Le Sacre du Printemps marquera une date dans l’histoire de l’art contemporain. – Deux actes seulement; un ballet […] (mais est-il bien équitable d’appeler ballet ce tableau choréographique, cette production à peine classable, cette étrange et grave chose?) […].1
Die Ballets Russes des russischen Impresarios Sergej Djagilev brachen mit Konventionen und Darstellungsprinzipien des klassischen Balletts, und zwar spätestens mit Le Sacre du printemps am 29. Mai 19132 – einem Ballett (wie es im Allgemeinen genannt wird), für das Igor’ Stravinskij, Vaclav Nižinskij und Nikolaj Rerich in Personalunion verantwortlich zeichneten. Noch Jahre später äußerten sich Journalisten und Zeitzeugen über besagten Abend – einerseits über die radikale Ästhetik, die im Pariser Théâtre des Champs-Élysées hör- und sichtbar geworden war, andererseits über den Tumult, der dort ausgebrochen sein soll, als Stravinskij, Nižinskij und Rerich das Publikum mit ihren „Bildern aus dem heidnischen Russland“3 konfrontierten.4 Heute gilt Djagilev als Ballettreformer, und seine Ballets Russes werden als erfolg- und einflussreichste Ballettkompanie des 20. Jahrhunderts betrachtet.5 Der Sacre selbst avancierte zum „Avatar of Modernity“6 sowie „Jahrundertwerk“7 und das viel beschriebene Chaos seiner Uraufführung zum „vielleicht größte[n] Theaterskandal des 20. Jahrhunderts“8.
Angesichts dieser überschwänglichen Epitheta sowie der Tatsache, dass Stravinskij den Sacre 1912 als ein „Choreodrama“9 bezeichnete, welches das Ballett in seiner damaligen Form ersetzen würde,10 verwundert, dass ein solches Schlüsselwerk der (Theater-)Moderne11 bislang noch nicht mit dem ‚Theater der Zukunft‘ in Verbindung gebracht worden ist – einer Etikettierung, die eine Reihe von Schriften, Manifesten und Programmen gebraucht hatten, die ab 1870 zunächst vereinzelt in Deutschland und dann, um die Jahrhundertwende, vermehrt in ganz Europa sowie Russland entstanden waren.12 Allesamt hatten sie zum Ziel, das (europäische) Theater zu reformieren; heute werden sie gemeinsam mit einer Anzahl von Theaterarbeiten der ‚Theaterreform um 1900‘ zugeordnet. Als Protagonisten dieser paneuropäischen Bewegung gelten unter anderem der deutsche Autor und Theaterschaffende Georg Fuchs, der britische Schauspieler, Regisseur und Bühnenbildner Edward Gordon Craig sowie der russische Schauspieler und Regisseur Vsevolod Mejerchol’d.13
Bislang scheinen jene Theaterreform und die (frühen Werke der) Ballets Russes als zwei separat voneinander existierende ästhetische Phänomene verstanden zu werden. Zumindest taucht Djagilevs Ballettkompanie in zentralen Übersichtswerken zum Theater (des 20. Jahrhunderts) eher am Rande auf, und Verbindungen zur Theaterreform werden dort keine genannt.14 Was Djagilev betrifft, so geht man (bis dato) davon aus, dass Stravinskij mit ihm zum ersten Mal das ästhetische Ideal der Ballets Russes umsetzte: ein antiliterarisches Musiktheater, bei dem Musik, Tanz und Bühnenbild gleichberechtigt koexistieren und das Sujet auf archaisch gedachten Quellen fußen sollte. Der amerikanische Stravinskij-Forscher Richard Taruskin prägte für jenes Ideal den Ausdruck „neonationalist ‚Gesamtkunstwerk‘“15; im Allgemeinen wird es auf zwei russische Kunstbewegungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts zurückführt: (1.) die Mir Iskusstva (Welt der Kunst), eine Vereinigung von russischen Künstlern und Intellektuellen, aus der später die Ballets Russes hervorgingen, und (2.) die stark auf Visualität fokussierten „neonationalistischen“ Opernproduktionen des Moskowiter Kunstmäzens Savva Mamontov. Alexandr Benua, Gründungsmitglied der Ballets Russes und in deren Anfangszeit einer der engsten Mitarbeiter Djagilevs, wird, was das Ballets-Russes-Ideal angeht, ebenfalls eine zentrale Rolle zugeschrieben. Nicht nur verwendete er hierfür als Erster den deutschen Begriff Gesamtkunstwerk; er gilt auch als Schlüsselfigur dahin gehend, dass der Mir Iskusstva-Kreis nicht die Oper als ideal für seine Zwecke anerkannte, sondern das Ballett.16 Dieses verteidigte er bereits 1908 in seinem Essay „Beseda o balete“ gegen die Oper und das Drama,17 was Taruskin dazu brachte, den Text zum „epitome of Miriskusstnik propaganda on behalf of Terpsichore“18 zu erklären – also zu einer Art Proklamation der Ballets Russes, sich der Muse des Tanzes zu verschreiben.
Von alldem ausgehend ist vielfach beschrieben worden, dass Stravinskij und Rerich für Szenario und Komposition des Sacre folkloristische Vorbilder verwendeten und dass auch Nižinskij sich von dem (meist von Rerich zur Verfügung gestellten) Material inspirieren ließ.19 Des Weiteren, dass Komponist und Choreograf die auf diese Weise gefundenen Vorbilder dergestalt verarbeiteten, dass sie im Grunde unkenntlich wurden. Die spezifischen Charakteristika des Sacre beschreibt die Forschung deshalb häufig mittels zweier diametraler Pole, die im Werk zu einer dialektischen Einheit verschmelzen würden: auf der einen Seite das Streben nach dem Alten, Archaischen und Primitiven, das sich vor allem im Sujet des Balletts und in der hierfür vom Archäologen und Bühnengestalter Rerich entworfenen Ausstattung manifestiere; auf der anderen Seite der Blick auf das Neue, Unkonventionelle und Moderne, das sich sowohl in Stravinskijs Komposition als auch in Nižinskijs Choreografie offenbare. Dadurch, dass sich Komponist und Choreograf mit Volkslied- und -tanzmaterial beschäftigt hatten, seien sie in der Lage gewesen, eine radikal neue Formensprache zu entwickeln, die die Musik- und Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts entscheidend prägen sollte.20
Allein Phänomene wie die Theaterreform oder Schlagworte wie ‚Das Theater der Zukunft‘ ignoriert dieser Erklärungsversuch der radikalen Modernität des Sacre. Selbst Taruskin erklärt Benuas Ballett-Text zwar – wie gesehen – zum Keim der Beschäftigung der Mir Iskusstva mit ebenjener Tanzgattung; die Theaterreform lässt er dabei jedoch unberücksichtigt – obwohl der Essay ohne sie eigentlich nicht zu verstehen ist. Sowohl der Sammelband, in dem er erschien (Teatr. Kniga o novom teatre [Theater. Buch über das neue Theater]),21 als auch sein Mitherausgeber (der schon erwähnte Mejerchol’d) sind für die Theaterreformbewegung in Russland nämlich als zentral zu erachten. Was Benua betrifft, so unterbreitet dieser in dem Konvolut den Vorschlag – und dadurch verortet er sich ganz klar in jenem zeitgenössischen Diskurs –, für das „Theater der Zukunft“22, welches die Reformer anstrebten, das Ballett als geeignete Kunstform anzuerkennen; in einer neuen Form würde es alle Voraussetzungen dafür erfüllen.23 Vor diesem Hintergrund lässt aufmerken, wenn Stravinskij den Sacre als Choreodrama bezeichnet: eine Kunstform, die – wie gesagt – das Ballett in seiner alten Form ersetzen werde. Könnte die radikale Modernität des Sacre dann nicht auch auf jene Reformgedanken zurückgehen, die damals in ganz Europa – vor allem aber auch in Russland – kursierten?
Um diese Frage beantworten zu können, muss der Sacre in seiner ursprünglichen Wesenheit als Ballett und also Bühnenwerk betrachtet werden. Das Ballett als theatrale Gattung und somit als ein Zusammenspiel von Musik und Tanz (und gegebenenfalls Bühnenbild) verlangt aber nach Interdisziplinarität, die sowohl musik- als auch tanzwissenschaftliche Erkenntnisse gleichberechtigt berücksichtigt. Zum Sacre sind freilich genauso voluminöse wie zahlreiche Publikationen erschienen. Ihnen allen ist gemein, dass die Musikwissenschaft die choreografische Arbeit Nižinskijs grosso modo außen vorlässt und die (aus der Theater- und Literaturwissenschaft hervorgegangene) Tanzwissenschaft Stravinskijs Musik gleichsam übergeht. Ein Ansatz, der beide Fächer (in der Betrachtung des Balletts im Allgemeinen und des Sacre im Besonderen) befriedigend verbindet, existiert bis dato schlichtweg nicht24 – und das, obwohl er sowohl methodisch als auch inhaltlich neue Perspektiven eröffnen würde. Methodisch, weil man es mit einem äußerst heterogenen Quellenkorpus zu tun hätte und mit Erkenntnissen unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen konfrontiert würde; inhaltlich, weil durch eine Blicköffnung über die jeweiligen Fachgrenzen hinaus Zusammenhänge erkennbar würden, die die Forschung bislang übersehen hat: insbesondere, dass Djagilevs Ballets-Russes-Mitarbeiter und allen voran Benua, Stravinskij und Nižinskij sich intensiv mit Protagonisten der um 1900 von Deutschland ausgehenden Theaterreform auseinandersetzten, deren Texte rezipierten und diese mit ihnen sogar diskutierten.
Auf die methodischen Herausforderungen eines solch interdisziplinären Ansatzes verweist Kapitel I. Hier kann aufgezeigt werden, wie forschungshistorische Hintergründe die musik- und tanzwissenschaftliche Sacre- Rezeption beeinflusst haben und bis heute prägen. Auch wird deutlich, dass ein Zusammenführen von Erkenntnissen beider Fachbereiche vor allem dadurch verkompliziert wird, dass innerdisziplinär geführte Diskurse häufig grundlegend von denjenigen der jeweils anderen Disziplin abweichen.
In der Folge gilt es, den Forschungsstand zu rekapitulieren (Kapitel II.) – zuvorderst die ästhetischen Ursprünge der Ballets Russes. Dabei soll zum einen ein Verständnis dafür geschaffen werden, welche Bedeutung dem Tanz im Gesamtkunstwerksideal der Ballets Russes zukommt; zum anderen wird darauf aufmerksam gemacht, wie entscheidend Benua dafür gewesen ist. Die wichtigste Grundlage dafür bilden die historiografischen Erkenntnisse Taruskins, der in seiner Monografie Stravinsky and the Russian Traditions nicht nur überzeugend darlegt, dass sich Stravinskij für Sacre-Libretto und ‑Komposition mit archaischen Riten und dazugehörigen (russischen) Volksliedern beschäftigte, sondern auch auf die Wichtigkeit der tänzerischen Aktion auf der Bühne verweist.25 Davon ausgehend soll der Bedeutung der Theaterreform für das Gesamtkunstwerksideal der Ballets Russes nachgespürt werden. Denn offenbar verkehrte Benua in Kreisen, die sich mit Fragen zu einer Reform des Theaterwesens auseinandersetzten und die den von ihm gebrauchten Begriff Gesamtkunstwerk umfangreich diskutierten.
Das dritte und letzte Kapitel thematisiert das feinmaschige Netz an Verbindungen zwischen Ballets Russes und Theaterreform, welches die Literatur bislang noch nie ausführlich besprochen hat. Durch historiografische wie (musik-)analytische Betrachtungen wird deutlich werden, dass die Ballets Russes im Allgemeinen sowie Benua und Stravinskij im Besonderen einen Kulturtransfer zwischen Deutschland, Russland und Frankreich angestoßen hatten, der vollumfänglich zum ersten Mal 1913 im Théâtre des Champs- Élysées greifbar wurde: mit dem Sacre du printemps. Sollte sich die Reformbewegung folglich als Missing Link herausstellen, das Werk vollständig zu verstehen?
Besonderes Augenmerk muss bei dieser Frage auf den Sommer 1911 gerichtet werden: Damals wurde Pétrouchka uraufgeführt, für das Stravinskij und Benua erstmals sehr eng kooperiert hatten. Kurz danach nahm Stravinskij die Arbeit am bereits 1910 skizzierten Ballett Das große Opfer wieder auf, aus dem 1913 der Sacre entstand. Im selben Sommer bezichtigte Gordon Craig die Ballets Russes zum ersten Mal, seine Ideen gestohlen zu haben. Und wenig später forderte Stravinskij seinen langjährigen Freund Andrej Rimskij-Korsakov dazu auf, Georg Fuchs’ Reformschrift Der Tanz26 zu lesen. Kurzum (und das wird zu zeigen sein): In jenem Sommer ersonn Stravinskij sein ‚Theater der Zukunft‘ – ein Choreodrama, das seine Wirkung bis heute nicht verloren hat.
Jacques-Émile Blanche: „Un bilan artistique de 1913. Les Russes. – ‚Le Sacre du Printemps‘“, in: La Revue de Paris 20/6 (1. Dezember 1913), S. 517–534, hier S. 519.
Vgl. Sibylle Dahms, Monika Woitas, Gunhild Oberzaucher-Schüller, Marianne Bröcker u.a.: Art. ‚Tanz‘, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, begr. von Friedrich Blume, 2., neubearb. Ausg., hg. von Ludwig Finscher, 26 Bde. in zwei Teilen, Sachteil: 9 Bde. und Reg.-Bd., Kassel u.a. 1994–1999; Personenteil: 17 Bde. und Reg.-Bd., Suppl., Kassel u.a. 1999–2008. (= MGG 2), hier Sachteil, Bd. 9, Sp. 228–408, hier Sp. 328–331.
Vgl. den Wortlaut des Uraufführungsprogramms des Théâtre des Champs-Élysées, Saison Russe, 29. Mai 1913, S. 26, abgedruckt in: Avatar of Modernity. ‚The Rite of Spring‘ Reconsidered, hg. von Hermann Danuser und Heidy Zimmermann, London 2013, S. 417: „Le Sacre du Printemps. / Tableau de la Russie païenne en deux actes, de Igor Strawinsky et Nicholas Roerich. / Musique de Igor Strawinsky / Choréographie de Nijinsky / Décors et Costumes de Nicholas Roerich“.
Esteban Buch gibt einen guten Überblick über die sich oft widersprechenden Zeitzeugenberichte zur Uraufführung des Sacre. Vgl. Esteban Buch: „The Scandal at ‚Le Sacre‘: Games of Distinction and Dreams of Barbarism“, in: Avatar of Modernity, hg. von Danuser und Zimmermann, S. 59–78.
Vgl. Lynn Garafola: Diaghilev’s Ballets Russes, New York 1989, S. vii–xiii.
Vgl. den Titel des Sammelbandes, den die Paul Sacher Stiftung 2013 anlässlich des 100. Jubiläums des Sacre herausgegeben hat: Avatar of Modernity, hg. von Danuser und Zimmermann.
Hermann Danuser und Heidy Zimmermann: „Multifarious Rites of Passage. An Introduction“, in: Avatar of Modernity, hg. von dies., S. 9–21, hier S. 9.
Gabriele Brandstetter: „Grenzgänge II. Auflösungen und Umschreibungen zwischen Ritual und Theater“, in: Grenzgänge. Das Theater und die anderen Künste (Forum Modernes Theater, Bd. 24), hg. von Dies., Helga Finter und Markus Weßendorf, Tübingen 1998, S. 13–20, hier S. 17.
Brief von Stravinskij an Nikolaj Findejzen vom 2./15. Dezember 1912, ediert in: I.F. Stravinskij. Perepiska s russkimi korrespondentami. Materialy k biografii, 3 Bde., Moskau 1998–2003, hg. von Viktor Varunc, Bd. 1: 1882–1912, Moskau 1998, S. 386–388, hier, S. 386: „Первая мысль о моей новой хореодраме ‚Весна священная‘ появилась у меня еще при окончании ‚Жар-птицы‘ весною 1910 года.“ „Der erste Gedanke für mein neues Choreodrama ‚Le Sacre du printemps‘ kam mir im Frühling 1910, als ich gerade ‚L’Oiseau de feu‘ beendete.“ Vgl. auch weiter unten Anm. 538f. Im Folgenden wird der Sacre aber (mit wenigen Ausnahmen) der Einfachheit halber weiterhin als Ballett bezeichnet.
Vgl. Stravinskij in einem Interview in der Birževye vedomosti vom 25. September 1912, S. 5, zit. in: Vera Krasovskaja: Russkij batetnyj teatr načala dvadcatogo veka, 2 Bde., Bd. 1, Leningrad 1971, S. 432 sowie die Anm. 539.
Zum Begriff der Theatermoderne bzw. zu den Ansätzen der Theaterwissenschaft zur Modernität in der Regie und Schauspielkunst vgl. Christopher Balme (Hg.): Das Theater von Morgen. Texte zur deutschen Theaterreform (1870–1920), Würzburg 1988, S. 11f.
Balme, Das Theater von Morgen, S. 11.
Für eine allgemeine Einführung zur Theaterreform vgl. unter anderem Balme, Das Theater von Morgen, S. 11–29; Manfred Brauneck: Theater im 20. Jahrhundert. Programmschriften, Stilperioden, Reformmodelle, Hamburg 1995, S. 63–84; Peter Simhandl: „Die Theaterreform um 1900“, in: Theatergeschichte in einem Band, 4. aktual. Aufl., hg. von Ders., Leipzig 2014, S. 366–379.
Der deutsche Theaterwissenschaftler Manfred Brauneck thematisiert die Ballets Russes in seinem sechsbändigen Handbuch zum europäischen Theater insgesamt dreimal. Im dritten Band befindet sich ein Eintrag zu den „Anfängen der Ballets Russes in St. Petersburg“ und einer zu den „Ballets Russes in Paris“. Im erstgenannten Abschnitt benennt Brauneck die Ballets Russes als eine der Avantgardebewegungen in Russland, betrachtet sie aber getrennt von parallel dazu entstehenden Entwicklungen im russischen Sprechtheater. Vgl. Manfred Brauneck: Die Welt als Bühne. Geschichte des europäischen Theaters, 6 Bde., Stuttgart 1993–2007, Bd. 3, Stuttgart 1999, S. 919–921. Im Pariser Eintrag beschreibt er hauptsächlich die neue Ballettästhetik (bis 1914), die durch die Ballets Russes auf westlichen Bühnen sichtbar geworden war. Vgl. ebd., S. 614–618. Im vierten Band finden die Ballets Russes insbesondere Erwähnung, weil ihr 1917 uraufgeführtes Ballett Parade (Choreografie: Leonid Mjasin; Text: Jean Cocteau; Musik: Erik Satie; Bühnenausstattung und Kostüme: Pablo Picasso) zu den „ersten und künstlerisch bemerkenswertesten Ereignisse[n] des Avantgardetheaters in Frankreich“ gezählt wird. Brauneck grenzt hierbei Parade aber ganz klar von den Ballets-Russes-Produktionen vor 1914 ab: „Für die Ballets Russes […] war ‚Parade‘ eine markante Station auf dem Wege ihrer künstlerischen Modernisierung. In den Jahren um 1914 wurde in dieser Tanzcompagnie eine Neuorientierung eingeleitet: von einer durch folkloristische Elemente und von der Bildsprache des Jugendstils geprägten Bühnen- und Kostümgestaltung, wie sie in den Entwürfen von Bakst und Benois zu so faszinierenden Lösungen gebracht worden war, zur Auseinandersetzung mit den Kunstrichtungen der Avantgarde, dem Futurismus und dem Kubismus.“ Ebd., Bd. 4, Stuttgart 2003, S. 52–64, hier S. 54. In Braunecks „Chronik des Theaters im 20. Jahrhundert“ findet sich aber (neben anderen Ballets-Russes-Produktionen) auch die Uraufführung des Sacre 1913. Vgl. Ders. (Hg.): Theater im 20. Jahrhundert. Programmschriften, Stilperioden, Kommentare, vollständig überarbeitete und erw. Neuausgabe, Hamburg 2009, S. 624–664.
Richard Taruskin: Stravinsky and the Russian Traditions. A Biography of the Works Through Mavra, 2 Bde., Oxford 1996, Bd. 1, S. 555. Vgl. auch weiter unten, Anm. 154.
Vgl. Kapitel II.
Vgl. Aleksandr Benua: „Beseda o balete“, in: Teatr. Kniga o novom teatre. Sbornik statej, hg. von Anatolij Vasil’evič Lunačarskij u.a., Sankt Petersburg 1908, S. 95–121. Das russische Original des Essays sowie eine erste Übersetzung ins Deutsche findet sich im Anhang.
Taruskin, Stravinsky and the Russian Traditions, Bd. 1, S. 540.
Vgl. Kapitel II.1.
Vgl. pars pro toto Danuser und Zimmermann, „Multifarious Rites of Passage“, S. 10.
Lunačarskij, Teatr. Kniga o novom teatre.
Benua, „Beseda o balete“, S. 95.
Vgl. Kapitel II.3.1.
Zu Ansätzen in Musik- und Tanzwissenschaft, die sowohl Tanz als auch Musik gleichermaßen berücksichtigen, vgl. Kapitel I. Was den Sacre angeht, erschienen anlässlich interdisziplinär angelegter Konferenzen zum 100. Jubiläum der Uraufführung einige Sammelbände, die sowohl musik-, tanz- als auch kunst- und kulturwissenschaftliche Beiträge zum Werk vereinen. Vgl. Danuser und Zimmermann, Avatar of Modernity; Pavel Geršenzon und Ol’ga Manulkina (Hg.): 1913/2013. Vek Vesny svjaščennoj – vek modernizma, Moskau 2013; Severine Neff, Maureen A. Carr und Gretchen G. Horlacher mit John Reef: ‚The Rite of Spring‘ at 100, Bloomington 2017.
Vgl. Taruskin, Stravinsky and the Russian Traditions. „To begin with – and that is something musicologists are apt to forget – ‚The Rite‘ ist not just a piece of music. It originated, very self-consciously, as a ‚Gesamtkunstwerk‘, a mixed-media synthesis, and belongs to the historians of dance and stage design, as well as music.“ Richard Taruskin: „Resisting ‚The Rite‘“, in: ‚The Rite of Spring‘ at 100, hg. von Neff, Carr und Horlacher mit Reef, S. 417–446, hier S. 417.
Georg Fuchs: „Der Tanz“, in: Flugblätter für Künstlerische Kultur 6 (1906), S. 1–45. Es handelt sich hierbei um einen Aufsatz, der im Text im Weiteren – zur besseren Lesbarkeit – kursiv gesetzt wird.