„We shall go to make our search – if I can call it so, for it is not search but knowing, and we seek confirmation only.“
(„Wir werden auf die Suche gehen, wenn man eine Suche ohne bestimmte Anhaltspunkte so nennen kann und wir einstweilen nur Gewissheit suchen.“)
Bram Stoker, Dracula, 1897
„A building can include things within things as well as spaces within spaces.“
(„Ein Gebäude kann Dinge innerhalb von Dingen enthalten, wie auch Räume innerhalb von Räumen.“)
Robert Venturi, Complexity and Contradiction, 1966
„Die Menschen verbergen Gegenstände nicht so sorgfältig, wenn deren Entdeckung sie in keiner Weise bedroht. Darum verdient jeder Gegenstand, der an einem geheimen Ort gefunden wird, besondere Aufmerksamkeit.“
A. R. Ratinow, Forensische Psychologie, 1970
8.1 Die Erfindung einer Durchsuchung
In der Nacht zum 5. November 1605 geht in einem Londoner Gewölbe eine finstere Verschwörung in die heiße Phase. Der Anlass, die jährliche Eröffnung des britischen Parlaments durch den König, ist aus Angst vor der Pest mehrere Male vom Februar auf diesen Tag im Spätherbst verschoben. Einer der 13 katholischen Verschwörer, Guy (auch genannt: Guido) Fawkes, kontrolliert noch einmal in einem Gewölbe unter der Lords Chamber des House of Lords die schon einige Tage zuvor dorthin geschafften 36 Fässer mit Schießpulver. Mit sehr grob geschätzt 2 bis 10 t explosiver Mischung sollen die Mitglieder des britischen Parlaments und Jacob I (1566–1625), als Nachfolger der 1603 gestorbenen Elizabeth I und Königin von England, in das Jenseits befördert werden. Alles fliegt auf, deswegen nicht in die Luft. Dieser gescheiterte Anschlag ist der vorläufige Höhepunkt im Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten, der Glaube über Nation und Individuum stellt, der zum Bau von Priesterlöchern führt. In der Folge wird in Großbritannien bis heute jährlich am 5. November dieses vereitelte Attentat auf den König mit bestimmten Ritualen und Bräuchen als Guy Fawkes Day gefeiert und zieht damit als Tradition in die Kultur des Landes ein.1
In den frühen 1980er Jahren wird die Figur Guy Fawkes als V zum Helden einer von Alan Moore geschriebenen und von David Lloyd illustrierten Reihe von Graphic Novels. Der erste Band V wie Vendetta wird genau vierhundert Jahre nach den Ereignissen vom 5. November 1605 verfilmt. Etwa 2008 beginnt der durch diesen Film noch bekannter gewordene V bzw. Guy Fawkes als Maske weiter in die Popkultur einzudringen (Bild 160). Sie und er werden zum Zeichen der Popkultur und der Bewegung Anonymous im Internet, die sich heutzutage vor allem für die sogenannte Informationsfreiheit, gegen Zensur und Beschränkungen durch Urheberrechte einsetzt. Anhänger der in der Folge der Weltfinanzkrise von 2008 sich entwickelten Occupy-Bewegung nutzen diese Maske als Zeichen und Maskierung.2 Pulververschwörung und Priesterlöcher ziehen sich seit über 400 Jahren durch Geschichte und Geschichten, sowohl in Großbritannien wie auch weltweit.3
Noch eine weitere Tradition entwickelt sich aus dem gescheiterten Terroranschlag von 1605. Vor der jährlichen Eröffnung durch den amtierenden Monarchen wird seitdem das britische Parlament auf explosive Bedrohungen hin untersucht.4 Während die Mode der ursprünglichen Uniformen sich mit der Zeit zu – aus der Zeit gefallenen – Kostümen wandelt, ändert sich auch die Architektur des Parlaments. Die Houses of Parliament und somit das House of Lords mit der Lords Chamber werden durch einen Brand am 16. Oktober 1834 als Originalschauplätze von 1605 komplett zerstört, was Joseph Mallord William Turner noch im gleichen Jahr zur Studie The Burning of the Houses of Parliament verarbeitet (Bild 161). Das in der Folge als New Houses of Parliaments neu errichtete Gebäude verlegt den alten und zugleich neuen Tatort. Das Gewölbe unter der Lords Chamber ist nicht mehr im Erdgeschoß, es ist im Keller. Die traditionelle Sicherheitskontrolle und Durchsuchung verlagert sich entsprechend und entwickelt sich zu einem Fest, zu einem Theater und erfährt gewisse Neuerfindungen. Sie sind im Zusammenhang mit der von Eric Hobsbawm in der britischen Thronkultur im 19. Jahrhundert ermittelten „Invention of Tradition“ einzureihen:5 Es ist die Erfindung einer Durchsuchungstradition.
Die Maske Guy Fawkes’: Das Gesicht von Anonymous, Rendering: Piotr Siedlecki, o. J.
Der eigentliche Schauplatz der Pulververschwörung verschwindet: Joseph Mallord William Turner (1775–1851), The Burning of the Houses of Parliament, October 16, 1834, 1834/35, Wasserfarbe und Gouache auf Papier, 44,4 × 30,2 cm, Tate Gallery, London.
8.2 Haussuchung – Heimsuchung
Für gewöhnlich ist eine Hausdurchsuchung oder, kurz gesagt, Haussuchung, wenig festlich. Der Staat greift dazu in das Hausrecht ein, welches in demokratisch geprägten Rechtskulturen durch die Verfassung geschützt ist. Eine Durchsuchung ist nicht nur aus rechtlicher Sicht „eines der gewaltsamsten Mittel zur Erforschung der Wahrheit“.6 Jede Haussuchung ist ein Einbruch in das Private. Jede Haussuchung ist eine Heimsuchung. Für gewöhnlich wird eher der Einbrecher mit der Heimsuchung verbunden, aber im Falle des einen oder des anderen Falles scheint es egal, ob nun ein Krimineller oder Kriminalist die Wohnung durchstöbert. Der Kriminelle und der Kriminalist sind Fremde im Heim. Das Ziel der Verstecksuche ist zudem nur mittelbar das Versteck, geht es unmittelbar um das Versteckte. Mit den Worten des Kriminalkommissars und in den 1930er Jahren Leiters der Duisburger Kriminalpolizei, Julius Polke, ist das Ziel „das begehrte Stück“.7 Das Ziel der Durchsuchung ist nicht das Versteck, sondern das darin Verborgene – die Kronjuwelen. Aus dem Fund des einen folgt aber der Fund von beidem. Der Kriminalist Rolf Ackermann versachlicht als Mitherausgeber in einem Beitrag zum bekannten Handbuch der Kriminalistik alles, was Ziel einer Durchsuchung ist. Alles sind „Durchsuchungsobjekte“, worunter er dann „Personen“, „Sachen“, „Objekte“, „leerstehende Objekte“ und „freies Gelände“ zählt.8 Anders grenzen der Leitende Kriminaldirektor a. D. Robert Weihmann und Kriminaloberrat Claus Peter Schuch in ihrem Lehrbuch zur Kriminalistik „Durchsuchungssubjekte“ und „Durchsuchungsobjekte“ ab. Mit Mensch und Ding gibt es zwei Kategorien oder Orte, wo durchsucht wird.9 Eine Durchsuchung betrachtet nicht unbedingt alles einheitlich als Sache.
Eine solche Unterscheidung scheint auch aus juristischer Sicht sinnvoller, denn die Durchsuchung und Untersuchung eines Menschen ist noch ein weitergehender Eingriff in die persönliche Sphäre, als die Haussuchung mit einer Durchsuchung von Wohnung und persönlicher Habe. Daran anschließend lässt sich noch als dritte Kategorie jene der Injekte ergänzen und somit von Durchsuchungsinjekten sprechen. Eine klassische – ‚offline‘ – Durchsuchung von Computer, Mobiltelefon und persönlichen Daten vor Ort scheint etwas anderes, als eine, die aus der Ferne und über eine Datenverbindung – ‚online‘ – geschieht, wie die Diskussion um die Online-Durchsuchung zeigt.10 Eine Online-Durchsuchung geschieht zudem heimlich, ohne Gegenwart des Verdächtigen, genau wie eine klassische Hausdurchsuchung konspirativ sein kann: Die (un)heimliche Suche nach dem Heimlichen im Heimlichen. Eine Online-Durchsuchung ist eine heimliche Online-Überwachung.
Es muss hier noch der Ordnung halber angemerkt werden, wie es der Kriminal-Kommissar Wilhelm Polzer macht, dass die Bezeichnung Hausdurchsuchung insofern irreführend ist, da meist nicht ein ganzes Haus, sondern nur eine Wohnung, somit ein Teil des Hauses durchsucht wird, wie er 1922 in seinem Handbuch für den praktischen Kriminaldienst anmerkt.11
Heim spricht insofern eher von der Idee des privaten Wohnens. Im Folgenden geht es in erster Linie um diese Durchsuchungen im Heim, diese Heim(durch)suchungen. Das hat nicht nur wortakrobatische, konzeptuelle Gründe, da schließlich mit dem Versteck das Heimliche im Heim bei einer Durchsuchung nicht nur Gegenstand einer Suche ist, sondern der vorliegenden Untersuchung. Es geht hier weniger um die Durchsuchung von Fahrzeugen zu Land, Wasser oder Luft,12 oder der Landschaft, pathetisch formuliert, der Erde selbst, noch geht es um eine Aufklärung des Leibes von Mensch oder Tier. Neue Verkehrsmittel und Orte ergeben aber neue Durchsuchungsmethoden. Der Zeppelin hat schnell seinen ersten blinden Passagier und beim Kfz bestehen trotz Normierung, Typisierung und ähnlicher Teile erstaunlich viele Unterschiede und sie unterliegen einem ständigen Wandel durch neue Modelle und Techniken, was der Durchsuchende zu beachten hat. Finden sich in kriminalistischer Literatur vom Ende der 1920er Jahre zum Thema Fahrzeuge noch Hinweise auf die Durchsuchung von Pferdewagen, so sind diese aus offensichtlichen Gründen heute nicht mehr relevant und entsprechend nicht mehr thematisiert.13 Jeder neue Fahrzeugtyp und jedes neue Fahrzeugmodell ist nicht nur ein potenzielles Schmuggelvehikel, auch eine latente Bombe, da sich Sprengladungen dort sehr gut verbergen lassen und das derzeit noch übliche Benzin seinen Teil zum Inferno beitragen kann.14 Das Wissen über die dortigen Versteckmöglichkeiten sollte der Kriminalist durch den Anschauungsunterricht während der Erkundungen von verschiedenen Fahrzeugtypen auf Schrottplätzen vertiefen, rät ein Lehrbuch Mitte der 1950er Jahre.15 Neue Modelle gelangen mit Verzögerung an diese Orte der Schrottreife und zwischenzeitlich verwandeln sich neue in alte Modelle.
Schrottplätze für Häuser, Heime – Heimschrottplätze – gibt es nicht. Wie vertieft der Kriminalist, um den es hier als eine wesentliche Figur der Durchsuchung geht, dann sein Wissen? Es bleibt ihm, mit der Zeit aus der Praxis der Durchsuchung zu lernen, sich Kniffe und Methoden von seinen Kollegen abzuschauen und die Augen offen zu halten. Oder es bleibt ihm, sich dieses Wissen aus Büchern anzueignen. Schurken sind eher schweigsam und geben wenig über ihre Methoden preis. Auskunftsfreudiger sind staatliche Ordnungskräfte, die als Zöllner, Polizisten und Soldaten Lehrbücher schreiben, lesen und im Zusammenhang dieser Untersuchung als Quelle darüber dienen, wie solche „Suchbewegungen im Ungewissen“16 nun konkret aussehen.17 Wenn frühe Handelsreisende und andere Seefahrer „horizontale Entdecker“ auf dem Meer, Archäologen „vertikale Entdecker“ im Boden sind,18 was für eine Art Entdecker ist dann die Figur des Polizisten, die hier stellvertretend für die Gruppe der durchsuchenden Ordnungshüter19 betrachtetet wird? Sind es räumliche Entdecker, da sie schließlich nicht die Ebene des Meeres oder die Tiefe des Erdbodens, sondern den Raum nach geheimen Räumen durchforsten?
Dieser Raum ist dann meist ein konkreter, physischer, wo sich Dinge oder Lebewesen, Objekte und Subjekte befinden. Es kann ein Datenraum sein, der Daten, Injekte birgt. Die Gemeinsamkeiten der Tätigkeit von Kriminalist und Archäologe scheinen größer, als mit denen des Seefahrers. Beide treiben sich scheinbar auf Schrottplätzen herum, der Kriminalist auf denen von Autos, der Archäologe auf denen von Geschichte und Kulturen, die sich mitunter gleichen können.
Vor allem sichern, suchen und deuten beide Spuren.20 Diese Annäherung der beiden relativ jungen Disziplinen Kriminalistik und Archäologie ergibt sich aber erst, nachdem neben dem Personenbeweis, der auf Zeugenaussagen fußt, auch der Sachbeweis als Mittel der Erkenntnisgewinnung anerkannt ist und sich die Polizeiarbeit durch technische, wissenschaftliche Suche und Analyse von Spuren fundamental ändert.21 Die Spur ermöglicht, das Paradox der Abwesenheit zu umgehen. Mit ihr lässt sich jenes suchen, was abwesend ist oder zumindest abwesend scheint.22 In der Spur liegt die Mittelbarkeit. Die Spur ist ein Mittel – Medium – der Suche.
8.3 Spur
„My ink, as I observed, had been gone some time, all but a very little, which I eked out with water, a little and a little, till it was so pale, it scarce left any appearance of black upon the paper.“
(„Meine Tinte, wie berichtet, war schon lange zu Ende bis auf einen kleinen Rest, den ich mit Wasser wieder und wieder streckte, bis sie so blaß war, daß sie kaum noch eine Spur auf dem Papier zurück ließ.“)
Daniel Defoe, Robinson Crusoe, 1719
Zeichen
Übersetzungen, Übersetzer hinterlassen Spuren in den Texten, die sie von einer Sprache in eine andere übertragen. Aus „appearance of black“ wird bei der Niederschrift von Robinson Crusoes Tagebuchgedanken in einer deutschen Übersetzung der Ausdruck „Spur“ und nicht im Sinne der eigentlichen Übersetzung eine „Erscheinung von Schwarz“. In der zitierten deutschen Übersetzung von 1968 durch Hannelore Novak verliert sich nicht nur die Poesie dieser Stelle, auch die Farbe der Buchstaben. Die „Spur auf dem Papier“ ist für die Übersetzerin scheinbar synonym für Schwarz. Diese schwarze Erscheinung oder Spur namens Schrift, erzeugt noch etwas anderes: Information.
In-formation spricht von einer Ein-Formung. Es braucht hierfür zwei Dinge oder Medien, ein Werkzeug in Form von Feder und Tinte, und eine Art Rohling, wie Papier. Die Feder hinterlässt mittels Tinte eine Spur auf dem Papier, die sogar plastisch sein kann, sofern die Feder mit Druck geführt wird, das Papier damit kratzt oder eindrückt. Schreiben, von lat. scribere, bedeutet ein-ritzen.23 Die Schrift, die damit eine Räumlichkeit, eine Schrifträumlichkeit besitzt, ist eine Spur. Schreiben lässt eine „Erinnerungsspur“ auf Papier oder einer Tafel entstehen, was zu einer Gedächtnisentlastung führt, wie Sigmund Freud bemerkt.24 Mit solchen Wissensspuren entstehen Probleme, da nun Gedanken und Geheimnisse den Körper als Schrift verlassen und physisch sind – im Aktenkoffer. Umgekehrt ist die Spur eine Schrift, die sich lesen lässt, die Information vermittelt und nicht nur auf die buchstäbliche Fährte lockt. Auf diesen Wissenscharakter – epistemologischen Charakter – der Spur stützt sich die Forensik, die sich mit der technischen und wissenschaftlichen Untersuchung von Verbrechen auseinandersetzt.25 Spur und Wissen hängen auf mehreren Ebenen zusammen. Spuren werden gelesen zur Orientierung – etwa zum Versteck, wie beim Räuber Hotzenplotz oder James Bond 007 – Goldfinger. Die Spur ist ein philosophisches Modell für Erinnerung und ein metaphysisches Modell für Unsichtbares.26
Spuren sind Zeichen, wobei in der Semiotik natürlich alles Zeichen entspricht.27 Hier ist es eine besondere Angelegenheit. Die Spur formt sich – ähnlich zur Schrift – in ein weiches Medium ein, es wird über sie formiert. Das Schreibwerkzeug formiert ein Medium. Die Spur hinterlässt einen Abdruck, der mehr oder weniger stark und flüchtig ist, wie Jo Reichertz bemerkt,28 der die Funktion der Spur in der Forensik aus Sicht der Kommunikationswissenschaft beschreibt. Hier kommt es zu einer In-formation, Ein-formung oder, zur noch stärkeren, Per-formation, zur Durch-formung eines Mediums. Mit Edmond Locards Spurenparadigma lässt sich sagen: Jeder Verbrecher beschreibt über seine Spuren unweigerlich seinen Tatort.
Fleckenkunde: Der Fleck als produktives Element für den Forensiker? Peter Rühmkorf (1929–2008), Kleine Fleckenkunde, 1982, Fleck und Text: Peter Rühmkorf, 1982.
Spurensicherung oder Sicherungsspur?
Spuren müssen gelesen und interpretiert werden. Spuren sind für sich genommen Daten, die erst durch ihre Interpretation zu Informationen werden. Physisch deswegen, weil Spuren der Welt der Dinge angehören, sie bezeichnen hier einen Eindruck/Abdruck, eine gerichtete Bewegung oder einen Rest, eine kleine Menge, wie Sybille Krämer zur epistemologischen Rolle der Spur schreibt.29 Spuren scheinen unvermeidlich, weswegen mit dem Versteck als materiell gespeichertes Geheimnis zugleich ein materiell gespeichertes Wissen durch die Spur des Versteck(en)s vorliegt. Ein Versteck ist die räumliche Entsprechung zum Geheimnis. Alle gesammelten Spuren werden zur Interpretation in eine Ordnung gebracht und damit die „Spurenlage“ gelesen.30 Spuren werden erst dadurch erkennbar und zur Spur, wenn sie eine Ordnung stören und als „Abweichungen“ in Erscheinung treten.31 Der Fingerabdruck auf dem Spiegel stört. Der Bohrstaub auf dem Teppich stört. Die Schleifspur auf dem Boden vor der Wand stört.32 Die Informationstheorie besagt, dass ein Signal durch eine Störung im Rauschen entsteht. Auch hier ist es die Abweichung. Weniger aus Sicht der Informationstheorie betrachtet, sind in der Forensik Spuren alle „objektiven Veränderungen des Tatortes, welche durch die Tat verursacht werden“. Spuren sind „stumme Zeugen“. Dazu gehören alle für die Tat relevanten und erkennbaren Dinge, auch solche, die erst über technische Hilfsmittel erkennbar sind.33 Im Falle der vorliegenden Untersuchung heißt die Tat Verstecken. Der Tatort ist jedoch nicht (nur) das Versteck selbst, denn dieser bleibt vorerst unbekannt. Der Tatort ist auch die Umgebung des Verstecks. Das Versteck ist der Ort, den die Spuren des Versteckens umgeben. Die Spur zeigt und sichert Abwesenheit sowie Vergangenheit, muss jedoch selbst aufgrund ihrer Flüchtigkeit in einer Spurensicherung gesichert werden. Eine Spur bedeutet durch ihre Anwesenheit die Abwesenheit dessen, was sie verursacht hat.34 In der Spur zeigt sich eine „Zeitverschiebung“, denn sie zeigt Vergangenes an,35 sie verräumliche Zeit, so Jacques Derrida aus seiner philosophischen Sicht.36 Er sieht in ihr eine Ab- und Anwesenheit zugleich.37
Auf das Verbrechen übertragen folgt, dass die Spur die geschehene Tat anzeigt, sie aber nicht zeigt.38 Die Tat ist Geschichte. Nachfolgende Taten können bestehende Spuren überlagern, sie unter Schichten begraben. Nachfolgende Taten verwischen Spuren. Eine gegenwärtige Spur zeigt die vergangene Zeit einer Tat und den verlassenen Ort eines Täters an. Geschichtstheoretisch ist die Spur eine Quelle für Vergangenheit, macht sie aber nicht gegenwärtig. Gegenüber der Spur, wo das Verursachende dieses Anzeichens abwesend ist, ist dieses beim Index anwesend.39 Auf einen solchen Index hoffen Kriminalisten bei einer Durchsuchung zu stoßen. Sie bezeichnen einen solchen Wegweiser zum oder Zeiger auf das Versteck, aber mit Worten der Alltagssprache, als „Wink“ oder „Fingerzeig“.40 Gibt es weder diesen Wink noch Fingerzeig, müssen aus einem Gewirr von Spuren die „Tatspuren“, unmittelbar mit der Tat – hier dem Verstecken – verbundene Spuren von anderen Spurenarten isoliert werden.
Spuren sind „Reste der Tat“,41 „stumme[] Zeugen“42, werden als „sachliche Beweise“43 Zeugen einer Handlung, die sich Tat nennt. Neben Tatspuren finden sich noch „fingierte Spuren“, welche zur Ablenkung gefälscht werden.
„Tarnspuren“ sind falsche, beseitigte Spuren und „Trugspuren“ sind zufällige Spuren, die nicht im Zusammenhang mit der Tat stehen.44 Es entwickeln sich „heiße Spuren“ und „kalte Spuren“. Heiße Spuren decken sich mit der „Lesart“ und Deutung des Falles, kalte nicht. Kaltes Wissen und kalte Spuren passen nicht zur Deutung des Falles. Die Interpretation kalter Spurendaten führt nicht zu relevanten Informationen im Sinne des Falles und trägt nicht dazu bei, den Täter aufzuspüren. Alle Spuren werden zunächst verfolgt und überprüft,45 da sich diese Temperatur erst am Ende ermitteln lässt. Eine Spur ist ein konkretes Wissensobjekt, was sich lesen lässt und ein Wissen birgt. Wissen, im Sinne des Falles, was zu seiner Deutung passt, macht Spuren und damit ihr Wissen heiß. Beim Ermittler selbst ist es umgekehrt. Das Geheimnis treibt ihn an, macht ihn heiß.
Verstecken heißt Spuren hinterlassen
In Spuren einen Quell für Wissen zu sehen hat Carlo Ginzburg Ende der 1970er Jahre als „Indizienparadigma“ bezeichnet. Am Beispiel von Krimi, Kunstgeschichte und Psychoanalyse zeigt er, wie dort kleinste Details, auch physische Spuren, dem Erkenntnisgewinn dienen.46 Einige Jahre zuvor haben Eugene J. Webb, Donald T. Campbell, Richard D. Schwartz und Lee Sechrest in ihrer Untersuchung zur Reaktivität und zu nichtreaktiven Messverfahren47 unscheinbare Spuren als Mittel der Erkenntnisgewinnung vorgeschlagen. Das Phänomen der „Abnutzung und Ablagerung“, etwa von Böden, beschreiben sie als „physische Evidenz“, von denen sie in Arthur Conan Doyles Kriminalgeschichten um den Detektiv Sherlock Holmes lesen.48 Spuren sind „Indikatoren vergangenen Verhaltens“, was für die Soziologie – Menschenbeobachtungen – deswegen von Interesse ist, da sie unbemerkt entstehen. Diese Form wissenschaftlicher Beobachtung wirkt sich somit nicht auf den Beobachteten – und zugleich Spuren verursachenden – Menschen aus. Aus Spuren oder Abrieb, welche Besucher eines Museums auf dem Boden hinterlassen, lässt sich ablesen, welche Werke besonders belebt sind.49 Die Nutzung von Architektur hinterlässt unweigerlich Spuren an ihr, was Walter Benjamin zu seinem bekannten Satz verleitet: „Wohnen heißt Spuren hinterlassen.“ Er sieht hierin den Ursprung solcher Detektivgeschichten, die diese Spuren zum Motiv erheben und den Tatort meist im privaten Heim verorten.50 Architektur wird durch ihre Benutzung zum Medium, in dem sich ihre Benutzung, ihr Bewohnen, ihre Bewohner einschreiben. Benjamin sieht diese Fähigkeit als Spurenspeicher aber vor allem beim plüschigen und flauschigen bürgerlichen Interieur des 19. Jahrhunderts, welches er in Berlin und Paris beschreibt. Architekten seiner Zeit, wie Paul Scheerbart durch Glas oder das Bauhaus durch Stahl, würden es den Bewohnern schwer machen, Spuren zu hinterlassen.51 Nun hat er das Stoffliche dieses vergangenen Interieurs im Auge, wo sich der Wohnende als Spur in Überzüge, Schoner, Futterals und Etuis eindrückt. Glänzender, spiegelnder Stahl und solches Glas speichern andere Spuren. Sie machen Fingerspuren, Kratzer und Staub offen sichtlich und offensichtlich.
Verschmutzungen
Schmutz bedroht stets die weiße, glänzende und saubere Erscheinung der modernen Architektur, die Walter Benjamin hier im Sinn hat. Sich verstecken heißt ein Versteck bewohnen. Verstecken heißt Spuren hinterlassen. Schmutz ist verdächtig, wenn er dort fehlt, wo er sein sollte, wie Bernhard Gertig und Rudi Schädlich in ihrem Lehrbuch für Kriminalisten feststellen. Es heißt, dass kein Schmutz, Sauberkeit, die sich bekanntlich im Fehlen von Staub und Flecken an Stellen äußert, wo diese hingehören, auf ein Versteck hindeuten können.52 Gilt diese Feststellung gleichermaßen, wenn es die scheinbar vom Rausch der Reinlich- und Sauberkeit beseelten Wiederaufbaujahre nach dem Zweiten Weltkrieg sind, in denen dieses Lehrbuch für Polizisten in Deutschland erscheint?53 „Unter Umständen muss auch die Jauchegrube entleert werden.“54 Es könnte darin etwas versteckt sein, so merken beide an. Spontane Entwicklung einer schmutzigen, dreckigen55 Informationstheorie: Im Rauschen von Sauberkeit wird Schmutz zur Störung. Es überrascht wenig, dass sich in Christian Enzensbergers Gedankenspielen Größerer Versuch über den Schmutz von 1968 ein Beispiel zum Schmutz als Spur findet. Fußspuren seien nichts anderes als Schmutz, und diese Spur werde wiederum als Schmutz unter wie über darüber laufenden Füßen als weitere Fußspuren immer weitergetragen, was sich erneut bei nachfolgenden Füßen wiederhole, usw. usf.56 Der Schmutz wird zu einer Art Tinte, der Boden zum Blatt, wobei Tinte, wo sie nicht hingehört, auch Schmutz ist. Schmutz selbst kann das Rauschen sein und der Fuß formt sich dann dort als Abdruck und Signal ein. Sherlock Holmes ermittelt in Der goldene Klemmer (1904) mit dieser, wie es heute heißen würde, ‚passiven Sondertechnik‘57 ein Versteck. Am besten lässt sich dies in den Worten erfahren, die Arthur Conan Doyle Sherlock Holmes in den Mund legt:
Ich suchte also feste Beweise für meinen Verdacht und musterte das Zimmer ganz genau auf irgendwelche Verstecke hin. Der Teppich schien aus einem einzigen Stück zu bestehen und angenagelt zu sein; ich gab also den Gedanken an eine Falltüre im Boden auf. Dagegen konnte hinter den Büchergestellen sehr wohl ein Schlupfwinkel sein. Wie Sie wissen, ist das in alten Bibliotheken gar nicht mal selten. Ich bemerkte, dass überall auf dem Boden Haufen von Büchern lagen, dass aber vor einem Schrank eine Stelle leer war. Hier musste also der Zugang sein. Ich konnte keine Fußspuren finden, aber der Teppich war von dunkler Farbe, die sich sehr gut zu einem Versuch eignete. Ich rauchte daher eine Menge von diesen ausgezeichneten Zigaretten und ließ die Asche auf den Platz vor dem verdächtigen Bücherschrank fallen. Es war eine einfache List, aber doch ganz wirkungsvoll. Ich ging dann hinunter […]. Dann gingen wir wieder hinauf, und durch das Umkippen des Zigarettenkistchens verschaffte ich mir eine günstige Gelegenheit, den Fußboden genau in Augenschein zu nehmen. Ich sah sehr deutlich an den Spuren auf der Zigarettenasche, dass die Gefangene in unserer Abwesenheit ihr Versteck verlassen hatte.58
Sherlock Holmes provoziert Spuren, um den Täter zu überführen. Er greift in das Tatgeschehen ein, indem er den Tatort präpariert.
Unten im Keller älterer Häuser ist ein mitunter schmutziger Ort, wenn der Boden nur aus Steinen besteht, die das Erdreich bedecken, nicht aus heutzutage üblichen betonierten Bodenplatten. Hans Gross schreibt, dass mit der Zeit Schmutz und Staub die Bodenfugen mit einer kittartigen Masse versiegeln würden. Fehle dieser ‚Fugenkitt‘, deute einiges darauf hin, dass dort unten, unter dem Boden, unter der Sohle des Hauses etwas verborgen läge.59 Fehlender Fugenschmutz deute auf ein mögliches Versteck hin.60 Mit Wasser sei nun zu ermitteln, ob in jüngster Zeit eine Grabung erfolgt ist. Über dieses Verfahren berichtet der Kriminalist Theo Lang noch 1950 in seiner Sammlung Goldkörner im polizeilichen Ermittlungsdienst stichwortartig: „Unter Kellerböden; in Boden stechen, Wasser hingießen; bei Blasenbildung Verstecke vorhanden.“61
Dunkle, schmutzige Keller bergen neben der Unheimlichkeit manchmal die Heimlichkeit. Der Weg hinauf aus dem Dunkel des Kellers und der Blick vom Boden an die Wand zeigen dort durchaus andere Spuren, die aus Schmutz bestehen. Helle, rechteckige Flecken mit einer grauen, wolkigen, fast auratischen, Umrandung zeigen den früheren Platz von Bildern. Farbe und Flecken zeigen das Alter von Farb- und Tapetenschichten an und überhaupt kann jedes gehängte Bild nicht nur den Wandtresor, auch ein Versteck verdecken. Unregelmäßigkeiten in der Verschmutzung der Wände – respektive ihrer Sauberkeit – sollten nach Hans Gross den Durchsuchenden aufhorchen lassen. Umgekehrt sind einzelne Flecken oder Unregelmäßigkeiten auf der ansonsten makellosen Wand verdächtig.62 Ein solches Detail betont Corrie ten Boom beim Bau des Verstecks durch den niederländischen Widerstand im elterlichen Haus während der deutschen Besatzung:
Alle vier Wände waren so schmutzig und fleckig wie alle alten Räume in Haarlem, dort, wo man noch mit Kohlen heizt. Der alte Sims zog sich ohne Unterbrechung um die Decke. Hier und dort blätterte die Farbe ab. Offenbar hatte in hundertfünfzig Jahren niemand daran gerührt. Alte Wasserflecke bedeckten die Hinterwand, eine Wand, von der sogar ich, die ich ein halbes Jahrhundert in diesem Zimmer gelebt hatte, kaum glauben konnte, daß es nicht die ursprüngliche war, sondern daß man sie fünfundsiebzig Zentimeter von der wirklichen entfernt gezogen hatte.63
Nach den weiteren Aufzeichnungen ten Booms gelingt die Verschmutzung und Alterung der neuen Architektur, oder besser ihre Fälschung, durch den Gipser und Anstreicher äußerst überzeugend. Theo Lang stellt innerhalb seiner Goldkörner unter dem Stichwort ‚Durchsuchung‘ eine längere, aber zwangsläufig endliche Liste der unendlichen Möglichkeiten von Verstecken auf, spricht dabei von Schmutz- bzw. Sauberkeitsspuren: „Zu beachten sind Wandflächen mit frischen Mauerverputz, defekte Tapetenstellen, ferner: sind Spinnengewebe zerrissen, ist Staub gewischt oder künstlich gelegt.“64 Die Polizei scheint auf der Hut, auf alle Möglichkeiten bei der Durchsuchung gefasst und egal ob der Staub gewischt oder künstlich gelegt ist, die Polizei ist darauf vorbereitet.
Schmutz entsteht durch die Benutzung, zeigt Alterung an, er fällt auch beim Bau von Verstecken an. Eine Publikation der US-Armee über Caching-Techniken, die später die Seiten wechselt und damit frei käuflich ist, gibt einen Hinweis, der nicht nur für die Armee und die Grabung von Erdlöchern als Caches im freien Gelände gilt. Für den zivilen Versteckbauer im Haus, der darin seine Hohlräume schafft, ist er gleichermaßen relevant: „sterilisieren der Örtlichkeit“ („sterilizing the site“). Mit dieser Maßnahme, die als die wichtigste angesehen wird, ist gemeint, Spuren der Arbeiten und Werkzeuge zu beseitigen, die betreffende Stelle in einen Normalzustand bringen („restore to normal“).65 Ähnlich legt Michael Connor dem Leser seines Versteckratgebers bei der Arbeit am Versteck nahe, keinen Staub, keine Spuren zurückzulassen.66 Spuren entstehen beim Bau und bei der Nutzung von Verstecken, auch bei der Suche nach ihnen. Wenn eine Durchsuchung selbst heimlich ist, wird die Vermeidung von Spuren dieser konspirativen Durchsuchung die wichtigste Regel, wie sich beim Ministerium für Staatssicherheit am Beispiel eines Nachrichtendienstes ermitteln lässt.67 Verstecken ist kein Verbrechen. Für das perfekte Versteck besteht aber das gleiche Ziel wie für das perfekte Verbrechen: keine Spuren zu hinterlassen. Allerdings bedeutet das Vermeiden von Spuren, neue zu erzeugen, z. B. durch Faserspuren des Tuches, das zur Säuberung des Ortes der Tat dient.68 Das „Locard’sche Prinzip“ besagt, dass es „keinen sauberen Kontakt zwischen zwei Objekten“ gibt: „Alles und jeder hinterlässt eine Spur.“69 Jeder Kontakt bedeutet Verschmutzung.
Dieser „Kontakt“, der zum Abdruck, zur Spur führt, ist nach Michael Taussig ein besonderes Beispiel für Mimesis, da eine Kopie entsteht, indem Substanz übertragen wird, wie es beim Fingerabdruck geschieht.70 Dieser Abdruck des Fingers beweist den Kontakt und die Anwesenheit der Person an der betreffenden Stelle.71
Nun erfolgt bisher eine Reduktion der Spur auf den Dreck. Auch Beschädigungen sind Spuren und führen Ermittler bei der Durchsuchung zu Verstecken. Das Herein- und Herausdrehen einer Schraube hinterlässt kleine Beschädigungen am Kopf oder an der Farbe, was etwa nach Michael Connors Rat tunlichst zu vermeiden sei.72 Genau auf solche Beschädigungen an Farbe, bei Schrauben, Türen, Steckdosen sollen die Ermittler der amerikanischen Drogenermittlungsbehörde DEA achten, wenn sie eine Wohnung auf Drogen durchsuchen.73 Hans Gross richtet bei einer Durchsuchung den Blick auf solche kleinen Details, jedoch nicht nur in der Vertikalen, auch in der Horizontalen, auf den Fußboden. Er berichtet von den Beschädigungen, welche Manipulationen an Brettern, Nägeln und deren Löchern dort unweigerlich hinterlassen, falls der Hohlraum unter hölzernen Böden zum Versteck umgebaut wird. Dazu musste zuvor das meist gut befestigte, gar zusätzlich über Nut und Feder miteinander verbundene Holz an einzelnen Stellen aufgenommen werden.74 Hans Gross lehrt den Leser, wie Wand- und Bodenoberflächen förmlich zu lesen sind. Sam Wood macht in seinem Versteckratgeber darauf aufmerksam, dass Spuren durch den normalen Gebrauch ein Versteck verraten würden und Gebrauchsspuren bei der Planung entsprechend zu berücksichtigen seien.75 Jerry Dzindzeleta warnt ebenso in seinem Ratgeber vor der Bewegung von Schiebepanelen, welche Spuren verursachen könnten, die bei der Versteckplanung zu berücksichtigen seien.76 Charles Robinson gibt in seinem Buch den konkreten Tipp zur Vermeidung der Bewegungsspuren von drehbaren Geheimtüren, der darin besteht, dass diese in das Versteck hinein schwingen sollten.77
Spuren können physisch sein, sie können nahezu unscheinbar wie Staub oder Punkte sein, winzig klein, für das unbewaffnete Auge unsichtbar und erst durch spezielle optische Geräte vergrößert, erkennbar sein.
Spuren können gänzlich unsichtbar sein, wenn sie digital sind.78 Sie treten als Signale, elektronische oder informatische Spuren auf, wie beispielsweise solche, die der Peilsender an Auric Goldfingers Rolls-Royce Phantom aussendet und James Bond die heimliche Beobachtung und das „tracking“ („Spurenverfolgung“)79 zur geheimen Fabrik des Schurken ermöglichen. In der Kriminalwissenschaft ist das Unsichtbare an die Spur gekoppelt, die es hinterlässt. Wenn Technik eine Spur aufzeichnet, so erzeugt sie diese dadurch erst. Sie erzeuge „Phantome“, „Fiktionen“, wie Klaus Bartels es nennt.80 Technik macht Phantome erst erkennbar und erzeugt sie.
Meist überwiegt dabei die Konzentration auf das Sehen, im allgemeinen wie auch speziellen Sprachgebrauch wird Unsichtbarkeit nahezu synonym mit Unerkennbarkeit gesehen. Wer sich versteckt, muss sich aber allen Sinnen entziehen und der Suchende darf darauf hoffen, dass der Versteckende eine der Sinnesebenen vernachlässigt. Die unmittelbare Versinnlichung ist das Ziel einer Suche und Durchsuchung nach einem Versteck, seines Inhalts und seiner Spuren. Versinnlichung bedeutet, den Sinnen Unzugängliches – Verstecktes – sinnlich erfahrbar zu machen. Dann erst lässt sich etwas Verborgenes sehen, hören, riechen, tasten, schmecken oder wird über weitere denkbare und bisher unbedachte künstliche Sinneserfahrungen erkennbar. Es reicht eine Sinnesebene, um ein Versteck plötzlich auffliegen zu lassen, wie eine aufgeschreckte Taube.
8.4 Durchsuchung, sinnlich, wirklich
„She was brown with the dust and draped with the cobwebs which had come from the walls of her hiding-place.“
(„Sie war mit Staub und Spinnengewebe bedeckt von den Wänden ihres Verstecks.“)
Arthur Conan Doyle, The Golden Pince-Nez, 1904
Ein „psychologisches Versteck“ bedeutet die offene Platzierung eines Gegenstandes, der dadurch übersehen wird.81 Praktisch wird dazu etwa ein stibitzter Teppich einfach auf den Boden gelegt82 oder ein Brief, etwa Der stibitzte Brief in Edgar Allan Poes gleichnamiger Geschichte,83 liegt offen in der Ablage, womit diese Methode einen populären literarischen Niederschlag findet. Poes Detektiv Dupin findet dann den Brief, weil er nicht – anders als die Polizei – nach versteckten Orten sucht. Er sucht nach offen sichtlichen wie offensichtlichen Orten.84 Es lässt sich damit von einer ‚Psychologie des Versteckens‘ sprechen.
Der Psychologe A.[lexander] R. Ratinow (1920–2007) weist in seiner Studie Forensische Psychologie für Untersuchungsführer darauf hin, dass erst die Nutzung mehrerer Sinne eine „vollständige Vorstellung“ ergebe und diese Beobachtung mit allen Sinnen – nicht nur das Sehen – wichtigstes Element einer „Psychologie der Durchsuchung“ sei.
Die „Nutzung der Sinne“ während einer polizeilichen Durchsuchung setze die „Schaffung günstiger Wahrnehmungsbedingungen“ voraus, wie weiter zu erfahren ist. Dabei erweitern Instrumente die Sinne. Eine Lupe ermöglicht eine „Mikrodurchsuchung“.85 Edgar Allan Poe erwähnt in seiner Geschichte vom stibitzten Brief die, allerdings vergebliche, Mikrodurchsuchung einer Wohnung per Mikroskop und den Aufwand, der sich dahinter verbirgt.86 Mitunter scheint es sogar, dass dieses Wissen über solche Methoden zuerst in Edgar Allan Poes Geschichte aufgezeichnet wird, zumindest ihre Popularisierung und allgemeine Verbreitung hierüber erfolgt. Literatur verbreitet ein Wissen über Verstecke und Durchsuchungen, was sich zuvor nur in den Köpfen und Büchern von Kriminalisten befindet und mündlich – wie handwerkliches Wissen von Meister an Schüler – polizeiintern verbreitet wird.87
Ein Brief wird versteckt: Edgar Allan Poe, Der stibitzte Brief, 1844, Illustration: Frédéric Théodore Lix, 1864.
Die für eine Durchsuchung grundlegende Methode der Beobachtung ist ein bekanntes wissenschaftliches Instrument der Empirie. Die Durchsuchung ist Teil einer praktischen, angewandten Kriminalwissenschaft. Diese schwankt dann zwischen einer naturwissenschaftlichen Disziplin namens Forensik zur Beobachtung der Dinge und einer sozialwissenschaftlichen Disziplin namens Polizeiarbeit zur Beobachtung von Lebewesen, die in einer Beobachtung von Spuren zusammentreffen. Forensik als Beobachtung von Spuren fließt spätestens mit der Untersuchung zur Reaktivität von Beobachtung in die Sozialwissenschaft ein. Der Ermittler und ein bestimmter Sinn scheinen ohnehin ein inniges Verhältnis einzugehen. Mit dieser Figur wird allgemein eine besonders sensible Sinnesfähigkeit verbunden, die sich in einem empfindlichen ‚Riecher‘ äußert. Allerdings ist ‚Riecher‘ hier nicht nur die Nase, vielmehr metaphorisch für das vorgeblich allgemein überdurchschnittlich entwickelte Gespür des Detektivs, wiederum den Gebrauch aller Sinne in Verbindung mit Verstand und Intuition, zu sehen. Noch mehr als öffentlichen Ermittlern, wie dem Polizisten, werden privaten Ermittlern, wie dem Detektiv Sherlock Holmes, in solchen Nasenangelegenheiten scheinbar übermenschliche Fähigkeiten zugeschrieben. Solche literarischen Figuren gelangen in den Bereich von Superhelden, die stets eine bestimmte übermenschliche Fähigkeit besitzen. Hier scheidet sich dann Fakt und Fiktion. Geschichte wie Geschichten, die von solchen besonderen Sinnesfähigkeiten erzählen – etwa der besondere Riecher von Ermittlern –, sind wohl mit ein wenig Vorsicht zu genießen, so Alain Corbin in seiner kurzen Geschichte und Anthropologie der Sinneswahrnehmung. Er schildert darin solche Probleme, die bei einer historischen Untersuchung der Sinne und Berichte über ihren Gebrauch anhand historischer Quellen für den Historiker entstehen.88 In diesem Zusammenhang ist wieder von der Spur die Rede. Die Schwierigkeit einer solchen historischen Untersuchung des Sinnesgebrauchs liege nach Corbin daran, dass „die Spur des Gebrauchs der Sinne“ sehr flüchtig sei,89 sich dieser nur selten in den Zeilen des Historiografen niederschlage. Die Funktion der Sinne scheint überall gleich und bleibt im Grunde gleich, kann sich nur über lange, evolutionäre Zeiträume ändern. Die Sinne, vielmehr ihr Gebrauch und ihre Rangfolge scheinen nicht losgelöst von der Kultur, von der Psyche des Menschen. Barton Whaley sieht Täuschung als „ein psychologisches Gedankenspiel“ („a psychological mind-game“) und aus diesem Grunde unveränderlich in ihrer Funktionsweise.90 Wie bei der kriminalistischen Aufklärung eines Falles kommen bei einer militärischen Aufklärung des Feindes die Sinne zum Einsatz. Beim Militär verhält es sich ähnlich.91 Die Verlagerung der Schlachtfelder unter die Erde, wie es im Ersten Weltkrieg beim ‚Maulwurfskrieg‘ oder im Vietnamkrieg nach Entlaubung des Waldes geschieht, führt zum Wechsel des entscheidenden Sinnes. Die Augen sind bei einem solchen Minenkrieg in der Dunkelheit unter Tage entmachtet, nur das Gehör kann den Feind noch ermitteln und wird zu diesem Zwecke geschult.92 Die Schulung der Sinne ist in einem gewissen Maße möglich. Schulung bedeutet hier wohl eher die Interpretation der Geräusche. Es bedeutet wohl weniger, dass das Gehör selbst besser wird. Geschult werden heißt, die Sinnesdaten des Ohres zu korrekten Informationen interpretieren lernen. Die Sinne unterscheiden sich mit Auge, Ohr und Nase in Fernsinne, welche eine vermittelte Wirkung erfordern, meist über und durch das Medium der Luft. Mit Haut und Zunge gibt es Nahsinne, die nur auf eine unmittelbare Wirkung ansprechen. Bei letzteren entspricht die Reichweite der Sinne der Grenze des Körpers.93 Neben einer eigensinnigen Beobachtung können Fremdsinne zum Einsatz kommen, womit ein Experte, Tier oder Apparat mit besonderen sensorischen Fähigkeiten bei einer Durchsuchung oder Suche zum Einsatz gelangt.
Der Lupenassistent oder Die Lupe mit Sti(e)l: James Watson (Nigel Bruce) hält dem Meisterdetektiv Sherlock Holmes (Basil Rathbone) die Lupe unter die Spürnase und auch Ann Brandon (Ida Lupino) wirft einen Blick hindurch. Montage mit einem Standbild aus The Adventures of Sherlock Holmes, 1939, Montage und Lupe: Autor, 2015.
Werkzeuge, Instrumente und technische Hilfsmittel erweitern die Sinne und Fähigkeiten des Durchsuchenden,94 wie das Mikroskop (sehen), die Waage (tasten), der Hund (riechen), das Stethoskop und der Telefonapparat (hören).95
Der Sehsinn bleibt wohl der Schlüsselsinn bei einer Durchsuchung. Dazu braucht es Licht, wie der Berliner Kriminalrat Erich Anuschat (1833–1941) in dem Aufsatz Die Beleuchtung bei Lokalbesichtigungen und Durchsuchungen 1908 ausführt.96 Erst mit „zweckentsprechender Beleuchtung“ werden Spuren sichtbar.97 Zu dieser Zeit ist noch Licht mittels Feuer und bereits solches mittels Elektrizität im Gebrauch, weswegen an dieser Bruchstelle der Lichttechnik mit Kerze, Streichholz, Petroleumlampe, Fahrradlampe und verschiedenen elektrischen Leuchten die Vor- und Nachteile einzelner Lichtquellen diskutiert werden. Die einfachste Möglichkeit sieht Anuschat im natürlichen Licht. Sonnenlicht lasse sich einfach durch Hohl- oder Rasierspiegel an die benötigten Stellen umlenken, es lasse sich bündeln und fokussieren. Wo die Dunkelheit drinnen und draußen regiert, ist eine künstliche Beleuchtung notwendig. Zündhölzer seien hier nur ein Notbehelf, leuchte ein Streichholz nur schwach und brenne nur kurz, wodurch nach dem ersten „gegebenenfalls ein zweites, drittes, bis hin zum Inhalt einer Schachtel“ folge. Die Finger hat sich der Kriminalist damit schnell verbrannt. Zudem könne herunterfallende Asche zur falschen Spur werden und ein Windhauch das Hölzchen ausblasen. Eine Kerze scheint dagegen schon praktischer, aber lasse sich nur in wenigen Winkeln nutzen, schnell werde heruntertropfendes Wachs oder Stearin zur Spur, die wiederum zu einer Verwechslung führen könne.
Diese beiden Leuchtmittel würden mit ihrer offenen Flamme eine Brandgefahr sein, welche die Petroleumlampe, neben „irreführenden Spuren“, vermeide. Sie sei heller und gesichert gegen den Luftzug, der die Flamme ausblase, allerdings sei sie groß und unhandlich, passe nur schlecht in Taschen und enge Winkel. Ähnlich unhandlich sieht Anuschat eine Azetylen98 Fahrrad- und Automobillaterne, die er jedoch für flexibler hält und für „kriminalistische Zwecke“ empfiehlt. Als Beispiele für elektrisches Licht nennt er die elektrische Taschenlaterne, wo jedoch von Zeit zu Zeit die Batterien und Glühlampen zu wechseln seien. Ein Gerät aus der Medizin empfiehlt er mit der Rachenlampe, die elektrisch betrieben ist und die Erleuchtung kleiner Räume gestatte.99 Seit dieser Zeit hat sich die elektrische Beleuchtung durchgesetzt und weiter verbessert, die Leuchtmittel sind heller und stromsparender, die klassische Glühbirne wurde mit der Zeit durch andere Spezialformen wie Halogenlampen ergänzt, welche wiederum seit einigen Jahren durch LED-Lichtmittel verdrängt werden. Obwohl es 1899 bereits elektrisches Licht im englischen Parlament gibt, wird die Durchsuchung vor der Eröffnung des britischen Parlaments aus traditionellen Gründen mit Laternen durchgeführt, wie um 1605.100 Zu dieser Zeit erfolgen die Suchen nach Priesterlöchern auch mit Kerzen, um dunkle Stellen im Haus auszuleuchten.101 Obwohl Granville Squiers für seine archäologische Suche nach Priesterlöchern 1934 die jüngst entwickelte Taschenlampe zur Verfügung steht, nutzt er Kerzen. Das hat nun keine nostalgischen Gründe, wie bei dem Ritual des britischen Parlamentarismus. Allerdings ist mit offenem Feuer in trockenen, alten Häusern eine besondere Gefahr verbunden, weswegen er warnt: „Aber denken Sie daran, dass alte Häuser trocken wie Zunder sind.“102 Weshalb empfiehlt Squiers, sich solche Umstände zu machen? Die Flamme dient nicht nur der Beleuchtung, sie dient als Zeiger, der einen Luftzug anzeigt, welcher aus den Ritzen eines möglichen Verstecks weht. Ähnliche Dienste leistet der Rauch einer Zigarette, egal ob mit Feuer oder Elektronik betrieben.103 Squiers interessiert das besondere Licht der Kerze, was Unregelmäßigkeiten an Balken und Wänden sichtbar mache.104 Bei der Untersuchung von Objekten auf mögliche Veränderungen lasse sich eine „Manipulation durch verändertes Licht“ erreichen, die neue Erkenntnisse über diese Objekte gestatte.105 Erst besonderes Licht, wie UV oder Infrarot, bringt Spuren ans Licht, die sonst unsichtbar bleiben.106 Es wird somit das sprichwörtlich andere Licht auf eine Sache geworfen. Es reicht nicht unbedingt, etwas ans Licht zu bringen, es ist die Art des Lichts entscheidend. Der peruanische Schriftsteller Julio Ramón Ribeyro (1929–1994) bemerkt zum Licht und zu seiner aufklärerischen Wirkung:
Das Licht ist nicht das geeignetste Medium, die Dinge zu sehen, sondern bestimmte Dinge zu sehen. Jetzt, bei bewölktem Himmel, habe ich vom Balkon aus mehr Einzelheiten der Landschaft gesehen als an den sonnigen Tagen. Sonnentage heben bestimmte Gegenstände auf Kosten anderer hervor, die sie im Schatten lassen. Das halbe Licht eines bewölkten Tages stellt alle auf die gleiche Ebene und rettet die Vergessenen vor dem Halbdunkel. So sehen auch bestimmte mittlere Intelligenzen die Welt mit größerer Genauigkeit und nuancenreicher als die strahlenden Intelligenzen, die nur das Wesentliche sehen.107
Wer Spuren sehen will, braucht passendes Licht. Der Kriminalist Franz Meixner empfiehlt zudem, die Lichtquellen selbst mitzubringen, um sich nicht von Verdächtigen abhängig zu machen.108 Also genauer: Wer Spuren sehen will, braucht eigenes und passendes Licht. Licht ist ein Erkenntnismittel, das zur Aufklärung beiträgt: Aufklärung im kriminalistischen oder militärischen Sinne und Aufklärung im philosophischen Sinne, des Geistes. Nicht umsonst spricht das englische Wort für letztere mit ‚enlightenment‘ von der plötzlichen Erhellung, ähnlich ist es mit ‚éclaircissement‘ im Französischen, was gar von einer blitzartigen Erleuchtung spricht.109
Neben Licht ist für Sichtbarkeit auch Unsichtbarkeit notwendig. Unsichtbar muss das sein, was zwischen dem Sichtbaren und dem Auge liegt, wodurch ersteres sichtbar wird, wie es bei der Luft der Fall ist. Auch ohne Luft bleibt etwas sichtbar. Beim Hören ist es aber anders. Erst durch ein Übertragungsmedium wie Luft wird Schall übertragbar, wie es Fritz Heider in seiner medientheoretischen Sicht auf das Thema beschreibt.110 Der Raum, welcher durch die Stimme oder ein Geräusch eingenommen wird, ist ein „akustische[r] Raum“ oder „Entfaltungsraum“.111 Neben Luftschall gibt es Körperschall, der durch Massen, wie Wasser oder Mauern, übertragen wird.112 Ein solcher akustischer Raum kann nicht nur ein mit Luft gefüllter Hohlraum, auch ein Unraum, eine Masse sein. Der eigentliche Zweck des Hauses ist, solche Hohlräume zu umfassen und bereitzustellen. Die materiellen Bauteile, welche diese Umfassung schaffen, sind beispielsweise Mauern, Decken, was Hans Gross allgemein als „Substanz des Gebäudes“113 bezeichnet.
Schall bringt Luft und Massen zum Schwingen. Nun sind es aber nur selten Geräusche oder Schwingungen, die aus einem Versteck herausdringen und welche bei einer Durchsuchung praktischerweise zu ermitteln wären. Meist besteht der Inhalt aus stillen, leblosen Dingen oder Daten. Schall kann dem Durchsuchenden aber als Diagnoseinstrument für die Struktur einer Wand dienen. Hohlräume verändern den Klang, falls die Oberfläche durch Beklopfen in Schwingung versetzt wird. Wände lassen sich durch Abklopfen und Abhorchen auf Hohlräume „sondiren“.114 Falls oberflächlich optische Hinweise auf einer Wand fehlen, empfiehlt es sich bei der Suche nach einem Versteck die Wand abzuklopfen, wie Hans Gross rät.115 Häufig ist ein Versteckbauer zunächst auf Unsichtbarkeit bedacht, mag es allerdings versäumen, andere verräterische Wahrgebungen zu unterbinden. Ein gutes Versteck entzieht sich mindestens allen Sinnen.
Es drängt sich auf, den Ursprung einer solchen Klopfmethode in der Medizin zu suchen, eine medizinische „Körpertechnik“ im Sinne von Marcel Mauss116 als Vorbild einer polizeilichen ‚Haustechnik‘ zu betrachten. Der Arzt beklopft mit Finger oder einem besonderen Hammer bei der „Perkussion“ die Oberfläche des Körpers und kann die innere Struktur erhorchen. Darüber lassen sich die Lagen von Organen, Flüssigkeits- oder Lufteinschlüssen ermitteln. Bei der „Auskultation“, etwa mithilfe des Stethoskops – fast ein Insigne des Arztberufes –, horcht der Arzt den Körper ab. In die Medizin zieht diese diagnostische Technik aber erst im 18. Jahrhundert wieder ein, ist die Klopf– und Horchtechnik aber spätestens seit der Antike bekannt.117 Häuser werden schon vor dem 18. Jahrhundert beklopft und abgehorcht, spätestens entwickelt sich eine solche Technik Ende des 16. Jahrhunderts in Großbritannien, wo die Priesterjäger die Wände beklopfen oder auf die Änderung des Klangs einer Glocke oder Klingel achten, welcher sich auf der anderen Seite einer Wand durch in der Wand eingeschlossene Hohlräume verändert.118 Die Entwicklung solcher Haussuchungstechniken um 1600 geschieht aufgrund komplexerer Verstecke – der Priesterlöcher. Zugleich entwickeln sich diese Priesterlöcher aufgrund verbesserter Suchtechniken. Die Idee einer solchen Methode besteht vor ihrer Niederschrift in Lehrbüchern. Wissen besteht bereits, bevor es sich in Büchern niederschlägt. Im deutschsprachigen Raum kommt es spätestens 1840 zum Niederschlag, als dies zunächst auf Ebene der Verwaltung geschieht, indem die Methode in einem Protokoll einer Durchsuchung aufgeschrieben und drei Jahre später über ein Zitat in einem Schweizer Fachbuch öffentlich wird:
Vorerst wurde an den Tafelwänden geklopft, um sich zu überzeugen, ob dieselben hohl seien oder nicht. Sie gaben ringsum einen hellen Ton von sich, bis man zu einer Stelle kam, wo im obern Getäfel des Zimmers eine, offenbar vor kurzem ausgebesserte und frisch mit Oelfarbe überstrichene Spalte sich zeigte. Hier gab die ganze Füllung des Getäfels einen dumpfen Ton von sich.119
Ein Jahr danach verarbeitet Edgar Allan Poe 1844 besagte Methode in seiner Geschichte um einen stibitzten Brief. Darin findet die Klangprobe einen literarischen Niederschlag.120 1893, als Hans Gross in der ersten Auflage das Handbuch für Untersuchungsrichter herausbringt und diese Methode erst jetzt beschreibt, so ist es bereits zu diesem Zeitpunkt „das alte Mittel“ als das es der Bearbeiter Ernst Seelig 1942 in der 7. Auflage des Buches und fast dreißig Jahre nach Hans Gross’ Tod auch bezeichnet.121 In nahezu keinem polizeilichen Lehrbuch fehlt im Zusammenhang mit der Durchsuchung bis heute der Verweis auf die Klopfmethode und die Suche nach dem dumpfen Klang von Hohlräumen in Mauerwerken oder Möbeln.122 Verstecke müssen massiv klingen, ein hohler Klang bedeutet Gefahr.123 Präsentation bedeutet Gefahr: Verstecken ist das Gegenteil einer Präsentation. Allerdings kann eine solche Antipräsentation in einer ausdrücklichen Präsentation bestehen, wie das psychologische Versteck nicht nur bei E. A. Poes stibitztem Brief zeigt, wo es als Motiv und Pointe dient.124 Präsentation meint Inszenierung, Maximierung der Erscheinung. Anders ist es beim Versteck. Das Versteck ist ein Minimalraum. ‚Raum‘ meint hier einen erweiterten Begriff, spricht somit nicht nur von der klassischen Bedeutung im Sinne von Volumen, Zimmer. Es meint hier zudem eine Struktur, wie den sozialen Raum und den Wirkungsraum. Zum sozialen Raum gehören Wissen und Geheimnis. Die Wissenden bilden einen sozialen Raum und genauso jene, die nicht im Bilde sind. Ein Versteck muss geheim bleiben. Minimal meint in diesem Zusammenhang, ein Versteck sollte so viel Raum wie nötig und so wenig wie möglich einnehmen.
Die Gerüche der Anderen – durch Gestank droht Verrat
Eine Präsentation geschieht nicht allein durch optische Auffälligkeit oder große Lautstärke im sozialen wie physischen Raum. Eine weitere Ebene der Inszenierung nennt der Künstler, Verleger und Filmemacher Andrew Warhola, bekannt unter seinem Künstlernamen Andy Warhol (1928–1987) in seiner Die Philosophie des Andy Warhol von A bis B und zurück mit dem Geruch: „Ein anderer Weg, mehr Raum einzunehmen, führt über Parfum. Ich benutze sehr gern Parfum.“125 Geruch scheint vorrangig flüchtig, verdünnt er sich mit der umgebenden Luft und lässt sich, anders als das Geräusch oder Gesicht, scheinbar nicht über Medien aufzeichnen. Medien besitzen einen Geruch, der leider nur selten beachtet und genutzt wird.126 Zur Übertragung von Geruch braucht es das Medium der Luft. Ein geschlossener Raum hält den Geruch.127 Ein Geruch kann dann zwar, so gesehen, gespeichert werden, aber nicht in Form von Daten übertragen werden. Nur dieser Geruchscontainer, diese Geruchskonserve lässt sich transportieren – übertragen und lagern –, speichern.128 Mensch und Tier sind nicht nur die mittels Luft Riechenden, sie brauchen Luft zum Atmen, zum Leben. Geruch kann verräterisch sein, wenn jener von frisch bedrucktem Papier eine konspirative Druckerei bei einer Durchsuchung durch eine „Buchpolizei“ enttarnt.129 Der Raum ist dann nicht – luftdicht/hermetisch – verschlossen. Der Mensch braucht im Versteck aber frische Luft. Das läuft dem, auf vielen Ebenen, Hermetischen des Verstecks entgegen. Schlechte Luft muss hinaus und deswegen fürchtet Anne Frank nicht zu Unrecht die potenzielle Gefahr, die vom Geruch einer angebrannten Suppe ausgeht.130 Im Versteck braucht ein Lebewesen neben Luft auch Nahrung. Genauso kann der Geruch vergessener und verwesender Lebensmittel verräterisch sein.131 Nicht zu vergessen ist: Was in den Körper hineingelangt, muss auch wieder hinaus. Was Alain Corbin in seiner Studie über den Geruch vornehm mit „excreta“132 überschreibt, sind die lebhaften Produkte der Menstruation, Schweiß, Urin, Fäkalien und Flatulenz.133 Es dampft und gast und riecht und schmutzt und schmiert und gärt mit der Zeit gewaltig im Versteck. Im Versteck, in Schlupfwinkeln und verborgenen Plätzen stagniert die Luft, Gestank entsteht und es wird unhygienisch. Das deckt sich mit dem, was von solchen Orten gedacht, erwartet und geglaubt wird:134 Der Geruch des Verstecks und der des Versteckens kann spezifisch sein. Der Gestank kann sich zur Unerträglichkeit steigern und zum Erbrechen sein wie führen, was alles nur noch schlimmer macht. Was hilft und durchbricht den Teufelskreis? Eine Liste mit Dingen zur sanitären Einrichtung von Schutzräumen verzeichnet nicht ohne Grund „desodorierendes Mittel“ (Bild 165).135
In einem Ratgeber für Hausbesitzer, Mieter und Architekten über die Erstellung von Schutzbauten empfohlene Utensilien im Bunker – oder Versteck, Illustration: Theo Thomas, 1963.
Verstecken kann zum Erbrechen sein, wie Geheimnistransporte zeigen. Nach einer gewissen Zeit beginnt es mächtig zu stinken. Das Versteck beginnt zu stinken. Der Versteckte beginnt zu stinken. Verstecken geht mit der Zeit sprichwörtlich in die Hose.136 Um solche penetranten Gerüche zu riechen und somit lokalisieren zu können, ist keine besonders feine Nase mehr notwendig, wie sie Spürhunde besitzen. Schon um 1600 helfen diese feinnasigen Fellwesen den Priesterjägern bei der Suche nach Priesterlöchern im Haus. Verstecke werden komplexer, da Suchmethoden verbessert werden und umgekehrt. Ein Wettlauf entsteht.137 Im Kalten Krieg lässt sich gleiches ermitteln. Etwa der Geruch eines Epoxidklebstoffes verrät Geheimdienstcontainer, da spezielle Hunde diesen riechen, worauf ein neuer, geruchloser Klebstoff entwickelt wird.138 Die Nase ist aber subjektiv, sowohl bei Mensch wie Tier, beide sind eigensinnige Wesen. Bemühungen zur Objektivierung der Nase, Entwicklungen von technischen Geruchssensoren während des Kalten Kriegs verwundern deswegen nicht.139 Ähnlich sind es heutzutage CO2-Sensoren, welche erhöhte Werte an Kohlendioxid durch die verbrauchte Atemluft blinder Passagiere auf Schiffen anzeigen können.140
Nun ist es vermutlich seltener der Fall, dass Ermittler bei der Durchsuchung von Schiffen oder – wie im hier behandelten Falle – des Heims, ihren Geschmackssinn verwenden, ein Stück vom Haus kosten, abschlecken und damit Rückschlüsse auf einen geheimen Ort ziehen können. Sicher lässt sich ein Haus küssen und sagen: Ich schmecke das Haus. In der kriminalistischen Literatur aber spielt der Geschmackssinn bei der Durchsuchung keine Rolle. Dieser spielt wohl eher bei der Suche nach Alkohol oder anderen Drogen eine Rolle, die etwa in anderen Stoffen gelöst sind. Eine Geschmacksprobe kann dann Hinweise geben. Mitunter werden Drogen in eine andere Form gebracht, in Flüssigkeiten aufgelöst, Textilien damit getränkt und diese getrocknet: Stoff wird in Stoff geschmuggelt.
Weit relevanter scheint der Tastsinn bei einer Durchsuchung, nicht nur weil es eine ausgeprägte Handarbeit ist, ein Haus umzukrempeln. Der Geschmacksinn ist ein Tastsinn und selbst mit der schmeckenden Zunge und riechenden Nase lässt sich tasten.
Tasten und Schmecken benötigen unmittelbaren Kontakt. Michael Taussig führt sogar alle Sinneseindrücke auf „Kontakt“ zurück und spricht bei allen Sinnesorganen von spezialisierten Häuten. Sinnliche Erfahrung heißt demnach „Kontakt“ mit etwas aufnehmen. Die Augen nehmen aus der Entfernung Kontakt mit etwas über dessen Abbild auf, die Nase über dessen ausgestrahlten Geruch usw.141 Die Hand, die stellvertretend für das Tasten steht, steckt in einer Tätigkeit, dem Händeln und Handeln. Handeln und Handlung sind praktisch, bedeuten Praxis. Das Machen, die Praxis steht, in einer bekannten Dialektik, dem Denken, der Theorie angeblich gegenüber. Hier werden das Epistemische (Erkenntnis) und das Pragmatische (Handeln) häufig unterschieden.142 Otl Aicher sieht in der Hand, welche die Dinge greift und begreift, die Voraussetzung für das Begreifen mit dem Kopf. Die Welt lässt sich erst begreifen, indem sie begriffen wird. Greifen und Begreifen, Handeln und Denken gehören für ihn zusammen.
Zudem ist die Art einer Behandlung entscheidend für ihre Folgen, wie Ernst Jünger es formuliert: „Der Handelnde ist für die Tücke des Objekts verantwortlich, nicht umgekehrt.“ Er nennt das Messer, an dem sich sein Benutzer schneidet.143 Demnach entwickeln Dinge kein Eigenleben, sie reagieren vielmehr auf ihre Behandlung. Die Hand ist Voraussetzung für Erkenntnisse über die Welt infolge ihrer Behandlung der Welt.144
Nun klingt das wenig konkret und bei der Durchsuchung geht es mitunter handfest zu, weniger philosophisch. 1949 gibt Julius Polke Kriminalisten einen rücksichtslos anmutenden Rat für eine Durchsuchung: „Alles umdrehen!“, „Nichts unberührt lassen!“145 Gefühlsbetonter und dem sensiblen Gegenstand entsprechend formuliert rät es sein Kollege Wolfgang Stieber gut 90 Jahre zuvor. Im Zuge einer Durchsuchung rät er, Federn und Betten „durch das Gefühl zu ergründen“.146 Falls es dort keinen physischen Fund, nichts Greifbares gibt, so lässt sich aber im Bett oder auf der Matratze ein fühlbarer Fund ausmachen. Über das Tasten erkennt jemand die Temperatur sowie Festigkeit, Konsistenz und damit Form. Wärme ist eine verräterische Spur erst kürzlich vergangener Anwesenheit, was um 1600 den Priesterjägern und den durch sie Verfolgten bekannt ist, wie der Jesuit John Gerard in seinen Erinnerungen schreibt.147
Bei der körperlichen Durchsuchung, die leicht zu einer medizinischen Untersuchung wird, wie Geheimnistransporte zeigen, kommt es zu Berührungen, auch intimster Art. Das ist unangenehm für den Verdächtigen, ebenso „das Peinlichste“ für den Untersuchungsrichter, wie Hans Gross bekennt.148 Voltaire beschreibt 1759 eine solche Untersuchung eher grotesk:
Mehr noch allerdings nahm mich wunder, dass sie uns allen den Finger in eine Körperöffnung steckten, wo wir Frauen sonst höchstens einer Klistierspritze Einlass gewähren. Die Zeremonie erschien mir damals recht abartig […]. Bald erfuhr ich, dass sie durchaus einem sinnvollen Zweck dient: man will so prüfen, ob der Betreffende darinnen irgendetwas versteckt hat, zum Beispiel Diamanten.149
Nun bleibt es der Fantasie des Lesers überlassen, ob es sich um die vordere, weibliche Öffnung oder jene hintere handelt, die alle Geschlechter auszeichnet. Manchmal ist die Reichweite oder Größe von Finger oder Hand nicht geeignet für Orte wie „Sopharitzen, wo ganze Niederlagen gestohlener Sachen sich vorfinden […].“150 Manchmal ist es dort einfach zu eng, zu tief, zu schmutzig, um Finger oder Hand hineinzustecken, mit dem eigentlichen Ziel, seine Nase dort hineinzustecken. Georg Bartschs kriminalistischer Fingerzeig besteht darin, einen Stock zu benutzen, um unter einem Schrank zu ertasten, ob jemand dahinter verborgen steht, was jedoch nicht erfolgreich ist, wenn, wie im von ihm geschilderten Fall, der Verdächtige gleichzeitig einen Klimmzug macht und die Beine sich damit nicht auf dem Boden befinden.151 Eine Verlängerung von Arm oder Finger mit einem Schwert, wie es John Gerard in seinen Erinnerungen aus der Zeit um 1600 erzählt, macht diese zur Sonde. Das Schwert dient den protestantischen Priesterjägern nun dazu, in Ritzen und hinter Vertäfelungen nach Priestern – quasi dem Katholizismus – zu fühlen.152 Der katholische Geist des Ortes ist zwar unsichtbar, aber physisch. Der Jurist Albert Weingart nennt 1904 noch weit filigranere Sonden in seinem Lehrbuch zur Kriminaltaktik. Dünne Nadeln werden dort als hilfreiches Instrument bei der Überprüfung von Polstermöbeln und Matratzen vorgestellt. Die Polsterung wird mit ihnen durchstochen und somit auf darin versteckte feste Dinge sondiert.153 Bei Edgar Allan Poe lässt sich schon 60 Jahre zuvor von dieser Methode lesen. In der Detektivgeschichte vom stibitzten Brief berichtet der Polizeipräfekt dem Detektiv Dupin, wie diese Methode, neben allen anderen Bemühungen, vergeblich bei der Suche nach dem Brief eingesetzt wird.154
Eine Sonde, ein solches Instrument kann auch brachialer und damit weniger filigran als eine Nadel oder ein Finger sein. Wo Erdreich als Boden dient und somit Dinge vergraben sein können, wie in manchen älteren Kellern, in Stallungen und draußen, ist eine stabile Bodensonde notwendig, welche in das Erdreich gerammt wird. Das Sondiereisen, auch als Sondiernadel oder Visitireisen155 bezeichnet, besteht aus einem 3/4 bis 1 Zoll starken, 8 bis 10 Fuß langen und 20 bis 30 Pfund schweren Eisenstab, welcher an einem Ende angespitzt ist, wobei Länge und Stärke des Eisens variieren können. Am anderen Ende ist ein Ring angeschweißt, durch den ein Rundholz gesteckt ist, welches als Griff dient, mit dem das Gerät gedreht und mit „Manneskraft in die Erde“ getrieben werden kann.156 Eingesetzt wird es im Bauhandwerk, zur Untersuchung der Festigkeit und Art des Baugrundes, sowie im Minenkrieg, um Hohlräume des Gegners zu sondieren.157 Visitieren und Visitation sprechen genau von dem hier erörterten Vorgang, von der Untersuchung, Durchsuchung und Heimsuchung.158
Schweres Gerät ersetzt den Finger beim Bohren nach Verstecken im Boden: Ein Sondir- oder Visitireisen, Zeichnung: Anonym, um 1900.
Granville Squiers nennt als wichtige Hilfsmittel für Verstecksucher die Taschenlampe, einen Anzug und Dokumentationsmittel. Der Kriminalist Hans Bschorr empfiehlt ein paar Jahre zuvor, „den schlechtesten Anzug, den man besitzt, zur Haussuchung anzulegen“, da es sich bei einer Hausdurchsuchung um eine äußerst schmutzige Angelegenheit handelt.159 Mit dem Anzug verbindet sich eine gewisse Eleganz des Verstecksuchers, mit dem er sich modisch vom Overall absetzt. Der Ruf englischer Schneiderkunst scheint der deutschen in Stil und Eleganz voraus. Granville Squiers tritt als Gentleman mit einem gewissen Stil in modischen Fragen auf.
Squiers begeistert sich besonders für ein einfaches Hilfsmittel, welches er als das wichtigste bei der Suche nach Priesterlöchern nennt. Das von Hiram A. Farrand (1868–1948) Anfang der 1920er Jahre erfundene Stahlmaßband ist anders als seine Vorgänger flexibel und lässt sich aufrollen. Falls es entrollt ist, so ist es durch seine konvexe-konkave Form gleichzeitig starr.160 Damit dient es Squiers als praktische Sonde für enge Spalten, deren Tiefe sich messen lässt. Es ist ebenso ein praktisches Messinstrument zur Vermessung des Hauses.161
Die Methode der Vermessung ist bereits den englischen Priesterjägern um 1600 bereits bekannt, was allerdings nicht bedeutet, dass sie zu dieser Zeit entwickelt wird. Es heißt nur, dass sie bekannt ist und aufgezeichnet wird in einer historischen Quelle, in diesem Falle der Autobiografie von John Gerard. Jede der hier genannten Suchmethoden kann bereits lange zuvor bekannt sein und lediglich keinen Niederschlag in Quellen oder in bisher unbekannten Quellen gefunden haben. Geschichte ist stets von ihrer Aufzeichnung oder Weitererzählung abhängig, andernfalls gerät ein Geschehen in Vergessenheit und ist im Grunde nicht der Fall gewesen.
Stahlmaßband gemäß der Patentschrift von Hiram A. Farrand, eingereicht 1919, veröffentlicht 1922.
Als Teil der Durchsuchung eines katholischen Herrenhauses wird um 1600 bereits gemessen. Die Innen- und Außenmaße werden dann verglichen, um auf diese Weise mögliche Hohlräume aus der Differenz der beiden Maße zu ermitteln.162 Ungefähr dreihundert Jahre später ist die Physik der Welt noch die gleiche und Jack Luger bemerkt in seinem Versteckratgeber: „Das große Problem mit geheimen Räumen besteht darin, dass die Innen- und Außenabmessungen nicht aufgehen. Es ist sehr einfach einen geheimen Raum durch Nutzung eines Maßbandes zu entdecken.“163 Allan Fea spricht bei der Methode von „Spekulation“, genauer von „erfahrener Spekulation“.164 Messen ist nichts anderes als eine empirische Methode. Spekulation spricht mit dem lateinischen speculari von nichts anderem als Beobachtung. Etwas zu messen heißt, es mit einem Maßstab zu vergleichen,165 in diesem Falle mit dem Maßband. Die Methode einer Spekulation des Raumes wird bis heute bei Durchsuchungen angewendet. Als Vorbereitung einer Durchsuchung raten kriminalistische Lehrbücher, die Pläne der betreffenden Immobilie zu besorgen oder entsprechende Skizzen der Räume anzufertigen.166 Dies dient nicht nur der grundsätzlichen Vorbereitung, sondern später dem weiteren Vergleich von Soll-Maßen (Plan) und Ist-Maßen (Messung). Bei der Vermessung des Gebäudes wird eine Zeichnung, ein Plan des Grundrisses angefertigt (Bild 168).167 Ein Plan zeigt mitunter nur die ihm namensgebende Planung. Die tatsächliche Ausführung eines Baus kann durchaus abweichen – unabhängig von heimlich eingebauten Hohlräumen, die Gegenstand dieser Zeilen sind.
Beispiel aus einem Handbuch der US-Armee für eine Skizze zur Dokumentation von Versteckfunden in Berichten, Illustration: Center for Army Lessons Learned (CALL). 2007.
Verstecke sind naturgemäß nicht auf Plänen verzeichnet, hinterlassen hier keine Spur. Verstecke befinden sich im Schwarz des Plans, wobei Schwarz im Plan gewöhnlich für Unraum, für Mauern oder andere massive Bauteile steht.
Analog zur Länge werden Volumen verglichen, ob das innere und äußere Volumen etwa bei Möbeln voneinander abweicht.168 Ein Raum ist geheim, wenn er nicht unmittelbar erkennbar ist und nicht im Grundriss auftaucht.
Die Vermessung mit dem Ziel geheime Räume zu ermitteln ist nicht nur Gegenstand kriminalistischer Lehrbücher, auch ein Motiv in Kriminalgeschichten. Edgar Allan Poe lässt bereits 1843 in der Geschichte vom stibitzten Brief den Polizeipräfekten berichten, wie bei Möbeln durch einen Volumenvergleich ein Geheimfach bestimmt werden sollte.169 Vermessungen und die daraus zu schließenden Maßabweichungen führen Sherlock Holmes in „Zeichen der Vier“ (1890) und „Der Baumeister aus Norwood“ (1903) zum Versteck von Schatz oder Täter.170 Herman Melville lässt in seiner Geschichte „Ich und mein Kamin“ einen Vermesser bestellen, der einen riesigen Kamin vermisst, um die Größe eines mutmaßlichen Geheimkabinetts darin zu bestimmen. Die Vermessung fällt jedoch negativ aus und der Vermesser stellt sogar ein Zertifikat über ein nicht vorhandenes Geheimkabinett aus.171 Ein denkbarer Text darauf: Dieses Haus ist versteckfrei.
Die Größe eines Verstecks hängt von der Größe des zu versteckenden Subjekts, Objekts oder Injekts ab. Es sollte ein Minimalraum sein: So groß wie nötig, so klein wie möglich. Injekte haben als binäre Daten keine besondere Ausdehnung, sind sie eher eine Ansammlung von Punkten. Punkte besitzen an sich, als geometrisches Objekt keine physische Ausdehnung, erst als Zeichen werden sie zu dieser kleinen runden Fläche, die auch diesen Satz gleich abschließt. Dokumente, Papiere sind meist flach, wenn auch nicht streng genommen zweidimensional, wie es sich von Poes stibitztem Brief beobachten lässt. Objekte und Subjekte sind mal mehr, mal weniger raumgreifend. Es kommt somit zu unterschiedlichen Ausdehnungen in der ersten, zweiten oder dritten Dimension. Georg Bartsch und Franz Meixner machen auf diesen Umstand in ihren jeweiligen kriminalistischen Lehrbüchern durch den Hinweis aufmerksam, dass Personen leichter zu finden sind als Dinge. Zudem muss, wie Meixner ergänzt, der Mensch aus seinem Versteck aufgrund natürlicher Bedürfnisse ab und zu hervortreten.172 Von der gegenüberliegenden Seite betrachtet, ist eine, wie Meixner an anderer Stelle bemerkt, „unerhörte Gründlichkeit“ nötig, um kleine Gegenstände zu finden. Umgekehrt sind kleine Dinge leichter zu verstecken.173 Die Suche nach einem Mikropunkt, folglich fast nach einem tatsächlichen Punkt – etwas ohne Ausdehnung und Sichtbarkeit174 – ist für den Empfänger schwierig, wenn dieser in 500 Briefmarken verborgen ist und der Absender es versäumt, ihm das Erkennungsmerkmal der Marke mitzuteilen, es sogar versäumt, diese erkenntlich zu machen, wie der Staubsaugervertreter James Wormold, den Graham Greene in seinem Spionageroman Unser Mann in Havanna (1958) als unverhofften Agenten in den Kalten Krieg auf Kuba stolpern lässt.175 Der Suchaufwand steigt mit dem Abnehmen der Größe des verborgenen Gegenstandes. Größe und Suchaufwand hängen demnach reziprok zusammen. Gleichermaßen steigt mit abnehmender Größe die Zahl der Versteckmöglichkeiten.176 Größen und Formen sind aber nicht immer statisch, lassen sich verändern. So ist es möglich, dass große Dinge in kleine Einzelteile zerlegt sind, roll-, klapp- oder faltbare Gegenstände sind auf diese Art in der Größe, im Grunde in ihrer Dimension veränderbar, was bei der Suche zu beachten ist. Bei der Suche nach einem Versteck, vielmehr der darin befindlichen Sache, ist zu überlegen, wie die Eigenschaften dieser Sache verändert worden sein könnten, um sie zu verstecken.177 Bei einer Durchsuchung ist es ratsam, sich vorher zu überlegen, wo ein Gegenstand aufgrund seiner Größe überhaupt hineinpasst, ob bestimmte Orte darüber ausgeschlossen werden können. Das kann den Aufwand einer Durchsuchung verringern, denn in dem Fall muss nicht alles umgedreht werden, nur jenes, was aufgrund seiner Größe infrage kommt.178 Bei einer Durchsuchung wird anscheinend in erster Linie verglichen.179 Ist es nun eine Vermessung, ein Vorgang, der darin besteht, einen Gegenstand mit einem Maßstab, dem Maßband zu vergleichen. Ein Größenvergleich führt zu einer Spur, die sich als Abweichung äußert.
Ein weiteres Vergleichskriterium ist das Gewicht, was mittels einer Waage gemessen – verglichen wird. Ein ungewöhnlich hoher Gewichtsunterschied zu gleichartigen Stücken fällt eben auf.180 Diese Methode ist indirekt, da der Durchsuchende aus einem Indiz seinen Verdacht zieht. Vergleichen führt nicht in direkter Weise zum Versteck.
Um 1900 beginnen andere Hilfsmittel in direkter Weise bei der Sichtbarmachung von Unsichtbarem zu helfen, indem sie Undurchsichtiges durchsichtig machen. Mittels Röntgenaufnahmen werden die an sich unerkennbaren inneren Welten des lebenden Körpers sichtbar. Mit der Entdeckung der X-Strahlen scheinen für einige Zeitgenossen die Existenz und Erkennbarkeit übersinnlicher Welten möglich, wie es mit der Erfindung von Mikro- und Teleskop für Mikro- bzw. Makrowelten am Beginn des 17. Jahrhunderts geschieht. Für das unbewaffnete Auge wird damit etwas Unsichtbares sichtbar.
Auch die heutzutage esoterisch anmutende – und versteckte Menschen vermutlich verratende – menschliche Aura und die Entwicklung einer Technik zu ihrer Erkennbarkeit werden um 1900 durchaus für möglich gehalten (Bild 180). Es entstehen um 1900 denkbare Möglichkeiten von Techniken für „Blicke in die unsichtbare Welt der Auren“.181 Solche Auren werden scheinbar erst gut 100 Jahre später auch tatsächlich sichtbar, indem die israelische Armee besondere Geräte zur Durchsicht von Wänden einsetzt, wodurch dahinter befindliche Lebewesen schematisch auf einem Bildschirm sichtbar werden (Bild 169).182 Körperscanner an Grenzen und Flughäfen ziehen den Menschen virtuell die Hose nicht runter, aber aus. Sie ersparen diese etwas peinliche Aufgabe (Bild 15) dem Durchsuchenden und gestatten einen berührungslosen Blick unter die Kleidung.
Through the Wall, and What Is Found There: Film der Camero-Tech Ltd. zur Demonstration der Durchsicht einer 20 cm dicken Ziegelwand, 2013, Standbild.
An Grenzen werden allerlei weitere Scanner, Detektoren, Röntgengeräte eingesetzt, um undurchsichtige und vollgepackte LKWs, Container, Pakete, Briefe oder Koffer – auch ein merkwürdiger Container für Habseligkeiten – und Menschen einfach zu durchleuchten. Allerdings liefern Röntgengeräte keine binäre Antwort ‚Ja‘ oder ‚Nein‘, ob Rauschgift oder anderes vorhanden ist. Sie liefern nur Daten. Röntgenbilder müssen erst interpretiert werden, anders beim Spürhund oder Detektor, welche ein klares Signal bei einem Fund abgeben: ‚Piep, piep‘ oder ‚Wuff, wuff‘.183 An den Grenzen der DDR wird ab den 1970er Jahren eine ominöse Technik VII eingesetzt, ein Gerät zum Aufspüren von Menschen in Kfz über Atem- oder Herzgeräusche.184 Die dahintersteckenden geophysikalischen Methoden gestatten den Blick auf eine unsichtbare Welt, wie sie bei einem Blick in das Erdinnere notwendig sind. Ein anderes Gerät, was Strahlen oder Kräfte vermeintlich dort aufspürt, ist die Wünschelrute, ein meist Y-förmiges Instrument aus Draht oder einer Astgabel, welches als eine Art Antenne für jene Kräfte oder Strahlen dienen soll. Jedoch ist dieses Instrument ein wenig umstritten, scheint wohl eher der Geometaphysik zu unterliegen. 1935 beschreibt aber ein Artikel in der Zeitschrift Kriminalistische Monatshefte eine Granaten-Wünschelrute.185 Gemeint ist damit ein neuartiges Gerät zum Aufspüren von metallenen Gegenständen im Erdreich, was sich somit für kriminalistische Zwecke anbietet. Dieser Metalldetektor ist keineswegs mit den handlichen Geräten heutiger Zeit zu vergleichen. Der Aufbau der raumgreifenden Apparatur mit ihren zahlreichen Drähten gestaltet sich aufwendig. Oft reiche schon dieser einschüchternde Anblick von Technik und der Verdächtige gebe das Versteck von sich aus preis, wie zu erfahren ist.186
In der Gebrauchsanweisung für einen aktuellen Herzschlagdetektor liest sich die Anwendung in der Formulierung wie ein Algorithmus: „Falls das System die Anwesenheit einer Person feststellt und die physische Suche eine Person ermittelt, dann entfernen Sie die Person und wiederholen den Test.“187 Die Durchsuchung lässt sich weiterspinnen, dass die Arbeit von den Subjekten auf die Objekte geht, dass Roboter diese Aufgabe als Suchmaschinen oder Durchsuchmaschinen übernehmen: Roboter durchsuchen das Haus. Das ist eine Idee die sich spätestens mit Karel Čapeks W.U.R. Werstands Universal Robots188 anbietet. In dieser literarischen Umsetzung der Idee vom künstlichen Menschen als Maschine wird 1920 vermutlich erstmals die Bezeichnung Roboter verwendet. Heutzutage scheinen solche Maschinen nicht nur denkbar, auch machbar, aber nicht für die Suche in unserer Kohlenstoff-, sondern in der Siliziumwelt. Allgemein geht es beim Information Retrieval um „Praktiken und Theorien des Suchens“ von gespeicherten Informationen.189 Suchmaschinen sind vorrangig im Internet bekannt und durchsuchen es, durchsuchen Computer nach Daten, Informationen – aber auch nach Geheimnissen?
Suchmaschinen können nur erfassen, was für sie ‚sichtbar‘ ist. Ein großer Teil des Internets ist nicht durch Suchmaschinen erschlossen, weswegen es „invisible Web“ genannt wird.190 Suchmaschinen sind als Katalog zu sehen. Ein Katalog ist ein „Werkzeug zur Standortermittlung“ von Buch (in der Bibliothek) und Haus (beim Adressbuch).191 Der Katalog ist ein Verzeichnis – eine Datenbank – der physisch gelagerten – gespeicherten – Medien, samt ihren Standorten. Die Dinge haben feste Standorte und somit Adressen. Anders als bei einer Suche, wird bei einer Durchsuchung aber das gesucht, was nicht in Katalogen verzeichnet ist und somit keinen bekannten Standort besitzt. Als Beispiel sei ein Buch genannt, was zwar in der Bibliothek steht, aber nicht im Katalog verzeichnet ist. Es müsste die ganze Bibliothek nach dem Buch durchsucht werden. Es fehlt eine in der Datenbank verzeichnete Adresse, die im Falle der Bibliothek Signatur heißt. Ein derartiger Bestandskatalog muss nicht über Computer umgesetzt sein, er kann gleichermaßen über eine analoge Kartei umgesetzt sein.192 Suchmaschinen gibt es in gleicher Weise bereits vor ihrer heutigen Erfindung durch Informatiker.193
1874 findet sich in einer frühen deutschen Übersetzung von Jules Vernes (1828–1905) 1871 erschienener Wissenschaftsfiktion 20.000 Meilen unter dem Meer (Vingt mille lieues sous les mers) eine ‚Suchmaschine‘, die Kapitän Nemo von seinem Unterseeboot Nautilus zur Suche nach Schiffstrümmern im Meer einsetzt:
Ich eilte an das Fenster, und erkannte unter Korallen versenkt, mit Seepflanzen überdeckt, mitten unter zahllosen reizenden Fischen, etliche Trümmer, welche die Suchmaschinen nicht hatten fassen können, lauter Gegenstände gescheiterter Schiffe.194
Ein Blick in die ursprünglich französische Ausgabe zeigt, dass dort das Wort „dragues“ geschrieben steht und mit Schleppnetz oder Schwimmbagger zu übersetzen ist, was hier der Durchkämmung des Ozeans dient.195 Jules Vernes Suchmaschine ist ein Übersetzungskonstrukt, wo der ungenannte Übersetzer die Idee des etwas schnöden Schleppnetzes im Sinne von Jules Vernes technischen Visionen zur Maschine weiterentwickelt. Auch Kapitän Ahab, der Protagonist in Herman Melvilles Roman Moby-Dick oder Der Wal (1851), könnte eine solche Maschine in der einen oder anderen Weise bei der Suche nach dem weißen Wal im Meer gut gebrauchen.196
Die klassische Polizeifahndung ist eine positive Fahndung. Sie sucht nach dem Merkmal, dem Verdächtigen. Anders ist die Rasterfahndung,197 die David Gugerli als Suchmaschine untersucht,198 eine negative Fahndung, bei der öffentliche wie nichtöffentliche Datenbestände nach „Rasterkriterien“199 maschinell durchsucht werden. Jeder ist hier von vornherein verdächtig, nur wer sich als unverdächtig erweist, fällt aus der Liste heraus. Am Ende bleibt eine Liste potenzieller Verdächtiger, die mit weiteren Mitteln überprüft werden muss.200 Bei dieser Methode wird, anders als bei der positiven Fahndung, nicht nach dem Offensichtlichen, sondern nach dem Merkmallosen gesucht und dort das Versteck erkannt. Aus der Datenvermeidung, wozu J. J. Luna in seinem Ratgeber anleitet, um eigentlich „unsichtbar“ zu werden,201 folgt bei der Rasterfahndung gerade der Verdacht.202 Bei dieser scheinbaren Virtualisierung der Fahndung, ihrer Verlagerung in die künstlichen Welten von Datenbanken, wird schnell vergessen, dass für den Ermittler die Arbeit nicht endet, sobald das Ergebnis dieses Datenabgleichs von dem Computer ausgespuckt wird. Diese Interpretation von Daten zu Informationen liefert noch nicht den Täter in Person, nur die Identität oder den Aufenthaltsort. Die mehr oder weniger kurze Liste von Verdächtigen oder deren Adressen bringt noch nicht den Fahndungserfolg. Der Kriminalist Horst Herold (1923–2018), der allgemein als Erfinder dieser Rasterfahndung gesehen wird, beschreibt Polizeiarbeit im Wesentlichen als „sammeln, speichern und verarbeiten von Daten“.203 Herolds Polizeiarbeit liefert aber nur Namen oder Adressen. Die Verarbeitung der Daten muss zu Handlungen führen, zu einer Handarbeit. Für die weitere Überprüfung, für die Suche vor Ort, für die Durchsuchung eines Hauses, potenziellen Unterschlupfs, muss der Ermittler noch persönlich vor Ort nachschauen. Die Fahndung ist nur erfolgreich, wenn der Schritt aus der Datenwelt in die physische Welt der Objekte und Subjekte erfolgt. Die Polizei muss zur Tat schreiten. Es folgt eine Handlung.204 Ohne anschließende Handarbeit ist Datenverarbeitung sinnlos.
Ein Versteck entzieht sich aber einer solchen Registrierung, es ist weder in einer Datenbank verzeichnet noch besitzt es in dem Sinne eine Adresse, weil an der betreffenden Adresse bereits etwas anderes diese Adresse besetzt und besitzt. Das Versteck ist ein Parasit, der sich heimlich an einer Adresse einnistet. Etwas anderes besetzt – laut Katalog – diesen Ort. Ein Versteck ist latent. Es ist vorhanden, tritt aber nicht in Erscheinung. Suchmaschinen können bei der Suche in Menschen-, Häusermeeren oder Meeren dort eingesetzt werden, wo sich etwas in einer Masse versteckt, wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen. Egal ob nun analog oder digital, künstliche oder wirkliche Welten, solche Suchmaschinen helfen beim Versteck nicht weiter, weil sie nur Sichtbares suchen können. Suchmaschinen suchen nur innerhalb einer nicht versteckten Menge. Es wäre sinnvoller, allenfalls von Durchsuchmaschinen zu sprechen, da diese sich dem Unsichtbaren widmen, eher wie ein Pflug arbeiten, der einen Acker umdreht, umwendet – umpflügt.
Suche und Durchsuchung sind ähnlich, unterscheiden sich aber doch. Die Suche scheint vorrangig eine zielgerichtete Handlung zu sein, die auf die Lokalisierung einer bestimmten Sache, Person, eines bestimmten Ortes oder bestimmter Daten aus ist,205 wohingegen die Durchsuchung eher eine systematische Durchkämmung eines bestimmten Raumes oder Territoriums ist, um irgendetwas zu finden. Eine Suche scheint demnach zu enden, sobald die gesuchte Sache, Person, Daten oder der Ort gefunden ist. Eine Durchsuchung endet, sobald alle möglichen Orte innerhalb zuvor bestimmter Grenzen abgesucht sind. Die Durchsuchung begegnet einem in der Datenwelt im Zusammenhang mit der häufig so bezeichneten Online-Durchsuchung. Ermittler greifen dabei über eine Datenverbindung – aus der Ferne – ohne das Wissen eines Verdächtigen auf dessen Rechner206 zu. Sie überwachen heimlich dessen Aktivitäten und kopieren heimlich Daten. Die Herausforderung liegt hier im unbemerkten Zugang, weswegen die Bezeichnung Online-Überwachung passender ist, da die Heimlichkeit, anders als bei der Hausdurchsuchung, wesentlich ist.207 Eine Hausdurchsuchung geschieht in der Regel mit Kenntnis des Verdächtigen. Die Suche nach Informationen in den erbeuteten Daten, die eigentliche Durchsuchung, ist hingegen Aufgabe der Computer-Forensik oder Steganalyse, der Analyse von Daten, die steganografisch versteckt sind.208 Das Problem und die Möglichkeit des heimlichen Fernzugriffs auf fremde Rechner erweitert sich mit der Verbreitung und steigenden Bandbreite zur Datenübertragung ab Ende der 1990er Jahre. Die Online-Überwachung ist eine heimliche Beobachtung.
Das Feld der Computer-Forensik eröffnet sich erst mit der Verbreitung von Heimcomputern – oder: ‚Geheimniscomputern‘. Ab den 1970er Jahren ziehen Mikrocomputer, kleine Maschinen zur Datenverarbeitung in das Heim ein: Die durchsuchbare Datenwelt findet sich nun daheim.
Kriminalistische Zeitschriften und Bücher machen spätestens ab Ende der 1970er Jahre den Leser darauf aufmerksam, bei einer klassischen Durchsuchung auf Datenträger wie Lochkarten209 oder Musikkassetten – allgemein: Speichermedien – zu achten.210 Auf dem Magnetband der Kompaktkassette können von nun an genauso gut Computerdaten in Gestalt einer Musikkassette gespeichert sein (Bild 170).211
Heimcomputer: Exemplar des ab 1977 hergestellten Commodore PET 2001 mit Laufwerk für Kompaktkassetten, Mixed Media, 420 × 360 × 470 mm, Musée Bolo Lausanne, Foto: Rama, 2011.
In diesen Geräten befindet sich wiederum ein Heim, denn die bekannte Architekturmetapher im Bereich von Computern schlägt sich hier entweder durch Wort oder Zeichen – ein Haus mit Satteldach – nieder.212 Home beschreibt ab den 1980er Jahren mit Homecomputer, dem Heimcomputer, zunächst den Standort. Zugleich steht ‚Home‘ für die Grundstellung einer Schreibmarke oder eines mechanischen Bauelements,213 oder es bezeichnet mit home screen oder home desktop eine bestimmte Anzeige direkt nach dem Start einer Software oder eine Standardanzeige. Egal ob beim Heim in der Computer- oder Hausarchitektur, es muss wohl stets ein Mensch die Durchsuchung mehr oder weniger manuell durchführen, auch wenn es sicher praktischer wäre, diese mitunter stupide, brutale, aufwendige Arbeit an andere, am besten an besagte Maschinen zu delegieren. Warum brutal?
8.5 Durchsuchung, brutal
„Ein mächtiger eiserner Wille überwindet diese Friktion, er zermalmt die Hindernisse, aber freilich die Maschine mit.“
Carl von Clausewitz, Vom Kriege, 1832
Eine Durchsuchung bedeutet idealerweise die systematische Untersuchung aller Möglichkeiten für ein Versteck an einem Ort. Jede dafür theoretisch in Betracht kommende Stelle ist in einem Raum zu untersuchen, im ungünstigsten Falle ist das jeder Winkel, jedes Objekt, einfach alles. Untersuchen heißt, gegebenenfalls alle Sinne und weitere technische Möglichkeiten einzusetzen. Eine Durchsuchung geht in das Detail des Raumes.214 Entsprechend lautet die Forderung in kriminalistischen Büchern: „Nichts darf unberührt bleiben.“215 Eine Durchsuchung ist aufwendig. Was dies praktisch bedeuten kann, ist aus der Schilderung einer Durchsuchung um 1600 zu erahnen:
Sie [die Priesterjäger, mh] brachen mehrere Stellen auf, einschließlich der Decke über der Außentür und in der neuen Kammer darüber. Sie suchten drei Tage lang. Sie brachen und schlugen Wände, Decken, Böden, Feuerstellen, Holzverkleidungen nieder, fürwahr sie deckten das Haus ab und zerbrachen alles in den Kammern, warfen und traten unter ihren Füßen unsere Kleidung und Bettzeug; Kalk, Putz, Staub und Schmutz fiel darauf.216
Bei einer solche Aktion kann es dazu kommen, dass ein Haus förmlich freipräpariert wird, seine Schichten abgetragen werden. Jedes Versteck kann gefunden werden, es ist nur eine Frage des Aufwandes, der bei einer Durchsuchung des Heims betrieben wird, „es wird zerlegt bis zum letzten Nagel.“217 Dieser Quasi-Rückbau, diese Dekonstruktion hat eine Verwüstung des Heims zur Folge. Auf der anderen Seite ist ein enormer Aufwand mit einer solchen Durchsuchung verbunden. Wo sich große Bestände an Büchern verbergen, reicht es nicht, bei der Suche nach zwischen den Seiten verborgenen Papieren diese Medien zu schütteln. Das ist zwecklos, falls die betreffenden Seiten zusammengeklebt sein sollten. Jede Seite ist einzeln zu blättern.218 Sollte der Rat einiger Kriminalisten beherzigt werden, wird ein Raum stets von zwei verschiedenen Ermittlern durchsucht oder es ist zumindest ein zweiter Beobachter anwesend, um die Beobachtung und den Beobachtenden219 zu beobachten. Der Aufwand steigt entsprechend. Diese Redundanz durch Einsatz eines zweiten Ermittlers, damit Dinge erkannt werden, die dem einen Ermittler entgehen mögen, verdoppelt im ungünstigsten Falle den Aufwand einer Durchsuchung.220 Sollte eine Durchsuchung – nach einer erfolglosen – später wiederholt werden,221 kann sich der Aufwand durch diese zusätzliche Ebene der Redundanz nun sogar ohne Weiteres vervierfachen.
Ein Schlenker: Brute Force
„It was February, and the gravediggers had been forced to use electric drills to open the frozen ground in Vienna’s Central Cemetery.“
(„Es war im Februar, und die Totengräber mußten Presslufthämmer verwenden, um den hartgefrorenen Boden im Wiener Zentralfriedhof aufzubrechen.“)
Graham Greene, The Third Man, 1951
Die Metapher, über die Architektur und Wissenschaft verbunden werden, vergleicht Wissenschaft mit der Erkundung eines Hauses bis den letzten Winkel. Keine Schublade, keine Ritze bleibt dabei unbeachtet.222 Für die Durchsuchung scheint es einerlei, ob das Haus Heim oder Geheimnis heißt, zumal in beiden das Heim(liche) steckt. Bei der Suche nach Geheimnissen, die transportiert werden, wie es bei Geheimnistransporten der Fall ist, müsste ein gewissenhafter Grenzposten theoretisch alle Personen untersuchen, minutiös ihre Körper und mitgeführten Habseligkeiten begutachten, er hätte ihre Köpfe zu scheren, Bärte, Schamhaare und Achselhaare zu rasieren, um eintätowierte Nachrichten auf der Haut zu finden.223 Der technischen Steganografie, den versteckten Datenträgern, kommt der Ermittler mit einer manuellen Steganalyse bei, die sich hier als Durchsuchung nach Medien zeigt. Das Durchprobieren aller Möglichkeiten ist eine Lösungsstrategie, die in vielen Bereichen betrieben wird, sie ist einfach, erfordert kein großes Nachdenken und ist im Zweifel immer zielführend. Diese Methode der Suche ist zugleich eine der Durchsuchung. Die in der Informatik äußerst fruchtbare Architekturmetapher224 wird auf diese Weise einmal umgekehrt. Auf die Architektur wird eine Computermetapher übertragen, um die Methode theoretisch zu analysieren. In der Informatik ist eine solche Methode, bei der alle Möglichkeiten und Wege zur Lösung eines Problems oder zum Erreichen eines Ziels gesucht und probiert werden, als Brute Force Methode,225 auch „Holzhammermethode“ oder „Exhaustionsmethode“ geläufig.226 Bei Computern führt sie zu viel Rechenarbeit und einer hohen Rechenzeit, bei Menschen macht sie entsprechend viel Arbeit und kostet Zeit.227 Es gibt einen klaren Vorteil dieser Lösungsstrategie. Sie ist sehr einfach. Die damit verbundenen Algorithmen – heute eher bekannt als Handlungsanweisungen für Computer – sind einfach und zielführend, weswegen in der Programmierung das Motto gilt: „Wende im Zweifelsfall rohe Gewalt an.“228 Für das Problem der Hausdurchsuchung liest sich dieser Algorithmus etwa in den Worten von Julius Polke sehr einfach: „Alles umdrehen!“, oder: „Nichts unberührt lassen!“229 Was bleibt dem Ermittler anderes übrig, als überall nachzuschauen, falls er nicht weiß, wo das Gesuchte sich verbergen könnte? Ist ein Computer für gewöhnlich ein stoischer Rechenknecht, der sich nicht beklagt, sich im schlimmsten Falle nur ‚aufhängt‘. Ein Neustart der Maschine oder des Programms beendet diesen Zustand jedoch einfach. Ein Ermittler beginnt hingegen nach längerer oder kürzerer vergeblicher Laufzeit seines Durchsuchungsprogramms ohne einen Fund, den Sinn des Unterfangens infrage zu stellen: Er philosophiert. Die Philosophiererei dürfte mit der Müdigkeit nach den Anstrengungen, neben dem Schmutz und Schweiß am eigenen Körper, noch weiter zunehmen: Mein schöner Anzug! Von solchen Begleiterscheinungen der physischen Arbeit bleibt ein gut gekühlter Computer verschont, wohingegen es für den Ermittler schwierig wird, einen kühlen Kopf zu bewahren. Eine gründliche Suche ist aufwendig und zeitintensiv, zugleich sind Mittel und Personal der Ermittler begrenzt, weswegen auf eine Verhältnismäßigkeit zu achten ist. Dieser hohe Aufwand ist nur bei schweren Verbrechen gerechtfertigt.230 Wer versucht, ein ganzes Land abzusuchen, wird sich vermutlich verzetteln.231
Wer nun etwas über Vorgehensweisen bei einer Durchsuchung lernen möchte und in kriminalistische Lehrbücher und Fachzeitschriften blickt, der wird vorrangig zwei Arten von Abhandlungen finden. Zum einen Versuche der Auflistung von Versteckmöglichkeiten, die häufig in einem Bekenntnis enden, dass eine erschöpfende Aufzählung unmöglich sei. Obwohl es scheinbar unerschöpfliche Möglichkeiten für Verstecke gibt, werden für gewöhnlich nur wenige genannt, wie der Artikel Verstecke in älterer und neuerer Fachliteratur resümiert: „Die stereotyp auch in anderen Fachbüchern erwähnten Verstecke brauchen wohl nicht besonders genannt zu werden.“232
In der Zeitschrift Kriminalistik besteht von 1969 bis 1980 eine eigene Rubrik „Verstecke“, wo sich dieser Artikel 1972 einreiht (Bild 171). Im Laufe der Jahre werden über 300 durch Leser eingesendete Beispiele aus der Praxis vorgestellt. Dieses Forum dient dem Austausch von Wissen, hat aber durchaus einen unterhaltenden Charakter, was sich teilweise in einer entsprechenden Rhetorik zeigt. Im Längsschnitt fällt auf, wie Ende der 1970er Jahre Rauschgift, Computer und Datenträger in Verstecke gelangen. Über solche Fachzeitschriften tauschen sich Kriminalisten über Versteckmethoden aus. Polizeiliches Wissen verbreitet sich in diesem Fall über Fachzeitschriften.233 Julius Polkes Fingerzeige, die eine Sammlung solcher Beispielverstecke sind, sind ursprünglich aus einem Vortrag von 1930 hervorgegangen.234 Unter Kriminalisten scheint eher dieses induktive Verfahren verbreitet, wo der Austausch von Wissen in Form von Beispielen, den Einzelfällen, geschieht. Sammlungen von Spezialfällen, die häufig aus rein stichwortartigen Auflistungen von Versteckorten bestehen, liefern dem Leser aber weniger allgemeine Handlungsanweisungen oder Methoden. Jeder Fall und jedes Versteck sind anders.
Geheimnisumwitterte 1970er Jahre? Thematisierung von Verstecken in der Zeitschrift Kriminalistik im Zeitraum 1927–2000 mit einer deutlichen Häufung von 1969 bis 1980, Digramm und Auswertung: Autor, 2017.
Die andere Art von Abhandlungen geht von der Suche selbst aus. Michael Hodgetts spricht etwa davon, dass heutige Verstecksucher von den durch John Gerard in seiner Autobiografie 1606 beschriebenen Suchmethoden noch lernen könnten.235 Auch Granville Squiers spricht von diesem Weg und erwähnt die Zuhilfenahme von Tischlern und Zimmerleuten durch die Priesterjäger seinerzeit.236 Er meint damit die Hilfe von Fachleuten, die ein Wissen über die Struktur eines Hauses und seiner Einbauten besitzen. Sie denken, in Squiers’ Augen, wie die Erbauer, die wie Nicholas Owen solche Handwerker sind. Die Zuhilfenahme von Fachleuten bei einer Durchsuchung ist heutzutage noch üblich.237 Die zweite und weitaus seltenere Art von Lehrbüchern zählt keine Spezialfälle oder Beispiele auf. Diese Schriften versuchen allgemein Suchmethoden zu entwickeln, um eine Durchsuchung durchzuführen. Der Ansatz geht vom Allgemeinen aus, nicht vom Speziellen und ließe sich demnach deduktiv nennen.
8.6 VERSCHLUSSSACHE – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH?
Das genaue Vorgehen sollte zuvor überlegt werden und nach einer gewissen Systematik vorgegangen, eine bestimmte Taktik gewählt und insgesamt ein Plan entworfen werden.238 Wegen der unzähligen Möglichkeiten an Verstecken ist eine Systematik und Gründlichkeit ratsam.239 Eine systematische Suche spart Zeit und Energie.240 Es wird damit vermieden, dass Stellen vergessen oder – jenseits einer beabsichtigten Redundanz – doppelt abgesucht werden. In der Polizeidienstvorschrift (PDV), die für Polizeien in Deutschland maßgeblich ist, findet sich unter PDV 100, „Führung und Einsatz der Polizei“, zum Thema lediglich der kurze Abschnitt „Durchsuchungen“,241 der als „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ (VS-NfD) klassifiziert ist, was dem untersten der 4 Geheimhaltungsgrade deutscher Verwaltungen entspricht. Wer nun Bahnbrechendes, Neuartiges, Vertrauliches oder gar Geheimes über die Praxis der Durchsuchung dort zu erfahren hofft, wird enttäuscht. Zur Systematik wird lediglich geraten, größere Objekte zu unterteilen, bei mehreren Geschossen oder Räumen sind diese der Reihe nach anzugehen und bei Geschossen unter der Erde oder Wasserfahrzeugen ist von unten nach oben vorzugehen. Es wird empfohlen, einzelne Räume im Uhrzeigersinn zu durchsuchen oder diese in Sektoren aufzuteilen und sie entsprechend zu durchsuchen.242
Friedrich Kleinschmidt gibt in seinem Lehrbuch für den praktischen Kriminaldienst die gleiche Handlungsanweisung auch 1953 – nur in anderen Worten: „Damit man keine Stelle übersieht, fängt man praktisch am Eingang rechts an und hört links wieder auf.“243 Ein Handbuch der britischen Armee erweitert eine solche „detaillierte Durchsuchung von Räumen“ noch um die Redundanz und ein zweiter Sucher soll zusätzlich von rechts herum mit der Suche beginnen.244 Es sei, nach den Ausführungen des Juristen Dietrich Sauer, aus taktischer Sicht sinnvoll, die Räume und Möbel im Haus nach einem einheitlichen System durchzunummerieren. Eine solche Adresse oder Signatur eines Objektes kann sich in der Form „3.2.1.4li.5“ präsentieren, wobei die einzelnen Bestandteile der Notation jeweils eine bestimmte Bedeutung haben (Bild 172).
Adresse im Haus: Übersetzung der Notation für die Signatur eines Objekts nach dem System von Dietrich Sauer, Illustration: Autor, 2019.
Das Haus soll dabei von oben nach unten und die Räume im Uhrzeigersinn durchsucht werden. Ein wenig anfällig für Fehler scheint eine solche Notation nicht nur, falls die Dinge, etwa in einer Schublade, nicht sonderlich ordentlich aufgereiht sind, wie es durchaus schon vorkommen kann, weswegen vermutlich wohl Pläne und Skizzen zur Ergänzung herangezogen werden sollen.245 Edgar Allan Poe erwähnt im Zusammenhang mit der Suche nach dem stibitzten Brief, dass die Polizei das Haus in nummerierte Abschnitte einteilt.246 Dieses Raster scheint ebenso ein geeignetes Mittel zur Orientierung und Adressierung im Haus. Es ist eine Methode der „pfadfinderischen Pfiffigkeit“, wie Ernst Jünger die Einteilung eines Raumes in quadratische Einheiten nennt.247
In der Mathematik wird von „teile und herrsche“ gesprochen, was meint, dass zur Lösung eines großen Einzelproblems dieses in kleinere Einzelprobleme zerlegt werden soll. In diesem Falle sind es einzelne Rasterfelder, die für einen Suchenden übersichtlicher und somit beherrschbarer sind. Das Raster zerlegt den großen unbeherrschbaren Suchraum in kleine handhabbare Suchräume.
Näheres ist kaum zu einer allgemeinen Regel für eine Hausdurchsuchung zu erfahren, denn es gibt keine solche allgemeine Regel oder Vorschrift, die in Lehrbüchern zu erfahren wäre. Die Möglichkeiten sind zu zahlreich und verschieden. Eine Haussuchung ist jedes Mal anders.248 Um die Mühe zu reduzieren bleibt nur, die Durchsuchung auf Stichproben zu reduzieren, nur einzelne Stellen abzusuchen.249 Damit wird die systematische, nach einem bestimmten Muster vorgehende Suche zu einer unsystematischen, die ohne dieses Muster vonstattengeht und auch in der Archäologie auf diese Weise und genau aus diesen Gründen geschieht.250
Gibt es analog dazu neben der zwar einfachen, jedoch aufwendigen Suche per Holzhammermethode weniger beschwerliche Strategien der Verstecksuche, bei denen trotzdem systematisch vorgegangen wird?
8.7 Finder
„Einen Finder zu finden für alle Dinge.“
Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, 1764–1799
„Geschieht das Verstecken mit Überlegung, muss auch das Suchen so durchgeführt werden.“
Hans Schneickert, Kriminalistische Spurensicherung, 1917
Ist Handeln ohne Denken möglich? Wohl kaum. Nur weil etwas nicht im Bewusstsein ist, es intuitiv geschieht, findet Denken trotzdem statt. Ein wenig möchte Edgar Allan Poe dem Leser eine hirnlose Handlung vorgaukeln, wenn er die Polizei als etwas töricht, unüberlegt präsentiert. Der stibitzte Brief taucht nun wieder auf: Monsieur G---, der Präfekt der Pariser Polizei, berichtet Edgar Allan Poes Detektiv Dupin, dass er bei der Suche nach dem für eine ranghohe Persönlichkeit kompromittierenden Brief nicht weiterkomme. Er schildert die ganzen Anstrengungen und Mühen bei der Durchsuchung das Palais’ von Minister D---, wie darin alles haarklein unter- und durchsucht wird. Selbst mit dem Mikroskop bleiben sogar die Ebenen des Staubes und Ritzen nicht unbeachtet. Nun werden zwar keine Fußböden, Decken oder Wände aufgerissen, das Haus nicht zerstört, aber Poe lässt die Polizei in den Gedanken und Worten des Detektivs Dupin sehr dumm aufgrund ihrer Brute Force Methode dastehen, weil zudem alles vergeblich und dies umso peinlicher ist, da eine solche Methode zu jedem Geheimfach führt, wie es selbst aus dem Mund des Präfekten heißt: „Wer sich bei einer Durchsuchung dieser Art ein ‚geheimes‘ Fach entgehen lässt, ist ein Tölpel.“251 Offensichtlich ist der Polizei dann etwas entgangen. Dupin nimmt sich der Angelegenheit an und ermittelt durch Nachdenken den Brief im psychologischen Versteck der Offensichtlichkeit. Der Brief ist da, wo ihn jeder sieht, aber niemand erwartet, offensichtlich (nicht) ist, in einem Kartengestell im Arbeitszimmer des Ministers D---.252 Poe stellt der grobschlächtigen handwerklichen Durchsuchung der Polizei, die im Machen, der Praxis und in der Anwendung von Technik besteht, die elegante, scheinbar berührungslose, gedankliche Durchsuchung durch das Denken Dupins gegenüber. Dupin macht sich, anders als die Polizei, nicht schmutzig, durchsucht berührungslos.
Auch Joseph Vogl hat sich der Geschichte angenommen, aber nicht als klassischer Kriminalist, sondern aus Sicht des Literaturwissenschaftlers auf der Suche nach und als Untersuchung von wissenschaftlichem Wissen in Literatur, was er als die Poetologie des Wissens bezeichnet. Poetologie bedeutet eine Untersuchung der Präsentierung und Inszenierung von Wissen, in diesem Fall als Dichtung, als Poesie, wie es etwa durch Literatur geschieht. Nun spricht Vogl zwar nicht von den Durchsuchungsmethoden der Polizei, die Poe in seiner Geschichte zahlreich erwähnt und die sich hier scheinbar noch vor kriminalistischen Lehrbüchern literarisch niederschlagen. Poes Kriminalliteratur vermittelt scheinbar noch vor kriminalistischen Lehrbüchern kriminalistisches Wissen.
Auch, gemäß den Versteckpoetiken, finden sich hier bei Poe Durchsuchungspoetiken. Es ist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keineswegs unüblich, dass Kriminalisten in ihren Lehrbüchern die Lektüre von Arthur Conan Doyle und Edgar Allan Poes Helden Sherlock Holmes und Auguste Dupin empfehlen oder damit ihre Argumentation stützen.253 Das bedeutet, dass sich kriminalwissenschaftliches Wissen als literarisches Wissen in Form des Krimis präsentiert. Dieses Wissen wird durch Arthur Conan Doyle und Edgar Allan Poe auf poetische Weise präsentiert und inszeniert. Vogl konzentriert sich im Text eher auf die Erkenntniswege, welche durch Polizei und Dupin bei ihren jeweiligen Durchsuchungen genutzt werden, um sich den verborgenen Brief zugänglich zu machen. Er stellt die positive Methode der Polizei der negativen Dupins gegenüber. Wie bei der Rasterfahndung bereits angedeutet, ist die positive Methode diejenige, welche nach einer Auffälligkeit, einem Merkmal sucht. Es ist die klassische Fahndung und Durchsuchung, die der Präfekt schildert: Die ganze Wohnung wird minutiös nach Spuren und Auffälligkeiten abgesucht. Bei der negativen Fahndung ist die Merkmallosigkeit verdächtig, wie es wesentlich für die Rasterfahndung über Datenbanken ist. Dupins Methode, den Brief dort zu vermuten, wo ihn niemand vermutet, weil er dort offensichtlich ist, zählt Vogl aber ebenso als negative Methode. Dupins gedankliche Suche mittels Überlegung und die Suche von Verdächtigen oder Adressen ihrer Aufenthaltsorte, mittels Rasterfahndung in Datenbeständen, sind nur dann wirksam, falls jemand persönlich vor Ort nachschaut, es somit zu Handlungen und einem Übergang kommt. Ein Polizist schaut vor Ort nach, ob das oder der Gesuchte sich am vom Computer oder Ermittler gedachten Ort befindet.254 An anderer Stelle verortet Vogl im 19. Jahrhundert die „Entdramatisierung des Verbrechens“ durch dessen wissenschaftliche Untersuchung und entsprechende Verfolgung mit wissenschaftlichen Mitteln, zugleich geschehe eine Dramatisierung des Verbrechens infolge der Entstehung des Genres Kriminalroman.255 Die Polizei als eigenständige staatliche Institution bildet sich zum Beispiel in Großbritannien heraus, wenngleich das Polizeiliche schon früher im staatlichen Machtapparat zu finden ist, was sich im Zusammenhang mit der Durchsuchung des Heims spätestens um 1600 mit den Priesterjägern zeigt. Wo das Genre des Dramas menschliche Krisen thematisiert, sind solche Krisen häufig Folgen und Ursachen eines Verbrechens. Im Kriminalroman ist aber nicht das Drama von Interesse, sondern die Klärung eines Verbrechens.
Ronald R. Thomas widmet diesem Zusammentreffen von Wissenschaft und Literatur eine ausführliche Studie, konzentriert sich aber nur auf die ‚Hochtechnologie‘ der Zeit: Fotografie, Lügendetektor oder das Fingerabdruckverfahren helfen in der Forensik der Aufklärung des Verbrechens – auch in der Literatur.256 Der stibitzte Brief steht nun Thomsons These entgegen, sind es die technischen Mittel, die versagen, den Aufwand der Durchsuchung erhöhen. Das lässt die Polizei in den Augen des Lesers und Auguste Dupins dumm dastehen. Es bleibt trotz technischer Hilfsmittel eine Menge Handarbeit, somit schweißtreibende Handlungen der Durchsuchung unter teilweiser Zuhilfenahme optischer Apparate wie Lupe oder Mikroskop. Diese sind bereits vor dem 19. Jahrhundert bekannt, wie das Beispiel der Priesterjäger um 1600 andeutet. Umgekehrt ist es bei Poe fragwürdig, ob die Polizei tatsächlich derart tölpelhaft ist, braucht es doch spezielle Fähigkeiten und Denkweisen bei der Anwendung der technischen Mittel für die Durchsuchung. Das Gesehene muss interpretiert werden, damit Daten erst zu Information werden. Poes Dupin kommt nicht umhin, sich in letzter Konsequenz die Hände schmutzig zu machen, sein Denken am durch Nachdenken ermittelten Ort nachzuprüfen. Die Polizei muss immer noch einen Hausbesuch abstatten,257 den Verdächtigen heimsuchen, um ihn als Täter identifizieren zu können.
Ohne Denken scheint Handeln ohne Wirkung, wie auch eine Handlung ohne ihr Bedenken wirkungslos scheint. Handwerk ist immer auch ein Denkwerk. Für die Kriminalistik braucht es Geist, Handlung und Technik. Gleich Superhelden mit Superkräften besitzen die literarischen Ermittler Sherlock Holmes und Auguste Dupin beide Superintellekte. Ihr Verstand ist ihre Superkraft. Beide verarbeiten mit dieser scheinbar hochleistungsfähigen Rechenzentrale im Kopf viele Informationen und gelangen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu gesicherten Vermutungen. Diese Mischung aus raten und wissen ist nicht nur ein Instrument der Verbrechensaufklärung, der repressiven Ermittlungstätigkeit, auch der präventiven, der Verbrechensverhinderung.
Bei der Prävention wandelt sich das Denken der Ermittler vom Nach- zum Vordenken. Der Autor Philip K. Dick (1928–1982) beschreibt Mitte der 1950er Jahre in seiner Geschichte Der Minderheiten-Bericht (The Minority Report) die wissenschaftliche Fiktion, dass die Polizei mittels Präkognition – Vordenken, Vorsehen – Verbrechen vorhersagen kann und das Verbrechen damit abgeschafft ist. Menschmedien mit hellseherischen Fähigkeiten sind demnach imstande, ein Phänomen zu erkennen, obwohl es als solches noch nicht in Erscheinung getreten ist. Eine Wirkung geht dem Phänomen voraus.258 Aus dem Nachdenken von und über Verbrechen bei Poe oder Doyle wird ein Vordenken bei Dick.
Einen ähnlichen Ansatz gibt es in den 1970er Jahren mit der Kriminalgeografie,259 wo Computer die Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Gegenden berechnen, zum Ort eines Verbrechens zu werden. Über Datenbanken werden Orte von Verbrechensereignissen registriert, diese Daten kartiert, ein Raster über die Stadt gelegt. Die Anzahl der Verbrechen in jedem Rasterfeld gibt Auskünfte über Verbrechensschwerpunkte. Dort kann die Polizeipräsenz verstärkt werden oder es können andere präventive Maßnahmen geschehen (Bild 173). Die repressive Polizeitätigkeit wandelt sich mittels solcher Techniken zu einer präventiven Polizeitätigkeit, deren Ideal es ist, Verbrechen gar nicht erst geschehen zu lassen.260
Ermöglicht eine Verbrechenskarte die Vorhersage von Verbrechen? Diagramm: Anonym, um 1970, Karte: Polizei Nürnberg, 1970.
Das Ziel, etwas zu erkennen, was ohne Niederschlag in einem Phänomen ist, deckt sich mit dem der Durchsuchung. Scheinbar macht es keinen Unterschied, ob etwas noch nicht ist, wie das noch ungeschehene Verbrechen, oder ob etwas nur nicht in Erscheinung tritt, weil es im Versteck verborgen ist. In beiden Fällen sind entsprechende Phänomene nicht erkennbar, in einem Falle noch nicht, im anderen sind sie verborgen, dissimuliert und zugleich durch andere, täuschende ersetzt, simuliert. Das Prinzip der Täuschung ist die gleichzeitige Dissimulation und Simulation. Eine Simulation ist eine Nachahmung, eine Mimesis, eine „Erzählbarkeit von Welt im weitesten Sinne“.261 Eine Erzählung muss nicht zwangsläufig in sprachlicher oder bildlicher Form sein, es kann, wie im Falle von Verstecken, auch eine architektonische sein, eine architektonische Erzählung, eine architektonische Geschichte. Kulissen sind Architektur und Teil von Erzählungen durch Theater und Film.
Joseph Vogl entwirft nun weiter in Anlehnung an Michel Foucault eine Poetologie des Wissens und legt das Interesse auf die Bruchstelle, wo Welt in ihre Erzählung, in ihre Mimesis übergeht und umgekehrt, wo sich aus ihrer Erzählung Rückschlüsse auf sie ziehen lassen. Ihn interessiert nicht die Unterscheidung von Fakt und Fiktion, sondern die Art und Weise der Inszenierung dieses Wissens in sprachlicher Form. Er macht dabei 4 Übergangsformen aus, die er mit Foucault an Kriminalität und Medizin im weitesten Sinne veranschaulicht.262 Davon abgeleitet und auf das Thema der Durchsuchung übertragen, ergeben sich nun vier Wege, um an das Wissen um ein Versteck zu gelangen. Zunächst macht Vogl die a) „Abweichung“ aus. Damit ist zugleich von einer Norm die Rede, von der abgewichen wird. Die Suche nach einer Abweichung ist eine positive Methode, die der Fahndung der Polizei und Durchsuchung bei Poe entspricht. Die Abweichung ist die Störung im Rauschen, informationstheoretisch gesprochen. Aus der Abweichung entsteht erst ein Signal. Welt und Haus werden bei der klassischen Durchsuchung umgekrempelt, in extremen Fällen ihr Inneres sogar, wie es in der Medizin mit dem Körper durch Pathologen, Rechtsmediziner, Chirurgen, Anatomen und andere ‚Aufschneider‘ geschieht. Etwas wird geöffnet, eröffnet, um es mit eigenen Augen – Auto-opsie – und den anderen Sinnen untersuchen zu können. Der Tod oder zumindest die Verletzung des Hauses ist die Folge. Das Haus bedarf nach dieser Obduktion, Sektion oder Operation der Renovierung oder des Abbruchs, wie die Schilderungen von Durchsuchungen in England um 1600 den Eindruck erwecken. Es handelt sich dabei um einen Einbruch, der wohl überlegt sein sollte, wie ein Lehrbuch der amerikanischen Drogenermittlungsbehörde DEA seine ermittelnden Leser etwa dreihundert Jahre später erinnert: „[…] der Ermittler muss gute Gründe haben, bevor er in die Wand einer Person einbricht.“263
Ist die Abweichung ein unmittelbares Zeichen, so zielt die von Vogl genannte b) „Konjektur“ auf mittelbare Zeichen ab. Hans Gross nennt jene Methoden, die mittels Klopfens oder Abhorchens eine zerstörungsfreie Durchsuchung des Hauses gestatten, „Kunstgriffe“.264 Der zerstörende Blick in die Mauer ist damit überflüssig. Das ist aber nur möglich, falls der Ermittler über den Umstand im Bilde ist, dass sich aus dem dumpfen Klang einer abgeklopften Wand auf einen darin befindlichen Hohlraum schließen lässt. Das Abklopfen der Wand liefert einen bestimmten Laut, der die Beschaffenheit auf akustischem Wege zeigt. Die Konjektur ist eine anspruchsvollere Methode, da sie entsprechendes Wissen erfordert und der Anwender ‚um die Ecke‘ zu denken hat. Bei der Durchsuchung wird demgemäß nicht das Versteck unmittelbar selbst gesucht, sondern mittelbar über Spuren und Indizien, die darauf hinweisen könnten. Aus Schleifspuren vor der Wand folgert der Durchsuchende etwa eine Geheimtür. Die Methode von Edgar Allan Poes Auguste Dupin ist eine solche, geht er von den nicht unmittelbar auf das Versteck hindeutenden Erscheinungen aus. Denken führt zu Hypothesen, ein Vorgang, der bei Arthur Conan Doyle „Deduktion“, beim Semiotiker Charles Sanders Pierce (1839–1914) „Abduktion“ oder „Indizienbeweis“/„Kombination“ bei der Polizei heißt. Der Kriminalpsychologe A. R. Ratinow beschreibt einen mittelbaren Weg der Erkenntnisgewinnung bei Durchsuchungen. Er empfiehlt, „demaskierende Merkmale“ bei einer Durchsuchung zu beachten und meint damit die An- oder Abwesenheiten der Spuren, die als Kratzer, Staub, Schmutz oder andere Abweichungen in Erscheinung treten und damit eine „Zwischenrolle“, eine klassische mediale Rolle, einnehmen. Verdächtig ist ein ungewöhnlich hohes Gewicht oder die Massivität einer für gewöhnlich hohlen Figur.265
Eine dritte Übergangsform stützt sich bei Vogl mit c) „Inquisition und Verhör“ auf Befragung und Beobachtung. Verdächtige werden dahingehend verhört, wo genau eine Durchsuchung vorzunehmen ist. Auch heimliche Beobachtung und der Verrat führen zu Erkenntnissen hierzu. Möglicherweise bergen und verraten Akten etwas, was ihre Bearbeiter eingeschrieben haben oder zwischen den Zeilen zu lesen ist. Kasimir Pfyffer von Altishofen und Johann Baptist zur Gilgen empfehlen bei der Durchsuchung die Anwesenheit desjenigen, der die Akten der Untersuchung kennt, da er – in diesem Falle der Untersuchungsrichter als Kenner des Aktes – am besten weiß, wo zu suchen ist.266
Eine vierte Form ist nach Vogl d) „Unbewußtes“. Diese Methode konzentriert sich auf die mittelbaren Erkenntnisse aus einem Verhör oder einer Beobachtung. Das sind Worte, Gesten, Verhalten, verdeckte Anzeichen, die dem Verdächtigen gar nicht bewusst sind und beim Verhör oder bei seiner (heimlichen) Beobachtung zutage treten. Er nennt als Referenz die Methode Sigmund Freuds, der seine Arbeit als Therapeut mit der des Untersuchungsrichters vergleicht. Beide würden etwas Verborgenes ans Licht holen und brächten ihren Patienten zu einem unbewussten Selbstverrat.267 Hans Gross in Graz empfiehlt in seinem Handbuch für Untersuchungsrichter in diesem Sinne bereits 1893 – 2 Jahre bevor Sigmund Freud die entscheidende Veröffentlichung zur Psychoanalyse in Wien macht –, die Verdächtigen bei einer Durchsuchung zu beobachten und aus deren Verhalten Schlüsse zu ziehen, ob sich der Durchsuchende der richtigen Stelle des Verstecks nähert.268 Danach ist ein Verhalten ein narratives, erzählendes Verhalten. Kurt Höllrigls „Kriminalistische Aphorismen“ beschreiben 1958 zum Stichwort „Durchsuchung“ ähnliches. Er setzt bei der Beobachtung der Verdächtigen jedoch nicht auf die Augen – vermutlich, weil diese mit der Durchsuchung selbst ausgelastet sind –, er setzt auf das Gehör:
Bei jeder Durchsuchung von Räumen und Behältnissen sollte man mit dem Betroffenen die ganze Zeit hindurch ein Gespräch führen. Das Sprechen der Betroffenen wird sich in dem Augenblick auf irgendeine Art und Weise ändern – mag es schneller oder langsamer, aufgeregter oder interesseloser werden –, wenn sich die Durchsuchung einem für ihn kritischen Punkt nähert.269
Kurt Höllrigl als Polizist und Hans Gross als Jurist erwerben ihre psychologische Expertise zum „Unbewußten“ wohl aus ihrer Praxiserfahrung. A. R. Ratinow rät, wie zuvor Gross,270 auf optischem Wege Verhaltensänderungen Anwesender und der von Haustieren zu beachten. In seinem Lehrbuch zur forensischen Psychologie geht Ratinow als Psychologe in seiner Analyse der Psyche des Verdächtigen noch weiter und davon aus, dass der Beruf und damit eventuelle handwerkliche Fähigkeiten des Verdächtigen sich in der Art des Verstecks niederschlagen. Der Versteckbauer würde jene „Verfahren und Fertigkeiten“ beim Bau anwenden, die er beherrsche und sich in der Vergangenheit angeeignet habe, so Ratinow. Der Gelehrte wird demnach in Büchern, der Tischler in Möbeln oder Holz, weniger im Mauerwerk Sicherheit und Glück suchen. Zugleich warnt Ratinow aber vor zu einfachen Schlussfolgerungen vom Beruf auf das Versteck. Vermutlich verbirgt der Schuster keineswegs stets seine Geheimnisse im Schuh und der Geistesarbeiter muss nicht zwangsläufig ein schlechter Handwerker sein. Für Ratinow können aber bestimmte Charaktereigenschaften – die der Durchsuchende zu erkennen hat – Hinweise auf einen Versteckort geben.271 Der Mensch oder seine Ansammlungen sind und bleiben letztendlich nicht berechenbar, auch wenn Psychologie und Soziologie dies zum Teil gerne vorgaukeln.
8.8 Zufall, Un-fall und Wahrscheinlichkeit
„Rien ne va plus.“
(„Nichts geht mehr.“)
bekannte Ansage des Croupiers
„Ich meine, ein Künstler ist jemand, der daran engagiert ist, Unwahrscheinliches zu produzieren. Und ein Wissenschaftler ist einer, der darauf aus ist, dass seine Aussagen immer wahrscheinlicher werden.“
Vilém Flusser in seinem letzten Interview, 1991
Ein Fremder sucht in einem ihm fremden Ort ein ihm fremdes Haus. Deterministisch, bestimmt, geschieht diese Suche über eine genaue Anweisung, welcher Weg zum Haus zu nehmen ist. Der Weg folgt einem genauen Programm, eine Abweichung von Weg und Programm ist nicht möglich. Nach der stochastischen Methode beginnt derjenige zufällig. Er wählt ein beliebiges Haus, prüft, ob es das gesuchte ist. Falls dem nicht so ist, geht die Suche weiter. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dem nächsten Haus um das gesuchte handelt, erhöht sich nun, da ein Haus weniger infrage kommt. Umso mehr Häuser ausscheiden, umso wahrscheinlicher wird, dass es sich bei dem nächsten um das richtige Haus handelt. Die erste Suchmethode scheint zielführender, effizienter, es werden keine unnötigen Wege zurückgelegt und es wird keine Zeit mit dem irrtümlichen Putzen von Klinken, mit dem Abklappern der falschen Häuser verschwendet. Das gesuchte Haus wird direkt angesteuert. Die zweite Methode erinnert an die beschriebene Holzhammermethode: Alle Möglichkeiten werden probiert, bis das Gesuchte gefunden ist. Es scheinen viele Irrwege damit verbunden, da der Suchende im wahrsten Sinne durch die Stadt irrt. In der Informatik wird dieses Verfahren üblicherweise mit Versuch und Irrtum („trial and error“)272 überschrieben, wobei William Ross Ashby 1957 in seiner Einführung in die Kybernetik diese Bezeichnung als irreführend ansieht, stattdessen „suchen und finden“ („hunt and stick“) vorschlägt. Der Fehler ist Teil des Lösungsweges und für Ashby somit unwesentlich, da am Ende der Erfolg stehe.273
Ist aber im Falle der deterministischen Methode der vorgebende Weg an einer Stelle blockiert, scheitert der Suchende mit dem starren Programm, da eine Abweichung vom vorgebenden Weg nicht vorgesehen und möglich ist. Hier lässt sich von einem Fehler sprechen. Sollte derjenige zwar erfolgreich sein, aber noch ein anderes Haus suchen, braucht er wieder eine genaue Anweisung, ein neues Programm, welches ihn zum Haus leitet. Die deterministische Methode scheint nun nicht mehr so effizient und überlegen. Jemand, der nach der stochastischen Methode vorgeht, hat vielleicht früher bereits das nun gesuchte Haus besucht und damit Weg und Lage im Gedächtnis gespeichert. Derjenige gewinnt an Erfahrung, er lernt, weil der Weg zum Ziel von Relevanz ist.274 Mit diesem Vergleich der beiden Methoden zeigt Karl-Heinz Tuschel (1928–2005) in Die Insel der Roboter 1973 die Unterschiede von Maschine und Mensch auf und veranschaulicht die Vorteile, falls kybernetische Prinzipien bei Maschinen umgesetzt werden. Der Mensch und sein Denken funktionieren in dem Sinne kybernetisch, dass der Programmablauf sich auf spätere Programmabläufe auswirkt, rückkoppelt. (Eine Bemerkung am Rande: Wird ‚Programmablauf‘ nun ‚Leben‘ genannt, so wird die Kybernetik plötzlich unheimlich philosophisch.) Das stochastische und deterministische Prinzip lässt sich direkt auf eine Durchsuchung übertragen. Es scheint egal, ob das Gesuchte Haus, Möbel oder Versteck heißt, der Suchraum Stadt, Haus, Zimmer oder Schublade ist. Ohnehin besteht eine Selbstähnlichkeit von Stadt und Architektur, von Haus und Zimmer, von Zimmer und Stadt. Der Ermittler gewinnt im Laufe der Zeit durch viele schweißtreibende und schmutzige Durchsuchungen von Häusern bis in den letzten Winkel an Erfahrung. Diese kann er dann als Fingerzeige oder praktische Winke für die Durchsuchung in Büchern oder Vorträgen weitergeben.275 Mit der Wissenschaft, wie Joachim Westerbarkey hierfür das Bild der Hausdurchsuchung bis in den letzten Winkel als Metapher heranzieht, scheint es gleich. Der Ermittler steigert sein Wissen infolge praktischer Erfahrungen und kann mit der Zeit voraussagen, prognostizieren und spekulieren, wo seiner Erfahrung nach Verstecke mit hoher Wahrscheinlichkeit liegen. Die US-Armee bringt in einem ihrer Lehrbücher eine Statistik der Versteckfunde zu Papier, schränkt dabei – wenig überraschend – ein, dass die Versteckfunde von Kultur zu Kultur variieren. In der Küche fänden sich 39 % der Verstecke, im Eingangsbereich 17 %, in Regalen 17 %, unter Treppen 12 % und außerhalb des Hauses 5 %.276
Bei solch einer Statistik ist Vorsicht geboten. Sie bildet nur, wie jede Statistik, die Lichtzahl ab. Wo aber Geheimnisse und Verstecke walten, da bleibt vieles im Dunkeln. Beim Verbrechen bleibt eine Dunkelzahl,277 über deren Höhe eine Schätzung nicht seriös ist, wie sie allerdings trotzdem häufig geschieht. Wenn der seinerzeitige Leiter der Kriminalpolizei Düsseldorf, der bekannte Publizist und Historiker kriminalpolizeilicher Themen Bernd Wehner (1909–1995) über Die Latenz der Straftaten. Die nicht entdeckte Kriminalität schreibt,278 so ließe sich analog Die Latenz des Verstecks. Die nicht entdeckte Verborgenheit thematisieren. Latenz bedeutet, etwas ist vorhanden, tritt aber nicht in Erscheinung. Dunkelzahl wie Latenz scheinen mit ähnlich unzugänglichen Phänomenen verbunden, wie die Metaphysik. Der Jurist Hermann Ortloff (1828–1920) spricht schon 1881 in seinem kriminalistischen Lehrbuch von Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit Verstecken und gibt den Rat, bei einer Durchsuchung planmäßig „Raum für Raum“ und „nach der Wahrscheinlichkeit der Verstecke“ vorzugehen.279 Der Ermittler kann sich dieses Wissen um die Wahrscheinlichkeit wohl aus Statistiken oder aus Erfahrung erschließen. Es gibt möglicherweise noch das berühmte Bauchgefühl, den 7. Sinn, welche die Stochastik ersetzen. Mit der Wahrscheinlichkeit hängt der Zufall eng zusammen. Wahrscheinlichkeit ist der Grad des Zufalls und der Unberechenbarkeit, die sie von Sicherheit und Berechenbarkeit – Gewissheit – abgrenzt. Anstelle gesicherter Aussagen in binärer, zweiwertiger Logik, im Sinne von Ja oder Nein, 1 oder 0, treten Werte dazwischen. Anders ausgedrückt, ergeben sich somit Werte zwischen 0 % und 100 % Wahrscheinlichkeit. Die Wahrscheinlichkeit hat etwas mit der Berechnung des Zufalls zu tun und scheint in vielen Bereichen der Sicherheit gewichen zu sein. An die Stelle einer scharfen Logik, die nur zwei Zustande kennt, tritt eine unscharfe Logik mit unendlich vielen Zwischenwerten, die den Grad der (Un)Wahrscheinlichkeit angeben. Oder wirkt etwas nur zufällig, ist tatsächlich komplex und ist somit das zugrundeliegende Prinzip, die Rechnung oder Regel (noch) nicht erkennbar?280 Mit einer solchen Abkehr von dem Ideal der Gewissheit verändert sich der Begriff des Wissens. Vermutungen, Spekulationen, Komplexitäten und Annäherungen treten an die Stelle von Wahr und Falsch. Wissen scheint nun mehr ein temporärer Zustand.281 Wissen unterliegt Aktualisierungen, erhält ein ‚Update‘, um eine informatorische Metapher zu verwenden. Wissen wird aktualisiert.
Die Wahrscheinlichkeit sagt, dass 12 von 100 Verstecken unter einer Treppe liegen, Illustration: Bill Border, 1984.
Nun soll es aber nicht um die Berechnung des Zufalls gehen, sondern um den Zufall als Phänomen. Der Zufallsfund ist in der Archäologie häufig anzutreffen und begleitet wie verzögert manche Baumaßnahme.282 Kommt ein Fund unerwartet oder ungewollt, so ist er zufällig oder zumindest zufälliger, als bei einer polizeilichen Durchsuchung oder archäologischen Grabung, wo er nicht überraschend ist, schließlich ist ein Fund das Ziel dieser beiden Unternehmungen. Genau dieser Zufall entscheidet, trotz aller Methodik und Planung, anscheinend über den Erfolg der Durchsuchung eines Hauses nach Priesterlöchern.283 Ist ein Zufall mit positiven Folgen verbunden, wird er allgemein Glück genannt und bekanntlich ist Glück auf der Seite des Tüchtigen. Glück sei bei der Jagd nach Verstecken absolut notwendig, betont etwa Michael Hodgetts.284 Ein glücklicher Zufall ist dann der Fall, wenn Glück und Zufall aufeinandertreffen. Die Polizei ist sich der Rolle des Zufalls bei einer Hausdurchsuchung bewusst, ist er jenes Element, was sie nach Hermann Ortloff trotz aller Mühe und Sorgfalt, trotz allem „Denken und Suchen“ vor dem Scheitern rettet. Er bemerkt: „[…] oft führt das alles zu nichts, wenn nicht ein glücklicher Zufall hilft.“285 Denken und Suchen sind jene Methoden, die Edgar Allan Poe dem Detektiv Auguste Dupin und der Polizei bei der Suche nach dem stibitzten Brief zuspricht.
Auf der anderen Seite ist es dieser Zufall, der ein Ziel verhindern kann. Diese Einflüsse nennt Carl von Clausewitz im Zusammenhang mit der Kriegskunst „Friktion“.286 Das ist der „Einfluß unzähliger kleiner Umstände, die das beabsichtigte Ziel praktisch verhindern“. Mit ihr unterscheidet sich die Theorie von der Praxis durch unberechenbare Zufälle.287 Durch die Streichung des ‚r‘ kommt es zur Fiktion: Friedrich Dürrenmatt schreibt mit Das Versprechen. Requiem auf den Kriminalroman 1957 einen Abgesang auf den Krimi als Genre.288 Der Ich-Erzähler – ein Kriminalautor – erzählt die Geschichte eines Falles, die ihm Dr. H., ein pensionierter Kriminalbeamter, erzählt, um zu veranschaulichen, dass Kriminalfälle nicht wie Kriminalgeschichten ablaufen. Er möchte die Rolle des Zufalls aufzeigen, der im Kriminalroman keine Rolle spielt: „Diese Fiktion macht mich wütend. Der Wirklichkeit ist mit Logik nur zum Teil beizukommen.“289 Gleiches gilt sicher für die Friktion.
Was ist geschehen? Kommissar Matthäi soll den Mord an einem Mädchen aufklären. Zwar fährt der Täter einen auffälligen Wagen, dennoch scheidet eine klassische Suche oder Fahndung nach dem Täter aus, da das Suchgebiet hierfür zu groß ist. Die Suche wäre zu aufwendig. Matthäi überlegt sich nun einen anderen Lösungsweg, nutzt dazu als Köder wiederum ein anderes Mädchen. Mit dieser Methode versucht er nach dem Täter zu „fischen“, will ihn anlocken. Trotz aller Sorgfalt, Denkerei und scheinbarer Brillanz in Matthäis Plan scheitert das Unterfangen, den Täter zu ermitteln. Die Friktion der Welt verhindert die Aufklärung. Der Täter Albert Schrott ist, wie Matthäi erst dreißig Jahre später von dessen Frau erfährt, seinerzeit bei einem Autounfall gestorben, weswegen Matthäi vergeblich auf sein Auftauchen und einen weiteren Tatversuch wartet. Ein Akzident des Täters Schrott, ein Unfall verhindert die Aufklärung, führt zum Unfall des Krimis, zum Unfall des Ermittlers und dessen Leben, welches daraufhin aus den Fugen gerät. Die Friktion verhindert eine Aufklärung des Falles. Der Fall, die Geschichte und der Ermittler scheitern, erleben Schiffbruch. Die Logik von Auguste Dupin und Sherlock Holmes funktioniert demnach nicht in einer Welt, die anders als eine von Autoren komponierte Welt, nicht der reinen Logik unterliegt. Der Alltag gehorcht nicht diesen idealisierten Abläufen von Film und Roman. Der Kriminalroman und -autor kritisiert sich selbst und sein eigenes Genre. Der Praktiker Dr. H. als Kriminalbeamter kritisiert den Theoretiker, den Ich-Erzähler als Kriminalautoren. Die Kritik von Dr. H. ist insofern bemerkenswert, da Poes Auguste Dupin und Doyles Sherlock Holmes ausdrücklich als Vorbilder für Kriminalisten dienen. Die Kriminalistik als eine Wissenschaft des Polizeilichen ist eine junge Disziplin. Keineswegs haben A. C. Doyle bzw. Sherlock Holmes diese begründet,290 aber der Forensiker Edmond Locard empfiehlt in seinem frühen Lehrbuch für diese „technische Polizei“ die Methoden des Helden aus Doyles Kriminalgeschichten.291 Er sieht Kriminalistik zudem nicht als Wissenschaft, vielmehr als eine Kunst, eine Technik an, weil sie mit Ausnahmen, nicht mit Regeln und allgemeinen Methoden arbeiten müsse.292 Bereits vor dem Ende des 19. Jahrhunderts findet sich mit Hans Gross in Graz ein institutioneller Niederschlag an einer wissenschaftlichen Institution, wie einer Hochschule,293 sofern man der verbreiteten, aber diskussionswürdigen These folgt, dass eine wie auch immer zu verstehende Wissenschaft nur in und von akademischen Kreisen betrieben wird. Nun soll es nicht um die alte Frage nach einer Abgrenzung von Wirklichkeit und Fiktionen gehen oder um die Frage der Wissenschaftlichkeit von Kriminalistik,294 vielmehr um diese Bruchstelle des Wissens, um die Übergangsformen und wie diese nun bei Friedrich Dürrenmatt beschrieben sind. Neben den von Joseph Vogl genannten Formen von a) Abweichung, b) Konjektur, c) Inquisition und Verhör sowie d) Unbewusstes ist noch eine weitere Form zu ergänzen. Mit dem e) Zufall, die Akzidenz wird aber dieses schöne wissenschaftliche Modell und der Status von Kriminalistik als Wissenschaft infrage gestellt. Es deckt sich aber mit der Bemerkung von Edmond Locard und vieler Kriminalisten, die den Zufall in ihren Lehrbüchern nicht außen vor lassen. Wenn der Zufall ins Spiel gerät, wird auch vom Glücksspiel gesprochen, wo über Wahrscheinlichkeiten, über die Mathematik, genauer die Stochastik versucht wird, diese Welt wieder zu fassen, zu verwissenschaftlichen. Durch den Zufall kommt es gerade, oder gerade nicht, zu einer weiteren Form des Übergangs von Wissen. Die Akzidenz verhindert oder ermöglicht den Fund bei einer Durchsuchung trotz einer (wissenschaftlichen) Systematik. Die Akzidenz ist unberechenbar. Ein Unfall des Verstecks kann nun folgendermaßen aussehen. a) Es gibt gar kein Versteck, es ist nicht der Fall, oder b) es versagt, es hat einen Unfall, eine Akzidenz. Der Unzufall hingegen, der Fall des Verstecks, bedeutet zwar sein Ende, zugleich Berechenbarkeit und Logik durch sein Sein. Zufall und Unfall bedeuten von Wahrscheinlichkeiten zu sprechen. Nun ist das Wort Fall ähnlich doppelt und widersprüchlich belegt, wie (un)heimlich, und es scheint somit erforderlich, die Worte präzise aufzubohren, wie es Martin Heidegger oder Ludwig Wittgenstein machen würden.
Wenn Ludwig Wittgenstein in seinem Tractatus logico-philosophicus schreibt: „Die Welt ist alles, was der Fall ist.“, so vergisst er den Zufall als Teil der Welt: Die Welt ist alles, was der Fall und Zufall ist. Zunächst zurück zu den Methoden, zum systematischen, geplanten und vor allem praktischen Vorgehen bei einer Durchsuchung. Friedrich Dürrenmatt führt den Leser zunächst auf die Fährte des klassischen Krimis. Kommissar Matthäi analysiert die Lage, erkennt aufgrund seiner Erfahrung und seines Intellekts, dass eine Suche nicht möglich ist und möchte deswegen den Täter stattdessen fangen. Es gibt einen Plan.
Matthäi hat eine Beschreibung vom Fahrzeug des Täters Albert Schrott und ermittelt eine Tankstelle als Ort, den der Täter aufsucht. Zudem hat Matthäi es eingerichtet, dass ein Mädchen, das dem Opferschema des Täters entspricht, sich dort aufhält. Matthäi tarnt sich als Tankwart und wartet, bis das verdächtige Auto kommt. Dürrenmatt nutzt Fischen als Metapher und Methode für die Tätersuche. Er möchte dem Zufall auf die Sprünge helfen. Kommissar Matthäi wirft mit diesem Mädchen einen Köder aus, um den Täter anzulocken.295 Er sucht nicht aktiv, kommt nicht zum und in das Versteck des mutmaßlichen Täters. Es kommt zu keinem Einbruch in das Versteck. Er sucht passiv. Zwar kommt er nicht in das Versteck, aber das Versteckte zu ihm. Es kommt zu einem Ausbruch aus dem Versteck, nicht zu einem Einbruch. Wegen des hohen Suchaufwandes einer aktiven Suche im ganzen Kanton steht für Matthäi fest: „Es gibt keine andere Methode.“296 Die Methode scheint im Grunde sehr bequem, muss ein Angler sich nur zurücklehnen und warten, bis der Fisch anbeißt und hat dabei sogar noch die Möglichkeit des kontemplativen Innehaltens – Philosophierens.
Ähnlich lässt 1903 Arthur Conan Doyle bereits Sherlock Holmes den Anwalt und Mörder vom „Baumeister aus Norwood“, John Hector McFarlane, im Haus des „Baumeisters aus Norwood“ anlocken. In einem, wie Holmes es nennt, „Experiment“ lässt er Feuer legen und beißender Rauch lässt den Verdächtigen das Versteck verlassen. Dort heißt es:
An der scheinbar soliden Wand am Ende des Korridors tat sich plötzlich eine Tür auf, und hervorstürzte, wie ein Kaninchen aus seinem Loch, ein kleines, schmächtiges Männlein mit grauem Haar und weißen Wimpern.297
Holmes wählt diese Methode weniger, weil es keine andere Methode gibt, wie im Falle Matthäis. Es ist eher eine Belustigung für ihn wie für den Leser, hat Holmes schon längst die Sache durchschaut:
„[…] Wie haben Sie Kenntnis von diesem Raum erlangt?“ […] „Als ich nun die Korridore abschritt und fand, daß der obere sechs Fuß kürzer war als der entsprechende untere, war es mir ganz klar, wo er steckte. Wir hätten natürlich ebensogut gleich hineingehen und ihn festnehmen können, aber es machte mir mehr Vergnügen, ihn selbst herauskommen zu lassen […].“298
Hier zeigt sich wohl weniger ein übermäßiger Intellekt, sondern einfache Beobachtung und Vermessung der Begebenheiten, wie sie Polizeilehrbücher später beschreiben, aber sie bereits um 1600 bei der Suche nach Priesterlöchern angewendet werden. Holmes betreibt hier reine Induktion und es ist stets schwierig, seine Methode genau zu beschreiben. Holmes beobachtet nur das Nichtbeobachtete, das Belanglose.299 Der Kriminalist Friedrich Christian Benedict Avé-Lallement (1809–1892) bezeichnet Verstecke in seiner Studie Das deutsche Gaunerthum als „scheinlos“ und rät schon Jahrzehnte vor Doyle, „seinen scharfen Blick auch auf das Unscheinliche“ zu richten.300 An dieser Stelle kommt das Prinzip der Spurensuche in den Sinn, ist es die Suche nach untypischen Erscheinungen, jedoch kann alles typisch sein.301 Das Versteck präsentiert sich als das Untypische, zugleich Unscheinliche, oder nicht, wie bei dem psychologischen Versteck im Sinne von Edgar Allan Poes stibitztem Brief, der sich in seiner Offensichtlichkeit verbirgt. Die Schweizer Juristen Kasimir Pfyffer von Altishofen (1794–1875) und Johann Baptist zur Gilgen (Lebensdaten unbekannt) raten 1843 in ihrer „Anleitung zur Führung von Untersuchungen in Strafsachen“, bei einer Durchsuchung Verstecke dort zu suchen, wo niemand sucht.302
Ausgeräuchert: Der Advokat John Hector McFarlane wird von Sherlock Holmes in Arthur Conan Doyles Geschichte Der Baumeister von Norwood (1903) mittels Rauch aus dem Versteck getrieben, Illustration: Sidney Paget, 1903.
Aber: Falls nun jemand dort sucht, wo niemand sucht, so sucht dort doch jemand und wiederum dürfte das Versteck dort nicht sein. Oder führt Logik hier nicht weiter, ergibt sie in diesem Zusammenhang keinen Sinn mehr? Schließlich geschehen die Dinge in der wirklichen Welt nicht nach reiner Logik, wie es Dr. H. in Friedrich Dürrenmatts Roman kritisiert, wie es Friedrich Dürrenmatt mit seinem Kriminalroman am Kriminalroman kritisiert und wie es Friedrich Dürrenmatt mit seiner Geschichte zeigt. Dann überrascht in einem anderen Zusammenhang ein Vergleich der Methode einer Romanfigur, vom Detektiv Sherlock Holmes mit der eines Wissenschaftlers, dem Semiotiker Charles Sanders Pierce. Die scheinbare Dialektik von Fakt und Fiktion, im Sinne von Dr. H.s Kritik überrascht, da sich eine Episode aus Pierce’ Leben wie ein Fall von Arthur Conan Doyles Held liest. Am 20. Juni 1879 lässt Charles S. Pierce seine wertvolle Uhr an Bord eines Schiffes zurück und bemerkt nach der Rückkehr, dass sie stibitzt wurde. Zur Ermittlung des Verdächtigen befragt er die Besatzung und hofft – als Semiotiker – auf ein verräterisches Zeichen während des Gesprächs mit dem Dieb. Das erinnert an die forensische Psychologie von A. R. Ratinow oder Kurt Höllrigl, wonach der Verdächtige sich durch Änderung in seinem Verhalten oder seiner Gesprächsführung verrät, sobald die Durchsuchenden in die Nähe des Verstecks gelangen. Pierce entwickelt einen Verdacht, konfrontiert den Täter damit, dieser leugnet. Ein beauftragter Detektiv bestätigt aber den Verdacht und Pierce gelingt es schließlich, durch Überlegung als wahrscheinlichsten Ort eine Truhe in der Wohnung des Verdächtigen als tatsächliches Versteck der Uhr zu ermitteln. Auf gleiche Weise gelingt es ihm, einen stibitzten Überzieher zu finden, der sich in einem Paket in der Wohnung der Nachbarin befindet.303 Pierce nennt seine Fähigkeit „Rateinstinkt“. Es lässt sich als „Hang zu Hypothese“ bezeichnen, von Pierce „Abduktion“ oder „Retroduktion“ genannt.304
Ähnlich arbeitet Sherlock Holmes bei seinen Ermittlungen, achtet nur auf das Unscheinbare und Belanglose, was aber wiederum eher für eine induktive Methode spricht, die durch Beobachtung des Speziellen auf das Allgemeine schließt. Im Fall Der goldene Klemmer (1904) ermittelt Holmes ein Versteck durch „mustern“, im englischen Original heißt es „examine“, eines Zimmers. Er macht vor einem Schrank eine leere Stelle auf dem ansonsten mit Bücherstapeln bedeckten Boden aus, streut dort Asche aus, verlässt das Zimmer und bemerkt nach der Rückkehr die Spuren in der Asche, die der Insasse beim Verlassen des Verstecks unbewusst hinterlassen hat.305 Holmes bedient sich nicht stets der gleichen, scheinbar eleganten Methode, die auf reiner Beobachtung und Denken beruht, wie es Edgar Allan Poe schon mit Auguste Dupin im stibitzten Brief vorführt und die Doyle als Deduktion bezeichnet.306 Dupin und Holmes ermitteln im Grunde berührungslos. Sie theoretisieren vor Ort und überlassen die Handlung, die nach Joseph Vogl Voraussetzung für die Wirkung der Virtualität von Gedanken in der Wirklichkeit ist, anderen. Den Sprung von den künstlichen Welten in die wirklichen lassen beide scheinbar anderen. In ihren Geschichten degradieren Poe und Doyle die Handlung der Durchsuchung aber trotzdem. Eine erfolgreiche Suche setzt die Beobachtung von Dingen (Objekten) und Menschen (Subjekte) voraus, daraus Schlüsse zu ziehen und davon ausgehend zu handeln: beobachten – denken – handeln. Überraschenderweise bedient sich aber selbst Sherlock Holmes einer Art Holzhammermethode bei der Suche nach einem versteckten Boot in London.
Kommissar Matthäi ist es als Einzelkämpfer unmöglich, ein ganzes Land, einen ganzen Schweizer Kanton nach Albert Schrott und seinem Auto abzusuchen, weil er sich dabei verzetteln würde. Er muss auf eine andere Methode ausweichen.307 Vermutlich übersteigt die Komplexität der Suche entlang der Wasserwege der Großstadt London noch eine entlang der Straßen in einem Schweizer Kanton. Sherlock Holmes’ und James Watsons Möglichkeiten übersteigt dieser Aufwand: „[…] Es würde Tage, wenn nicht Wochen in Anspruch nehmen, sie [die Werften, mh] alle abzusuchen, wenn wir uns allein daran wagen wollten.“308 Seine nun gewählte Methode ist dumm, aber schlau. Er verteilt die Mühe auf viele kleine Helfer: Zwölf Jungen suchen als „Baker Street Spezialeinheit“ nach dem versteckten Boot.309 Der Aufwand der Methode ist in der Summe hoch, aber für den einzelnen Jungen bleibt er gering – für Holmes, als Träger der Verantwortung, ohnehin. In der Informationstechnik – schließlich geht es Holmes um eine Informationsbeschaffung mittels dieser Technik – nennt sich eine solche Aufgabenverteilung auf mehrere eigenständige Einheiten (die einzelnen Jungen) „Distribuierung“.310 Damit geht die Problemlösungsmethode von der Zentralisierung (Holmes) zur Dezentralisierung (12 Jungen). Es kommt zur Übertragung und zum Austausch von Daten dieser unabhängigen Einheiten mit Holmes – und seinem ‚Home‘ – in der Baker Street, etwa per Telefon. Wesentlich für dieses „verteilte System“ oder „Grid“ – wo wieder vom Raster die Rede ist – ist die Kooperation, die sich in sozialen Systemen und technischen Systemen, wie Elektronen-Rechenmaschinen, findet. Nicht Wenige suchen lange, sondern eine Vielzahl sucht gleichzeitig, was zu einer schnelleren Problemlösung führt. Der menschliche Körper ist eher träge aufgrund seiner Physik und lässt bei einer Durchsuchung kaum Steigerungen der Geschwindigkeit zu. Eine Durchsuchung durch viele Personen führt schneller dazu, dass alles im Haus umgedreht wird.
Die Fahndung der Polizei geschieht auf kooperative Weise durch massenhafte Verbreitung von Fahndungsaufrufen in der Bevölkerung mittels Presse, TV, Radio, besonders bekannt durch die Sendung und ‚Suchmaschine‘ Aktenzeichen XY … ungelöst.311 Es scheint ein Stück weit zum Verzweifeln, was das genaue Vorgehen bei einer Durchsuchung betrifft. Ist es nun die Induktion, Deduktion oder sind es Zufälligkeiten wie Wahrscheinlichkeiten, die das Schicksal des Suchenden in der Hand haben? Wie lernt jemand, nach Verstecken zu suchen? Sind es Bücher, welche das Wissen vermitteln oder ist es ein Handwerkswissen, was vom Meister an den Schüler übergeht? Die reine Theorie, möge das Wissen darum noch so umfangreich sein, reicht nach Hans Bschorr, Ende der 1920er Jahre Kriminalinspektor bei der Polizeidirektion München, nicht allein aus. Für eine Durchsuchung sei es unerlässlich, aus der Praxis zu lernen, so Bschorr.312 Die Fähigkeit, erfolgreich zu durchsuchen, ist demnach eine Verbindung von Wissen und Können, eine Kunst und Technik. In der Polizeiarbeit ist die Ausnahme die Regel. Es scheint keine einheitliche Regel, kein Patentrezept zu geben, wie sich die Erscheinung eines Verstecks herbeiführen lässt, wie die Gleichzeitigkeit von Simulation und Dissimulation als Täuschung zu erkennen ist. Lässt sich die Suche zumindest im Sinne einer Heuristik vereinfachen? Die Abweichung von der vollständigen Durchsuchung eines Hauses führt dazu, dass Bereiche ausgelassen werden, wo potenziell aber ein Versteck sein kann. Das Ziel einer Heuristik sollte sein, mittels einer Strategie die Wahrscheinlichkeit zu minimieren, dass sich an diesen ausgelassenen Stellen ein Versteck befindet. Die Vernachlässigung kann nun willkürlich – zufällig – geschehen, womit die Durchsuchung unsystematisch zu werden scheint. Oder sie geschieht nach einem bestimmten System, womit die Durchsuchung systematisch zu bleiben scheint. Eine „Reduktion des Lösungsaufwands“ ist wesentliches Merkmal für ein heuristisches Verfahren.313 Heuristik heißt, mit geringem Wissen und wenig Zeit an eine Lösung zu kommen. Im Falle der Durchsuchung bedeutet ‚Lösung‘ den Fund eines Verstecks. Es heißt nicht unbedingt alle, aber zumindest eine oder die Mehrzahl314 an Verstecken zu finden. Nun ist das Anliegen dieser Untersuchung ein historisches, betreibt zwangsläufig selbst eine Heuristik, indem viele Lücken bleiben (müssen) und somit die Entwicklung von solchen Heuristiken der Durchsuchung betroffen ist. Heuristik meint hier zum einen die Entwicklung einer Strategie, die Wege ein Haus bei der Durchsuchung zu durchlaufen, zu traversieren, ohne es komplett zu durchgehen. Hier scheint ein Blick auf die mathematische und informatische Spieltheorie sinnvoll, wo Spiele über mathematische Modelle abgebildet werden und die sich dabei mit solchen Strategien befasst, falls es sich um Suchspiele handelt.315 Gordon H. McCormick und Guillermo Owen beschreiben mit „deduktiver“ und „induktiver“ zwei Arten von Suchen. Erstere wählt solche Orte, wo Signale sich zeigen – Spuren. Beim deduktiven Ansatz wird dort gesucht, wo sich keine Spuren zeigen, aber zugleich wahrscheinliche Orte für Verstecke sind.316 Deduktion bedeutet die unbeobachtbaren Dinge beobachten.317 Das Versteckspiel ist zugleich ein Suchspiel,318 wenn es von der anderen Seite betrachtet wird. Beide Spiele können nur sinnvoll zusammen auftreten. ‚Spiel‘ ist zudem eine Vorstufe für das, was Stefan Zweig „ernsten“ nennt.319 Nicht nur in Zweigs Schachnovelle wird Spiel unversehens zu Ernst, womit sich eine Spieltheorie in eine Ernsttheorie entwickeln lässt, wie die Rückkopplungen in den Versteckpoetiken zeigen. Neben der Optimierung von Wegen meint Heuristik die Vereinfachung von konkreten Untersuchungsmethoden, wie etwa mit dem berichteten Abklopfen und Abhorchen von Wänden, was ein Aufbrechen dieser zur Ermittlung von Hohlräumen erübrigt. Heuristik bezieht sich auf die Optimierung des praktischen Vorgehens, die Handlung, die Operation der Durchsuchung. Neben der Kriminalistik lassen sich noch weitere Techniken von ‚suchenden‘ Wissenschaften analysieren, um aus deren Methoden und Techniken Schlüsse für die Optimierung von Durchsuchungen zu ziehen. Gemeint sind damit Wissenschaften, bei denen Suchen und Orten Teil der Methodik ist, wo Joachim Westerbarkeys Metapher von der Wissenschaft als Durchsuchung eines Hauses bis in den letzten Winkel, seine Aufklärung, nicht mehr nur Metapher ist und wirkliche, künstliche, unbekannte oder verlorene Welten praktisch gesucht und durchsucht werden. Aufklärung betrifft bei diesen Disziplinen nicht nur das Geheimnis als solches, wie es bei jeder Wissenschaft der Fall ist, sondern ist eine im Sinne militärischer Aufklärung, Beobachtung einer Welt. Hierzu gehören die Archäologie, auch über ihre Gemeinsamkeiten mit der Kriminalistik,320 die Geologie mit der Suche nach Gesteinsvorkommen und die Paläontologie, die Reste ausgestorbener Lebewesen sucht. Vielversprechend scheint eine Grenzwissenschaft, wie die Kryptozoologie, die nach unbekannten Tieren sucht und wo sich unkonventionelle Methoden vermuten lassen, die abseits klassischer Wissenschaften liegt. Arthur Conan Doyle hat jener Disziplin in seinem Buch Die verlorene Welt (The Lost World) einen literarischen Niederschlag verschafft321 und damit seinen Zwiespalt zwischen Physik und Metaphysik zum Ausdruck gebracht. Neben aufklärender, gibt es auch verbergende Wissenschaft, wie die Kryptologie, worin mit der (technischen) Steganografie das Verstecken grundlegend steckt. Was ist eine Wissenschaft? Das Wort Wissenschaft selbst redet davon, Wissen zu schaffen, welches im Falle der Kryptologie Techniken der Verbergung von Daten betrifft. Eine solche Disziplin schafft zugleich Geheimnisse und ermöglicht sie. Sie schafft Wissen ab. Müssen ihre Erkenntnisse nicht geheim bleiben? Solche Wissenschaften betreiben nicht nur Aufklärung, sondern auch Gegenaufklärung, was einerseits nach einem militärischen Begriff, zum anderen nach einem aus der Zeit der Romantik im 19. Jahrhundert klingt. Ist eine Wissenschaft des Versteckens eine Geheimnisschaft, eine romantische Wissenschaft? Ei der Daus!
Vgl. Fraser 1996.
Paradoxerweise unterstützen Globalisierungskritiker und Kritiker „multinationaler“ Konzerne mit dem Erwerb einer solchen Maske einen solchen Konzern und betreiben Globalisierung. Time Warner, einer der größten Medienkonzerne weltweit, besitzt die Rechte an der Maske und verdient folglich am Verkauf jeder Maske. Es gibt auch Raubkopien. Zu dieser Maske vgl. Wikipedia 2019.
Michael Connor, Autor verschiedener Versteckratgeber, gibt an, in den 1970er Jahren bei Hausdurchsuchungen durch die britische Armee in Irland beteiligt gewesen zu sein, vgl. Connor 1984a, S. 108–109. Die dortigen Konflikte zwischen Protestanten und Katholiken sowie der Irish Republican Army (IRA) sind direkte und lange Nachwirkungen.
Vgl. Lucy 1899, S. 160–161.
Gemeint ist, dass scheinbar alte Traditionen innerhalb der britischen Monarchie junge Erscheinungen sind, die erst im 19. Jahrhundert Einzug in das Hofzeremoniell finden, vgl. Hobsbawm 1983/1998 bzw. Hobsbawm und Ranger 1983/2007.
Vgl. Pfyffer von Altishofen und Gilgen 1843, S. 192.
Polke 1930/1949, S. 3.
Ackermann 2011, S. 450.
Weihmann und Schuch 2010, S. 598.
Buermeyer 2007, sowie daran anschließend: Gudermann 2010.
Polzer 1922, S. 35.
Zu Suchmethoden in Fahr- und Flugzeugen: DEA 1988a, S. 120, 123–126, zur Suche nach Autobomben vgl. Shabba 2007/2008.
Ein Versteck in einem hölzernen Handwagen zeigt: Schneickert 1929, S. 296.
Eine Geschichte der Autobombe erzählt: Davis 2007.
Vgl. Vorwerck 1956.
Assmann 2009, S. 167.
Neben vielen anderen Autoren setzen sich mit der Durchführung einer polizeilichen Durchsuchung auseinander: Stieber 1860, S. 42–45, Polzer 1922, S. 33–38, Schneickert 1917/1925, S. 74–81, Bartsch 1950a, S. 28–31, Bartsch 1950b, Ratinow 1970, S. 285–287, Mörschel 1971, Bertrams und Beyer 1979, Brack und Thomas 1983, S. 113–122.
Vgl. Assmann 2009, S. 167.
Suchmethoden von Polizei und Militär gleichen sich, somit ist anzunehmen, dass es auch bei jenen von Zoll und Nachrichtendiensten der Fall ist, vgl. British Army 1998, S. D-10-1.
Vgl. Mante 2003, S. 157.
Vgl. Gründel und Ziegert 1983.
Bei der Suche nach katholischen Priesterlöchern und Priestern um 1600 ist es so entscheidend, auf Spuren der Priester zu achten, nicht auf die Gesuchten selbst, vgl. Yates 1999, S. 76.
Zu dieser unerwartet plastischen und architektonischen Dimension von Schrift, vgl. Horstmann 2009, S. 54–61.
Freud 1925, S. 1.
Zur epistemologischen Rolle der Spur, vgl. Krämer, Kogge und Grube 2007, zum Verhältnis von Handschrift und Spur, vgl. Neef 2008.
Vgl. Krämer 2007, S. 23–25.
Die Spur als Zeichen untersuchen: Eco 1968/1972, S. 199, Spitznagel 2001, S. 241–242, Reichertz 2007, S. 311, Fn. 1.
Ebd., S. 313.
Vgl. Krämer 2007, S. 14–15.
Vgl. Reichertz 2007, S. 314–315.
Krämer 2007, S. 16.
Eine verräterische Schleifspur vor einem verschiebbaren Regal, das den Zugang zu einem Raum verdeckt, beschreibt: Bartsch 1950b, S. 377.
Reichertz 2007, S. 312–313.
Vgl. Krämer 2007, S. 14.
Ebd., S. 17.
Vgl. Vogl 1998, S. 45.
Vgl. Lehmann und Weibel 1994, S. 25.
Vgl. Reichertz 2007, S. 313.
Vgl. Krämer 2007, S. 163.
Im Zusammenhang mit Durchsuchungsmethoden, einem Index um den Index zu finden, sprechen von Fingerzeig: Polke 1927, Bartsch 1950b, von Wink sprechen: Ortloff 1881, S. 221, Polke 1930/1949. Eine Zeitschrift Die Bereitschaftspolizei. Wissen und Winke für den praktischen Dienst spricht davon im Titel, exemplarisch darin zum Thema Durchsuchung: Berg 1952.
Vgl. Reichertz 2007, S. 311.
Höllrigl 1958, S. 43–44.
Reichertz 2007, S. 312–313.
Vgl. ebd., S. 316.
Vgl. ebd., S. 326.
Vgl. Ginzburg 1979/2011.
Vgl. Webb u. a. 1966/1975.
Einen Vergleich zur Rolle von Spuren in kriminalistischer Fiktion und kriminalistischer Wissenschaft nehmen vor: Stingelin 2005, Wagner 2006/2008.
Webb u. a. 1966/1975, S. 55–60.
Benjamin 1935/1982, S. 53.
Benjamin 1933/1977, S. 217–218.
Gertig und Schädlich 1955, S. 254, gleiches rät schon 50 Jahre zuvor: Weingart 1904, S. 71.
Sauberkeit als Motiv der Architektur dieser Zeit ermittelt am Beispiel von gefliesten und somit abwaschbaren Kölner Fassaden: Krajewski 2016.
Gertig und Schädlich 1955, S. 256.
Erinnert sei an das erotische Pendant zur Beschreibung von Nacktheit und Bekleidung im Kapitel GeHEIMlust.
Vgl. Enzensberger 1968, S. 12–13.
Zu Mitteln der mittelbaren Aufzeichnung einer Tat, von Spuren, vgl. Rössler und Delang 1982, S. 17, 19–78.
Doyle 1904/2012, S. 880, ähnlich dient Staub zur Aufzeichnung solcher Spuren bei: Arthur 1964/2009, S. 129.
Vgl. Gross 1893, S. 73.
Vgl. Polzer 1922, S. 36.
Lemma Durchsuchung, Lang 1950, ähnlich bei: Gross 1893, S. 73, Polke 1930/1949, S. 15.
Gross 1893/1908, S. 163, so bei Gertig und Schädlich 1955, S. 254.
Boom 1971/1979, S. 90.
Lemma Durchsuchung, Lang 1950.
Vgl. U.S. Army 1982, S. 3–5. bzw. nach dem Seitenwechsel: U.S. Army o. J., S. 3–5.
Connor 1984a, S. 6.
Vgl. BStU 2011, S. 9.
Hierauf weist hin: Böhme u. a. 2009, S. 1546.
Locard 1930, S. 128 zitiert nach Vec 2002, S. 76. Diese häufig zitierte „Locard’sche Regel“ lässt sich in der deutschen Ausgabe nach diesen Angaben nicht finden, was aber an der deutschen Übersetzung liegen mag. Im französischen Original heißt es: „Toute action de l’homme, et a fortiori, l’action violent qu’est un crime, ne peut pas se dérouler sans laisser quelque marque.“
Vgl. Taussig 2014, S. 87–89.
Vgl. ebd., S. 290–293.
Vgl. Connor 1984a, S. 59–60, gleiches rät: Benson 1990, S. 77.
Vgl. DEA 1988a, S. 119.
Vgl. Gross 1893, S. 72–73.
Vgl. Wood 1983, S. 23.
Dzindzeleta 1990, S. 29.
Vgl. Robinson 1981, S. 51.
Zu digitaler Forensik und Spuren vgl. Böhme u. a. 2009.
Zum Tracking siehe: Glitza 2009, S. 131–132.
Bartels 1987, S. 161–162.
Vgl. zu dieser Psychologie: Ratinow 1970, S. 293–293.
Brodag 1995, S. 115 (RN 255).
Poe 1844/1994.
Vgl. hierzu die Analyse von: Vogl 1998, S. 42–43.
Ratinow 1970, S. 285.
Poe 1844/1994, S. 269–271.
Poe veröffentlicht die fragliche Geschichte 1844. Kriminalistische Lehrbücher lassen sich scheinbar erst Jahre später im deutschsprachigen Raum ermitteln, wie etwa: Stieber 1860, maßgeblich ist erst: Gross 1893. Bevor Poe die Durchsuchung literarisch minutiös in ihren Methoden beschreibt, erscheinen zwar zwei Bücher, die aber wenige praktische Hinweise zur Durchsuchung enthalten, wenig praktisch sind, vgl. Pfyffer von Altishofen und Gilgen 1843, Jagemann 1838 & 1841.
Corbin 1991/1998.
Ebd., S. 126.
Whaley 2006, S. viii–ix.
Suchmethoden bei Polizei und Militär gleichen sich, vgl. British Army 1998, S. D-10-1.
Vgl. hierzu die Studie: Encke 2006.
Zur (Un)Mittelbarkeit der Sinne vgl. Heider 1927, S. 138.
Zur Erweiterung der Sinne mittels solcher Hilfsmittel aus Sicht von Medientheorie: ebd., S. 138–139, 147–149, technische Hilfsmittel für eine Durchsuchung/Verstecksuche erwähnen: Beling 1895, S. 471–472, Gertig und Schädlich 1955, S. 245, Bertrams und Beyer 1979, S. 43–44, Ratinow 1970, S. 285–286, Hodgetts 1989, S. 230, Ackermann 2011, S. 454–456.
Diese Apparate nennen: Gross und Seelig 1942, S. 224.
Anuschat 1908/09.
Ebd., S. 456.
Auch bekannt als Ethin, ein farbloses, brennbares Gas mit dem Geruch von Knoblauch.
Ebd., S. 457–458.
Vgl. Lucy 1899, S. 161.
Vgl. Hodgetts 1989, S. 18.
„But remember that old houses are dry as tinder.“, Squiers 1934, S. 280.
Zigarettenrauch zum Aufspüren geheimer Alkohollager in der Prohibitionszeit in den USA erwähnt: Gauntlett 2008, S. 30.
Vgl. Squiers 1934, S. 280.
Ratinow 1970, S. 285.
Vgl. Bertrams und Beyer 1979, S. 70.
Ribeyro 1975/1991, S. 36, Sonja Osterwalder stellt dieses Zitat aus Ribeyros Heimatlose Geschichten passenderweise ihrer literaturhistorischen Untersuchung zur Detektivliteratur mit dem Titel Düstere Aufklärung voran, vgl. Osterwalder 2011.
Vgl. Meixner 1956/1965, S. 58.
Hierauf macht aufmerksam: Jauch 2007, S. 273.
Vgl. Heider 1927.
Rivière 1984, S. 99–100.
Schallisolierung beim Versteckbau zu beachten empfehlen: Connor 1984a, S. 62–63, Wood 1983, S. 32.
Gross 1893, S. 71.
Jagemann 1838, S. 104.
Gross 1893, S. 72.
Vgl. Lachmund 1997, S. 72.
Eine Geschichte dieser Diagnosetechnik und ihrer Instrumente erzählen: Koehler u. a. 2004, Lachmund 1997.
Vgl. Hodgetts 1989, S. 17–20, Squiers 1934, S. 138.
Pfyffer von Altishofen und Gilgen 1843, S. 209.
Vgl. Poe 1844/1994, S. 269.
Gross und Seelig 1942, S. 219.
Zu finden bei: Weingart 1904, S. 72, Schneickert 1917/1925, S. 78, Polke 1927, S. 78, Bartsch 1950b, S. 377, Bertrams und Beyer 1979, S. 70, Ackermann 2011, S. 469.
Historische Beispiele aus dem Holocaust für diese Klangproblematik erwähnen: Boom 1971/1979, S. 90, Dwork 1991/1994, S. 82.
Vgl. Poe 1844/1994.
Warhol 1975/2013, S. 138.
Anders ist es bei den Büchern, die im Göttinger Steidl Verlag erscheinen, was im Film zu sehen (nicht riechen), vgl. Wetzel und Adolph 2010.
Vgl. Heider 1927, S. 137.
Eine solche Speicherung von Gerüchen in Konserven verfolgt bis in das Jahr 1910 zurück: Macrakis 2008/2009, S. 371–389.
In Frankreich im 18. Jahrhundert ist es bei einer Durchsuchung durch diese Polizei geschehen, vgl. Gersmann 2002, S. 47.
Frank 1947/2009, S. 39.
Vgl. Wood 1983, S. 79.
Corbin 1982/1984, S. 53.
„Schweißdrüsensekretion, Atmung, Verdauung, Menstruation usw.“ machen den Geruch des Menschen individuell, vgl. Gross und Seelig 1942, S. 226. Zur „Semiotik des Geruchs“, vgl. Corbin 1982/1984, S. 53–63.
Vgl. ebd., S. 218–219.
Kremer 1963, S. 74.
Zu dieser Problematik am Beispiel der Priesterlöcher, vgl. Yates 2003, S. 196–197.
Vgl. Hodgetts 1989, S. 12–13, 17–19.
Wallace und Melton 2008/2010, S. 399.
Forschungen zu menschlichem Geruch und seinen Detektoren für nachrichtendienstliche Zwecke beschreibt: Tebrich 1961, ein solches Gerät erwähnt: Luger 1987, S. 13.
Stroux und Dohrn 1998, S. 46.
Vgl. Taussig 2014, S. 47–51.
Vgl. Carrier 2006, S. 10.
Jünger 1957/1990, S. 74.
Vgl. Aicher 1987/1991.
Polke 1930/1949, S. 3.
Stieber 1860, S. 44.
Vgl. Gerard 1609/1954, S. 62.
Gross 1914, S. 195.
Voltaire 1759/2006, S. 57.
Ortloff 1881, S. 224.
Bartsch 1950b, S. 377.
Vgl. Gerard 1871, S. 37.
Vgl. Weingart 1904, S. 72–73.
Vgl. Poe 1844/1994, S. 271.
Den Einsatz bei einer Durchsuchung empfehlen: Stieber 1860, S. 44, Ortloff 1881, S. 223.
Claudel, Laroque und Hertel 1860, S. 457.
Vgl. Lemmata Mine, Minenkriege, Visitir-Eisen, Pierer 1857–1865.
Lemma visitieren, Pfeifer 2004.
Bschorr 1928, S. 178.
Farrand 1922.
Vgl. Squiers 1934, S. 36, 279–280.
Gerard 1871, S. 37.
„The big problem with secret rooms is that the inside and outside dimensions don’t add up. It’s very easy to discover a secret room by using a tape measure. The discrepancy will be immediately obvious […].“, Luger 1987, S. 61.
„[E]xperienced speculation“, Fea 1931, S. 30.
Dieser Maßstab, das Normal für den Meter ist seit 1960 nicht mehr der Pariser Urmeter. Er wurde durch eine andere Konstante abgelöst. Die neue Definition lautet: „The metre is the length equal to 1 650 763,73 wavelengths in vacuum of the radiation corresponding to the transition between the levels 2p10 and 5d5 of the krypton 86 atom.“, siehe: https://www.bipm.org/en/committees/cg/cgpm/11-1960/resolution-6.
Vgl. Ortloff 1881, S. 222, Brack und Thomas 1983, S. 115, Bertrams und Beyer 1979, S. 69, Ackermann 2011, S. 451.
Vgl. British Army 1998, Serial D-13, Solon 2007, S. 11–12.
Vgl. Stieber 1860, S. 43.
Vgl. Poe 1844/1994, S. 269.
Vgl. Wagner 2006/2008, S. 100–101, Doyle 1903/2012, S. 697, Doyle 1890/2005, S. 42.
Melville 1856/1962, S. 51.
Vgl. Bartsch 1950b, S. 377, Meixner 1960, S. 113.
Vgl. Gross 1893, S. 71, Meixner 1960, S. 112, Meixner 1956/1965, S. 60–61.
Vgl. Schäffner 2003.
Greene 1958/1998, S. 222.
Vgl. Ackermann 2011, S. 468, sinngemäß auch bei: Bartsch 1950a, S. 30–31.
Vgl. Polzer 1922, S. 33, Meixner 1960, S. 112, Ratinow 1970, S. 295, Ackermann 2011, S. 468.
Auf diese banale, aber entscheidende Logik machen aufmerksam: Gertig und Schädlich 1955, S. 255.
Mit diesem technischen Akt des Beobachtens und Messens beginnt scheinbar Kultur: „Jede Kultur beginnt mit der Einführung von Unterscheidungen.“, Siegert 2010, S. 152.
Zur Methode des Vergleichs im Rahmen einer Durchsuchung vgl. Bertrams und Beyer 1979, S. 69, Brack und Thomas 1983, S. 120–121, Ackermann 2011, S. 469.
Vgl. Zander 2008, S. 92.
Vgl. Weizman 2007/2008, S. 224, RN 55.
Vgl. Hnatnicky 1994/1995, S. 207.
Vgl. Tantzscher 2005, S. 74. Aktuelle Beispiele hierfür zeigen: TechnoLog 2007, Säzer 2009.
Thieme 1935.
Ebd., S. 28.
„If the system indicates a person in present and physical search locates a person, then remove the person and repeat the test.“, Geovox Security 2006, S. 4.
Čapek 1920/2017.
Vgl. Haber 2011, S. 80–81.
Vgl. ebd., S. 86.
Krajewski 2002, S. 42.
Vgl. ebd.
Mediengeschichten analoger Suchmaschinen erzählen: Brandstetter, Hübel und Tantner 2012, Gugerli 2009.
Verne 1874, S. 163–164.
Vgl. Hodel 2011. „Je me précipitai vers la vitre, et sous les empâtements de coraux, revêtus de fongies, de syphonules, d’alcyons, de cariophyllées, à travers des myriades de poissons charmants, des girelles, des glyphisidons, des pomphérides, des diacopes, des holocentres, je reconnus certains débris que les dragues n’avaient pu arracher, des étriers de fer, des ancres, des canons, des boulets, une garniture de cabestan, une étrave, tous objets provenant des navires naufragés et maintenant tapissés de fleurs vivantes.“
Melville 1851/2003, zu Mitteln (Medien) der Suche nach diesem Wal im Meer: Krajewski 2012.
Hierzu: Simon und Taeger 1981, Herold 1985, Basten 2011.
Gugerli 2009, S. 52–69.
Herold 1985, S. 84.
Vogl 1998, S. 41, 43.
Vgl. Luna 2000/2012.
Datenvermeidung macht verdächtig bei negativer Rasterfahndung, vgl. Vogl 1998, S. 43.
Herold 1970, S. 33.
Auf diesen notwendigen Dimensionssprung macht aufmerksam: Vogl 1998, S. 43.
Laut der für die Handlung der Polizeien in den deutschen Bundesländern maßgeblichen Polizeidienstvorschrift 100 (PDV 100) sucht die Polizei dabei nach „Personen, Tieren, Sachen, Daten oder Spuren“, vgl. PDV 1998, S. 51.
Hierzu zählen Mobiltelefone und dergleichen.
Zur Online-Überwachung: Buermeyer 2007, Gudermann 2010, Pohl 2007.
Vgl. Geschonneck 2011.
Bertrams und Beyer 1979, S. 20.
Im Rahmen von Durchsuchungen beachtenswerter und noch technisch relativ aktueller Datenspeicher siehe: NLECTC 2005.
Hierzu aus kriminalistischer Sicht: Paul 1979.
Zur Architekturmetapher vgl. Halsted 2018.
Vgl. Lemmata Grundstellung, home, Heimtaste, Home, Schulze 1989/1993.
„Detaillierte Durchsuchung von Räumen“ („Detailed Searching of Rooms“) nennt es: British Army 1998, S. D-13-3.
Gertig und Schädlich 1955, S. 251.
„They broke open several places, including the ceiling over the outgate and in the new chamber above. They searched for three days. They broke and beat down walls, ceilings, floors, hearths, boards, yea they untiled the house and breaking down all within the chambers, tossed and trod under their feet our clothes and bedding; lime, plaster, dust and dirt falling upon it.“, zitiert nach: Squiers 1934, S. 124.
„[…] take it apart down to the last nail.“, Luger 1987, S. 31.
Vgl. Weingart 1904, S. 73, Bschorr 1928, S. 177, auch findet sich diese Methode als Motiv bereits bei: Poe 1844/1994, S. 270–271.
Es empfiehlt sich zudem, anwesende Verdächtige zu beobachten, „[…] ob man sich auf einer richtigen Spur befindet.“, Stieber 1860, S. 48.
„[V]ier Augen sehen mehr als zwei“, so: Kleinschmidt 1953, S. 148, ähnlich: Ratinow 1970, S. 286–287, DEA 1988a, S. 120.
Eine Wiederholung empfehlen: Schneickert 1917/1925, S. 81, DEA 1988a, S. 120.
Vgl. Westerbarkey 1998/2000, S. 11–12.
Vgl. hierzu: Singh 1999/2000, S. 20–21.
Vgl. Halsted 2018.
Mit „perebor“, „exhaustive search“ („erschöpfende Suche“), „sequential search“ („sequenzielle Suche“), „thorough searching“ („gründliches suchen“), „successive trials“ (schrittweise/sukzessive Versuche) nennt weitere Bezeichnungen: Trakhtenbrot 1984, S. 384.
Vgl. Lemmata brute-force, brute force attack, Daintith und Wright 2008, sowie: Pearl und Korf 1987, S. 453–455, Ziegenbalg, Ziegenbalg und Ziegenbalg 1996/2010, S. 100–102.
„Man ist müde und alt bevor man eine Lösung für Probleme selbst von bescheidener Größe erhält! Man halte sich vor Augen, dass die Größe des Suchraums von realen Problemen für gewöhnlich enorm ist. Es dürfte Jahrzehnte oder mehr an Rechenzeit benötigen jede mögliche Lösung zu überprüfen.“ (im Orginal: „You’ll be tired and old before you get an answer to problems of even modest size! Remember, the size of the search space of real-world problems is usually enormous. It might require centuries or more of computational time to check every possible solution.“), Michalewicz und Fogel 2000, S. 58.
„When in doubt, use brute force.“ Es bieten sich zwei Informatiker als Urheber hierfür an. Ken Thompson nennt: Bentley 1985, S. 896, Butler W. Lampson nennt es zuvor in: Lampson 1983, S. 44.
Polke 1930/1949, S. 3.
Vgl. Ortloff 1881, S. 224–225, Bschorr 1928, S. 178.
Friedrich Dürrenmatt setzt diese Grenzen der Möglichkeit schon viel früher, schildert diese Unmöglichkeit am Beispiel eines – nun wirklich nicht großen und dicht besiedelten – Schweizer Kantons, wo in seinem Roman ein Täter gesucht wird, vgl. Dürrenmatt 1957/1980, S. 112–113.
Teufel 1972, S. 20.
Allgemein nennen diesen Verbreitungsweg noch in jüngerer Vergangenheit: Weihmann und Schuch 2010, S. 598.
Vgl. Polke 1930/1949.
Vgl. Hodgetts 1972, S. 289.
Vgl. Squiers 1934, S. 26.
Vgl. Weihmann und Schuch 2010, S. 598.
Vgl. Ackermann 2011, S. 465–467.
Gertig und Schädlich 1955, S. 245.
So etwa auch: Talbot u. a. 2009, S. 222.
Vgl. PDV 1998, S. 51–52.
Vgl. ebd., S. 52.
Kleinschmidt 1953, S. 149.
„Detailed Searching of Rooms“, British Army 1998, S. D-13-3.
Vgl. Sauer 1992, S. 298–299, RN 79.
Vgl. Poe 1844/1994, S. 270.
Jünger 1957/1990, S. 110.
Vgl. Jagemann 1838, S. 104, Kleinschmidt 1953, S. 148–150, Meixner 1956/1965, S. 55, Sauer 1992, S. 299, Solon 2007, S. 52.
Vgl. Geerds 1980, S. 196.
Vgl. Renfrew und Bahn 2007/2009, S. 65.
Poe 1844/1994, S. 268–269.
Ebd., S. 284.
Thomas 1999/2000, S. 4–5, Vec 2002, S. 76.
Vgl. Vogl 1998, S. 42–43.
Vogl 1991, S. 194.
Vgl. Thomas 1999/2000.
Vgl. Vogl 1998, S. 43.
Vgl. Dick 1956/2009.
Vgl. Herold 1970, diverse Aufsätze zum Thema nennt: Bundeskriminalamt 1989, historisch untersucht sie: Hartung 2010, S. 39–41.
Herzlichen Dank an Joseph Vogl für wertvolle Hinweise zu dieser Thematik.
Vogl 1991, S. 197.
Vgl. ebd., S. 197–200.
„[…] the officer must have good reason before he breaks into an individual’s wall.“, DEA 1988a, S. 119.
Gross 1893, S. 71.
Vgl. Ratinow 1970, S. 294–296.
Pfyffer von Altishofen und Gilgen 1843, S. 192.
Vogl 1991, S. 199–200.
Gross 1893, S. 71. Allerdings schon 50 Jahre zuvor empfehlen es: Pfyffer von Altishofen und Gilgen 1843, S. 193.
Höllrigl 1958, S. 21.
Ab der zweiten Auflage findet sich das psychologische Moment mit der optischen Beobachtung von „Mienen und Augen“ der Verdächtigen in Gross’ Lehrbuch, vgl. Gross 1894, S. 121.
Ratinow 1970, S. 286, 293, 296–298.
Vgl. Lemma Trial-and-error-Methode, Hesse 1995.
Vgl. Ashby 1957, S. 230.
Vgl. Tuschel 1973, S. 14–15. Ein ähnliches Beispiel findet sich bei: Aicher 1978/1991, S. 45.
Vgl. Ortloff 1881, S. 221–223, Polke 1927, Bartsch 1950b.
Vgl. Solon 2007, S. 20.
Dunkelziffer wird in der deutschen Sprache ab 1908 ausgehend von der Dissertation des japanischen Staatsanwaltes Shigema Oba (1869–1920) eingeführt, müsste aber Dunkelzahl heißen, entsprechend Lichtzahl statt Lichtziffer. Die Folge eines Übersetzungsirrtums, vgl. Oba 1908, S. 27–28.
Vgl. Wehner 1957, S. 11–16.
Ortloff 1881, S. 223.
Vgl. Brown 1949.
Vgl. hierzu auch: Vogl 1998, S. 45–46.
Vgl. Renfrew und Bahn 2007/2009, S. 61.
Stellvertretend und zusammenfassend für die entsprechenden Stellen in den Veröffentlichungen von Allan Fea, Granville Squiers und Michael Hodgetts, siehe: Yates 1999, S. 75.
„Hide-hunting is a sport with a large element of luck.“, Hodgetts 1989, S. 236.
Ortloff 1881, S. 224, ähnlich äußert sich: Stieber 1860, S. 44.
Vgl. Clausewitz 1832 ff./1980, S. 261–264.
Vgl. ebd., S. 261.
Vgl. Dürrenmatt 1957/1980.
Ebd., S. 18.
Vgl. Brinker 1975, S. 73–74.
Vgl. Locard 1930, S. 120.
Vgl. ebd., S. 184.
Gschwend 2004.
Zum Aufstieg und Niedergang der Kriminalistik als wissenschaftliche Disziplin in Deutschland vgl. Leonhardt 1994.
Dürrenmatt 1957/1980, S. 114–116.
Ebd., S. 116.
Doyle 1903/2012, S. 695.
Ebd., S. 697.
Vgl. Sebeok und Umiker-Sebeok 1979/1998, S. 306.
Avé-Lallement 1858, S. 113.
Vgl. zu diesem Dilemma: Reichertz 2007, S. 318.
Pfyffer von Altishofen und Gilgen 1843, S. 194.
Vgl. Pierce 1929.
Vgl. Sebeok und Umiker-Sebeok 1979/1998, S. 307.
Doyle 1904/2012, S. 880. Staub haftet wiederum am Täter, was als ‚passive Sondertechnik‘ bei Nachrichtendiensten eingesetzt wird, vgl. Passive Mittel der Sondertechnik, Rössler und Delang 1982, S. 17–40.
Vgl. Kapitel Die Wissenschaft der Deduktion, Doyle 1890/2005, S. 7–17.
Vgl. Dürrenmatt 1957/1980, S. 113.
Doyle 1890/2005, S. 84.
Vgl. ebd., S. 86. Allerdings finden sie das Boot nicht.
Vgl. Lemmata Verarbeitung, verteilte, Distribuierung, Schulze 1989/1993.
Zu diesen Suchmaschinen vgl. Gugerli 2009, S. 37–69.
Vgl. Bschorr 1928, S. 126.
Vgl. Streim 1974/1975, S. 147.
‚Mehrzahl‘ ist eine schwammige Formulierung, da die Gesamtzahl und somit Mehrzahl an Verstecken praktisch eine Dunkelzahl bleibt.
Vgl. Gal 1980, Hernandez-Castro u. a. 2005/2006, Talbot u. a. 2009, McCormick und Owen 2010.
Ebd., S. 293–294.
Vgl. Carrier 2006, S. 36.
Vgl. Bulitta 1996/2000, S. 196–227.
Zweig 1942/2012.
Zur Anwendung der kriminalistischen Methoden des Spurenlesens in der Archäologie siehe: Mante 2003.
Vgl. Doyle 1912/1986.