Dieses Buch verdankt seine Geburt einem Versprechen. Nach dem Erscheinen meiner Biografie über den Dichter Abba Kovner1, der im Zweiten Weltkrieg als Partisan in Polen gekämpft hatte, rief Jitzchak ‚Pascha‘ Avidov (geboren als Reichmann), ein enger Freund Kovners, mich zu sich, um mich zu tadeln: „Da hast du nun ein dickes Buch geschrieben und die von Abba befehligte Nakam-Gruppe wird auf einer einzigen Seite abgehandelt? Eine Seite für ein ganzes Jahr!“ Ich erklärte ihm, dass es in der Biografie um Kovner persönlich ging, und der war die meiste Zeit jenes Jahres, vom Sommer 1945 bis zum Sommer 1946, von den Mitgliedern seiner Gruppe getrennt gewesen. Pascha Avidov hatte Kovner damals vertreten und das Kommando übernommen.
Erst als ich Pascha per Handschlag versprach, ein neues Buch ausschließlich der Nakam-Gruppe zu widmen, der Gruppe der Rächer, in dem ich ihre Erfahrungen und Aktivitäten nach bestem Wissen beschreiben und analysieren würde, ließ sein Ärger ein wenig nach. Ich habe dieses Versprechen als Verpflichtung empfunden, und ich bin Jitzchak Pascha Avidov für diesen Anstoß sehr dankbar. Dass er den Abschluss der Arbeit nicht mehr erlebt hat, schmerzt mich zutiefst.
Auch andere Mitglieder der Gruppe, zu denen ich seit der Arbeit an Kovners Biografie Kontakt gehalten hatte, äußerten ein gewisses Unbehagen. Vierzig Jahre lang, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, hatten sie ihr Geheimnis gehütet, bis sie in der Mitte der 1980er Jahre allmählich zustimmten, sich interviewen und fotografieren zu lassen, auf Anschuldigungen zu reagieren, sich zu treffen und ihre Unterhaltungen aufzuzeichnen, all das unter vielfachem Zögern und mit großen Bedenken. Sie befürchteten, und befürchten immer noch, dass in der Gegenwart weder die Idee, die ihrer Operation zugrunde lag, noch die dabei verwendeten Methoden auf Verständnis stoßen würden.
Sie wollten als moralische Wesen mit jüdischen und allgemein menschlichen Werten erinnert werden und liefen nun Gefahr, von der Geschichtsschreibung als junge Leute betrachtet zu werden, die nach rückhaltloser Rache strebten und „angefüllt waren mit rebellischem Gedankengut […], das Minderwertigkeitskomplexen entsprang“, wie Schaul Meirov (später Avigur) es formulierte.2 Meirov war zu jener Zeit Leiter einer Einrichtung für die illegale Einwanderung von Juden nach Palästina, dem Mossad für die Alija B, und seine Worte werden im Buch der Geschichte der Hagana zitiert. Die Hagana war eine paramilitärische Untergrundorganisation in Palästina während des britischen Mandats, und sie arbeitete ebenfalls mit dem Mossad für die Alija B zusammen.
Bisher ist die Geschichte der Nakam-Gruppe in erster Linie von Journalisten in Zeitungen und im Fernsehen erzählt worden, dazu taucht sie in sehr kurzen Kapiteln in zwei Fachbüchern und in einem umfassenderen Artikel in einer Zeitschrift auf3, niemals aber ist das gesamte vorhandene Material gründlich erforscht und ausgewertet worden. Heute sind die ehemaligen noch lebenden Mitglieder alle über neunzig Jahre alt, und sie wünschten sich, ihre Geschichte möge endlich einmal zusammenhängend erzählt werden. Aus Schubladen und Bücherregalen zogen sie geheim gehaltene Tagebücher, Briefe und Notizen hervor, verblichene, auf Polnisch, Litauisch, Deutsch und Russisch, Jiddisch und Hebräisch beschriebene Seiten, und sie empfingen mich freundlich zu langen Interviewsitzungen in ihren Häusern. Vitka Kempner-Kovner, die Witwe Abba Kovners, holte einen Ordner aus einem Metallschrank in Kovners Arbeitszimmer hervor und meinte mit der für sie typischen Direktheit: „Hier, nimm das!“ Er enthielt seit Kovners Tod nicht mehr angetastete Dokumente über die Nakam-Gruppe. Das Herz einer Historikerin schlägt höher, wenn sie vergilbte Papiere in Händen hält, die über Jahre hinweg zu ihr sprechen.
Das vorliegende Buch ist also die Erfüllung meines Versprechens, die Geschichte der jungen Frauen und Männer aufzuschreiben, die Willenskraft und Energien investierten und wenn nötig auch ihr Leben geopfert hätten, um nach der Schoa an den Deutschen Rache zu üben. Gleichzeitig ist es auch ein Versuch, die Frage zu beantworten, die bis heute an ihnen nagt: Woran lag es genau, dass die Racheaktionen in dem von ihnen anvisierten Ausmaß schließlich scheiterten? Was – oder womöglich wer – hat sie verhindert? Sie hatten Monate um Monate unter schwierigen Bedingungen an den Plänen gearbeitet. Sie waren mit der Motivation, dem Können und der Entschlossenheit, die sie in den Jahren der Schoa und des Krieges bereits bewiesen hatten, ans Werk gegangen. Und dennoch gelang es ihnen nicht, die selbst auferlegte Mission erfolgreich zu beenden. Auf diese Frage lassen sich Antworten finden, und sie werden zunehmend klarer, wenn man die Erinnerungen der Teilnehmer, das bei ihnen zu Hause aufbewahrte Material, das Archivmaterial und Gespräche mit Menschen außerhalb des engen Kreises der Betroffenen nebeneinander stellt.
Neben dem eingangs erwähnten Versprechen und dem Bedürfnis, bisher offen gebliebene Fragen zu beantworten, gab es für das Schreiben noch einen dritten Beweggrund: Ich wollte verstehen, wie ein so furchtbarer Racheplan mit den Charakteren der einzelnen Mitglieder und der Gruppe insgesamt zu vereinbaren war. Während der Gespräche mit ihnen und während des Schreibens wuchsen meine Bewunderung und meine Achtung für die Kraft, die ein jeder von ihnen ausstrahlte, für die Entschlossenheit, das scharfe Gedächtnis, die lebhaften, selbst nach so langer Zeit noch nicht abgestumpften Gefühle; für die Hingabe an die einmal übernommene, wenn letztlich auch nicht verwirklichte Aufgabe. Sie halten die Erinnerung an diese Mission wach, an die Familien und an Freunde, die nicht mehr sind, und verfügen dabei trotz allem über einen unerschöpflichen Sinn für Humor und über echte Lebensfreude. Bewundernswert ist auch die Freundschaft, die sie alle verbindet, obwohl es Meinungsverschiedenheiten gegeben hat und bis heute gibt. In erster Linie aber erstaunte mich ihre tiefe tägliche Sorge um das Schicksal des jüdischen Volkes und des Landes, da die klare Warnung: Vergreift euch nie wieder an Juden! ihrer Meinung nach ausgeblieben ist. Einige der Mitglieder leben in unmittelbarer Nähe zueinander und helfen sich gegenseitig wenn nötig. Alle telefonieren oft miteinander und wissen genau, wie es einem jeden geht. Wer sich mit wem getroffen hat und worüber dabei gesprochen wurde, darüber halten sie einander auf dem Laufenden, und natürlich warnen sie sich gegenseitig vor anreisenden Journalisten mit Kameras und stimmen ihre Positionen untereinander ab.
Mein tiefempfundener Dank geht an Hava Zexer, die einmal meine Studentin war und heute meine Freundin ist. Gemeinsam kutschierten wir über Israels Straßen, sie mit ihrer Kamera und einem Stativ, ich mit dem Ordner der bisher zusammengetragenen Aussagen. Hava saß am Steuer und ich beugte mich über die Straßenkarte auf meinen Knien und führte sie auf den Wegen um Haifa und Jerusalem, Michmoret und Schoham, Ein HaChoresch und vor allem in Ramat Gan und Givatajim nicht selten in die Irre. Hava, die mit Liebenswürdigkeit und einem scharfen Verstand gesegnet ist, wusste bei den Interviews die richtigen Fragen zu stellen und kam dann zu hilfreichen Rückschlüssen. Zusammen brachten wir Ordnung ins Gewimmel ähnlich klingender Namen wie Poldek, Julek, Manek, Jaschek, Kaschik, Idek. Sie bestanden auf weiteren Interviews, um ihrer bereits verstorbenen Kameraden wie Bartek, Willek und Schimik zu gedenken. Und dann waren da natürlich noch die Frauen: Lenka, Vitka, Mirka und Cheska seligen Angedenkens. Und Haschka und Rochke und ihre Kameraden, denen wir ein langes Leben wünschen.
Wir sind diesem Kreis faszinierender Menschen für Vertrauen und Gastfreundschaft, für die vielen uns gewidmeten Stunden, für das reichhaltige aufbewahrte Material, das sie hervorsuchten und uns anvertrauten, für die Ehre der engen Bekanntschaft, die wir genießen durften, zu großem Dank verpflichtet. Besonders viele Materialien fanden sich im Haus von Rachel (Rochke) Galperin-Gliksman, der „Historikerin“ der Gruppe. Sie hat über lange Jahre hinweg Bücher, Zeugenaussagen, Briefe und Broschüren zusammengetragen und sie mit großer Liebe und Sorgfalt geordnet. Wir danken ihr hiermit für das freundliche Lächeln und die gute Laune, mit der sie uns ihre Sammlung zur Verfügung stellte. Weiteres Material fanden wir in Archiven, besonders im Archiv „Moreschet“ in Givat Chaviva, dem Familie Kovner den größten Teil des Nachlasses von Abba Kovner übergab. Unser Dank geht ebenfalls an Josefa Pecher, die die Dokumente katalogisierte; an Daniella Ossatski-Lazar, die sich aus eigenem Antrieb auf die Suche begab und wahre Schätze ausgrub; an Ariella Carmi, die uns die Mitschnitte des ersten Treffens der Nakam-Gruppe erläuterte. Dankende Grüße gehen an die Mitarbeiter des Archivs im Haus der „Lochamei HaGettaot“, besonders an den Direktor Jossi Shavit, für die bereitwillige Hilfe; an Roni Azati, den Leiter des Archivs von „Yad Tabenkin“; an Eldad Haruvi, den Leiter des Palmach-Hauses; an Michael Laks vom IDF-Archiv; an Boaz Tal, den Archivar von Massua. Ein Dank geht auch an den inzwischen leider verstorbenen Levi Arieh Sarid, der uns wertvolles Material großzügig zur Verfügung stellte, und an Schlomo Nakdimon, der als erster einige der Gruppenmitglieder interviewte und einen Pressebericht über deren Geschichte publizierte. Schlomo fand in seinen Ordnern siebzig Jahre altes Material und überließ es mir. Ich danke auch Orly Levy und Dorit Herman von den Archiven der Hagana und ganz besonders Neri Arieli aus Ein Gedi, die in ihrem Kibbuz noch wichtiges Material fand; ich danke meiner Studentin Rachel Hadaio für die Kopien der Kassetten mit den von ihr geführten Interviews, und Louise Fisher vom Israelischen Staatsarchiv, Devorah Stavi vom Gnazim Institut, Adi Portghes vom Ben-Gurion-Heritage-Center in Sde Boker, Yarin Kimor, der die Gruppe für einen von ihm produzierten Film interviewte, Aron Heller, einem Korrespondenten der Associated Press in Israel, und dem Historiker Randy Herschaft, der mir Material aus den National Archives in Washington DC besorgte. Ich danke Meirav Segal, der Direktorin des Weizmann-Archivs, ich danke Sima Borkovski für die Fotos der Gruppenmitglieder und Itzik Nir für die Transkription der Aussagen von Jitzchak „Antek“ Zuckerman. Avidovs Sohn Avi versorgte uns mit einigen Kisten voller Überraschungen und ermutigte uns weiterzumachen. Yonat Rotbein, die Tochter von Ruzka Korczak, stand uns mit gutem Rat zur Seite und wies uns auf Material hin, das in Aufnahmen von Treffen aus den 1980er und vor allem aus den 1990er Jahren zu finden war. Besonders dankbar bin ich dem inzwischen verstorbenen Dichter Elisha Porat aus Ein HaChoresch (wir sind nicht verwandt), der viele Stunden im Privatgespräch mit Kovner verbrachte, und dem sehr an der Veröffentlichung dieses Buch gelegen war. Elisha hat uns beraten und Material zugeschickt. Wir bedauern seinen Verlust sehr.
In den Archiven befinden sich Aussagen von vierunddreißig Gruppenmitgliedern, von denen einige sich im Lauf der Jahre mehrmals geäußert haben. Aus der Gruppe von insgesamt fünfzig Frauen und Männern repräsentieren sie die Mehrheit der aktivsten und wichtigsten Mitglieder. Ich danke ihnen für ihre Aussagen, und ich danke ebenfalls allen ihren Töchtern und Söhnen, der zweiten Generation, und auch den Angehörigen der dritten Generation für das Material das sie in ihren Häusern und in den Häusern ihrer Eltern gesucht und gefunden haben, sowie für das große Interesse, dass sie dem Entstehen dieses Buches entgegengebracht haben. Besonderer Dank geht an Dr. Axel Strawski aus New York und an Dr. Michael (Mickey) Margalit aus Tel Aviv für ihre Unterstützung der Forschungsarbeit und der Publikation dieses Buchs.
Dank gebührt ebenfalls meinem Studenten Dr. Schlomo Kron, der Material aus jüdischen Quellen zusammengetragen und analysiert hat, meiner engagierten Studentin Tal Cohen, die mir bei der Materialsammlung während des Schreibens half, und Talia Naamat, deren Hilfe stets wertvoll ist.
Von Herzen danke ich Rama Zuta, der Lektorin des hebräischen Textes, für ihre elegante Sprache und ihre Kenntnis der Landesgeschichte, sowie der Hebräisch-Korrektorin Daphna Schweppe, die ein scharfes Auge auf den Text warf und produktive Ideen einbrachte.
Vielen Dank an Prof. Daphana Erdinast-Vulcan, die Chefredakteurin der Haifa University Press, an Sharon Hanuka Ben-Shimol, an Shoshi Leber, die Sekretärin, an die Jury des Bahat-Preises und an die beiden Lektoren, deren Namen mir vor der Veröffentlichung des Buches nicht bekannt waren.
Einige der Treffen mit den einzelnen Gruppenmitgliedern und mit der Gruppe als Ganzes sind fotografiert und auf Tonband aufgenommen worden, doch nach dem Lesen Dutzender von Interviews, nach dem Anschauen der Filme und dem Anhören der Mitschnitte kann festgestellt werden, dass es trotz all der Medien, insbesondere Kameras und Mikrophone, die dem Historiker heute zur Verfügung stehen, keinen Ersatz gibt für ein Gespräch unter vier Augen zwischen dem Forscher und dem Zeitzeugen, ganz ohne aufdringliche Kamera, ohne mithörendes Mikrophon. Allein das sich zwischen zwei Menschen aufbauende Vertrauen und die Stille zwischen den Worten führen zu den ehrlichsten und einprägsamsten Gesprächen. Unterhaltungen dieser Art waren mir eine unerschöpfliche Quelle von Informationen und von Einsichten. Es kam vor, aber tatsächlich nur ganz selten, dass Aussagen sich widersprachen. Dort stieß der Beruf an eine Grenze, denn eine endgültige Einschätzung war unmöglich. Das Buch stellt die Geschichten in all ihren Aspekten dar und vermeidet es, definitive Schlüsse zu ziehen.
Direkte Zitate aus Gesprächen mit den Gruppenmitgliedern stehen natürlich in Anführungszeichen und sind mit einer Quellenangabe versehen. Der Kürze wegen und um Wiederholungen zu vermeiden, habe ich in einigen Fällen Zitate zusammengefasst, dabei blieben aber die Einstellung des Sprechers und sein Tonfall erhalten. Sie sind nicht mit Anführungszeichen gekennzeichnet, aber die Quelle ist angeführt. Die Gruppenmitglieder benutzten, bis auf eine Ausnahme, die Spitznamen ihrer Kameraden aus den alten Tagen, aber in den Quellenangaben erscheinen beim ersten Auftauchen die vollen Namen. Diejenigen, die ihre Namen inzwischen hebraisiert haben, erscheinen in meinem Buch unter ihren hebräischen Namen, da sie unter diesen Namen der israelischen Öffentlichkeit bekannt sind, vor allem der nach dem Krieg geborenen. Aber auch sie werden bei ihrem ersten Erscheinen mit den vollen ursprünglichen Namen vorgestellt.
Dina Porat
Ramat HaScharon, Israel
Dezember 2018