisotopen, deren mithilfe von Tracern durchgeführten Untersuchungen entweder auf biochemisches Grundlagenwissen oder auf medizinisch-klinische Anwendungshorizonte abzielten. Zum einen spiegelten sich in dieser Aufteilung die mit der Atomenergie assoziierten Verheißungen und Risiken wider. In den 1950er und frühen 1960er Jahren war die gesellschaftliche Wahrnehmung der von Strahlen ausgehenden Gefahren, für welche sich die Strahlenbiologie interessierte, vor allem mit Atombombenexplosionen und radioaktivem Niederschlag verknüpft. Demgegenüber eröffneten sich durch Radioisotope – wie bereits im letzten Teilkapitel angetönt – neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten, insbesondere im Bereich der Krebsforschung. Radioisotope eigneten sich deshalb hervorragend, um für die zivile Nutzung der Atomenergie zu werben. Zum anderen drückte sich in dieser Aufteilung der ebenfalls bereits im letzten Teilkapitel erwähnte Trend aus, dass die Anwendung von Strahlen in der biowissenschaftlichen und klinischen Forschung eine immer größere Anzahl von Akteuren und Institutionen zu mobilisieren vermochte, welche andere Forschungsinteressen verfolgten als die Produktion von Präventivwissen über Strahlen. Diese Entwicklung akzentuierte sich durch die Forschungsförderung der KAW und führte dazu, dass sich das heterogene Forschungsfeld der biologischen Strahlenforschung disziplinär ausdifferenzierte. Neben die traditionell mit Strahlen operierende Radiologie traten aufstrebende Fachgebiete wie die Strahlenbiologie und die Biophysik. Im Folgenden werde ich nun zunächst diejenigen gesellschaftlichen Debatten und wissenschaftlichen Entwicklungen beleuchten, die eine verstärkte Förderung der biologischen Strahlenforschung in der Schweiz Ende der 1950er Jahre als dringlich erscheinen ließen.
Globaler Fallout, Schweizer Atombombe und Atoms for Peace
1957 hielt ein Exposé des Bundes zur Förderung der Forschung im Bereich der Atomenergie fest, dass „eine Intensivierung der biologischen Strahlenforschung ein Gebot der Stunde“ darstelle.90 Zum gleichen Schluss gelangte nur wenige Monate später Paul Scherrer. Als die neu geschaffene KAW – deren Präsident nun Scherrer war – im Sommer 1959 ihr Programm zur Förderung und Koordinierung der Grundlagenforschung besprach, plädierte er dafür, dass die „Biologie […] stark gefördert werden [muss]“.91 Wie lassen sich diese Ende der 1950er Jahre laut werdenden Rufe nach einer Forschungsförderungsinitiative im Bereich der biologischen Strahlenforschung erklären?
In den 1950er Jahren gerieten Strahlen in den Fokus der öffentlich-medialen Diskussion.92 Besonders problematisiert wurden dabei die gesundheitsschädigenden Langzeiteffekte kleiner Strahlendosen.93 Gleichzeitig ermöglichte die Anwendung von Radioisotopen die Entwicklung neuer Therapie-, Diagnose- und Forschungsverfahren im Bereich der Biomedizin.94 Die Thematisierung von Strahlen oszillierte deshalb zwischen der Problematisierung von Strahlengefahren einerseits und der Propagierung von Strahlentechnologien andererseits.95 In dieser Janusköpfigkeit der Strahlen reflektierten sich in erster Linie internationale Entwicklungen und Debatten. Doch auch nationale Vorkommnisse und Bezugspunkte formten die gesellschaftliche Auseinandersetzung um das Gefahren- und das Innovationspotenzial von Strahlen maßgeblich mit.
Die Atombombenabwürfe auf die beiden japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki im August 1945 gelten gemeinhin als Beginn des ‚Atomzeitalters‘. Das Neuartige an der Bombe – ihre radioaktive Strahlung – fand allerdings zunächst nur wenig Beachtung. Im Zentrum der Presseberichte über die atomare Bombardierung Japans standen die ungeheuren Druck- und Hitzewellen, während die von der Atombombe freigesetzte Radioaktivität häufig nicht thematisiert oder stark relativiert wurde. Die von den USA verhängte, bis 1952 geltende Pressezensur sowie das Bestreben der japanischen Regierung, die atomare Katastrophe möglichst schnell vergessen zu machen und zur Normalität zurückzukehren, erschwerten eine umfassende Information. Dies hatte zur Folge, dass die Medien zu Beginn des Kalten Krieges nur unzulänglich über Strahlenschäden und deren mögliche Spätfolgen berichteten und bisweilen hoffnungsvolle, wenn nicht gar enthusiastische Meldungen über den Wiederaufbau Hiroshimas und das Weiterleben der Überlebenden zirkulierten.96
Die historische Forschung ist sich einig, dass sich die öffentliche Einstellung gegenüber Strahlen erst durch die Atom- bzw. Wasserstoffbombentests der USA Mitte der 1950er Jahre entscheidend veränderte.97 Diese Versuchsexplosionen erregten weltweites Aufsehen und trugen maßgeblich zu einer Verbreitung der Angst vor radioaktivem Fallout bei.98 Durch die einsetzende Debatte über die gesundheitsschädigenden Effekte des radioaktiven Niederschlags rückte mit aller Kraft ins globale Bewusstsein, was Wissenschaftler und Ärzte bereits kurze Zeit nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen praktisch erkannt und Genetiker Ende der 1920er Jahre an Drosophila-Fliegen experimentell bewiesen hatten: Ionisierende Strahlen verursachen Mutationen an lebenden Organismen.99 Um der wachsenden öffentlichen Sensibilität für die von Strahlen ausgehenden Gefahren zu begegnen, setzte der schweizerische Bundesrat 1956 die Eidgenössische Kommission zur Überwachung der Radioaktivität ein, die fortan für die Strahlenüberwachung in der Luft, im Boden, in Lebensmitteln und im menschlichen Körper zuständig war. Die Schaffung dieser Kommission weist darauf hin, dass sich auch in der Schweiz die gesellschaftliche Wahrnehmung von Strahlen im Verlauf der 1950er Jahre wandelte.100
Parallel zur Diskussion über die gesundheitlichen Gefahren des radioaktiven Fallouts rückte in der Schweiz ab Mitte der 1950er Jahre die Frage der Atombewaffnung der Armee in den Fokus der politischen Debatte. Diese Auseinandersetzung intensivierte sich ab 1958, als sich der Bundesrat öffentlich für eine atomare Bewaffnung aussprach. Wie in anderen westeuropäischen Ländern formierte sich auch in der Schweiz eine zivilgesellschaftliche Bewegung gegen Atomwaffen.101 Die Kontroverse um die atomare Bewaffnung der Schweizer Armee gipfelte Anfang der 1960er Jahre in Volksabstimmungen über zwei eidgenössische Volksinitiativen, die von der Anti-Atom-Bewegung respektive der Sozialdemokratie lanciert wurden. Während die eine Initiative ein generelles Verbot von Atomwaffen verlangte, forderte die andere im Hinblick auf eine allfällige Atomwaffenbeschaffung ein obligatorisches Mitspracherecht der Bevölkerung.102 Zwar verwarf das Volk beide Atominitiativen 1962 bzw. 1963, das Instrument der Volksinitiative führte jedoch dazu, dass die Frage der atomaren Aufrüstung wirkungsvoll auf die innenpolitische Agenda gesetzt wurde.103 Mit zahlreichen Zeitungsartikeln, Flugblättern, Broschüren und Dokumentationen warnte die Anti-Atom-Bewegung die schweizerische Bevölkerung eindringlich vor den Folgen des atomaren Rüstungswettlaufes und den Auswirkungen eines Atomkrieges (Abb. 3).104 Hinzu kamen weitere Aktionsformen der Bewegung wie Parlamentsvorstöße, Vorträge und Protesterklärungen.105 Diese Anti-Atom-Kampagne blieb offenbar nicht wirkungslos: So gelangte eine im Auftrag der linksliberalen National-Zeitung vor den Stimmlokalen in Basel durchgeführte Umfrage zum Resultat, dass für Befürworter der ersten Atominitiative die „Angst vor Atomwaffen“ den Hauptgrund darstellte, sich für ein Atomwaffenverbot auf Verfassungsebene einzusetzen.106 Dieses Ergebnis deckt sich mit dem Befund des Historikers Holger Nehring, Angst habe sich – aufgrund des nuklearen Wettrüstens, der oberirdischen Atombombenversuche und des damit verbundenen radioaktiven Fallouts sowie verschiedener internationaler Krisen – im Westeuropa der späten 1950er und frühen 1960er Jahre „als zentraler Parameter des Kalten Krieges“ manifestiert.107
Broschure „Atomgefahr uber der Schweiz!“, 1957.
Dass Atom- bzw. Strahlenangst in der Schweiz Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre als politischer Faktor wahrgenommen wurde, belegt die publizistische Tätigkeit des Delegierten des Bundesrates für Fragen der Atomenergie. Der Delegierte, der vom Bundesrat 1956 die Aufgabe erhalten hatte, wissenschaftliche, privatwirtschaftliche und staatliche Interessen auf dem Gebiet der Atomtechnologie zu koordinieren, gab ab 1957 ein Mitteilungsblatt heraus.108 In den Ausgaben der ersten beiden Jahrgänge – also während der einsetzenden Debatte um die atomare Bewaffnung der Schweizer Armee – monierte er darin wiederholt, es werde „befürchtet, dass Atomreaktoren grundsätzlich gleiche Gefahren in sich bergen wie die Atombomben, und eine allgemeine Atomfurcht scheint daher breite Bevölkerungskreise erfasst zu haben.“109 Der Delegierte war nicht der Einzige, der gegen Ende der 1950er Jahre eine in der Schweizer Bevölkerung vorhandene „Atomfurcht“ diagnostizierte. Auch der Verfasser des eingangs dieses Abschnitts zitierten Exposés zur Atompolitik konstatierte 1957, „mangels einer genügenden Aufklärung“ herrsche „in weiten Kreisen Konfusion und Unsicherheit“, da die mit der zivilen Anwendung der Atomenergie verbundenen Strahlenrisiken mit den von Atomexplosionen verursachten Strahlengefahren vermischt würden.110 Die diskursive Strategie, Kritik an der Atomenergie in der Öffentlichkeit auf Atom- bzw. Strahlenangst zu reduzieren und derart als psychologisches Problem zu reformulieren, war in den 1950er Jahren unter Befürwortern der Atomtechnologie weit verbreitet.111 Gleichzeitig – und für mein nachfolgendes Argument wichtiger – weist diese Kommunikationsstrategie darauf hin, dass die Atomenergie gegen Ende der 1950er Jahre offenbar in weiten Kreisen der Schweizer Bevölkerung mit einem Imageproblem zu kämpfen hatte; dies hauptsächlich deshalb, weil die später durchaus erfolgreiche diskursive Trennung zwischen der zivilen und der militärischen Nutzung der Atomenergie zu diesem Zeitpunkt noch brüchig war.112
Unter dem Schlagwort des ‚friedlichen‘ Atoms diese diskursive Trennung zu propagieren und – damit verbunden – das Image der zivilen Nutzung der Atomenergie zu steigern, bildete eines der Ziele des von den USA initiierten Atoms-for-Peace-Programms. Nach der berühmten Atoms-for-Peace-Rede von US-Präsident Dwight D. Eisenhower im Dezember 1953 stellte die im August 1955 in Genf stattfindende erste Atoms-for-Peace-Konferenz den symbolischen Startschuss für die zivile Nutzung der Atomenergie auf internationaler Ebene dar. In der schweizerischen Geschichtswissenschaft wird Atoms for Peace insbesondere im Zusammenhang mit der nationalen Atomtechnologieentwicklung erwähnt. Tatsächlich markierte die Genfer Atomkonferenz diesbezüglich eine wichtige Etappe, da die Schweiz im Anschluss an dieselbe einen US-amerikanischen Ausstellungsreaktor mit angereichertem Uran erwerben konnte und sich in der Folge im Rahmen eines staatlich-privatwirtschaftlichen Joint Ventures im Reaktorbau versuchte.113 Der Reaktorbau für Kernkraftwerke befand sich jedoch erst im Anfangsstadium und zudem waren Reaktoren als Dual-Use-Produkte nicht von der militärischen Nutzung der Atomenergie zu trennen – das spaltbare Material eines Reaktors lässt sich grundsätzlich auch für den Atombombenbau verwenden.114 Aus diesen Gründen war die Promotion des ‚friedlichen‘ Atoms an der Genfer Atomkonferenz weniger an den Reaktorbau und die damit verbundene Aussicht auf unerschöpfliche Energieressourcen gebunden. Vielmehr wurde – und dies war für die Entwicklung der biologischen Strahlenforschung wesentlich – stark mit der Verwendung von Radioisotopen in Medizin, Forschung und Technik geworben.115
Die Euphorie für die zivile Nutzung der Atomenergie wurde umso stärker, je deutlicher sich in den 1950er Jahren die von der Atombombe ausgehenden Gefahren abzeichneten. Die Diskussion über das ‚friedliche‘ Atom und die damit assoziierten Hoffnungen erfüllten eine Kompensationsfunktion, mit der sich vorhandene Ängste verdrängen ließen.116 Radioisotope spielten dabei eine zentrale Rolle. Sie verstärkten – insbesondere hinsichtlich biomedizinischer Anwendungen wie der Krebsforschung – das Bild des ‚friedlichen‘ Atoms und trugen dadurch zu einer größeren gesellschaftlichen Akzeptanz sowohl der Atomtechnologie als auch einer potenziell steigenden Strahlenbelastung bei.117 Dies zeigte sich in der Schweiz zum ersten Mal 1953 im Kanton Genf anlässlich der Volksabstimmung über den Bau des Laboratoriums der Europäischen Organisation für Kernforschung, besser bekannt unter der Abkürzung CERN, gegen welchen die kommunistische Partei der Arbeit das Referendum ergriffen hatte.118 Während des Abstimmungskampfes versuchten Physiker sowie insbesondere Biologen und Mediziner der Universität Genf, Stimmbürger in öffentlichen Veranstaltungen und Zeitungsartikeln von der Ja-Parole zum CERN zu überzeugen, indem sie erklärten, das CERN würde auch Radioisotope produzieren, die in modernen strahlentherapeutischen und nuklearmedizinischen Verfahren unter anderem in der Krebsbehandlung zum Einsatz kämen, sprich: Das CERN würde mithelfen, den Fortschritt in der Medizin zu befeuern.119 Das ‚friedliche‘ Atom in Form der Radioisotope übte damit auch eine Legitimationsfunktion aus. Die Verbreitung von Radioisotopen wurde deshalb nicht zufällig häufig von denjenigen Institutionen propagiert und gefördert, welche auch für die – zivile und/oder militärische – Nutzung der Atomenergie verantwortlich zeichneten.120 Für die Verwendung von Radioisotopen warben in der Schweiz etwa der Delegierte des Bundesrates für Fragen der Atomenergie, welcher als Mitglied der Studienkommission für Atomenergie auch in die heimliche Beschaffung von Atomwaffen involviert war, sowie die Schweizerische Vereinigung für Atomenergie, eine 1958 gegründete Lobbyorganisation für die zivile Nutzung der Atomenergie, der auch Bundesinstitutionen angehörten.121 Gleichzeitig wurde die Strahlengefahr durch Atoms for Peace als Problem des technischen Fortschritts reformuliert: Angesichts eines künftigen, von der „Isotopenökonomie“, das heißt der Verwendung von Radioisotopen in der Medizin, der Industrie und der Forschung dominierten nuklearen Alltags schien das Problem des radioaktiven Fallouts von Atombomben in den Hintergrund zu rücken, während die Gefahr, die von zivilen Strahlenexpositionen ausging, als technisch lösbares Problem galt.122
Durch die Promotion des ‚friedlichen‘ Atoms, aber auch durch die Debatten über die gesundheitsschädigenden Effekte des radioaktiven Niederschlags und die atomare Bewaffnung der Schweizer Armee wurde Wissen über die biologischen Wirkungen und die medizinischen Anwendungshorizonte von Strahlen vermehrt nachgefragt. Dadurch eröffnete sich ein neues Betätigungsfeld für die biomedizinische Forschung. Aufstrebenden biowissenschaftlichen Disziplinen wie der Strahlenbiologie und der Nuklearmedizin gelang es, dieses Feld in den 1950er und 1960er Jahren erfolgreich zu besetzen. Durch ihre Wissensproduktion auf den Gebieten der biologischen Strahlenwirkungen und des Strahlenschutzes sowie der Strahlenanwendungen trugen Strahlenbiologen und Biomediziner ebenfalls zu einer größeren gesellschaftlichen Akzeptanz der Atomtechnologie bei.123 Insofern wurde die zivile Nutzung der Atomenergie auch durch die Biowissenschaften legitimiert. Der diskursiv umkämpfte Möglichkeitsraum, der sich zwischen den Verheißungen von Atoms for Peace in Form von Radioisotopen und zukünftiger Energieerzeugung auf der einen und den Schrecken von Atomwaffen und radioaktivem Fallout auf der anderen Seite auftat, erklärt die wachsende gesellschaftliche Bedeutung von Strahlen in der Schweiz ab Mitte der 1950er Jahre. Diese schuf den sozialen Nährboden für die einsetzenden Rufe, die nach einer verstärkten Förderung der biologischen Strahlenforschung durch die KAW verlangten.
Dabei kam den Krediten der KAW im Bereich der strahlenbiologischen und biomedizinischen Forschung auch in der Schweiz eine Kompensations- und Legitimationsfunktion zu, um das als negativ wahrgenommene gesellschaftliche Bild der Atomenergie zu verbessern. Zum einen sollte die biologische Strahlenforschung dazu beitragen, das Atom zu zivilisieren. Durch eine Ausweitung des Forschungs- und Anwendungsbereichs sollte die Atomenergie, welche in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer stark mit der Atombombe verknüpft war, entmilitarisiert und entpolitisiert werden. Zum anderen fungierten die Investitionen in Wissensgebiete außerhalb der Kernphysik auch als Ausgleichsmedien, dank welcher sich die großen Beiträge für die Physik und den Reaktorbau besser rechtfertigen ließen.124
Im nächsten Abschnitt werde ich darstellen, wie viele Förderungsgelder die biologische Strahlenforschung im Verlauf des Kalten Krieges von Forschungsförderungsinstitutionen des Bundes zugesprochen bekam. Dabei wird deutlich, dass die Forschungsförderungstätigkeit der KAW Ende der 1950er Jahre einen Aufschwung der schweizerischen Biowissenschaften auslöste.
Atomkredite und Boom der Biomedizin
Ab 1958 war die KAW, die hinsichtlich der involvierten Wissenschaftler starke personelle Kontinuitäten zur Studienkommission für Atomenergie aufwies, für die Förderung der biologischen Strahlenforschung verantwortlich.125 Strahlenbiologische und biomedizinische Forschungsprojekte hatten eine gute Chance, von der KAW Unterstützung zu erhalten, und profitierten von einer im internationalen Vergleich überdurchschnittlichen Forschungsförderung. Während ähnliche europäische Forschungsförderungsinstitutionen ungefähr ein bis zwei Prozent ihres Budgets für die biologische Strahlenforschung ausgaben, investierte die KAW rund zehn Mal mehr.126 Die Forschungsförderung der KAW im Bereich der biologischen Strahlenforschung löste in der schweizerischen Biomedizin einen Forschungsboom aus.127 Dies wird noch deutlicher, wenn die Förderung der biologischen Strahlenforschung über einen langen Zeitraum betrachtet wird.
Im Folgenden stelle ich dar, wie viele Forschungsförderungsgelder in der Schweiz während des Kalten Krieges für die biologische Strahlenforschung ausgegeben wurden. Dabei beschränke ich mich auf die Finanzierung von Forschungsprojekten durch diejenigen Forschungsförderungsinstitutionen, welche in der Schweiz neben den Hochschulen während des Kalten Krieges für die Förderung der Grundlagenforschung zuständig waren, das heißt zunächst die Studienkommission für Atomenergie (1945–1958), später die KAW (1958–1962) und nach deren Auflösung schließlich der Schweizerische Nationalfonds (ab 1963). Diese Einschränkung ist aus zwei Gründen sinnvoll: Erstens verfügten diese Forschungsförderungsinstitutionen über die meisten Finanzmittel.128 Es ist deshalb plausibel anzunehmen, dass die Förderungskonjunkturen dieser Institutionen aussagekräftig für die gesamte staatliche Förderung der biologischen Strahlenforschung in der Schweiz sind. Zweitens liegt zu diesen Institutionen, die in ihrer Forschungsförderungstätigkeit aufeinander folgten, Zahlenmaterial vor, das sich über den ganzen Untersuchungszeitraum erstreckt.
Die abgebildeten Grafiken illustrieren, wie viele Forschungsförderungsgelder in der Schweiz von 1947 bis 1996 – also im Untersuchungszeitraum dieses Kapitels – für die biologische Strahlenforschung bzw. die Strahlenbiologie ausgegeben wurden. Die Kurve in der ersten Grafik (Abb. 4) stellt die von der Studienkommission für Atomenergie, der KAW und dem Schweizerischen Nationalfonds im Bereich der biologischen Strahlenforschung bzw. der Strahlenbiologie investierten Forschungsförderungsgelder dar. In der zweiten Grafik (Abb. 5) sind in der roten Kurve zusätzlich diejenigen Ausgaben ersichtlich, welche diese Institutionen für biologische und medizinische Forschungen insgesamt aufwendeten. In der Kurve der dritten Grafik (Abb. 6) wird das prozentuale Verhältnis zwischen den Förderungsgeldern für die biologische Strahlenforschung bzw. die Strahlenbiologie und den Gesamtausgaben für Forschungen im Bereich Biologie und Medizin abgebildet.
Ausgaben der SKA (1947–1958), der KAW (1958–1962) und des SNF (1963–1996) fur die biologische Strahlenforschung bzw. die Strahlenbiologie in Schweizer Franken.
Ausgaben der SKA (1947–1958), der KAW (1958–1962) und des SNF (1963–1996) fur die biologische Strahlenforschung bzw. die Strahlenbiologie in Schweizer Franken sowie Gesamtausgaben dieser Institutionen (1947–1996) fur biologische und medizinische Forschungen in Schweizer Franken.
Ausgaben der SKA (1953–1958), der KAW (1958–1962) und des SNF (1963–1996) fur die biologische Strahlenforschung bzw. die Strahlenbiologie im Verhaltnis zu denGesamtausgaben dieser Institutionen (1953–1996) fur biologische und medizinische Forschungen in Prozent.
Diese Grafiken lassen folgende Phasen erkennen: Unter der Ägide der Studienkommission für Atomenergie, also zwischen 1947 und 1958, floss verhältnismäßig wenig Geld in die biologische Strahlenforschung, da in dieser Phase nur gerade zwei Forschungsprojekte aus dem Bereich der Biologie und der Medizin zur Durchführung gelangten, nämlich die im letzten Teilkapitel erwähnten Arbeiten der Gruppe um Alexander von Muralt und Adolf Zuppinger an der Universität Bern.129 In den Jahren von 1958 bis 1962, in welchen die KAW für die Förderung der biologischen Strahlenforschung zuständig war, lässt sich ein markanter Anstieg der Forschungsausgaben auf diesem Gebiet erkennen. So vergab die KAW 1959 mit rund 1,3 Millionen Franken sogar mehr Fördermittel für biologische und medizinische Forschungen als der Schweizerische Nationalfonds, der im selben Jahr gut 1,2 Millionen Franken dafür aufwendete.130 Wie die dritte Grafik (Abb. 6) zeigt, machten die Unterstützungsgelder im Bereich der biologischen Strahlenforschung in diesem Jahr über 50 Prozent der Gesamtausgaben für Forschungen im Bereich Biologie und Medizin aus. Ein weiterer Höhepunkt dieser Entwicklung war im Jahr
1962 erreicht, in welchem die biologische Strahlenforschung hinsichtlich der absolut aufgewendeten Förderungsgelder die höchsten Werte innerhalb des gesamten Untersuchungszeitraumes aufwies, nämlich über zwei Millionen Franken. Auch die Anzahl der bewilligten Förderungsgesuche (insgesamt 46) erreichte in diesem Jahr den Höchstwert.131
Die durch die Finanzmittel der KAW auf dem Gebiet der biologischen Strahlenforschung ausgelöste Forschungsdynamik wirkte in abgeschwächter Form noch bis Mitte der 1960er Jahre weiter, nahm danach allerdings rasch ab. Ab Ende der 1960er Jahre bildete die Strahlenbiologie im Vergleich zu anderen Teildisziplinen der Biologie und Medizin lediglich eine Randdisziplin. Von 1969 bis 1996 wurden jeweils noch höchstens zwei strahlenbiologische Forschungsprojekte pro Jahr unterstützt, mit Beträgen zwischen etwas über 10.000 und 540.000 Franken. Da die Gesamtausgaben für den Bereich Biologie und Medizin im Verlaufe des Untersuchungszeitraumes kontinuierlich anstiegen und zuletzt über hundert Millionen Franken betrugen, verlor die Strahlenbiologie im Vergleich zu anderen biologischen und medizinischen Fachgebieten anteilmäßig immer mehr an Bedeutung. Zwischen 1969 und 1996 schwankte ihr Anteil auf tiefem Niveau zwischen null und knapp einem Prozent. Auf die Gründe für diesen Bedeutungsverlust komme ich im nächsten Teilkapitel zu sprechen; hier interessiert nun zunächst die Hochphase der biologischen Strahlenforschung.
Das große finanzielle Engagement der KAW veränderte die Forschungslandschaft der Biowissenschaften in der Schweiz maßgebend. Durch die Verfügbarkeit der Kredite der KAW stieg die Zahl der geförderten strahlenbiologischen und biomedizinischen Untersuchungen ab 1958 markant an, wobei ein Großteil der Wissenschaftler zum ersten Mal auf diesen Gebieten forschte.132 Während die Radiologen die Anfänge der biologischen Strahlenforschung in der Schweiz stark geprägt hatten – die ersten universitären Arbeitsgruppen in diesem Bereich waren vorwiegend an Medizinischen Fakultäten angesiedelt133 –, arbeiteten nun neben Radiologen und Medizinern vermehrt auch Biologen, Chemiker, Biophysiker und Biochemiker mit Strahlen an biologischen und medizinischen Problemen.134 Es bestand somit eine Konvergenz zwischen dem forschungspolitischen Interesse der KAW, die biologische Strahlenforschung zu fördern, und dem Eigeninteresse von Wissenschaftlern, sich in diesem zukunftsträchtigen und gleichzeitig finanziell attraktiven Bereich zu engagieren. Illustrieren lässt sich dies am Beispiel der Biophysiker. Diese hatten keinerlei Mühe, sich Zugang zu den Krediten der KAW zu verschaffen, indem sie ihre Forschungsprojekte derart ausrichteten, dass sie in einen der geförderten strahlenbiologischen bzw. biomedizinischen Themenbereiche passten. So forschten Biophysiker mit Geldern der KAW insbesondere auf dem Gebiet der biologischen Strahlenwirkungen sowie im Bereich der Anwendungen von Radioisotopen.135 Unter der Ägide der KAW brachten die Wechselbeziehungen zwischen Forschungs- und Forschungsförderungsinteressen somit Win-win-Situationen hervor. Mit dem Wissenschaftshistoriker Mitchell G. Ash können Wissenschaft und Politik hier „als Ressourcen füreinander“ verstanden werden.136 Im nächsten Abschnitt werde ich darstellen, welche Wissensfelder und Aktivitäten die KAW konkret unterstützte.
Traceranwendungen und Strahlenbiologie, Projektförderung und Vernetzung
Die KAW förderte die strahlenbiologische und biomedizinische Forschung durch zwei verschiedene Formen der Unterstützung: Erstens finanzierte sie – wie bereits erwähnt – direkt Forschungsprojekte und zweitens trug sie zur nationalen und internationalen Vernetzung der in diesen Forschungsgebieten tätigen Wissenschaftler bei. Die im Bereich der biologischen Strahlenforschung von der KAW finanzierte Forschung – um mit dem ersten Punkt zu beginnen – konzentrierte sich auf folgende Themenfelder: die experimentelle Strahlenbiologie und hier insbesondere auf das Problem somatischer und genetischer Strahlenschädigungen und die Entwicklung von Strahlenschutzsubstanzen, die Anwendung ionisierender Strahlen und radioaktiver Isotope zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken sowie die Untersuchung medizinischer, pharmakologischer und biologischer Fragen mittels radioaktiver Indikatoren.137 Anzahlmäßig befassten sich zwei Drittel der geförderten Projekte mit der Anwendung von Radioisotopen als Tracern in der klinischen und biochemischen Forschung, lediglich ein Drittel bearbeitete grundlegende strahlenbiologische Fragestellungen.138 Dass die KAW Forschungsprojekte förderte, die Radioisotope als biologische Tracer verwendeten, war nicht selbstverständlich. Derartige Untersuchungen erforschten Strahlen nämlich nicht als epistemische Dinge, sondern nutzten sie lediglich als technische Hilfsmittel, um in den untersuchten Organismen biologische Prozesse sichtbar zu machen.139 Tatsächlich gab es zu Beginn ihrer Tätigkeit innerhalb der KAW Diskussionen darüber, ob bzw. unter welchen Umständen Traceruntersuchungen unter deren Förderbereich fielen. Wiewohl die Unterstützung von Traceranwendungen in der Förderagenda des Bundes eine explizite Erwähnung erfahren hatte, wurde gegen deren Finanzierung zum einen moniert, es handle sich dabei eigentlich um angewandte und nicht um Grundlagenforschung, und die KAW sei nur für letztere zuständig. Zum anderen wurde beanstandet, diese Forschungen hätten zum Teil gar nichts mit Atom- bzw. Strahlenforschung zu tun und würden deshalb unter die reguläre Forschungsförderungstätigkeit des Schweizerischen Nationalfonds fallen. Schließlich fasste die KAW jedoch den Beschluss, im Bereich der Biomedizin auch Forschungen zu fördern, „die mit Atomforschung, Strahlengefährdung und Strahlenschutz nur in indirektem Zusammenhang stehen, und die im wesentlichen radioaktive Isotopen als Tracersubstanzen verwenden.“140 Sie übernahm damit die von im Bereich der Biowissenschaften führenden Ländern wie den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland verfolgte forschungspolitische Strategie, das transdisziplinäre Feld der biologischen Strahlenforschung über die im Rahmen der Atompolitik zur Verfügung gestellten Kredite in seiner ganzen Breite zu fördern, wobei in Bezug auf die Tracertechnik insbesondere versucht wurde, in technologischer Hinsicht innovationsfördernd zu wirken.141
Die Förderung im Bereich der biologischen Strahlenforschung wurde durch die Verfügbarkeit der Kredite der KAW massiv ausgeweitet. Je mehr Forschungsgelder in diesen Bereich flossen, desto mehr akzentuierte sich die bereits im letzten Teilkapitel beschriebene Tendenz, Strahlen weniger als epistemische Dinge auf ihre biologischen Wirkungen hin zu untersuchen, als sie – in Form von Radioisotopen – als technische Dinge einzusetzen und zwar sowohl in der biochemischen Grundlagenforschung als insbesondere auch in der Anwendung für die klinische Therapie und Diagnostik. Als wie wichtig Radioisotope für die schweizerische Medizin eingeschätzt wurden, belegt der Hinweis, dass die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften von 1944 bis Ende der 1960er Jahre über eine eigene Isotopenkommission verfügte, welche sich für die Verfügbarkeit und die Produktion von Isotopen für Forschung, Therapie und Diagnostik einsetzte.142
Neben der Projektförderung im Bereich der Strahlenbiologie und der Tracermethode förderte die KAW – und damit komme ich zum zweiten Punkt – auch den wissenschaftlichen Austausch von Schweizer Strahlenforschenden auf nationaler und internationaler Ebene. Bis zur Übernahme der Forschungsförderung durch die KAW war gerade zu Problemen der Strahlenbiologie nur an vereinzelten Universitäten gearbeitet worden. Danach wurden an sämtlichen schweizerischen Universitäten strahlenbiologische Forschungsprojekte durchgeführt, die sich in ihren Fragestellungen teilweise ähnelten.143 Eine große Herausforderung für die KAW bestand folglich darin, die von ihr finanzierten Grundlagenforschungen innerhalb des föderalistisch organisierten schweizerischen Hochschulsystems besser aufeinander abzustimmen. Die mangelnde Koordination hatte wiederholt Anlass zur Kritik gegeben, und die noch wenig entwickelten Wissensgebiete außerhalb der Kernphysik waren davon besonders betroffen. In Bezug auf die geplante Stärkung der biologischen Strahlenforschung wurde deshalb über die Möglichkeit nachgedacht, die strahlenbiologischen und biomedizinischen Studien in einer Institution oder einer Arbeitsgemeinschaft zu zentralisieren. Solche Ideen stießen jedoch unter Verweis auf die Tradition des Föderalismus und die Freiheit der einzelnen Forschenden bereits innerhalb der KAW auf Widerstand. Um den geforderten Koordinationsbedarf dennoch anzugehen, wurden für die Wissensgebiete der Nicht-Physiker, also für Mediziner, Chemiker und Biologen, schließlich gesamtschweizerische Arbeitsgruppen geschaffen, in denen an regelmäßigen Arbeitstagungen ein Austausch über die Forschungsprojekte stattfinden sollte.144
Gezielt förderte die KAW auch die Vernetzung von Schweizer Strahlenforschenden mit der internationalen Wissenschaftsgemeinde. So unterstützte sie im Frühjahr 1961 – entgegen ihrer üblichen Beitragspraxis – ein einwöchiges internationales Symposium in Montreux zum Thema „Strahleneffekte und Milieu“. An diesem Symposium wurden Strahlenwirkungen unter den Aspekten des Schutzes, der Erholung und der Sensibilisierung behandelt. Die Veranstaltung war Teil einer Reihe von kleineren, in Europa abgehaltenen Symposien, die zwischen dem ersten und dem zweiten Internationalen Kongress für Strahlenbiologie, die 1958 im US-amerikanischen Burlington bzw. 1962 im britischen Harrogate stattfanden, durchgeführt wurden, um auch zwischen den großen Kongressen die neuesten Ergebnisse strahlenbiologischer Forschungen zu diskutieren.145 Organisiert wurde das Symposium von der Zürcher Professorin Hedi Fritz-Niggli, die als Pionierin der Strahlenbiologie in der Schweiz gilt.146 Wie Fritz-Niggli in einem Schreiben an Alexander von Muralt, mittlerweile Präsident des Schweizerischen Nationalfonds, erläuterte, war sie vom renommierten Strahlenbiologen Alexander Hollaender, Direktor der Biology Division im US-amerikanischen Oak Ridge National Laboratory und Präsident des ersten Internationalen Strahlenbiologie-Kongresses, angefragt worden, ob sie nicht in der Schweiz ein solches Symposium organisieren könne.147 Der Schweizerische Nationalfonds übernahm daraufhin das Patronat der Veranstaltung, von der sich von Muralt, wie er in einem internen Papier mitteilte, „einen sehr starken Impuls für unsere Strahlenbiologie“ erhoffte: „Es handelt sich hier um durchwegs führende Wissenschafter aus dem Gebiet der Strahlenbiologie, und zu diesen werden sich noch eine Reihe von jüngsten Forschern gesellen, die nun zusammen mit all den Kräften in unserem Lande, die auf dem Gebiet der Strahlenbiologie mit der Arbeit begonnen haben, während einer Woche diskutieren werden.“148 Dem Organisationskomitee gehörten neben Alexander Hollaender und Alexander von Muralt auch die Präsidenten der Eidgenössischen Kommission zur Überwachung der Radioaktivität, der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften und der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft sowie die Direktoren des Eidgenössischen Gesundheitsamtes, des Röntgeninstituts der Universität Zürich und der Clinique Médicale Universitaire in Lausanne an.149
Am Symposium nahmen über hundert Wissenschaftler aus elf westeuropäischen Ländern, aus Indien und aus den USA teil. Eingeladen wurde auch ein Vertreter der sowjetischen Atombehörden, ein Professor aus Moskau, der allerdings auf eine Teilnahme verzichtete.150 Alexander Hollaender setzte sich zudem dafür ein, dass die Atomic Energy Commission, das US-amerikanische Pendant zur KAW, sowie die National Science Foundation of the United States, das Gegenstück zum Schweizerischen Nationalfonds, die Reisekosten für die Teilnahme der US-amerikanischen Forscher in Höhe von rund 50.000 Franken übernahmen, was ungefähr der Hälfte der gesamten Veranstaltungskosten entsprach.151 Insofern kann dieses Symposium als schweizerisch-US-amerikanisches Joint Venture bezeichnet werden, in welchem sich einmal mehr die starke Westbindung der Schweiz im Kalten Krieg zeigt.
Hedi Fritz-Niggli beurteilte das Symposium in einer informellen Rückmeldung an Alexander von Muralt als vollen Erfolg:
Das wissenschaftliche Programm hat sich ganz vorzüglich entwickelt, die Diskussion stand auf einem ausserordentlich hohen Niveau und der Kontakt zwischen den verschiedensten Forschungsgruppen wurde hergestellt. So habe ich bereits gehört, dass schweizerische Forscher Kontakt mit den ausländischen Forschern aufgenommen haben und von ihnen in ihre Institute eingeladen wurden. Es ist genau das, was wir ja mit dem Symposium erhofften.152
Die 28 Vorträge und Diskussionen der neun Sitzungen wurden schließlich in einem Sonderband der Zeitschrift Strahlentherapie publiziert.153 Dass die KAW das Symposium entgegen ihrer sonst üblichen Unterstützungspraxis förderte, zeigt, welche Priorität sie der Förderung der biologischen Strahlenforschung sowie der internationalen Vernetzung der auf diesem Gebiet tätigen Schweizer Forschenden zusprach. Wissenschaftler, die in aufstrebenden Forschungsfeldern wie beispielsweise der Strahlenbiologie tätig waren, versuchten, den vorhandenen Schub für ihr Forschungsfeld zu nutzen, so etwa – wie ich im nächsten Abschnitt ausführen werde –, um ihre Disziplinen innerhalb der schweizerischen Forschungslandschaft institutionell stärker zu verankern.
Gründungen von Fachgesellschaften und Komitees
Anfang 1963 ergriff Hedi Fritz-Niggli, Leiterin des Strahlenbiologischen Instituts und erste Professorin an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich, die Initiative zur Gründung einer Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie. Für ihr Vorhaben konnte sie den Zürcher Professor Jean Hermann Müller, Leiter der Strahlenabteilung und des Histologischen Laboratoriums der Frauenklinik am Kantonsspital Zürich, den Lausanner Professor und Leiter des Centre Anticancéreux Romand Pierre Lerch, den Berner Professor und Direktor des Medizinisch-Chemischen Instituts Hugo Aebi sowie Gerhart Wagner, Biologe und Leiter der Sektion für Strahlenschutz im Eidgenössischen Gesundheitsamt, gewinnen.154 Die Gesellschaft sollte Naturwissenschaftler verschiedener Disziplinen, die in irgendeiner Form an strahlenbiologischen Fragen interessiert waren, zusammenführen.155 Dieser seitens der Strahlenbiologen auf nationaler Ebene unternommene Institutionalisierungsversuch löste allerdings insbesondere bei den Schweizer Radiologen Konkurrenzängste und Abwehrreflexe aus. Letztere hatten den Anspruch auf die Führungsrolle im Umgang mit Strahlen in der Zwischenkriegszeit durchgesetzt und ihr Fach als eigenständige medizinische Disziplin etabliert.156 Nun entstanden Konflikte über die Frage, welche Wissenschaftler den Status als Strahlenexperten für sich in Anspruch nehmen durften.
Im März 1963 trafen sich 17 Wissenschaftler am Theodor Kocher Institut der Universität Bern zu einer Gründungsversammlung der geplanten Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie. Darunter befanden sich renommierte Radiologen wie der Berner Professor Adolf Zuppinger und sein Zürcher Kollege Hans Rudolf Schinz sowie der stellvertretende Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Radiologie und Nuklearmedizin Hans-Rudolf Renfer.157 Die Radiologen opponierten vehement gegen die Idee, eine selbstständige Gesellschaft für Strahlenbiologie zu schaffen, und regten stattdessen an, diese Gesellschaft in die bereits bestehende Schweizerische Gesellschaft für Radiologie und Nuklearmedizin zu integrieren.158 Der Grund für die ablehnende Haltung lag darin, dass die Radiologen die Strahlenbiologie nach wie vor als Hilfswissenschaft für die medizinische Radiologie bzw. die Radioonkologie betrachteten. So betonte etwa Adolf Zuppinger „die grundlegende Bedeutung der Strahlenbiologie für die Radiologie und das zunehmende Gewicht, das der Strahlenbiologie in der Ausbildung der Medizinstudenten gegeben“ werde, und Hans Rudolf Schinz ergänzte, „dass die Strahlenbiologie die Grundlage für die Therapie“ darstelle.159 Demgegenüber sprachen sich Hedi Fritz-Niggli und die übrigen Nicht-Mediziner für die Bildung einer selbstständigen Organisation im Rahmen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft aus, wobei etwa der an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich tätige Zoologieprofessor Johannes Martin (Hans) Ulrich erklärte, „dass es sich hier um eine Gruppierung nach der Natur der Effekte und nicht nach dem Objekt handle, und dass deshalb die Interessen der SGS [Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie] quer durch Zoologie, Botanik, Physik, Chemie und Medizin hindurch laufen“ würden.160 Da sich die anwesenden Wissenschaftler in diesem Punkt nicht einigen konnten, wurde beschlossen, diesbezüglich keinen definitiven Entscheid zu fällen und vorerst keine Gesellschaft, sondern lediglich eine Arbeitsgemeinschaft für Strahlenbiologie zu konstituieren und die Frage des Anschlusses an die Schweizerische Gesellschaft für Radiologie und Nuklearmedizin oder an die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft offen zu lassen.161
Die Klärung dieser Frage führte zu monatelangen Querelen und zeitweise getrübten Beziehungen zwischen den involvierten Personen, wie Briefwechsel zwischen den Initiierenden der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie und Vertretern der Schweizerischen Gesellschaft für Radiologie und Nuklearmedizin verdeutlichen.162 Schließlich kam rund ein Jahr nach der Gründungsversammlung im Frühjahr 1964 ein Kompromiss zustande: Es wurde eine selbstständige Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie gebildet, diese schloss sich aber mit der Schweizerischen Gesellschaft für Radiologie und Nuklearmedizin zu einer Schweizerischen Vereinigung für Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlenbiologie zusammen. Ziel dieser Vereinigung waren die Durchführung gemeinsamer wissenschaftlicher Tagungen sowie die Herausgabe einer gemeinsamen Fachzeitschrift.163
Was aber waren die Gründe dafür, dass die Strahlenbiologen eine selbstständige Gesellschaft anstrebten? Zum einen befürchteten sie, ihre an naturwissenschaftlicher Grundlagenforschung orientierten Interessen als Nicht-Mediziner innerhalb der Schweizerischen Gesellschaft für Radiologie und Nuklearmedizin, welche wesentlich auch als Standesorganisation für die beruflichen Interessen der Radiologen fungierte, nicht effektiv umsetzen zu können.164 Zum anderen hielten die Strahlenbiologen den Zeitpunkt für einen Alleingang für politisch günstig, wie Fritz-Niggli in einem Schreiben an die übrigen Initianten ausführte: „Die Strahlenbiologie, incl. Strahlenschutz wird ohne Zweifel in naher Zukunft an Bedeutung zunehmen, sodass sie durchaus eine selbstständige Gesellschaft tragen könnte. Wir wissen, dass die Probleme unseres neuen Atomgesetzes in Kürze eine Fülle praktischer Probleme aufwerfen wird [sic], deren Erledigung vornehme Pflicht unserer Gesellschaft sein könnte.“165 Aus diesem Zitat wird deutlich, dass die Strahlenbiologen hofften, sich im Hinblick auf die in den 1960er Jahren weiter zunehmende zivile Nutzung der Atomenergie – in einem von Radioisotopen und Atomreaktoren geprägten nuklearen Alltag – gegenüber der Öffentlichkeit und der Politik als Experten für die biologische Wirkung von Strahlen profilieren zu können.
Die Strahlenbiologen konnten sich also teilweise erfolgreich gegen die Führungsansprüche der Radiologen behaupten. Dies zeigen auch zwei weitere Beispiele. So gelang es Hedi Fritz-Niggli 1963, das von ihr geleitete, jedoch Hans Rudolf Schinz’ Röntgeninstitut unterstellte Strahlenbiologische Laboratorium zu einem selbstständigen Institut aufzuwerten. Trotz anfänglicher Widerstände innerhalb der Medizinischen Fakultät avancierte Fritz-Nigglis Institut an der Universität Zürich damit zum einzigen explizit auf Strahlenbiologie spezialisierten Hochschulinstitut der Schweiz (Abb. 7).166 Auch bei der Aufwertung der Strahlenbiologie innerhalb der medizinischen Ausbildung, für welche sich die Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie unter der Federführung von Fritz-Niggli seit ihrer Gründung wiederholt einsetzte, kam schließlich ein Teilerfolg zustande, als die Strahlenbiologie 1975 zum Prüfungsfach im Rahmen der Radiologie erhoben wurde.167 Den schweizerischen Strahlenbiologen gelang es in den 1960er und 1970er Jahren somit, partielle Institutionalisierungserfolge zu erzielen und sich als Strahlenexperten zu positionieren.
Der Neubau des Strahlenbiologischen Instituts der Universitat Zurich von 1970.
Gemäß ihren Statuten war die Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie offen für Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen.168 Die für das Forschungsfeld der Strahlenbiologie charakteristische Transdisziplinarität zeigte sich exemplarisch bei Hedi Fritz-Niggli, der ersten Präsidentin der Gesellschaft, die als promovierte Biologin an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich habilitierte (Abb. 8). Tatsächlich war der Forschungsbereich der Strahlenbiologie nicht klar von anderen Forschungsgebieten im Bereich der biologischen Strahlenforschung abgrenzbar, was sich auch in uneinheitlichen Bezeichnungen niederschlug: Teilweise wurde Biophysik, teilweise Strahlenbiologie als Sammelbegriff verwendet, unter den biologisch-medizinische Forschungen mit Strahlen subsumiert wurden. Auch anlässlich der Konstituierung der Arbeitsgemeinschaft für Strahlenbiologie standen für deren Namen zunächst verschiedene Varianten – Strahlenbiologie, Radiobiologie, Strahlenforschung, Biophysik – zur Diskussion und es wurde die Frage besprochen, ob auch der Begriff Strahlenschutz im Titel zu nennen sei.169
Hedi Fritz-Niggli am Elektronenmikroskop, circa 1970.
Mit ihrer Initiative, die Forschungsinteressen im heterogenen Forschungsfeld der Strahlenbiologie bzw. der Biophysik zu bündeln, waren Fritz-Niggli und ihre Mitstreiter nicht allein. So gründete eine Gruppe von Wissenschaftlern der Universität Bern ebenfalls im Frühjahr 1963 eine Schweizerische Gesellschaft für Zell- und Molekularbiologie, die auch über einen Ausschuss für Strahlenbiologie verfügen sollte.170 Weiter bildete der Genfer Professor und Leiter des Laboratoriums für Biophysik Eduard Kellenberger gemeinsam mit seinem Mitarbeiter und späteren Nobelpreisträger Werner Arber ein Komitee für Biophysik, welches den Kontakt mit der Internationalen Organisation für reine und angewandte Biophysik pflegen und die Interessen dieses Forschungsgebietes in der Schweiz vertreten sollte.171 Kellenberger und Fritz-Niggli, die beiden treibenden Kräfte hinter der Gründung der Gesellschaft für Strahlenbiologie respektive der Bildung des Komitees für Biophysik, wurden beide Mitglied in der jeweils anderen Organisation.172 Zudem hatten beide für ihre Forschungen – ebenso wie ein Großteil der übrigen Mitglieder beider Fachgremien – zwischen 1958 und 1962 Förderbeiträge der KAW erhalten.173 Dass Hedi Fritz-Niggli das Strahlenbiologische Laboratorium an der Universität Zürich ab Ende der 1950er Jahre kontinuierlich ausbauen und, wie bereits erwähnt, später sogar verselbstständigen konnte, war maßgeblich auf die Gelder der KAW zurückzuführen, die sie für ihre strahlenbiologischen und strahlengenetischen Forschungen erhielt.174 Das gleiche galt – wie der Wissenschaftshistoriker Bruno J. Strasser gezeigt hat – für die Institutionalisierung der molekularbiologischen Forschung an der Universität Genf. Eduard Kellenberger konnte dort 1963 das erste Institut für Molekularbiologie in der Schweiz gründen, was ebenfalls wesentlich der Förderung seiner biophysikalischen bzw. molekularbiologischen Forschungen durch die Kredite der KAW zu verdanken war.175 Die von der KAW für die strahlenbiologische und biomedizinische Forschung zur Verfügung gestellten Kredite befeuerten somit die universitäre Etablierung biowissenschaftlicher Fachgebiete und zeitigten insofern Auswirkungen auf die Ausgestaltung der schweizerischen Hochschullandschaft in diesem Bereich.
Diese augenfälligen strukturellen Gemeinsamkeiten sowie die bisweilen überlappenden Forschungsinteressen dürfen indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass das weite, unscharf definierte Gebiet der biologischen Strahlenforschung zu Beginn der 1960er Jahre zunehmend auseinanderdivergierte. Exemplarisch lässt sich dies anhand der beiden von Fritz-Niggli bzw. Kellenberger initiierten Organisationen illustrieren: So hielt die Gesellschaft für Strahlenbiologie im Zweckartikel ihrer Statuten fest, Ziel sei es, „die Forschung und Lehre auf den Gebieten der Strahlenbiologie, des Strahlenschutzes und ihrer Grundlagen zu fördern und zu verbreiten.“176 Für die Mitglieder der Strahlenbiologie-Gesellschaft stand demnach die Erforschung von Strahlenwirkungen bzw. von Präventivwissen gegen Strahlen im Zentrum. Demgegenüber klärte Kellenberger Fritz-Niggli in einem Schreiben darüber auf, Biophysik stelle „heutzutage leider nicht mehr bloss Strahlenbiologie weder bloss Elektronenmikroskopie“ dar, weshalb es klar sei, dass im Komitee für Biophysik „neben Vertretern der Strahlenbiologie auch Vertreter der Molekularbiologie, insbesondere der Molekulargenetik, […] vertreten sein sollten. Ebenso Vertreter der modernen Biochemie sollten eingeladen werden, daran teilzunehmen.“177 In diesem Zitat wird deutlich, dass neben die noch junge Strahlenbiologie, die sich primär für die genetischen und somatischen Strahlenschäden und somit für Strahlen als epistemische Dinge interessierte, weitere aufstrebende Disziplinen wie die Biophysik, die Molekularbiologie, die Molekulargenetik und die Biochemie traten, welche Strahlen vorwiegend als technische Dinge benutzten, um biochemische Prozesse in Zellen sichtbar zu machen. Aufgrund dieser unterschiedlichen Forschungsstile bildete sich im Bereich der biologischen Strahlenforschung immer mehr eine scharfe Trennlinie heraus zwischen denjenigen Forschern und Fachgebieten, die Organismen mithilfe von biologischen Tracern auf molekularer Ebene untersuchten, und denjenigen Wissenschaftlern und Forschungsfeldern, welche weiterhin strahlenbiologische und -genetische Grundlagenforschung betrieben, ohne die molekulare Wende zu vollziehen. Wie das nächste Teilkapitel zeigen wird, hatte die Molekularisierung der Biowissenschaften große Auswirkungen auf die weitere Entwicklung und Förderung der Strahlenbiologie, die ab der Mitte der 1960er Jahre einen kontinuierlichen Niedergang erlebte.
2.3 Konkurrenz und Bedeutungsverlust. Disziplinäre Weiterentwicklung der Biowissenschaften und Niedergang der Strahlenbiologie, ca. 1965–1996
Die Atomenergie stellte nicht nur ein Pioniergebiet schweizerischer Forschungsförderung dar, sondern bildete nach dem Zweiten Weltkrieg in der Schweiz ebenso wie in anderen Industrieländern den Hauptgegenstand staatlicher Forschungspolitik. Aufgrund der ihr verliehenen Vorrangstellung hat die historische Forschung die schweizerische Atompolitik als Sonderfall bezeichnet.178 Diese Sonderstellung endete indessen Ende 1962, als die Kommission für Atomwissenschaft (KAW) aufgelöst und die schweizerische Atompolitik in die normale Forschungsförderungstätigkeit des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung integriert wurde.179 Der von den Geldern der KAW verursachte Aufschwung der biologischen Strahlenforschung wirkte über deren Auflösung hinaus noch bis in die Mitte der 1960er Jahre nach. Ab Mitte der 1960er sowie verstärkt in den 1970er und 1980er Jahren verlor die Strahlenbiologie als selbstständige Disziplin, einem internationalen Trend folgend, zunehmend an Bedeutung. Parallel zum Niedergang der Strahlenbiologie erlebten neue Wissensgebiete wie die Molekularbiologie, die Biochemie, die Ökologie und die Umweltforschung, die in ihren Ursprüngen allesamt mit der biologischen Strahlenforschung verwoben waren, einen Aufschwung sowie entsprechenden Zuwachs und staatliche Förderung.180
Ich möchte nun darlegen, weshalb die Strahlenbiologie ab Mitte der 1960er Jahre im Vergleich zu anderen biowissenschaftlichen Disziplinen nach und nach an Terrain einbüßte und damit einhergehend weniger gefördert wurde. Eine wichtige Rolle spielte dabei ein internationaler Kontext. So verloren die von Strahlen ausgehenden Gefahren seit dem Abschluss des internationalen Abkommens über den Stopp oberirdischer Atomwaffentests 1963 an gesellschaftspolitischer Brisanz.181 Im Folgenden werde ich zwei weitere wesentliche Gründe für den Bedeutungsverlust der Strahlenbiologie näher ausführen, die beide sich wandelnde Forschungsparadigmen und -konjunkturen innerhalb der Biowissenschaften betreffen: Erstens war die disziplinäre Weiterentwicklung der Biowissenschaften für den Bedeutungsverlust der Strahlenbiologie mitverantwortlich. Die Biowissenschaften wurden durch die molekulare Wende stark transformiert, weshalb die bis dahin prägende genetische bzw. klinische Strahlenbiologie gegenüber der molekularen Biologie in eine ungünstige Lage geriet.182 Zweitens waren neue gesellschaftspolitische Problematisierungen ausschlaggebend. Mit der umweltpolitischen Wende zu Beginn der 1970er Jahre setzte eine Phase ein, in welcher Strahlen ihre privilegierte Stellung als gefährlichste und am besten untersuchte Umweltagenzien verloren.183
Dominanz der Molekularbiologie
Die molekulare Wende und ihre Auswirkungen auf die Strahlenbiologie lassen sich für die Schweiz gut an einem Vergleich der Entwicklung des unter Hedi Fritz-Nigglis Leitung stehenden Strahlenbiologischen Laboratoriums der Universität Zürich und dem von Eduard Kellenberger geführten Biophysikalischen Laboratorium der Universität Genf nachvollziehen. Während der Forschungsförderungstätigkeit der KAW, also von 1958 bis 1962, erhielten beide Institutionen für ihre Arbeiten im Bereich der biologischen Strahlenforschung Unterstützung durch deren Kredite. Zu dieser Zeit war indessen noch keineswegs klar, welche Disziplinen in Zukunft als biowissenschaftliche Leitwissenschaften fungieren würden.184 Der Aufstieg der Molekularbiologie erweist sich erst ex post als selbstverständliche Entwicklung.
Hedi Fritz-Niggli befasste sich seit der Gründung des Strahlenbiologischen Laboratoriums im Jahr 1949 mit strahlengenetischen und strahlenbiologischen Forschungsfragen. Bevor die Gelder der KAW verfügbar waren, hatte bereits der Schweizerische Nationalfonds ihre Forschungen unterstützt.185 Wie aus einem Gutachten hervorgeht, genoss Fritz-Niggli innerhalb der KAW ein hohes Ansehen:
Sowohl auf dem Gebiet der Strahlengenetik, dem Hauptarbeitsfeld, als auch über die Studien, welche somatische Strahlenschädigungen betreffen, hat Frau Dr. Fritz-Niggli zahlreiche, sehr schöne und vielbeachtete Arbeiten veröffentlicht. Man darf ruhig sagen, dass sie diejenige Forscherin ist, welche sich in der Schweiz am intensivsten mit der Frage des genetischen und somatischen Strahlenschadens beschäftigt hat. Angesichts ihrer bisherigen erfolgreichen Tätigkeit erscheint eine tatkräftige Förderung dieser Arbeit durch die KAW angezeigt.186
Fritz-Niggli erhielt ab 1958 jährlich Förderungsgelder von der KAW und warb für ihr Strahlenbiologisches Laboratorium bis 1962 insgesamt über 360.000 Franken ein. Dies entsprach 4,9 % der Gesamtausgaben im Bereich der von der KAW unterstützten biomedizinischen und strahlenbiologischen Forschung.187
Das Genfer Team um Eduard Kellenberger hatte zwei Hauptarbeitsgebiete: die Elektronenmikroskopie und die Bakteriophagenforschung.188 Kellenberger, ursprünglich ausgebildeter Physiker und Schüler von Paul Scherrer, hatte sein Forschungsinteresse in den 1950er Jahren hin zu den Biowissenschaften verschoben.189 Mithilfe des Elektronenmikroskops, das, wie er selbst festhielt, zu einem der wichtigsten Hilfsmittel der experimentellen Biologie avancierte, erforschten er und seine Mitarbeiter an Mikroorganismen intrazelluläre dynamische biochemische Prozesse.190 Dieser neue Forschungsstil stellte – wie die wissenschaftshistorische Forschung gezeigt hat – ein Pioniergebiet der molekularen Biologie dar.191 Von der KAW erhielt Kellenberger Gelder in der Höhe von knapp einer Viertelmillion Franken, also weniger als Fritz-Niggli. Damit untersuchten er und seine Mitarbeiter unter anderem die Wirkung von Strahlen auf die DNS von Escherichia coli-Bakterien.192
Dies zeigt, dass bis Anfang der 1960er Jahre innerhalb der biologischen Strahlenforschung unterschiedliche Forschungsstile parallel zueinander existierten und unterstreicht nochmals die genuine Transdisziplinarität dieses Forschungsfeldes, in dem Strahlengenetiker, Biophysiker, Radiologen, Biochemiker und Molekularbiologen tätig waren. Trotzdem zeugen die zwei Forschungsstile mit unterschiedlichen Versuchsanordnungen und verschiedenartigen Modellorganismen – Drosophilagenetik in Zürich versus Bakteriengenetik in Genf – in geradezu exemplarischer Weise von einer Auseinandersetzung um die künftige Ausrichtung der Biologie.193 Die Frage, ob die Zukunft der Säugetier- und Humangenetik oder der Molekularbiologie bzw. -genetik gehöre, wurde Anfang der 1960er Jahre zwar noch divergierend beantwortet.194 Ungefähr ab Mitte der 1960er Jahre kam es allerdings zu einer stärkeren disziplinären Ausdifferenzierung innerhalb der Biowissenschaften, in deren Zuge die molekulare Biologie die Vorreiterrolle übernahm. Wie der Wissenschaftshistoriker Bruno J. Strasser gezeigt hat, bildete die Institutionalisierung der Molekularbiologie an der Universität Genf im Jahr 1963 das erste Indiz für diesen Wandel in der Schweiz.195 Anhand von zwei Beispielen – der schweizerischen Unterstützung für europäische Forschungskooperationen in den Biowissenschaften und der Verschiebung der Schwerpunkte der Forschungsförderung beim Schweizerischen Nationalfonds – werde ich im Folgenden darstellen, wie die zunehmende Dominanz der molekularen Biologie die (klinische) Strahlenbiologie nach und nach an den Rand drängte.
Das erste Beispiel betrifft die zu Beginn der 1960er Jahre lancierten Pläne für die Gründung eines europäischen Zentrums für Strahlenbiologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin. Ausgangspunkt dieser Idee war, eine Organisation ähnlich der 1953 ins Leben gerufenen Europäischen Organisation für Kernforschung, kurz CERN, zu schaffen, um durch eine europäische Zusammenarbeit die großen Investitionskosten für die weitere Entwicklung der Strahlenforschung mit dicht ionisierenden Teilchen – Protonen- und Ionenstrahlen –, deren Förderung von nationalen Forschungsförderungsinstitutionen nicht geleistet werden könne, zu teilen.196 Initiator der Idee für ein europäisches Strahlenbiologie-Zentrum war Rolf Wideröe, Ingenieur bei der Brown, Boveri & Cie. und Erfinder des im ersten Teilkapitel erwähnten Betatrons, der seinen Plan anlässlich eines internationalen Symposiums für Hochenergie-Strahlentherapie im Juli 1961 in Turin zum ersten Mal präsentierte und mit führenden europäischen Radiologen und Strahlenbiologen besprach. An der Gründungsversammlung der Weltvereinigung akademischer Lehrer der medizinischen Radiologie im Oktober 1961 in Zürich wurde der Vorschlag daraufhin erneut diskutiert und beschlossen, das Vorhaben weiterzuverfolgen.197 In der Schweiz fand Wideröe für sein Vorhaben rasch Unterstützung beim Zürcher Radiologen Hans Rudolf Schinz sowie bei Hedi Fritz-Niggli. Zunächst war geplant, im Januar 1962 eine kleine Konferenz mit circa zwölf Teilnehmern in Zürich durchzuführen, um über die Grundzüge der geplanten Organisation zu sprechen. Diese sollte organisatorisch dem CERN ähnlich sein, etwa dessen halbe Größe aufweisen und erweiterungsfähig für angrenzende Disziplinen wie Chemotherapie, Strahlenschutz und Strahlendiagnostik sein. Zur Durchführung dieser Konferenz und als Anschubfinanzierung für das Projekt ersuchte Wideröe die KAW um einen Unterstützungsbeitrag von 12.000 Franken.198 Diese bewilligte den von Wideröe verlangten Kredit. An der im März 1962 in Zürich abgehaltenen Konferenz verabschiedeten die 34 Teilnehmenden aus zwölf westeuropäischen Ländern eine Resolution, in welcher sie die Schaffung eines europäischen Forschungszentrums für Radiobiologie forderten.199 Die Teilnehmenden setzten zudem ein zehnköpfiges Planungskomitee ein, von dessen Mitgliedern vier – darunter Wideröe, Schinz und Fritz-Niggli – aus der Schweiz, die restlichen aus der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Dänemark und den Niederlanden stammten. Zusätzlich wurde ein aus dreizehn Mitgliedern bestehender Länderausschuss gebildet, dessen Vorsitz Hans Rudolf Schinz übernahm. Die Mitglieder dieses Ausschusses sollten für das Projekt in ihren Herkunftsländern Unterstützung suchen und als Kontaktpersonen für die entsprechenden Länder dienen.200
Nach etlichen offiziellen und inoffiziellen Gesprächen mit Vertretern wichtiger Institutionen, so unter anderem der European Nuclear Energy Agency, der Euratom und der Internationalen Atomenergie-Organisation,201 kristallisierte sich – so Wideröe in einem Bericht an die KAW – folgendes vorläufiges Ergebnis heraus: „Die meisten Wissenschaftler sind für den Plan; diejenigen, die glauben, dass die nationale Forschung unter der gemeinsamen leiden wird und somit ihre eigenen Interessen gefährdet sehen, sind deutlich in der Minderzahl.“202 Für die Initiierenden eines „Intereuropäischen Forschungszentrums für Strahlenbiologie“, kurz CERB, schien im Juni 1963 deshalb der Zeitpunkt gekommen, ihr Projekt mit einem offiziellen Vorstoß auf die europäische Regierungsebene zu tragen. Dazu wurden sie bei Jakob Burckhardt, dem ehemaligen Delegierten des Bundesrates für Fragen der Atomenergie und jetzigen Leiter der Abteilung für internationale Organisationen im Eidgenössischen Politischen Departement, vorstellig.203 Die schweizerische Regierung sollte die Initiative ergreifen und die anderen westeuropäischen Regierungen zu einer Besprechung einladen.204
Bekanntlich kam das CERB nicht zustande. Zwei Gründe waren dafür ausschlaggebend: Zum einen stieß das Projekt bei den Mitgliedstaaten der relevanten europäischen Institutionen, so insbesondere denen der European Nuclear Energy Agency, auf wenig Unterstützung. Die Quellenhinweise deuten darauf hin, dass diese Staaten die Strahlenbiologie als unerwünschte Konkurrenz um Ressourcen und Investitionen für die physikalisch-technische Atomforschung betrachteten und deshalb die Meinung vertraten, es sei nicht notwendig, die Strahlenbiologie auf europäischer Ebene derart großangelegt zu institutionalisieren, zumal sich bereits die Euratom in diesem Bereich engagiere.205
Zum anderen – und für mein Argument wichtiger – zeichnete sich gegen Mitte der 1960er Jahre ab, dass die Molekularbiologie das Zukunftsfeld der Biowissenschaften war. 1962 ging der Nobelpreis für Chemie, Physiologie oder Medizin an ein molekularbiologisch arbeitendes Forschungsteam. Im September 1963 gründete eine Gruppe von Forschenden in diesem Bereich die European Molecular Biology Organization. Eduard Kellenberger, Mitglied im Gründungskomitee dieser Organisation, trug dieses Projekt im April 1964 an den Vorsteher des Politischen Departements, Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen, heran. Wahlen unterstützte diese Initiative in der Folge tatkräftig.206 Der Bund verfolgte mit der Beteiligung an europäischen Forschungskooperationen spezifische Interessen: Zunächst boten ihm diese Engagements die Gelegenheit, dem Konzept der bewaffneten Neutralität – während des Kalten Krieges das außenpolitische Pendant zur verteidigungspolitischen Maxime der totalen Landesverteidigung – im europäischen bzw. ‚westlichen‘ Kontext mehr Anerkennung zu verschaffen.207 Indem die schweizerische Regierung ihre politisch neutrale Position diplomatisch dafür einsetzte, diesen Forschungsinstitutionen und dem von ihnen produzierten Wissen ebenfalls ein ‚neutrales‘, sprich unpolitisches und nicht-militärisches Image zu verleihen, konnte die Schweiz ihre Neutralitätspolitik gegen außen festigen und sich dabei gleichzeitig Europa bzw. dem ‚Westen‘ annähern, ohne dafür innenpolitisch kritisiert zu werden.208 Zudem war es gerade für kleinere europäische Länder wie die Schweiz aus finanziellen Gründen attraktiv, in kostenintensiven Forschungsgebieten wie der Atomphysik und der Raketenforschung mit anderen Staaten zusammenzuarbeiten, um die großen Investitionen mit denselben teilen zu können.209 Maßgeblich auf schweizerische Initiative wurde im Jahr 1969 von den dreizehn europäischen Mitgliedstaaten des CERN ein Vertrag unterschrieben, welcher den Grundstein für das 1974 in Heidelberg gegründete Europäische Laboratorium für Molekularbiologie legte.210 Es ist plausibel, dass Bundesrat Wahlen sein Engagement für eine europäische Zusammenarbeit im Bereich der Biowissenschaften auf das Molekularbiologie-Projekt konzentrieren und die Aktivitäten seines Departements nicht durch ein zweites, weniger prioritäres Projekt im Bereich der Biomedizin verzetteln wollte. Zudem zeichnete sich bereits ab, dass das CERB bei anderen europäischen Ländern auf wenig Unterstützung stoßen würde.211
Nicht nur auf internationaler, sondern auch auf nationaler Ebene waren Initiativen zur Institutionalisierung der Strahlenbiologie wenig Erfolg beschieden. So kam auch die Idee der Schaffung eines Eidgenössischen Strahlenschutzinstitutes, die Professor Rudolf Schuppli, Vorsteher der Dermatologischen Universitätsklinik des Bürgerspitals Basel, 1961 an das Eidgenössische Gesundheitsamt herantrug, nicht zustande. Zweck dieses Institutes hätte es sein sollen, die Forschungen zu Strahlenschutzproblemen schweizweit zu koordinieren sowie die personelle und materielle Ausrüstung der dazu notwendigen Laboratorien sicherzustellen.212 Das Gesundheitsamt hielt jedoch sowohl die Sicherstellung der Koordination als auch diejenige der Ausrüstung für die Aufgabe der KAW bzw. des Schweizerischen Nationalfonds.213 Ebenfalls nicht realisiert wurde der ab 1960 innerhalb der Abteilung für Strahlenüberwachung der Reaktor AG bzw. später im Eidgenössischen Institut für Reaktorforschung in Würenlingen diskutierte Vorschlag, dort neben den physikalischen und chemischen in Zukunft auch medizinische und strahlenbiologische Forschungsarbeiten durchzuführen sowie eventuell eine strahlenbiologische Abteilung aufzubauen.214 Gegen Mitte der 1960er Jahre wurde es somit offensichtlich, dass die Strahlenbiologie – im Gegensatz zur Molekularbiologie – sowohl im nationalen als auch im europäischen Kontext immer weniger Ressourcen und Unterstützung zu mobilisieren vermochte.
Auch beim Schweizerischen Nationalfonds – und damit komme ich zum zweiten Beispiel – stand die Forschungsförderung ab Mitte der 1960er Jahre ganz im Zeichen der Molekularbiologie. Als maßgeblicher Promoter dieser Forschungsrichtung fungierte auch hier Eduard Kellenberger. Kellenberger, seit 1963 Mitglied des Nationalen Forschungsrats in der Abteilung Biologie und Medizin und später dessen Vizepräsident, setzte sich für die Förderung einer „modernen Biologie“ ein und verfasste für den Nationalfonds zu diesem Zweck ein Strategiepapier mit dem Titel „Les sciences biologiques modernes en Suisse“.215 Aufgrund der Transdisziplinarität in den Biowissenschaften ist es bisweilen schwierig, Forschungsprojekte einem bestimmten Forschungsfeld zuzuteilen. Deshalb ist diesbezüglich das Selbstverständnis der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufschlussreich, da dieses darüber Auskunft gibt, wo sich die Forschenden selbst verorten bzw. welchem Forschungsfeld sie zugehörig sein wollen. Von der Physik über die Biophysik zur Molekularbiologie gelangt, identifizierte sich Kellenberger spätestens seit der Gründung des Molekularbiologischen Instituts in Genf und dem von ihm verfassten Strategiepapier immer mehr mit der Molekularbiologie und versuchte, diese Disziplin inner- und außerhalb der Schweiz weiter zu etablieren. Demgegenüber blieb Hedi Fritz-Niggli zeitlebens der Selbstbezeichnung als Strahlenbiologin treu. Als Forschungsrat beim Schweizerischen Nationalfonds begutachtete Kellenberger Mitte der 1960er Jahre Gesuche der Abteilung Biologie und Medizin, darunter auch einige von Fritz-Nigglis Forschungsanträgen. In seinen Beurteilungen gelangt zum Ausdruck, dass er die am Zürcher Institut durchgeführten – insbesondere klinisch bzw. medizinisch orientierten – strahlenbiologischen Forschungen größtenteils für veraltet hielt. Anlässlich einer Forschungsratssitzung im Jahr 1965 plädierte Kellenberger sogar explizit dafür, „die Gesuchstellerin darauf aufmerksam zu machen, dass die Radiobiologie, die sie betreibt, noch nicht modern genug ist und sie nach bisherigen Methoden etwas zu klassisch arbeitet.“216 Eine Ausnahme in Kellenbergers Beurteilung erfuhren lediglich diejenigen Arbeiten, die Fritz-Niggli und ihr Team an Modellorganismen wie Hefepilzen auf molekularer Ebene durchführten.217 Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass das Forschungsinteresse des Genfer Forschungsteams um Kellenberger nie darin bestanden hatte, Strahlen als epistemische Dinge zu erforschen. Die biologische Strahlenforschung hatte für Kellenbergers Gruppe vielmehr ein Mittel zum Zweck dargestellt, um Geld aus den Krediten der KAW zu erhalten. Strahlen als technische Dinge benutzend, zielte das Forschungsdesign der Genfer Forschungsgruppe – ihrem gewandelten Selbstverständnis als Molekularbiologen entsprechend – darauf ab, die DNS und Proteine als epistemische Dinge zu untersuchen. Viele Forschende der Molekularbiologie arbeiten auch heute noch mit Radioisotopen, um biologische Prozesse in Modellorganismen sichtbar zu machen. Die Tatsache, dass ab 1969 pro Jahr nur noch maximal zwei strahlenbiologische Forschungsprojekte vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert wurden, bedeutet deshalb nicht, dass außerhalb des Strahlenbiologischen Instituts der Universität Zürich keine Forschungen mehr betrieben wurden, die unter der Ägide der KAW noch unter dem Sammelbegriff der biologischen Strahlenforschung subsumiert worden wären. Die Kurven in den im vorangehenden Teilkapitel abgebildeten Grafiken spiegeln deshalb nicht nur einen Wandel im Forschungsstil wider, sondern auch einen Wandel bezüglich der forschungspolitischen Anreize, die eigene Forschung mit einem bestimmten Label zu versehen.
Die Zugkraft der Molekularbiologie zeigte sich beim Schweizerischen Nationalfonds ab Mitte der 1960er Jahre auch in deren institutioneller Förderung. Im Jahresbericht 1967 erklärte Nationalfondspräsident Alexander von Muralt, die Entdeckung des genetischen Codes Anfang der 1960er Jahre sei „der grösste Schritt zum Verständnis des Fortbestehens des Lebens, der je gemacht wurde und es besteht wohl kein Zweifel, dass auf diesem Gebiet in nächster Zeit noch ganz grosse Funde zu erwarten sind.“218 Wie wichtig dem Schweizerischen Nationalfonds die Förderung der Molekularbiologie war, lässt sich auch daran erkennen, dass im Herbst 1967 auf dessen Initiative die Schweizerische Kommission für Molekularbiologie ins Leben gerufen wurde, deren Tätigkeit der Nationalfonds „mit namhaften Mitteln“ unterstützte.219 Die Hauptaufgabe dieser Kommission, die ab Mai 1968 der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft angehörte, lag in der Koordination der Forschung und Ausbildung der Molekularbiologie in der Schweiz.220 Eine „enge Zusammenarbeit“ beabsichtigte der Nationalfonds auch mit der Kommission für experimentelle Biologie.221 Diese Kommission koordinierte die Forschungen der 1969 gegründeten Union der Schweizerischen Gesellschaften für experimentelle Biologie, einem Zusammenschluss der vier schweizerischen Fachgesellschaften für Biochemie, Pharmakologie, Physiologie sowie Zell- und Molekularbiologie.
Vergleicht man die Unterstützungsbeiträge für die Molekularbiologie Ende der 1960er Jahre mit denjenigen für die Strahlenbiologie, so waren die Kredite für die Molekularbiologie fast dreizehn Mal größer.222 Bis zum Ende des hier untersuchten Zeitraums Mitte der 1990er Jahre stellte die Molekularbiologie neben der Biochemie und der Genetik stets eine der größten Nutznießerinnen des Schweizerischen Nationalfonds im Bereich der biologischen und medizinischen Forschungsdisziplinen dar. Aber auch die Umweltforschung gewann gegenüber der biologischen Strahlenforschung an Bedeutung, wie der nächste Abschnitt zeigen wird.
Umwelt- statt Strahlengefahren
1963 einigten sich die USA, die UdSSR und Großbritannien darauf, die oberirdischen Atomwaffentests zugunsten von unterirdischen einzustellen. Darauf verschwand nicht nur die Fallout-Thematik aus der Medienberichterstattung, sondern parallel dazu büßte auch die Frage des Strahlenschutzes für die Gesamtbevölkerung vorübergehend an öffentlichem Interesse ein.223 Auf geopolitischer Ebene war der Kalte Krieg fortan von der einsetzenden Entspannungspolitik geprägt, was die Angst vor einem drohenden Atomkrieg parallel dazu schwinden ließ.224 Gleichzeitig rückte in der Schweiz die atomare Aufrüstung der Armee immer weiter in die Ferne. In den 1970er Jahren führte die zunehmende Politisierung der Umwelt zu einer grundsätzlichen Neudefinition des Mensch-Umwelt-Verhältnisses.225 Diese neue gesellschaftliche Problematisierung ökologischer Fragen blieb nicht ohne Auswirkungen auf den Diskurs über Strahlenwirkungen. Neben den Strahlen wurden eine ganze Reihe von gesundheitsschädigenden Umweltagenzien – beispielsweise Pestizide, Abwässer und Luftschadstoffe – Gegenstände einer neuen Umwelthygiene, in der die Strahlenhygiene der vorangehenden Jahrzehnte weitgehend aufging. Strahlenbiologie, Umweltforschung und Toxikologie gingen fortan fließend ineinander über.226 Auch die von der Anti-Atomkraft-Bewegung, dem wichtigsten Zweig der ökologischen Bewegung in der Schweiz, problematisierten Strahlenemissionen von Kernkraftwerken sind als Teil dieses neuen Diskurses über Umweltgefahren zu verstehen.227
Dieser Wandel von der Strahlen- zur Umweltforschung lässt sich für die Bundesrepublik Deutschland anhand institutioneller Veränderungen der Gesellschaft für Strahlenforschung nachzeichnen, die ab 1970 als sichtbarstes Zeichen für die umweltpolitische Wende den Begriff „Umweltforschung“ in die Namensgebung ihrer Institution aufnahm.228 In der Schweiz ist der umweltpolitische Wandel, wie ich im Folgenden an zwei Beispielen zeigen werde, ebenfalls anhand institutioneller Veränderungen erkennbar. Ein erstes Beispiel betrifft das Zoologische Institut der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Dort wurde unter Johannes Martin (Hans) Ulrich, der – wie im letzten Teilkapitel gezeigt – eine wichtige Rolle bei der Gründung der Strahlenbiologischen Gesellschaft spielte, seit den 1950er Jahren intensiv strahlenbiologische und experimentelle Mutationsforschung betrieben. International zählte er zu den renommiertesten Forschern im Grenzgebiet zwischen Mutations- und Strahlenforschung, wie seine Mitgliedschaft im Herausgebergremium der Zeitschrift Mutation Research belegt. Diese 1964 gegründete Zeitschrift entwickelte sich zum zentralen Publikationsorgan der transdisziplinären Mutationsforschung, indem sie gezielt die Zusammenarbeit von Molekularbiologen, Biochemikern, Mikrobiologen, Genetikern und Strahlenbiologen zu fördern begann. Ein wesentliches Gebiet, auf dem sich auch Ulrichs Team bewegte, stellte die Erforschung von DNS-Reparaturmechanismen dar. Untersuchungen zur Funktionsweise des DNA-Repair bildeten eines der Hauptarbeitsfelder innerhalb der neuen Forschungsrichtung der molekularen Strahlenbiologie und weckten im Hinblick auf die Therapie von Strahlenschäden in den 1960er Jahren große Hoffnungen.229 Im Zuge der Emeritierung Ulrichs wurde das Zoologische Institut 1977 aufgehoben. An seine Stelle trat das von der ETH gemeinsam mit der Universität Zürich betriebene Institut für Toxikologie, an welchem künftig die Wirkung verschiedener Umweltgifte untersucht werden sollte.230 Die Umwandlung des Zoologischen Instituts steht als Beispiel dafür, dass ein Teil der biologischen Strahlenforschung in den 1970er Jahren zunehmend unter der Umweltforschung subsumiert wurde.
Ein zweites Beispiel betrifft die Förderung von Forschungen auf dem Gebiet der Umweltforschung und der Ökologie durch den Schweizerischen Nationalfonds. Ab Anfang der 1970er Jahre erfuhren diese neuen Forschungsgebiete jeweils eine explizite Erwähnung in dessen Jahresberichten.231 Im Verlaufe der 1970er Jahre erhielten die Umweltforschung und die Ökologie eine jährliche Unterstützung von im Schnitt circa 1,7 Millionen Franken, während die Strahlenbiologie im gleichen Zeitraum lediglich auf durchschnittlich rund 150.000 Franken pro Jahr kam.232
Während von Ende der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre beinahe an sämtlichen Schweizer Hochschulen strahlenbiologische Forschungsprojekte unterstützt worden waren, stammten die wenigen vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten, explizit als Strahlenbiologie ausgewiesenen Forschungsprojekte in den 1970er und 1980er Jahren fast ausnahmslos von Hedi Fritz-Nigglis Team am Strahlenbiologischen Institut der Universität Zürich.233 Daneben wurde am 1968 gegründeten Schweizerischen Institut für Nuklearforschung, einer Annexanstalt der ETH, biologische Strahlenforschung mit hochenergetischen Teilchen, unter anderem Pionen und Mesonen, betrieben.234 Diese Forschungen, an denen das Strahlenbiologische Institut in Zürich in den 1980er Jahren mitbeteiligt war, fanden jedoch primär im Bereich der Krebsforschung, genauer in der Weiterentwicklung der Strahlentherapie und -diagnostik, statt und waren insofern nicht in erster Linie darauf ausgelegt, grundlegende strahlenbiologische Fragen zu den Strahlenwirkungen von Niedrigstrahlung zu klären.
Ab den 1970er Jahren wurde von der Bundesverwaltung allerdings vermehrt Ressortforschung durchgeführt bzw. in Auftrag gegeben. Diese stand – nachdem 1969 im Kanton Aargau das unter dem Namen Beznau I bekannte erste schweizerische Kernkraftwerk in Betrieb gegangen war – häufig in einem Zusammenhang mit den von Kernkraftwerken ausgehenden – und von der Anti-Atomkraft-Bewegung stark thematisierten – Strahlengefahren. So erledigte unter anderem das Zürcher Strahlenbiologie-Institut von Hedi Fritz-Niggli verschiedene Auftragsstudien für die Sektion Personen- und Umgebungsstrahlung der Abteilung für die Sicherheit von Kernanlagen des Eidgenössischen Amtes für Energiewirtschaft.235 Insofern kann für die Förderung der Strahlenbiologie in der Schweiz ab den 1970er Jahren von einer Verschiebung von der Grundlagen- hin zur Ressortforschung gesprochen werden, in deren Zentrum nun die Strahlen- und Umweltgefahren von Kernkraftwerken standen.
Von der Strahlenbiologie als Randdisziplin zu ihrem Ende in der Schweiz
Der kontinuierliche Niedergang der Strahlenbiologie in der Schweiz machte sich auch innerhalb der Fachgesellschaft der Strahlenbiologinnen und Strahlenbiologen bemerkbar. Diese war, wie bereits im vorangehenden Teilkapitel ausgeführt, 1964 auf Initiative von Hedi Fritz-Niggli als Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie gegründet worden. Unter den Gründungsmitgliedern fanden sich praktisch alle auf dem Gebiet der biologischen Strahlenforschung tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, so neben Fritz-Niggli wie erwähnt auch Eduard Kellenberger, Adolf Zuppinger, Hugo Aebi und Johannes Martin (Hans) Ulrich. Die Mehrheit von ihnen waren ausgebildete Biologen oder Mediziner.236 In den 1970er und 1980er Jahren verschob sich das disziplinäre Gewicht innerhalb der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie immer mehr von Biologie und Medizin hin zur Physik. Zu Beginn der 1980er Jahre waren 90 Prozent der Mitglieder der Strahlenbiologie-Gesellschaft studierte Physiker, während die Biologen und Mediziner eine Minderheit darstellten.237 Diese Verschiebung schlug sich auch in der Namensgebung der Gesellschaft nieder, die 1980 in Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik und 1988 schließlich in Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Medizinische Physik umbenannt wurde.238
Seit ihrer Gründung wurde innerhalb der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie wiederholt diskutiert, ob diese Mitglied eines Dachverbandes, beispielsweise der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft oder der 1969 gegründeten Union der Schweizerischen Gesellschaften für experimentelle Biologie werden sollte.239 1982 wurde die Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik schließlich Mitglied der European Federation of Organisations for Medical Physics sowie der International Organisation for Medical Physics.240 Auch daran zeigt sich, dass sich das Gewicht der Gesellschaft hin zur Strahlen- bzw. Medizinphysik verschob. Ebenfalls in den 1980er Jahren wurde seitens der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik erfolgreich eine eidgenössische Fachanerkennung für den Titel in medizinischer Strahlenphysik angestrebt.241 Hedi Fritz-Niggli regte zwar an, auch für die Strahlenbiologie eine eidgenössische Fachanerkennung zu versuchen.242 Dieses Vorhaben wurde vom Vorstand der Gesellschaft aufgrund der erwarteten geringen Nachfrage indessen fallen gelassen.243 Im Gegensatz zur Strahlenbiologie war die Medizinphysik geringeren Konjunkturschwankungen unterworfen, da insbesondere in Spitälern – beispielsweise in der Radioonkologie, der Nuklearmedizin und der Röntgendiagnostik – und anderen Einrichtungen mit Strahlenquellen permanent Personal mit einer strahlen- bzw. medizinphysischen Ausbildung benötigt wurde.244 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es in den 1980er Jahren in der Schweiz immer weniger Biologen gab, die sich als Strahlenbiologen verstanden und dieser Disziplin zugehörig fühlten – auch wenn sie vielleicht durchaus strahlenbiologisch forschten. Die Strahlenbiologie war der Konkurrenz durch andere biowissenschaftliche Fächer ausgesetzt; ein in der molekularen Strahlenbiologie tätiger Forscher verstand sich eher als Molekularbiologe oder Biochemiker. Die wenigen jungen Strahlenbiologen innerhalb der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik suchten vermehrt Anschluss an die Union der Schweizerischen Gesellschaften für experimentelle Biologie, befanden sich in dieser Gesellschaft aber in der Minderheit.245
Der Niedergang der Strahlenbiologie zeigt sich auf internationaler Ebene besonders deutlich am CERN, dessen strahlenbiologische Arbeitsgruppe zu Beginn der 1980er Jahre abgebaut wurde. Die Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik entschied sich dazu, gegen diesen Beschluss beim CERN zu protestieren, da sie diese Entscheidung aufgrund der exzellenten Arbeiten und der großen Erfahrung der Gruppe für „extrem bedauernswert“ hielt.246 In einem Schreiben verwies sie zum einen auf die sehr beschränkte Anzahl von strahlenbiologisch arbeitenden Forschungsgruppen während der laufenden „Atomkontroverse“. Zum anderen legte sie dar, dass die Bestimmung der Effekte kleiner Strahlendosen lange und intensive Vorarbeiten bedinge und die Strahlenbiologiegruppe am CERN bereits über ein ausgereiftes Forschungsdesign verfüge, das es erlaube, Effekte „sehr interessanter Strahlendosen“ sichtbar zu machen. Das CERN müsse über „den bedeutenden Verlust“ Rechenschaft ablegen, welcher die Auflösung der Strahlenbiologiegruppe am CERN für die europäische Radiobiologie zur Folge habe, und die Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik hoffe „inständig“, dass eine Lösung gefunden werden könne, um das Fortbestehen der Arbeitsgruppe zu gewährleisten.247 Das CERN antwortete auf dieses Protestschreiben, es sei durch die „wirtschaftliche Lage der Mitgliedsländer“ dazu gezwungen, sich auf „Hauptaufgaben zu konzentrieren und Nebentätigkeiten weitgehend einzuschränken“. Zudem sei nach dem Ausscheiden eines führenden Mitarbeiters in der Strahlenbiologie innerhalb des CERN „eine ungenügende Kompetenz auf dem Gebiet der Radiobiologie“ vorhanden, um strahlenbiologische Forschungsprojekte „in einer vom wissenschaftlichen Standpunkt zu rechtfertigenden Art und Weise weiterführen zu können“.248 Die Intervention der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik blieb somit wirkungslos. Die strahlenbiologische Arbeitsgruppe am CERN wurde im Jahr 1982 aufgelöst.249
Auf dem Wissenschaftsplatz Schweiz existierte im Bereich der Strahlenbiologie in den 1980er Jahren also im Prinzip nur noch das Strahlenbiologische Institut der Universität Zürich. Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl im April 1986 kam diesem eine wichtige Funktion bei der Aufklärung, Information und Beratung der Öffentlichkeit und der Politik zu. So schrieb Hedi Fritz-Niggli in einem Institutsbericht Ende der 1980er Jahre: „Stets werden auf dem Gebiete der Strahlenrisiken telefonisch und brieflich Anfragen in grossem Masse an uns gestellt. Zusätzlich hatten wir eidgenössische Gremien über Strahlenschutz und Strahlenrisiken zu beraten […].“250 Dieser neuerliche Aufschwung der Strahlenbiologie an der Universität Zürich war indessen nur von kurzer Dauer. Im Frühjahr 1989 wurde Fritz-Niggli emeritiert. Dies bot der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich die Gelegenheit, über eine Neuausrichtung dieses Forschungsbereichs nachzudenken.
Die Medizinische Fakultät entwickelte die Idee, die bisher betriebene, als klinische oder medizinische Radiobiologie bezeichnete Forschung zusammen mit dem durch die Fusion der Bundesinstitute für Reaktor- und Nuklearforschung neu entstandenen Paul Scherrer Institut weiterzuführen und den ehemaligen Lehrstuhl Fritz-Niggli in einen Lehrstuhl für molekulare Radiobiologie umzuwandeln.251 Diejenigen Stimmen, die für eine Beibehaltung der klinischen Radiobiologie plädierten, standen noch unter dem Eindruck der Tschernobyl-Katastrophe, wie eine Stellungnahme des damaligen Rektors zeigt: „Dass Zürich (als einzige Schweizer Universität) die klinische Strahlenbiologie fortsetzt und neu akzentuiert, ist zweifellos sowohl aus medizinischen als auch aus allgemein gesundheitspolitischen Gründen angezeigt (Strahlentherapien; Strahlenschäden, Stichwort Tschernobyl).“252 1991 kam eine Vereinbarung zwischen der Erziehungsdirektion des Kantons Zürich und dem Paul Scherrer Institut sowie dem Schweizerischen Schulrat über die Schaffung eines gemeinsamen Instituts für Medizinische Radiobiologie zustande. Das Institut für Medizinische Radiobiologie sollte aus den beiden Abteilungen Klinische und Molekulare Radiobiologie bestehen und seinen Sitz sowohl an der Universität Zürich als auch am Paul Scherrer Institut haben.253 Die Kandidatensuche für die Besetzung der beiden Professuren in klinischer und molekularer Radiobiologie gestaltete sich indessen schwierig. Die Nachfolgekommission hatte die Leiter von mehr als 30 Instituten für Strahlenbiologie und verwandte Institutionen über ganz Europa persönlich angeschrieben und um Nennungen gebeten. Ebenso war eine Ausschreibung in der renommierten Fachzeitschrift Nature erfolgt. In den Antwortschreiben von Strahlenbiologen aus der Bundesrepublik Deutschland und Belgien wurden mehrere Gründe dafür angegeben, weshalb es in diesem Fachgebiet sehr wenig Nachwuchs gebe: In Deutschland habe man die vorgesehene Schaffung neuer Lehrstühle plötzlich aufgegeben und den klinischen Radiologen die Lehre in Strahlenbiologie und Strahlenschutz übertragen. Damit sei der Anreiz, sich für das spezielle Arbeitsgebiet der Strahlenbiologie zu habilitieren, entfallen, zumal in der Folgezeit einige der vorhandenen Institute nach Emeritierung des Lehrstuhlinhabers umfunktioniert worden seien. Ähnlich verhalte sich die personelle Situation in den Großanlagen von Harwell (Großbritannien), Mol (Belgien), Fontenay-aux-Roses (Frankreich) und Oak Ridge (USA).254 Dieser Mangel an geeigneten Kandidaten hatte zur Folge, dass zunächst nur der Lehrstuhl für Klinische Radiologie besetzt werden konnte, die Besetzung der Professur für Molekulare Radiobiologie zog sich über mehrere Jahre hin.255
1996 wurde der vakante Lehrstuhl für Molekulare Radiobiologie endlich besetzt und der neue Lehrstuhlinhaber zum Leiter des Instituts für Medizinische Radiobiologie ernannt. Gleichzeitig mussten im Zuge kantonalzürcherischer Sparmaßnahmen aber zahlreiche Stellen abgebaut werden.256 Dies führte, wie die Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Medizinische Physik richtig vorausgesehen und wogegen sie sich auch zu wehren versucht hatte, zur Schließung der Abteilung für Klinische Strahlenbiologie am Institut für Medizinische Radiobiologie.257 Nach dieser Redimensionierung wurde das Institut für Medizinische Radiobiologie stark umgestaltet und konzentrierte sich fortan vornehmlich auf molekularbiologisch orientierte Strahlenforschung. 2002 wurde die Zusammenarbeit mit dem Paul Scherrer Institut, die stark auf der klinischen Strahlenbiologie basiert hatte, aufgelöst und das Institut für Medizinische Radiobiologie 2003 in Institute for Molecular Cancer Research umbenannt, das bis zum heutigen Zeitpunkt existiert.
Werden die Gründe für die Preisgabe der klinischen bzw. medizinischen Strahlenbiologie und damit für die faktische Auflösung des ehemaligen Strahlenbiologischen Instituts der Universität Zürich analysiert, lassen sich mindestens vier miteinander verknüpfte Faktoren eruieren: Erstens war die veränderte politische Themenlage wesentlich. Mitte der 1990er Jahre vermochte ein Rekurs auf das Tschernobyl-Unglück nicht mehr gleich zu mobilisieren wie noch Ende der 1980er Jahre. Mit dem Ende des Kalten Krieges büßte die Strahlenproblematik zusätzlich an politischer Bedeutung ein, weil die in der ersten Hälfte der 1980er Jahre auch in der Schweiz vorhandene Problematisierung der Strahlengefahren von Atomwaffen durch die Friedensbewegung weitgehend wegfiel.258 Zweitens spielte die anhaltende Dominanz der Molekularbiologie innerhalb der Biowissenschaften eine Rolle. So war die Medizinische Fakultät der Meinung, „dass die klinische, d.h. anwendungsorientierte Strahlenbiologie allein kein ausreichendes wissenschaftliches Entwicklungspotential bietet“ und „[e]in modernes Strahlenbiologisches Institut, das sich nicht mit den Grundlagen der Strahlenwirkung auf biologische Systeme beschäftigt, wissenschaftlich kaum wettbewerbsfähig [wäre].“259 Drittens waren sich wandelnde institutionelle Prioritäten ausschlaggebend. Die Medizinische Fakultät und die Leitung der Universität Zürich wollten in neue, als zukunftsträchtig erachtete Forschungsrichtungen und -technologien wie beispielsweise die Neuroinformatik investieren und waren gewilligt, dies wenn nötig auf Kosten bereits bestehender Fächer zu tun. So widmeten sie dafür Stellen der Strahlenbiologie um.260 Viertens waren finanzielle Faktoren wesentlich. Die als angespannt wahrgenommene Finanzlage des Kantons Zürich in den 1990er Jahren führte zu einem massiven Sparkurs, der auch den Bildungsbereich betraf und das Strahlenbiologische Institut zu einem Opfer von Sparvorhaben machte. Das Ende der Strahlenbiologie in der Schweiz ist somit als das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels sich wandelnder politischer, disziplinärer, institutioneller und ökonomischer Ressourcenensembles zu verstehen.261
Der Abbau der Strahlenbiologie an der Universität Zürich bildete keinen Einzelfall. Auch verwandte Forschungsgebiete wie die Strahlenchemie oder der praktische Strahlenschutz mussten zu Beginn der 1990er Jahre Kürzungen hinnehmen. So plante die ETH in Lausanne, den Lehrstuhl von Pierre Lerch, Professor am Institut für Elektro- und Radiochemie, nach dessen Emeritierung 1992 aufgrund fehlender Finanzmittel nicht mehr wiederzubesetzen.262 Inhaltlich wurde der Verzicht vor allem damit begründet, dass dieses Forschungsgebiet nur sehr begrenzt in die Hauptaktivitäten des Chemiedepartements involviert sei.263 Lerch und sein Institut waren seit Jahren in das Dispositiv zur Überwachung der schweizerischen Umweltradioaktivität eingebunden gewesen.264 Das Bundesamt für Gesundheitswesen wehrte sich deshalb bei den Präsidenten des Schweizerischen Schulrates und der ETH Lausanne gegen diese Abbaupläne mit dem Argument, eine Schließung des Instituts würde die Durchführung der Radioaktivitätsüberwachung in der Schweiz gefährden.265 Der Protest des Bundesamtes blieb ebenfalls folgenlos. Die Radiochemie in Lausanne wurde zugunsten der Universität Bern und des Paul Scherrer Instituts aufgegeben.266 Der zu Beginn der 1990er Jahre vorherrschende Finanzdruck führte zu einer Konzentration der Kräfte, die indessen selbstredend einen Abbau darstellte und mit einem Wissens- und Know-how-Verlust einherging. Auch das Paul Scherrer Institut war von Sparmaßnahmen betroffen. So kam es Anfang der 1990er Jahre zu einem Stellenabbau in dessen Abteilung Strahlenhygiene sowie zu Mittelkürzungen bei deren Schule für Strahlenschutz.267
Die Beispiele der Radiochemie an der ETH Lausanne und des Strahlenschutzes am Paul Scherrer Institut verdeutlichen zusätzlich, dass die Produktion von strahlenbiologischem Präventivwissen zu Beginn der 1990er Jahre nochmals stark an Gewicht verlor. Angesichts knapper finanzieller Mittel vermochten Themen wie Strahlenbiologie, Radioaktivitätsüberwachung, Strahlenschutz und Radiochemie im Wissenschaftsbetrieb keine Ressourcen mehr zu mobilisieren – und galten nur noch als begrenzt anschlussfähig an disziplinäre Weiterentwicklungen innerhalb der Bio- und Naturwissenschaften.
2.4 Fazit
Die gouvernementale Strategie hinsichtlich der Förderung der biologischen Strahlenforschung zielte zu Beginn des Kalten Krieges darauf ab, strahlenbiologisches Präventivwissen zu produzieren. Die von der Schweizerischen Studienkommission für Atomenergie ab 1947 anvisierten Forschungsprojekte orientierten sich dabei hauptsächlich an militärischen Interessen: Wissen über Strahlenwirkungen und Strahlenschutzmöglichkeiten sollte dazu beitragen, die Verteidigung der Schweiz im Kriegsfall zu verbessern. Strahlenbiologische Forschung bildete das Gegenstück zur seitens der Studienkommission bzw. des Eidgenössischen Militärdepartements ebenfalls angestrebten Beschaffung eigener Atomwaffen. Die Anfänge der biologischen Strahlenforschung in der Schweiz waren somit – ähnlich wie dies in zahlreichen anderen Industriestaaten der Fall war – programmatisch eng an die Entwicklungen in der Atomforschung geknüpft und sind insofern als Teil einer „Kriegstechnologie im Kalten Krieg“ zu verstehen.268
Im Einklang mit der Ideologie der totalen Landesverteidigung wurde dabei eine möglichst autarke Wissensproduktion angestrebt, was sich bei der Wahl eines Schweizer Unternehmens als Herstellerfirma des für die Forschungen notwendigen Teilchenbeschleunigers zeigte. Davon abgesehen blieben die propagierten Autarkievorstellungen indessen in erster Linie rhetorischer Natur und entsprachen nie der forschungspraktischen Realität. Vielmehr basierte die Produktion des strahlenbiologischen Wissens von Anfang an auf vielfältigen lokalen, nationalen und insbesondere auch transnationalen Kooperationen, wobei letztere wesentliche Impulse für den Beginn der schweizerischen Strahlenexperimente lieferten. Die konstitutive Offenheit der biologischen Strahlenforschung, die verschiedene wissenschaftliche Disziplinen zu mobilisieren vermochte, führte zudem dazu, dass neben experimentellen von Beginn an auch klinische Forschungen durchgeführt wurden. Der militärisch motivierte Ausgangspunkt der Forschungsförderung, die Wirkung von Strahlen auf Organismen und damit Strahlen als epistemische Dinge zu untersuchen, verschob sich zusehends dahin, Strahlen als technische Dinge einzusetzen. Je mehr Forschung im Bereich der biologischen Strahlenforschung gefördert wurde, desto häufiger fanden Radioisotopen – in der biowissenschaftlichen Grundlagenforschung, aber auch in Therapie und Diagnostik – als Tracersubstanzen Anwendung.
Diese Tendenz verstärkte sich im zweiten Nachkriegsjahrzehnt nochmals deutlich, als die Kommission für Atomwissenschaft 1958 die Forschungsförderung im Bereich der biologischen Strahlenforschung übernahm. In dem sich rasant entwickelnden ‚Atomzeitalter‘ wurde die biologische Strahlenforschung im internationalen Vergleich überdurchschnittlich gefördert, was die Entwicklung der Biomedizin in der Schweiz entscheidend beeinflusste: Die von der Kommission für Atomwissenschaft gesprochenen Kredite führten zu einem Boom der schweizerischen Biowissenschaften. Zivile Anwendungshorizonte von Strahlen rückten nun noch stärker in den Vordergrund, sodass sich die biologische Strahlenforschung zunehmend zu einer Wissensproduzentin für den nuklearen Alltag entwickelte. Auch die Strahlenbiologie im engeren Sinn, die sich hauptsächlich für präventionsrelevante Fragen der Strahlenwirkung interessierte, vermochte von diesem Aufschwung zu profitieren.
Die Blüte der Strahlenbiologie war indessen nur von kurzer Dauer. Gegen Mitte der 1960er Jahre, als sich die Strahlenbiologie in der Schweiz in einer Fachgesellschaft zu organisieren begann und an der Universität Zürich das einzige explizit auf Strahlenbiologie spezialisierte Hochschulinstitut der Schweiz entstand, war der Höhepunkt der strahlenbiologischen Forschung – und damit verbunden der Forschungsförderung auf diesem Gebiet – bereits erreicht. Ab Mitte der 1960er Jahre befand sich die Strahlenbiologie in einem kontinuierlichen Niedergang. Wesentliche Gründe dafür bildeten zwei Wenden innerhalb der Biowissenschaften sowie damit verbundene disziplinäre Weiterentwicklungen. Im Zuge der molekularen Wende avancierte die Molekularbiologie zur neuen biowissenschaftlichen Leitdisziplin und machte der Strahlenbiologie in der Folge zunehmend Ressourcen und institutionelle Unterstützung streitig. Durch die umweltpolitische Wende erhielt die Erforschung von gesundheitsschädigenden Umweltagenzien neue Dringlichkeit. Die Untersuchung von Strahlengefahren – ausgehend etwa von Atomkraftwerken – ging mitunter in dieser neuen Umweltforschung auf. Parallel zum Aufschwung dieser Fachgebiete verlor die Strahlenbiologie an Bedeutung – obwohl bzw. gerade weil sowohl die Molekularbiologie als auch die Umweltforschung in ihren Anfängen eng mit der biologischen Strahlenforschung verbunden waren.
Die Konjunkturen des Kalten Krieges sowie – damit verbunden – die Ausrichtung der schweizerischen Atompolitik stellen somit wichtige, jedoch keine ausreichenden Erklärungsfaktoren dar, um die Forschungsförderung im Bereich der biologischen Strahlenforschung bzw. der Strahlenbiologie zu verstehen. Wie das Beispiel des Strahlenbiologischen Instituts der Universität Zürich gezeigt hat, war die konkrete Unterstützung jeweils auch maßgeblich von disziplinären Machtansprüchen, institutionellen Eigenlogiken und ökonomischen Zwängen abhängig, welche mit dem Verlauf des Kalten Krieges oder dem öffentlich-medialen Diskurs über Strahlengefahren wenig zu tun hatten. So blieb das erneute Aufflammen der Atomangst gegen Ende des Kalten Krieges und insbesondere nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl forschungspolitisch folgenlos und konnte die Auflösung des Instituts für Strahlenbiologie und anderer Institutionen im Bereich von Strahlenüberwachung und Strahlenschutz schließlich nicht verhindern. Die gesellschaftliche Problematisierung gesundheitsschädigender Strahlenwirkungen zeitigte in der Schweiz folglich lediglich in der Hochblüte des ‚Atomzeitalters‘, insbesondere von Mitte der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre, einen bedeutenden Einfluss auf die Förderung der Strahlenbiologie. Danach genossen andere gesellschaftspolitische Themen forschungspolitische Priorität.
Zur schweizerischen Atompolitik: Gisler 2014; Joye-Cagnard 2010, S. 55–145; Kupper 2003b.
Zur schweizerischen Forschungspolitik grundlegend: Joye-Cagnard 2010; Joye-Cagnard 2009; Joye-Cagnard 2008; Fleury/Joye 2002. Vgl. auch Honegger/Jost/Burren/Jurt 2007; Lepori 2006; Benninghoff/Leresche 2003; Horváth 1998; Heiniger 1990; Hill/Rieser 1983; Latzel 1979.
Vgl. bspw. CH-BAR#E7170B#1968/105#58*, Bericht über den Besuch von strahlenbiologischen Arbeitsstellen in den U.S.A., 25.1.1952.
Vgl. bspw. Archiv SNF, Schachtel „Atomforschung 1960- Nr. 4 Diverses FK Texte Hochschulbeitrag“, Bericht über das „Symposium on Research Programms in Radiobiology“, ohne Datum; Fritz-Niggli 1988, S. 76. Zum Begriff des epistemischen Dings: Rheinberger 2006a [1997]; Rheinberger 2005; Rheinberger 1992. Kritisch dazu: Bloor 2005.
Auch der Wissenschaftshistoriker Alexander von Schwerin benutzt den Begriff der biologischen Strahlenforschung als Sammelbegriff für die medizinisch-biologische Forschung mit Strahlen. Vgl. von Schwerin 2015.
Zum Begriff der moving targets: Hacking 2007.
Wesentliche Teile dieses Teilkapitels wurden bereits publiziert in: Marti 2017a.
Zur SKA: Joye-Cagnard 2010, S. 55–145; Wildi 2003, S. 34–42; Kupper 2003a, S. 171–174; Kupper 2003b; Hug 1998; Hug 1994; Hug 1991; Hug 1987, bes. S. 71–90; Studienkommission für Atomenergie 1960.
Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#141*, Verordnung des Bundesrates über die Schweizerische Studienkommission für Atomenergie, 8.6.1946.
CH-BAR#E7170B#1968/105#141*, Richtlinien für die Arbeiten der S.K.A. auf militärischem Gebiet, 5.2.1946, Hervorh. i. Orig. In CH-BAR#E7170B#1968/105#141* finden sich zwei Abschriften der militärischen Richtlinien, die inhaltlich nicht identisch sind. So wird die Schaffung einer schweizerischen Bombe in der anderen Version nur implizit erwähnt, indem es heißt, die SKA solle „die Verwendung der Atomenergie für den Einsatz von Kriegsmitteln […] studieren und prüfen“.
Eine kurze inhaltliche Auseinandersetzung bietet lediglich: Hug 1987, S. 104–106. Erwähnung findet die von der SKA geförderte biologische Strahlenforschung zudem bei: Joye-Cagnard 2010, S. 113 f.; Strasser 2004, S. 3; Hug 1991, S. 331.
Zu den Bedrohungsvorstellungen in der Schweiz des Kalten Krieges: Marti 2015a.
Zur Geschichte und zum Konzept des totalen Krieges siehe die fünf aus einer Konferenzserie entstandenen Bände, erschienen in der Publikationsreihe des Deutschen Historischen Institutes Washington: Förster/Nagler 1997; Boemeke/Chickering/Förster 1999; Chickering/Förster 2000; Chickering/Förster 2003; Chickering/Förster/Greiner 2010. Zum Begriff des totalen Krieges: Jaun 2001.
Vgl. Breitenmoser 2002, S. 105; Spillmann/Wenger/Breitenmoser/Gerber 2001, S. 63 f.; Däniker/Spillmann 1992, S. 592; Senn 1983, S. 46 f.
Zum zivilen Bereich zählten zunächst vor allem der Zivilschutz und die wirtschaftliche Landesverteidigung, später insbesondere auch der Staatsschutz und die Außenpolitik. Vgl. Degen 2009, S. 93 f.; Degen 2007, S. 79.
Vgl. Imhof 1996a, S. 180 f.; Kreis 1993, S. 254; Tanner 1992, S. 353. Zur Geistigen Landesverteidigung im Kalten Krieg auch: Imhof 2010; Sidler 2006; Tanner 1999; Perrig 1993. Zur Geistigen Landesverteidigung vor dem Kalten Krieg: Schnetzer 2009; Sarasin 2003; Jost/Imhof 1998; Mooser 1997; Imhof 1996b.
Vgl. Strasser 2004, S. 4; Wildi 2003, S. 37 f.; Kupper 2003a, S. 173; Hug 1998, S. 234; Hug 1994, S. 170; Hug 1987, S. 71–90. Kritisch dazu: Joye-Cagnard 2010, S. 62–66 und S. 143.
Vgl. Tanner 1997, S. 319.
CH-BAR#E7170B#1968/105#70*, Protokoll der 31. Sitzung der SKA, 23.1.1956.
CH-BAR#E7170B#1968/105#141*, Protokoll der Konferenz über die Verwendung der Atomenergie, 5.11.1945.
Vgl. Hug 1997, S. 89. Zur ABC-Sektion vgl. Kapitel 3.1.
CH-BAR#E7170B#1968/105#141*, Protokoll der 6. Sitzung der SKA, 18.12.1946.
Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#72*, Jahresbericht Prof. A. von Muralt für 1948, 22.12.1948. Die militärischen Berichte wurden Bundesrat Karl Kobelt sowie den Mitgliedern der Landesverteidigungskommission, einem aus den höchsten Schweizer Offizieren bestehenden militärischen Leitungs- und Beratungsgremium, zugestellt. Zur Landesverteidigungskommission: Huber 1960.
CH-BAR#E27#1000/721#19039*, Militärischer Bericht No. 2, Juni 1948. Der erste Bericht vom Oktober 1947 bildete einen vorläufigen Versuch der Beantwortung aller in den militärischen Richtlinien aufgeworfenen Fragen, der dritte Bericht vom Oktober 1949 befasste sich mit den baulichen Schutzmaßnahmen gegen Atombomben, und im vierten Bericht vom Mai 1950 wurden die Schutzmaßnahmen gegen radioaktive Seuchsubstanzen behandelt. Die vier Berichte sind enthalten in: CH-BAR#E27#1000/721#19039*.
CH-BAR#E7170B#1968/105#57*, Protokoll der Sitzung einer Gruppe der SKA, 4.12.1947.
Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#72*, Jahresbericht Prof. A. von Muralt für 1948, 22.12.1948, und Jahresbericht Arbeitsgruppe Prof. v. Muralt – Prof. Zuppinger für 1949, 1.3.1950.
Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#58*, Bericht und Antrag für die Beschaffung eines Betatrons, Dezember 1947.
CH-BAR#E7170B#1968/105#57*, Protokoll der Sitzung einer Gruppe der SKA, 4.12.1947.
CH-BAR#E7170B#1968/105#58*, Bericht und Antrag für die Beschaffung eines Betatrons, Dezember 1947.
Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#57*, Protokoll der 13. Sitzung der SKA, 4.3.1948.
Vgl. insb. Joye-Cagnard 2010, S. 114 und S. 144.
Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#57*, Protokoll der 13. Sitzung der SKA, 4.3.1948.
Vgl. ebd., Protokoll der Sitzung einer Gruppe der SKA, 4.12.1947, und Protokoll der 13. Sitzung der SKA, 4.3.1948. Nach dem grundsätzlichen Beschaffungsentscheid hielt die SKA stets an der schweizerischen BBC als Herstellerfirma fest – obwohl sich sehr bald abzeichnete, dass es bis zum Liefertermin voraussichtlich vier Jahre dauern und die Herstellung bei US-amerikanischen Firmen vermutlich schneller vonstattengehen würde. Für von Muralt stellte sich Ende des Jahres 1948 deshalb „von neuem die Frage, ob nicht ein amerikanisches Instrument angeschafft werden sollte.“ Diese Aussage deutet abermals darauf hin, dass das US-Embargo in der SKA offenbar nicht als ein unumgehbares Problem betrachtet wurde. Ob es sich dabei um eine Fehleinschätzung handelte, muss hier offenbleiben. Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#72*, Jahresbericht Prof. A. von Muralt für 1948, 22.12.1948.
CH-BAR#E7170B#1968/105#57*, Protokoll der 13. Sitzung der SKA, 4.3.1948.
Zu den Autarkieidealen der Kriegstechnischen Abteilung: Schiendorfer 2020; Schiendorfer 2015; Vautravers 2013; Vautravers 2004, bes. S. 214–220, S. 247 f. und S. 283 f.
Zu schweizerischem Kriegsmaterial im Kalten Krieg: Dommann/Marti 2020.
Zur Versorgungspolitik: Cottier 2014.
Zum Blutspendedienst: Germann 2015. Vgl. dazu Kapitel 7.1.
Vgl. insb. Wildi 2003.
Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#57*, Protokoll der 14. Sitzung der SKA, 10.1.1949, Protokoll der 15. Sitzung der SKA, 28.6.1949, Protokoll der 18. Sitzung der SKA, 3.7.1950, und Protokoll der 19. Sitzung der SKA, 25.1.1951.
Ebd., Protokoll der 19. Sitzung der SKA, 25.1.1951.
Vgl. ebd.
Ebd., Protokoll der 20. Sitzung der SKA, 22.5.1951.
Zur Atomic Energy Commission: Walker 2000; Caufield 1994 [1989]; Walker 1994; Walker 1992; Mazuzan/Walker 1984.
Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#58*, Bericht über den Besuch von strahlenbiologischen Arbeitsstellen in den U.S.A., 25.1.1952.
Zu den Forschungsarbeiten und Wissenschaftlern in Berkeley: Creager 2013, S. 24–59.
Zu Alexander Hollaenders strahlenbiologischem Forschungsprogramm: von Schwerin 2010d; Rader 2006.
CH-BAR#E7170B#1968/105#58*, Bericht über den Besuch von strahlenbiologischen Arbeitsstellen in den U.S.A., 25.1.1952.
Vgl. ebd.
Ebd.
Vgl. ebd.
CH-BAR#E7170B#1968/105#57*, Protokoll der 22. Sitzung der SKA, 18.1.1952.
Die Gründe für diese Entwicklungsschwierigkeiten sind nicht einfach zu eruieren. Plausibel ist, dass die Produktion von Bestrahlungsgeräten bei der BBC Ende der 1940er bzw. Anfang der 1950er Jahre keine Priorität genoss. Vgl. Hug 1987, S. 104. Das Beta-Synchrotron der BBC wurde schließlich nie geliefert. 1958 schlug die BBC im Einverständnis mit Zuppinger vor, anstelle des Beta-Synchrotrons zusätzlich zum bereits vorhandenen Betatron noch ein Asklepitron zu liefern, wogegen die SKA keine Einwände hatte. Vgl. Marti 2017a, S. 93–98.
Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#57*, Protokoll der 22. Sitzung der SKA, 18.1.1952; CH-BAR#E7170B#1968/105#72*, Jahresbericht Arbeitsgruppe Prof. Dr. A. v. Muralt und Prof. Dr. A. Zuppinger für 1952, 27.2.1953, und Jahresbericht Prof. Dr. A. Zuppinger für 1953, 27.1.1954; Hug 1987, S. 105.
Von 1947–1952 leiteten von Muralt und Zuppinger an der Universität Bern gemeinsam eine Arbeitsgruppe, die sowohl an von Muralts Physiologischem Institut als auch an Zuppingers Röntgeninstitut angesiedelt war. Ab 1953 fungierte Zuppinger als alleiniger Leiter der Berner Arbeitsgruppe. Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#72*, Jahresberichte von A. von Muralt und A. Zuppinger für die Jahre 1948–1952 und Jahresberichte von A. Zuppinger für die Jahre 1953–1958. Vgl. auch Joye-Cagnard 2010, S. 119.
Für einen Überblick über die von Zuppingers Team durchgeführten Strahlenforschungen: Zuppinger 1960.
Rheinberger 2006a [1997], S. 25.
Zur Geschichte des Inselspitals Bern: Leu 2006.
Zur Geschichte der medizinischen Nutzung von Kobalt: Almond 2013.
Vgl. auch von Schwerin 2015, S. 380–384.
Vgl. auch Zuppinger 1960, S. 58.
Vgl. für den ganzen Absatz CH-BAR#E7170B#1968/105#72*, Jahresberichte von A. Zuppinger für die Jahre 1953–1958. Zur Entwicklung von Szintillationszählern: Rheinberger 2006b. Vgl. dazu auch Zuppinger 1960, S. 61.
Vgl. für den ganzen Absatz CH-BAR#E7170B#1968/105#72*, Jahresberichte von A. Zuppinger für die Jahre 1953–1958. Zur Firma Wander AG: Thut 2005.
Vgl. auch CH-BAR#E7170B#1968/105#58*, Bericht über den Besuch von strahlenbiologischen Arbeitsstellen in den U.S.A., 25.1.1952. Zu Robert Stone: Creager 2013, Register S. 485.
Zu Richard Glocker: von Schwerin 2015, Register S. 495; von Schwerin 2010a.
Vgl. für den ganzen Absatz CH-BAR#E7170B#1968/105#72*, Jahresberichte von A. Zuppinger für die Jahre 1953–1958.
Vgl. von Schwerin 2015, bes. S. 12–14; Creager 2013, bes. S. 4; von Schwerin 2010b, S. 309; Strasser 2006, bes. S. XXIX–XXXI.
Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#72*, Jahresbericht Prof. Dr. A. Zuppinger für 1954, 17.2.1955.
Vgl. ebd., Jahresberichte von A. von Muralt und A. Zuppinger für die Jahre 1948–1952 und Jahresberichte von A. Zuppinger für die Jahre 1953–1958.
Vgl. CH-BAR#E7170B#1968/105#141*, Verordnung des Bundesrates über die Schweizerische Studienkommission für Atomenergie, 8.6.1946. Vgl. auch Joye-Cagnard 2010, S. 63.
Vgl. Krige 2011; Krige 2006.
Für eine Kritik an John Kriges These auch: Kehrt 2012.
Vgl. StABE, BB 8.1.2003, Vertrag zwischen der Schweiz. Eidgenossenschaft und dem Staate Bern, 15.8.1953/1.9.1953. Zu den Verhandlungen zwischen dem Bund und dem Kanton Bern: Marti 2017a, S. 84 f.
Zu den technologischen Voraussetzungen der biologischen Strahlenforschung: von Schwerin 2015, S. 23–25; von Schwerin 2010c; Strasser 2006, bes. S. 115–227; Osietzki 1993.
Vgl. für die Schweiz etwa Bundesrat 1946, S. 932 f. Für (die Bundesrepublik) Deutschland: von Schwerin 2015, S. 47, S. 174 und S. 322 f.
Zum Konzept des epistemischen und des technischen Dings vgl. Kapitel 2, Fn. 4.
StABE, BB 8.1.2003, Vortrag der Erziehungsdirektion betr. Betatronanlage, ohne Datum.
Zur (Un-)Unterscheidbarkeit von Grundlagen- und angewandter Forschung in der biologischen Strahlenforschung: von Schwerin 2015, S. 20 f.; Rader 2006, S. 690 f.; Fritz-Niggli 1988; S. 76. Zur wissenschaftshistorischen Diskussion dieser Unterscheidung u. a.: Sachse 2014; Schauz 2014; Bud 2012; Gooday 2012; Pielke 2012; Calvert 2006; Calvert 2004.
Vgl. Zuppinger 1957, S. V f. Vgl. auch CH-BAR#E7170B#1968/105#72*, Jahresberichte von A. Zuppinger für die Jahre 1954–1956. Zur Strahlentherapie mit Megavolt-Bestrahlungsanlagen auch: Weiss 2000b.
Vgl. Zuppinger 1960, S. 61; CH-BAR#E7170B#1968/105#72*, Jahresberichte von A. Zuppinger für die Jahre 1954–1957. Vgl. dazu auch Reinberger 2006a [1997], S. 38.
Zur Geschichte der Krebsforschung u. a.: Greiner/Seiler 2015; Timmermann/Toon 2012; Kauz 2010; Kutcher 2009; Leopold 2009; Cantor 2007; Moscucci 2007; Pickstone 2007; Löwy 2003; Eckart 2000.
Vgl. StABE, BB 8.1.2003, Erziehungsdirektion des Kantons Bern an Kriegstechnische Abteilung, 24.11.1955, Kriegstechnische Abteilung an Erziehungsdirektion des Kantons Bern, 5.12.1955, und Erziehungsdirektion des Kantons Bern an Kriegstechnische Abteilung, 29.12.1955. Vgl. auch Hug 1987, S. 105.
Wesentliche Teile dieses Teilkapitels wurden bereits publiziert in: Marti 2017a; Marti 2015b.
Vgl. Bundesrat 1957, S. 999–1001; Bundesrat 1958, S. 507.
Zur KAW: Joye-Cagnard 2010, S. 55–145; Strasser 2006, S. 32–34; Strasser 2004, S. 12–15.
In einem Memorandum hatte sich auch der SNF für eine Loslösung der Atompolitik vom EMD ausgesprochen: „So gut diese Organisation [die SKA] auch bis jetzt gearbeitet hat, muss man doch sagen, dass die Fragen der friedlichen Ausbeutung der Atomenergie und der wissenschaftlichen Forschung nicht mehr in den äusseren Rahmen des Militärdepartementes hinein passen. Eine Umorganisation und Neugestaltung im Sinne der Vermehrung der wissenschaftlichen Sitze und eines Abbaues der Bundesvertretungen drängt sich auf, und das Problem einer Neu-Eingliederung muss diskutiert werden.“ Archiv SNF, Ordner „Kommission für Atomwissenschaft Korrespondenz I Jan. 58–30. Juni 59“, Memorandum zur Frage der Förderung der Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Kernenergie in der Schweiz, 24.9.1957, Hervorh. i. Orig. Im Gründungsjahr 1958 setzte sich die KAW aus folgenden Mitgliedern zusammen: fünf Physikern, vier Vertretern der anderen an der Atomforschung interessierten Fächer, einem Reaktorphysiker, einem Ingenieur, dem Delegierten des Bundesrates für Fragen der Atomenergie, einem Stände- und einem Nationalrat. Vgl. Jahresbericht SNF 1958, S. 4 f. Zum Ende der Dominanz des EMD in der schweizerischen Atompolitik auch: Wildi 2003, S. 40–42; Kupper 2003a, S. 173 f.
Zur wissenschaftlichen und forschungspolitischen Dominanz der Physiker in der Schweiz der ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte: Strasser 2006, S. 1–34.
Bundesrat 1958, S. 519.
Ebd. Vgl. auch Strasser 2004, S. 13.
Archiv SNF, Ordner „90/908 bis 1960 Nr. 5 Berichte an den Bundesrat / Budgetkommission KAW / Departement des Innern / Politisches Departm. / Delegierter für Fragen der Atomenergie“, Exposé zur Förderung der Grundlagenforschung und des Nachwuchses, 1957.
Archiv SNF, Schachtel „Atomkollektion Prof. A. v. Muralt 1958–1959“, Protokoll der 18. Sitzung der KAW, 15.7.1959. Vgl. auch Strasser 2004, S. 15.
Vgl. für die Schweiz Dommann 2003, S. 373–375. Für die Bundesrepublik Deutschland: Stölken-Fitschen 1995a; Stölken-Fitschen 1995b.
Vgl. u. a. Bröndsted 1956; Auerbach 1957a [1956]; Auerbach 1957b [1956]; Braunbek/ Hofmann/Reinig/Schurz/Stierstadt 1957; Marquardt 1957; Marquardt/Schubert 1959.
Zur Wissenschaftsgeschichte der Radioisotope vgl. Kapitel 1, Fn. 33 und Fn. 34.
So zeigt etwa Bruno J. Strasser, wie 1955 an der Atoms-for-Peace-Ausstellung in Genf von ‚West‘ und ‚Ost‘ die Nutzung von Radioisotopen popularisiert und gleichzeitig die genetischen Schäden von Strahlen problematisiert wurden, was seinen Niederschlag auch in der Medienberichterstattung fand. Vgl. Strasser 2006, S. 18–30; Strasser 2004, S. 9–12.
Vgl. Wildi 2003, S. 25–29; Walker 2000, S. 18; Stölken-Fitschen 1994, S. 140–143; Caufield 1994 [1989], S. 87–90.
Vgl. u. a. Stölken-Fitschen 1994, bes. S. 146–150. Zwar unternahmen auch Großbritannien und die UdSSR Atombombentests, da diese aber geheimer gehalten wurden als diejenigen der USA, erlangten sie weniger mediale Aufmerksamkeit. Vgl. Caufield 1994 [1989], S. 159. Zu den britischen Atomwaffenversuchen: Cross 2001.
Zur Fallout-Debatte in den USA: Walker 2000, S. 18–28; Hager 1995, S. 461–494; Caufield 1994 [1989], S. 169–183. Zu den ökologischen und gesellschaftlichen Folgen des Fallouts: Masco 2016; Masco 2015; Rothschild 2013; Higuchi 2010; Merlin/Gonzalez 2010; Boyer 1998.
Zu von Strahlen ausgelösten Mutationen und deren Erforschung: Creager 2015; von Schwerin 2010d; de Chadarevian 2006. Zur Nutzung von Drosophila in der genetischen Forschung: Brookes 2002 [2001].
Zur Eidgenössischen Kommission zur Überwachung der Radioaktivität vgl. Kapitel 3.2 und 3.3.
Deren Kern bildete die im Mai 1958 gegründete Schweizerische Bewegung gegen die atomare Aufrüstung, welche in den Kontext der schweizerischen Friedensbewegung einzuordnen ist und ihre Anhängerschaft aus religiösen und pazifistischen Gruppierungen, politisch linken Kreisen und kritischen Wissenschaftlern rekrutierte. Dazu: Heiniger 1995; Heiniger 1980. Zur Anti-Atom- und Friedensbewegung in der Schweiz der 1950er Jahre vgl. auch Epple 1995; Epple-Gass 1994; Kapitel 1, Fn. 50. Zu den westeuropäischen Anti-Atom-Bewegungen der 1950er Jahre: Nehring 2013; Burkett 2012; Nehring 2009; Nehring 2005a; Nehring 2005b; Nehring 2004; Dülffer 2003; Wette 2000; Wette 1998. Für einen globalen Überblick: Wittner 2009; Ziemann 2009; Wittner 1997.
Vgl. Epple-Gass 1988, S. 35–56; Tanner 1988a, S. 75–78; Brassel/Tanner 1986, S. 64–70; Heiniger 1980.
Vgl. Heiniger 1980, bes. S. 171 f.
Vgl. bspw. Schweizerische Zentralstelle für Friedensarbeit 1957; Schweizerische Bewegung gegen die atomare Aufrüstung [1962]. Vgl. auch Heiniger 1980, S. 123.
Vgl. Heiniger 1980, S. 116–121.
Vgl. ebd., S. 114–116, Zitat S. 115, Hervorh. i. Orig.
Nehring 2009, S. 436.
Zum Delegierten des Bundesrates für Fragen der Atomenergie: Wildi 2003, S. 40–42; Kupper 2003a, S. 174 und S. 178 f. 1960 stellte der Delegierte sein eigenes Informationsblatt ein, da seine Mitteilungen künftig im Bulletin der Schweizerischen Vereinigung für Atomenergie veröffentlicht wurden.
Vgl. Mitteilungsblatt des Delegierten für Fragen der Atomenergie 1957/1–1960/Juli, Zitat in 1957/3, S. 29 f. 1958 wurde der Problematik der Atomangst ein größerer Artikel gewidmet; gegen Ende 1959 schien sich die öffentliche Meinung über die zivile Nutzung der Atomenergie allerdings ins Positive zu wandeln.
Archiv SNF, Ordner „90/908 bis 1960 Nr. 5 Berichte an den Bundesrat / Budgetkommission KAW / Departement des Innern / Politisches Departm. / Delegierter für Fragen der Atomenergie“, Exposé zur Förderung der Grundlagenforschung und des Nachwuchses, 1957.
Vgl. Abele 2002, S. 133 f. Die westeuropäischen Anti-Atom-Bewegungen der 1950er und 1960er Jahre distanzierten sich von Angstsemantiken und waren bemüht, rational und sicherheitsliebend zu erscheinen. Insofern folgten sowohl Befürworter als auch Gegner der Atomenergie der Rationalität des Kalten Krieges. Vgl. Nehring 2009, bes. S. 463.
Zum Erfolg dieser diskursiven Trennung in der Schweiz: Kupper 2003a, S. 111.
Vgl. Wildi 2003, S. 58–62, Kupper 2003a, S. 173 f.; Dommann 2003, S. 373 f.; Hug 1998, S. 238; Hug 1994, S. 176; Hug 1987, S. 132 f.
Das war bspw. auch dem Bundesrat klar, wie eine entsprechende Aussage in einer Botschaft aus dem Jahr 1946 zeigt: Bundesrat 1946, S. 932 f.
Vgl. von Schwerin 2015, S. 305 f.; Strasser 2006, S. 18–30; Strasser 2004, S. 9–12.
Vgl. Stölken-Fitschen 1994, S. 150–155. Joachim Radkau hat das ‚friedliche‘ Atom in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland als „Integrationsideologie“ bezeichnet. Vgl. Radkau 1983, S. 78–100.
Vgl. bspw. Santesmases 2006; Strasser 2006, S. 23 f.; Strasser 2004.
Zur Geschichte des CERN: CERN 2004; Krige 1996; Hermann/Krige/Mersits/Pestre 1990; Hermann/Krige/Mersits/Pestre 1987.
Vgl. Strasser 2006, S. 12–18; Strasser 2004, S. 8 f.
Vgl. Creager 2013; Boudia 2009; Creager 2009; Creager 2006; Creager 2004; Strasser 2004, S. 12; Creager 2002.
Vgl. Mitteilungsblatt des Delegierten für Fragen der Atomenergie 1957/1–1960/Juli; Bulletin der Schweizerischen Vereinigung für Atomenergie 1959–1970. Für eine Kritik an der Schweizerischen Vereinigung für Atomenergie: Boos 1999, S. 364–367.
Von Schwerin 2015, S. 323–327. Vgl. auch Creager 2013, S. 10; Strasser 2004, S. 12.
Vgl. Strasser 2004, S. 12; Rasmussen 1997, bes. S. 245.
Vgl. Joye-Cagnard 2010, S. 121, S. 136 und S. 145; Strasser 2004, S. 15 f. Vgl. auch die Diskussion der KAW über das Programm zur Förderung und Koordinierung der Grundlagenforschung bis 1962 in: Archiv SNF, Schachtel „Atomkollektion Prof. A. v. Muralt 1958–1959“, Protokoll der 18. Sitzung der KAW, 15.7.1959.
Vgl. Studienkommission für Atomenergie 1960, S. 14.
Vgl. Archiv SNF, Schachtel „Atomforschung 1960- Nr. 4 Diverses FK Texte Hochschulbeitrag“, Symposium on Research Programmes in Radiobiology: Answer to the Questionnaire Proposed by Prof. A. Buzzati-Traverso, ohne Datum. Vgl. auch Joye-Cagnard 2010, S. 124; Strasser 2004, S. 14. So wurden beinahe alle Gesuche diskussionslos bewilligt und anzahlmäßig – wenn auch nicht in Bezug auf die Summe der Einzelprojekte und die Gesamtsumme des Forschungsbereichs – mehr Bewilligungen erteilt als im Bereich der Kernphysik. Vgl. Strasser 2004, S. 14.
Vgl. Joye-Cagnard 2010, S. 120, S. 134, S. 136 und S. 145; Strasser 2006, S. 33; Strasser 2004, S. 14.
Die SKA verfügte für die Jahre 1947–1951 über einen Rahmenkredit von 18 Millionen Schweizer Franken, während das Budget der ETH Zürich für Forschung und Lehre zur selben Zeit etwa vier Millionen Schweizer Franken pro Jahr betrug. Vgl. Wildi 2003, S. 39; Kupper 2003a, S. 172. Die KAW wiederum erhielt von 1958–1962 jährlich circa 10 Millionen Schweizer Franken, während der SNF in dieser Zeit ein Budget von ungefähr sechs Millionen Schweizer Franken pro Jahr aufwies. Vgl. Joye-Cagnard 2010, S. 118 f; Strasser 2006, S. 33. Der SNF schließlich bekam pro Jahr mehr Mittel als die Ressortforschung, die Annexanstalten der ETH und internationale Organisationen wie das CERN. Vgl. Latzel 1979, S. 79 und S. 84.
Vgl. Archiv SNF, Schachtel „Atomforschung 1960- Nr. 4 Diverses FK Texte Hochschulbeitrag“, La recherche radiobiologique en Suisse, 15.3.1960.
Vgl. Jahresbericht der KAW im Jahresbericht des SNF 1959; Jahresbericht des SNF 1959.
Von 1947–1952 existierte als Forschungsförderungsinstitution einzig die SKA. Die Ausgaben der SKA für die biologische Strahlenforschung bzw. die Strahlenbiologie bildeten in diesen Jahren somit die Gesamtausgaben für biologische und medizinische Forschungen (hundert Prozent). Die Grafik beginnt deshalb erst 1953, als neben der SKA auch der neu gegründete SNF Forschungen im Bereich Biologe und Medizin förderte.
Vgl. Jahresberichte der KAW in den Jahresberichten des SNF 1958–1962; Jahresberichte des SNF 1963–1996.
Vgl. Archiv SNF, Schachtel „Atomforschung 1960- Nr. 4 Diverses FK Texte Hochschulbeitrag“, La recherche radiobiologique en Suisse, 15.3.1960.
Dies gilt nicht nur für die Arbeitsgruppe von Adolf Zuppinger an der Universität Bern ab 1947, sondern auch für das 1949 gegründete Strahlenbiologische Laboratorium der Universität Zürich, das Hans Rudolf Schinz, dem Ordinarius für Medizinische Radiologie, unterstellt war, sowie für das universitätsnahe Centre Anticancéreux Romand in Lausanne. Zur Geschichte der Radiologie in der Schweiz: Wyss 1995; Wellauer/Etter/Wieser 1989; Schmid 1986.
Vgl. Jahresberichte der KAW in den Jahresberichten des SNF 1958–1962; Archiv SNF, Gesuche KAW, Gesuch A 89 (Biophysik) und Gesuch A 115 (Biochemie).
Vgl. Strasser 2006, S. 33. Vgl. auch Joye-Cagnard 2010, S. 110.
Vgl. Ash 2016; Ash 2006; Ash 2002.
Vgl. Archiv SNF, Schachtel „Atomforschung 1960- Nr. 3 Memorandum Finanzielles Nachwuchs“, Bericht über die Tätigkeit der Kommission für Atomwissenschaft 1958 bis Mitte 1960, ohne Datum, und Budget 1961 der Kommission für Atomwissenschaft des Schweizerischen Nationalfonds, 29.8.1960. Vgl. auch Strasser 2006, S. 33.
Vgl. Archiv SNF, Schachtel „Atomforschung 1960- Nr. 4 Diverses FK Texte Hochschulbeitrag“, La recherche radiobiologique en Suisse, 15.3.1960, Bericht über das „Symposium on Research Programms in Radiobiology“, ohne Datum, und Symposium on Research Programmes in Radiobiology: Answer to the Questionnaire Proposed by Prof. A. Buzzati-Traverso, ohne Datum.
Vgl. dazu auch Creager 2006, S. 677.
Archiv SNF, Schachtel „Atomkollektion Prof. A. v. Muralt 1958–1959“, Protokoll der 4. Sitzung der KAW, 11.4.1958. Vgl. auch ebd., Protokoll der 1. Sitzung der KAW, 25.1.1958, Protokoll der 10. Sitzung der KAW, 25.10.1958, und Protokoll der 14. Sitzung der KAW, 7.2.1959.
Vgl. von Schwerin 2010b, S. 322.
Vgl. Archiv SAMW, B01/6, Protokoll der 103. Vorstandssitzung, 10.2.1968; Archiv SAMW, B01/7, Protokoll der 122. Vorstandssitzung, 8.12.1972. Zur Geschichte der Isotopenkommission: Feld/De Roo 2000, S. 113.
Vgl. Archiv SNF, Schachtel „Atomforschung 1960- Nr. 4 Diverses FK Texte Hochschulbeitrag“, La recherche radiobiologique en Suisse, 15.3.1960.
Vgl. Archiv SNF, Schachtel „Atomkollektion Prof. A. v. Muralt 1958–1959“, Protokoll der 18. Sitzung der KAW, 15.7.1959; Archiv SNF, Schachtel „Atomforschung 1960- Nr. 5 Rundschreiben Reglemente Einladungen“, Schreiben von H. Aebi inkl. Programm für die Arbeitstagungen, 28.3.1961, und Schreiben von H. Aebi betreffend Arbeitstagungen der KAW-Projektmitarbeiter inkl. Einladungen zu den Tagungen, 24.4.1961. Vgl. auch Strasser 2004, S. 15.
Vgl. Archiv SNF, Gesuche KAW, Gesuch A 210, Gesuch von H. Fritz-Niggli, 4.8.1960.
Zu Hedi Fritz-Niggli: Marti 2015b.
Vgl. Archiv SNF, Gesuche KAW, Gesuch A 210, Schreiben von H. R. Schinz und H. Fritz-Niggli an A. v. Muralt, 12.2.1960. Zu Alexander Hollaenders strahlenbiologischen Forschungen vgl. Kapitel 2, Fn. 47.
Ebd., Antrag des Praesidenten, 13.12.1960. Zudem versprach sich von Muralt gute Werbung für den wegen Geldnöten in die Kritik geratenen SNF.
Vgl. ebd., Referent Matthey: Gesuch Nr. 1986, [12.8.1960].
Vgl. ebd., Schlussbericht, 14.11.1961.
Vgl. ebd., Gesuch von H. Fritz-Niggli, 4.8.1960.
Ebd., Schreiben von H. Fritz-Niggli an A. von Muralt, 14.6.1961.
Vgl. Fritz-Niggli 1962.
Zu Jean Hermann Müller: Koelbing 1983, S. 399. Zu Hugo Aebi: Boschung 2001.
Vgl. Archiv BAG, 18.2.18, Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie, Notiz über die Gründungsversammlung einer Schweizerischen Arbeitsgruppe für Strahlenbiologie, 28.3.1963.
Vgl. Dommann 2003, S. 193–214.
Hinzu kamen sechs weitere Forscher, die sich als Mitglieder anmeldeten, an der Gründungversammlung jedoch abwesend waren, sowie das Eidgenössische Institut für Reaktorforschung in Würenlingen als Kollektivmitglied. Zur Geschichte der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie und Medizinische Physik: SGSMP 1989.
Vgl. auch Archiv BAG, 18.2.18, Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie, Schreiben von R. Sarasin an H. Fritz-Niggli, 27.2.1963; Archiv SGSMP, Ordner „SGSS Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik 1964-“, Geschichte der ersten zwanzig Jahre der Schweiz. Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik, ohne Datum. Zur Geschichte der Schweizerischen Gesellschaft für Radiologie und Nuklearmedizin: Wieser 1988.
Vgl. auch die – inhaltlich identischen – Aussagen von Hans Rudolf Schinz in: StAZH, Z 70.2886, Protokoll der Fakultätssitzung, 5.11.1958.
Zu Johannes Martin (Hans) Ulrich: Stettler 2002, S. 248.
Vgl. für den ganzen Absatz Archiv BAG, 18.2.18, Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie, Notiz über die Gründungsversammlung einer Schweizerischen Arbeitsgruppe für Strahlenbiologie, 28.3.1963, Zitate ebd.
Vgl. ebd., Schreiben von H. R. Renfer an H. K. Wagner, 25.5.1963, Schreiben von G. Wagner an H. Fritz-Niggli, H. J. Müller, H. Aebi und P. Lerch, 4.5.1963, Schreiben von G. Wagner an H. R. Renfer, 9.5.1963, Schreiben von H. Fritz-Niggli an G. Wagner, 10.6.1963, Schreiben von G. Wagner an H. R. Renfer, 9.7.1963, Schreiben von G. Wagner an H. Fritz-Niggli, 9.7.1963, Schreiben von H. Aebi an G. Wagner, 10.7.1963, Schreiben von H. R. Renfer an H. Fritz-Niggli, 4.11.1963, Schreiben von H. R. Renfer an H. Fritz-Niggli, 10.12.1963, und Schreiben von H. R. Renfer an H. Fritz-Niggli, 14.1.1964.
Vgl. ebd., Protokoll der Besprechung zwischen den Delegierten beider Gesellschaften, 13.2.1964, und Protokoll der Besprechung zwischen den Delegierten beider Gesellschaften, 6.3.1964.
Vgl. ebd., Schreiben H. Fritz-Niggli an R. Sarasin, 5.3.1963, und Schreiben von G. Wagner an H. R. Renfer, 9.5.1963; Archiv SGSMP, Ordner „SGSMP Archiv 1963–1981“, Entwurf eines Schreibens an den Präsidenten der Schweizerischen Gesellschaft für Radiologie und Nuklearmedizin, ohne Datum. Tatsächlich konnten laut Statuten nur Radiologen FMH Vollmitglieder der Röntgengesellschaft werden; Röntgenphysiker etwa wurden nur als außerordentliche Mitglieder geführt. Vgl. Archiv BAG, 18.2.18, Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie, Notiz über die Gründungsversammlung einer Schweizerischen Arbeitsgruppe für Strahlenbiologie, 28.3.1963.
Archiv SGSMP, Ordner „SGSMP Archiv 1963–1981“, Schreiben von H. Fritz-Niggli an H. Aebi, P. Lerch, J. H. Müller und G. Wagner, 4.7.1963. Zur Geschichte der Strahlenbiologie in der Schweiz: Lüthy/Fritz-Niggli 1989.
Vgl. Marti 2015b, S. 233 f.
Vgl. ebd., S. 236–238.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SGSS Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik 1964–“, Statuten der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie, 24.4.1964.
Vgl. Archiv BAG, 18.2.18, Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie, Notiz über die Gründungsversammlung einer Schweizerischen Arbeitsgruppe für Strahlenbiologie, 28.3.1963. Der Wissenschaftshistoriker Bruno J. Strasser bspw. subsumiert die Radiobiologie und die Nuklearmedizin unter dem Oberbegriff der Biophysik. Vgl. Strasser 2004, S. 12.
Vgl. Archiv BAG, 18.2.18, Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie, Notiz über die Gründungsversammlung einer Schweizerischen Arbeitsgruppe für Strahlenbiologie, 28.3.1963.
Vgl. ebd., Schreiben von E. Kellenberger und W. Arber an H. Aebi, W. Arber, H. Brintzinger, E. Flückiger, H. Fritz-Niggli, E. Kellenberger und S. Weidmann, ohne Datum, und Notiz über die Gründungsversammlung einer Schweizerischen Arbeitsgruppe für Strahlenbiologie, 28.3.1963; Arber 1964; Arber 1965. Vgl. auch Strasser 2006, S. 209.
Vgl. Archiv BAG, 18.2.18, Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie, Schreiben von E. Kellenberger und W. Arber an H. Aebi, W. Arber, H. Brintzinger, E. Flückiger, H. Fritz-Niggli, E. Kellenberger und S. Weidmann, ohne Datum, Schreiben von H. Fritz-Niggli an E. Kellenberger, 22.2.1963, und Schreiben von E. Kellenberger an H. Fritz-Niggli, 25.3.1963.
Für Fritz-Niggli vgl. Archiv SNF, Gesuche KAW, Gesuche A 58 und A 81. Für Kellenberger vgl. Archiv SNF, Gesuche KAW, Gesuch A 89.
Vgl. Marti 2015b, S. 234.
Vgl. Strasser 2004, S. 14.
Archiv SGSMP, Ordner „SGSS Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik 1964-“, Statuten der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie, 24.4.1964.
Archiv BAG, 18.2.18, Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie, Schreiben von E. Kellenberger an H. Fritz-Niggli, 25.3.1963.
Vgl. Joye-Cagnard 2010, S. 56, S. 142 und S. 145; Kupper 2003a, S. 171 f.; Kupper 2003b, S. 87 f.; Latzel 1979, S. 200.
Vgl. Jahresbericht des SNF 1962, S. 11.
Vgl. u. a. von Schwerin 2008, S. 199–209.
Vgl. von Schwerin 2008, S. 205; Abele 2002, S. 18 und S. 197.
Zur Molekularisierung der Biologie u. a.: Strasser 2006; Brandt 2004; Abir-Am 2003 [1997]; de Chadarevian 2002; Fox Keller 2001 [2000]; Kay 2001 [1999]; Morange 1998.
Zur umweltpolitischen Wende der 1970er Jahre insb.: Kupper 2005b; Kupper 2003c; Kupper 2001.
Vgl. von Schwerin 2015, S. 340–353.
Vgl. Archiv SNF, Gesuche Abteilung Biologie und Medizin, Gesuche Nr. 750, Nr. 1299 und Nr. 1356.
Archiv SNF, Gesuche KAW, Gesuch A 58, Antrag des Referenten: Aebi, 27.4.1958.
Vgl. Jahresberichte der KAW in den Jahresberichten des SNF 1958–1962.
Vgl. Strasser 2006, S. 229–279; Strasser 2004, S. 14.
Vgl. Strasser 2006, S. 179–227.
Vgl. Kellenberger 1965.
Vgl. Strasser 2006.
Vgl. Archiv SNF, Gesuche KAW, Gesuch A 89. Vgl. auch Strasser 2004, S. 14.
Es verhält sich indessen nicht so, dass Hedi Fritz-Niggli kein Interesse an Fragen der molekularen Strahlenbiologie gezeigt hätte. Im März 1958 stellte sie ein Fördergesuch an die KAW, mit welchem sie für ihre strahlenbiologischen Forschungen in einem groß angelegten Fünfjahresprogramm eine Summe von über 300.000 Schweizer Franken beantragte. Neben ihren angestammten Forschungsgebieten – Mutationsforschung, embryonale Schädigungen, Krebsinduktion und biologischer Strahlenschutz – wollte sie mit einem ähnlichen Untersuchungsdesign wie Eduard Kellenberger auch Strahlenwirkungen an Nukleinsäuren und biochemische Prozesse in Einzellern untersuchen. Für diese Ausdehnung ihrer Forschungsaktivitäten verlangte sie von der KAW nicht nur zusätzliches Laborpersonal, sondern auch zusätzliche Geräte, so unter anderem ein Elektronenmikroskop. Vgl. Archiv SNF, Gesuche KAW, Gesuch A 81, Gesuch von H. Fritz-Niggli, 13.3.1958. Die KAW bewilligte eine Förderung im bisherigen Ausmaß, nicht jedoch die Gelder für die elektronenmikroskopischen und die biochemischen Untersuchungen. Die Gründe für diesen Entscheid waren vielfältig; wesentlich war allerdings die Opposition seitens der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich. Zahlreiche Fakultätsmitglieder lehnten das Gesuch ab, weil sie befürchteten, die aufstrebende Strahlenbiologie würde anderen medizinischen Disziplinen finanzielle und personelle Ressourcen streitig machen. Möglicherweise spielten bei diesem Ressourcenneid auch geschlechtsspezifische Komponenten eine Rolle. Vgl. Marti 2015b, S. 233 f. Zudem wollten tonangebende Zürcher Biologen und Mediziner verhindern, dass Fritz-Niggli neben der klinischen Strahlenbiologie weitere neue, zukunftsträchtige Forschungsfelder zu okkupieren begann. Zu Beginn der 1960er Jahre waren an der Universität Zürich nämlich Diskussionen über eine Institutionalisierung zunächst der Human- sowie später auch der Molekulargenetik im Gange. 1963 wurde ein Chromosomenlabor am Kinderspital in Zürich eingerichtet. Bei der Schaffung dieses Labors bildete das Zukunftspotenzial der Molekularbiologie zwar noch nicht das Hauptargument; die Vision, die menschliche Vererbungslehre auf molekularer Ebene zu reformulieren, war indessen bereits vorhanden. Vgl. Germann 2016, S. 296 f. Sowohl die elektronenmikroskopischen als auch die biochemischen Untersuchungen machen deutlich, dass Fritz-Niggli sich auch in molekularer Strahlenbiologie betätigen wollte. Aufgrund des ablehnenden Entscheids der KAW verzichtete sie Ende der 1950er Jahre jedoch vorläufig darauf, sich in dieses neue Forschungsfeld einzuarbeiten.
Vgl. von Schwerin 2015, S. 344–353.
Strasser 2006.
Vgl. Archiv SNF, Gesuche KAW, Gesuch A 222, Votum zu Punkt 10 des provisorischen Programmes, ohne Datum, und Schreiben von R. Wideröe an E. Cherbuliez, 21.11.1961.
Vgl. ebd., Schreiben von R. Wideröe an E. Cherbuliez, 21.11.1961. Zu Rolf Wideröe, der während des Zweiten Weltkrieges mit der deutschen Luftwaffe zusammengearbeitet hatte: Waloschek 2002, S. 59, S. 63 f., S. 78 und S. 104; Weiss 2000a, bes. S. 82 f.
Vgl. Archiv SNF, Gesuche KAW, Gesuch A 222, Schreiben von R. Wideröe an E. Cherbuliez, 21.11.1961.
Vgl. ebd., Resolution, 3.3.1962, Liste der Teilnehmer, ohne Datum, und Schlussbericht, 24.6.1963.
Vgl. ebd., Planungskomitee, ohne Datum, Länderausschuss, ohne Datum, und Schlussbericht, 24.6.1963. Rolf Wideröe und Hedi Fritz-Niggli beschrieben das geplante Projekt auch in einem Artikel in der spanischen Fachzeitschrift Acta Ibérica. Radiologica. Cancerologica: Wideröe/Fritz-Niggli 1963.
Zur Euratom und der Internationalen Atomenergie-Organisation u. a.: Krige 2015.
Archiv SNF, Gesuche KAW, Gesuch A 222, Schlussbericht, 24.6.1963.
Zu Jakob Burckhardt: Steffen Gerber 2011.
Vgl. Archiv SNF, Gesuche KAW, Gesuch A 222, Schlussbericht, 24.6.1963.
Vgl. ebd. Vgl. auch CH-BAR#E8210A#1985/91#27*, Comité de direction de l’énergie nucléaire, Sous-comité de la santé et la sécurité: Procès-verbal de la neuvième session, 22./23.3.1962; CH-BAR#E8210A#1972/73#130*, Comité de direction de l’énergie nucléaire: Procès-verbal de la 21ème Session, 13.4.1962.
Vgl. Strasser 2009, S. 181–187; Strasser/Joye 2005a, S. 107–111; Strasser/Joye 2005b, S. 68–71.
Zur Schweiz als ‚Sonderfall‘ im ‚Westblock‘: Imhof 1996c.
Vgl. Strasser 2009; Strasser/Joye 2005a; Strasser/Joye 2005b. Ähnliche Thesen zur ‚neutralen‘ Wissenschaft und der Einbindung der Schweiz in den ‚Westen‘ finden sich in: Joye-Cagnard/Strasser 2009; Krige 2008.
Vgl. Latzel 1979, S. 200.
Vgl. Strasser 2009, S. 181–187; Strasser/Joye 2005a, S. 107–111; Strasser/Joye 2005b, S. 68–71. Zur Geschichte der Molekularbiologie in Europa: de Chadarevian/Strasser 2002; Strasser 2002.
Tatsächlich stand das Eidgenössische Politische Departement dem CERB-Projekt von Anfang an skeptisch gegenüber. Vgl. CH-BAR#E8210A#1972/73#130*, Schreiben der Abteilung für internationale Organisationen an U. Hochstrasser, 19.3.1962.
Vgl. Archiv BAG, 18.9.5, Schaffung eines Institutes für Strahlenschutz, Schreiben von R. Schuppli an G. Wagner, 7.9.1961, und Schreiben von R. Schuppli an Bundesrat Tschudi, 27.10.1961.
Vgl. ebd., Schreiben von G. Wagner an R. Schuppli, 21.10.1961, und Schreiben von Sauter an R. Schuppli, 11.1.1962.
Vgl. Archiv BAG, 18.9.2, Biologische Forschungen in Würenlingen und Diverse, Aktennotiz betreffend Medizinische und radiobiologische Forschungsarbeit in der Reaktor AG, 12.4.1960; Archiv BAG, 18.9.5, Schaffung eines Institutes für Strahlenschutz, Schreiben von G. Wagner an R. Schuppli, 21.10.1961.
Vgl. Archiv SNF, Protokolle der Sitzungen des Nationalen Forschungsrates, Band 6, 127.–134. Sitzung, 1964, Protokoll der 127. Sitzung des Nationalen Forschungsrates, 12.2.1964, und Protokoll der 128. Sitzung des Nationalen Forschungsrates, 12.2.1964.
Archiv SNF, Gesuche Abteilung Biologie und Medizin, Gesuch Nr. 3462, Beschluss 141. FR-Sitzung, 2.6.1965. Weiter existierten Bedenken, Hedi Fritz-Niggli verliere sich in zu vielen verschiedenen Forschungsprojekten. Mitte der 1960er Jahre bestand zudem die Absicht, im Bereich der molekularbiologischen Arbeiten eine Zusammenarbeit mit Eduard Kellenberger in Genf und mit Urs Leupold in Bern zu versuchen.
Vgl. Archiv SNF, Gesuche Abteilung Biologie und Medizin, Gesuch Nr. 2887, Antrag des Referenten: Kellenberger, 28.11.1963.
Jahresbericht des SNF 1967, S. 8 f.
Jahresbericht des SNF 1968, S. 74.
Vgl. Leupold 1969.
Jahresbericht des SNF 1969, S. 50.
Vgl. ebd. Auch die einzelnen molekularbiologischen Forschungsprojekte erhielten mehr Geld als die in der Strahlenbiologie geförderten Forschungsvorhaben, und zwar je ungefähr drei bis vier Mal so viel.
Vgl. dazu Kapitel 2, Fn. 181.
Zur Entspannungspolitik während des Kalten Krieges: Kieninger 2016.
Vgl. Kupper 2005; Kupper 2003c; Kupper 2001.
Vgl. von Schwerin 2008, S. 205–209.
Vgl. Kupper 2003a, S. 119 f. und S. 122.
Vgl. Reuter-Boysen 1992.
Vgl. von Schwerin 2008, S. 199–204; Yi 2007; Brandt 2004, S. 216–220; Friedberg 1997.
Zum Aufstieg der genetischen Toxikologie: Frickel 2004; Frickel 2001. Vgl. auch von Schwerin 2010e.
Bspw. wurde im Jahresbericht von 1970 ein Forschungsprojekt im Bereich der Umwelttoxikologie vorgestellt, welches die von Herbiziden und Insektiziden verursachten „Störungen im ökologischen Gleichgewicht der Natur“ sowie die Verteilung und allfälligen Auswirkungen von Abbauprodukten dieser Substanzen im tierischen und pflanzlichen Organismus untersuchte. Vgl. Jahresbericht des SNF 1970, S. 65.
Vgl. Jahresberichte des SNF 1973–1979.
Vgl. Jahresberichte des SNF 1969–1996.
Zur Geschichte des Schweizerischen Instituts für Nuklearforschung: Pritzker 2014; Pritzker 2013; Gugerli/Kupper/Speich Chassé 2005, S. 251.
Vgl. bspw. CH-BAR#E3310A#2003/209#127*, Neue Risikoeinschätzungen über die strahleninduzierte Kanzerogenese, ohne Datum.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SGSMP Archiv 1963–1981“, Verzeichnis der Mitglieder, Ende Juli 1963.
Vgl. ebd., Schreiben von G. Poretti an A. Kaul, 17.3.1980.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SGSS Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik 1964-“, Statuten der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik, 7.11.1980, und Statuten der Schweizerischen Gesellschaft für Strahlenbiologie und Medizinische Physik, 30.9.1988.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SGSMP Archiv 1963–1981“, Entwurf eines Schreibens an den Präsidenten der Schweizerischen Gesellschaft für Radiologie und Nuklearmedizin, ohne Datum, und Schreiben von G. Wagner an H. Lüthy, 22.8.1968; Archiv SGSMP, Ordner „SGSS Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik 1964-“, Protokoll der Generalversammlung, 9.12.1977.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SGSS Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik 1964-“, Geschichte der ersten zwanzig Jahre der Schweiz. Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik, ohne Datum; SGSMP 1989, S. 5 f. und S. 9.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SGSMP Archiv 1987–1990“, Entwurf eines Schreibens von J. Roth, ohne Datum.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SGSS Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik 1964-“, Schreiben von H. Fritz-Niggli an G. Poretti, 16.9.1981.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SGSMP Archiv 1982–1986“, Protokoll der Vorstandssitzung, 4.9.1984.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SGSP Vorstand“, Entwurf eines Schreibens von J. Roth und J.-F. Valley an die Erziehungsdirektion des Kantons Bern, 16.11.1989.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SGSS Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Strahlenphysik 1964-“, Protokoll der Generalversammlung, 9.12.1977.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SGSMP Archiv 1963–1981“, Protokoll der Vorstandssitzung, 18.9.1981.
Ebd., Schreiben von G. Poretti und J.-F. Valley an H. Schopper, 14.10.1981.
Ebd., Schreiben von H. Schopper an G. Poretti, 26.11.1981.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SGSMP Archiv 1982–1986“, Protokoll der Vorstandssitzung, 21.6.1982.
UAZ, I.1.0022, Jahresbericht des Strahlenbiologischen Instituts für 1988/89.
Vgl. UAZ, E.18.1.055, Schreiben von A. Gilgen an die Mitglieder der Hochschulkommission und des Erziehungsrates, 10.7.1991.
UAZ, E.18.2.595, Stellungnahme des Rektors zur Nachfolge Strahlenbiologie, 12.6.1989.
UAZ, E.18.1.055, Schreiben von A. Gilgen an die Mitglieder der Hochschulkommission und des Erziehungsrates, 10.7.1991.
Vgl. ebd., Zwischenbericht zur Nachfolgeregelung des Lehrstuhls für Strahlenbiologie und der Direktion des Strahlenbiologischen Institutes, ohne Datum.
Ebd., Vorläufige Stellungnahme des Rektors zum Strukturbericht Molekulare Radiobiologie, 6.4.1993.
UAZ, I.1.0043, Institut für Medizinische Radiobiologie der Universität Zürich und des Paul Scherrer Instituts: Akademischer Bericht 1996/97 bzw. Annual Report August 1996–March 1998.
Vgl. Archiv SGSMP, Ordner „SSRPM Comité 1995–1997“, Schreiben von J.-F. Germond und L. André an die Direktion des Gesundheitswesens, 6.6.1996.
Vgl. Tanner 1988a, S. 69 f. und S. 81 f.
UAZ, E.18.2.595, Schreiben von P. Kleihues an A. Gilgen, 16.5.1990.
Vgl. ebd.
Zum Begriff der Ressourcenensembles vgl. Kapitel 2, Fn. 136.
Vgl. CH-BAR#E3300C#2002/40#712*, Planifications EPFL 1992–1995, 23.1.1991.
Vgl. CH-BAR#E3300C#2002/40#560*, Schreiben des Präsidenten des Schweizerischen Schulrates an B. Roos, 12.7.1990.
Vgl. CH-BAR#E3300C#2002/40#712*, Schreiben von B. Roos an H. Ursprung, 25.6.1990. Zu Pierre Lerchs Tätigkeit im Rahmen der Überwachung der Umweltradioaktivität vgl. Kapitel 3.2.
Vgl. ebd. Vgl. auch ebd., Schreiben von Th. Zeltner an B. Vittoz, 12.2.1991.
Vgl. Pont 2010, S. 102 und S. 142.
Vgl. CH-BAR#E3310A#2003/209#33*, Abbaumassnahmen im Bereich des Strahlenschutzes, 3.12.1990.
Von Schwerin 2010b, S. 321.