Kapitel 3 Literaturtheater-Lobby, Artistik-Verbände und Kirche

Vereint gegen das Tingeltangel-Unwesen 1900–1918

In: Theaterlobby attackiert Zirkus
Author:
Mirjam Hildbrand
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Das vorangehende Kapitel begann zeitlich mit der Liberalisierung der Gewerbegesetze im Jahr 1869 und endete mit den Restriktionen der Theatergesetze um 1900 beziehungsweise der Reglementierung der Berliner Zirkusspielstätten und ihren Produktionen kurz nach der Jahrhundertwende. Nicht nur die Theatergesetze und ihr Vollzug durch Innenministerien, Polizeibehörden und die juristische Praxis der Gerichte veränderten sich in diesem Zeitraum, sondern auch die gesellschaftlichen Themen – Arbeiter:innenbewegung, Frauenrechtsbewegung, staatliche Sozialpolitik, Säkularisierung, Sexualreformbewegung, Nationalismus und Imperialismus sind in diesem Zusammenhang nur einige der zentralen Schlagworte.

Natürlich veränderte sich im Laufe dieser drei Dekaden auch die Theater- und Kulturlandschaft Berlins. Neue Formen und Spielstätten wie Varieté, Kabarett oder Kino kamen hinzu, neue künstlerische Bewegungen stellten Althergebrachtes infrage. Circus Renz musste seinen Betrieb 1897 einstellen und wurde im Markthallenzirkus ab 1899 von Circus Schumann abgelöst. Und während die eine feste Berliner Zirkusspielstätte, der eiserne Circus Krembser am Friedrich-Carl-Ufer, 1896 geschlossen und abgetragen wurde, ließen Constanze und Paul Busch spreeaufwärts an der Friedrichsbrücke ein neues Zirkusgebäude bauen. Zwischen 1896 beziehungsweise 1899 und 1918 prägten daher auch vor allem die Unternehmen Busch und Schumann die Zirkuskultur der Reichshauptstadt.

Obwohl die Interessenpolitik der Literaturtheater-Organisationen ab 1880 rechtliche Einschränkungen zulasten der Zirkusse zur Folge hatte, war der Erfolg letzterer bis 1900, ja sogar bis in die 1910er Jahre hinein, ungebremst. Erst dann begann sich das Kräfteverhältnis von Zirkus und dem nach Gründung der Weimarer Republik zunehmend öffentlich geförderten Literatur- und Bildungstheater zu verschieben und letztlich umzukehren. Nach der Jahrhundertwende gingen die Bühnenverbände DBV und GDBA nicht mehr gegen die Zirkuskonkurrenz vor. Hatte der Zirkus bereits begonnen, an Strahlkraft und an ‚Bedrohlichkeit‘ zu verlieren? Waren die Verfechter:innen des Literatur- und Bildungstheaters in den ersten zwei Dekaden des 20. Jahrhunderts vor allem mit einem neuen Hauptkonkurrenten – dem Kino – beschäftigt? Oder konzentrierten sie sich schlichtweg vorwiegend auf das sogenannte Kulturtheater? Schließlich lautete ihre Devise nach 1900 unmissverständlich: öffentlich gefördertes Kulturtheater statt Geschäftstheater!

Die Literaturtheater-Lobby kann nicht für den zunehmenden Niedergang des Zirkus nach 1900 verantwortlich gemacht werden – zumindest nicht allein. Um einige weitere wichtige Faktoren und Akteur:innen, die an dieser Veränderung beteiligt waren, soll es daher in diesem dritten Kapitel gehen. Konkret handelte es sich dabei um die Vorstöße der Berliner Kreissynode, eine führende lokale Institution der Sittlichkeitsbewegung um 1900, gegen das ‚Tingeltangel-Unwesen‘, zu dem auch die Praxis und die Spielstätten der Artist:innen gezählt wurden. Ebenfalls von Bedeutung war die Einführung der sogenannten Lustbarkeitssteuer – eine Besteuerung von Eintrittskarten –, die in Berlin ab 1913 ausschließlich für Theaterformen ohne ‚höheres Kunstinteresse‘ und damit auch für Zirkusunternehmen erhoben wurde. Außerdem zu nennen sind natürlich die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs, die Konkurrenz durch neue Formen der Unterhaltungskultur (insbesondere das Kino), die Umstellung vieler Zirkusunternehmen auf den Zeltbetrieb nach 1900 sowie die Verstaatlichung und Kommunalisierung der Literatur- und Bildungstheater-Spielstätten ab 1918.

***

Kurz nach der Jahrhundertwende gesellte sich zu den Bühnenorganisationen GDBA und DBV ein Verband der Varieté- und Zirkuskünstler:innen, die Internationale Artisten-Loge (IAL). Die 1901 gegründete Vereinigung wurde im Laufe der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts zur größten und politisch bedeutsamsten Organisation von und für Artist:innen. Im Februar 1901 war bezüglich der Neugründung in der Internationalen Artisten-Zeitung zu lesen gewesen: „In aller Stille haben sich in diesen Tagen eine Anzahl Angehöriger des Artistenstandes zusammengefunden, geleitet von der Absicht eine Artistenvereinigung ins Leben zu rufen, die wirklich einmal geeignet wäre, ernst genommen zu werden […].“1 Bereits zehn Jahre später sollte die IAL als „feste, unbeugsame Liga“2 tatsächlich an der Seite von GDBA, DBV und weiteren Bühnenorganisationen den Entwurf eines allgemeinen Theatergesetzes, das sogenannte Reichstheatergesetz, mitverhandeln.

Die IAL war jedoch bei Weitem nicht die einzige Artistik-Vereinigung. So ist in den Reichstagsprotokollen des Jahres 1908 beispielsweise eine Petition des Leipziger Artistenverbands überliefert, der sich für die Abänderung der Gewerbeordnung beziehungsweise der Bestimmungen für reisende Künstler:innen einsetzte.3 Zu Vereinsgründungen durch Artist:innen kam es seit den 1880er Jahren. Die Bewegung entwickelte sich Hand in Hand mit der Gründung der ersten deutschen Artistik-Fachzeitschriften. Im Sommer 1883 war mit Der Artist die erste – zunächst alle 14 Tage und ab 1886 wöchentlich erscheinende – derartige Fachzeitschrift im Deutschen Reich entstanden. Auf der Titelseite der Erstausgabe des von Signor Saltarino verantworteten Hefts heißt es: „Durch Fachleute sind wir darauf aufmerksam gemacht worden, dass in Deutschland keine einzige Zeitung besteht, welche die Interessen des Artisten-Standes vertritt. Alle die Tausende von Künstlern […] stehen in gar keiner regelmässigen Verbindung […].“4 Dem wollte der Artist als Plattform des Austauschs und der gegenseitigen Kenntnisnahme Abhilfe schaffen – ein Meilenstein für die Entstehung eines Kollektivbewusstseins innerhalb des „Artisten-Standes“.5 Über dieses erste Heft ist in einer Jubiläumsausgabe des Artist aus dem Jahr 1908 unter dem Titel „Blick in die Vergangenheit“ Folgendes zu lesen:

Mit der ersten Nummer des ‚Artist‘, die vor 25 Jahren in die Welt hinausging, wurde auch der erste kraftvolle Anstoss gegeben zur Erweckung, zum Wachstum und edlen Impulsen, die innerhalb der kurzen Zeit so ausserordentliches an Standesbewusstsein und Standesveredlung, an Organisationsbetrieb und kultureller Arbeit bewirkten.6

Nach der Gründung des Artist entstanden rasch weitere Fachblätter. In Berlin wurde in den 1890er Jahren von Alex Hönig, langjähriger Vorsitzender der Internationalen Artisten-Genossenschaft (IAG) in Berlin, die Zeitschrift Revue herausgegeben und um 1900 auch die Internationale Artisten-Zeitung. Weitere Zeitschriften aus der Zeit vor 1900 hießen Artistenwelt, Der Kurier, Der Künstler oder Der Komet.7 Ab 1902 brachte die IAL Das Programm im wöchentlichen Rhythmus heraus, 1909 lancierte der ein Jahr zuvor gegründete Internationale Varieté-Theater-Direktoren-Verband (IVTDV) Das Organ.

In den 1880er und 1890er Jahren erschienen, wie im ersten Kapitel bereits erwähnt, auch erste deutschsprachige Zirkushistoriografien.8 Sowohl in den Monografien als auch in den Zeitschriften wurde das Fehlen von Zirkusliteratur sowie die Abwesenheit des Themas in populären Nachschlagewerken bemängelt. Alwil Raeder, der Chronist von Circus Renz, bemängelte im Vorwort einer Publikation etwa, dass es trotz des Erfolgs des Zirkus keine Fachliteratur zum Thema gebe:

Bis auf die neuen verdienstvollen Arbeiten des trefflichen Saltarino (H. W. Otto) in Düsseldorf war bisher so viel wie garnichts bei uns im Interesse einer literarischen Behandlung der vielfachen Künste geschehen, an welchen im Circus Millionen Jahr aus, Jahr ein sich zu erfreuen pflegen. Wer etwa versuchen möchte, aus den großen Schatzkammern und Stoff-Speichern unserer modernen wissensregen Conservation, aus den großen Lexikas des Brockhaus und Meyer sich irgend welche, auch nur leise Andeutungen über Dinge zu holen, die den modernen Circus […] betreffen, würde sich vorläufig noch schmälich getäuscht finden.9

Auch der Magdeburger Journalist Max Oberbreyer monierte in seinem Artikel „Die Entwicklung des Artistenstandes und der ‚Artist‘“ in einer Ausgabe des Artist aus dem Jahr 1904 das Fehlen einer verschriftlichten Geschichte des „Artistenstandes“:

Man sollte es kaum glauben, aber es ist Tatsache: bis heute gibt es noch keine gedruckte Geschichte des fahrenden Volkes, keine zusammenhängende Darstellung der Entwicklung des Artistenstandes. […] Das ist sehr bedauerlich, denn erst dann würde man deutlich sehen können, welche gewaltigen Wandlungen und Fortschritte der Artistenstand gemacht hat […] bis auf unsere Tage. Kaum irgend ein anderer Stand hat ja von jeher so sehr unter dem mehr oder weniger begründeten Vorurteil der öffentlichen Meinung zu leiden gehabt, wie das Bankistentum, keiner fast hat durch so lange Zeit für ‚ehrlos‘ gegolten wie die Angehörigen des Circus und Theaters […]. Wie großartig ist allein die Entwicklung des Artistenstandes in den letzten 30 Jahren des verflossenen Jahrhunderts gewesen: in allen Großstädten gibt es heute einen oder mehrere steinerne Circus sowie eine ganze Anzahl grösserer und kleinerer Variétés […]. Ja, der Artistenstand hat sich namentlich in den letzten zwanzig Jahren in jeder Hinsicht gehoben: in materieller, geistiger und moralischer Beziehung.10

Der Autor streift in der zitierten Passage mehrere zentrale Themen dieses Kapitels: die Vorurteile gegenüber Zirkus und Artistik im öffentlichen Diskurs, die Idee einer Höherentwicklung des „Artistenstandes“ ab circa 1880 und den Konnex von Urbanisierung und festen Zirkus- und Varietéspielstätten.

Nicht zuletzt festigte der Artist auch die Berufsbezeichnung und inspirierte die Gründung verschiedener Artistik-Vereinigungen.11 Im erwähnten „Blick in die Vergangenheit“ aus dem Jahr 1908 ist etwa zu lesen, dass 1883 der Deutsche Artisten-Verein und 1886 die Internationale Artisten-Genossenschaft (IAG)12 „als Unterstützungs-, Kranken- und Sterbekasse für Angehörige der Circus-, Variété-, Spezialitäten-Bühnen und Concertunternehmen […]“ ins Leben gerufen worden waren.13 Im Berliner Süden wurden, wie im ersten Kapitel dargelegt, 1888 der Rixdorfer Artistikverein Einigkeit und 1898 die Vereine Union und Victoria (ab 1918 zusammengeschlossen zur Union Victoria) gegründet. Darüber hinaus soll es im Süden Berlins fünf weitere lokale Vereine gegeben haben.14 Im Jahr 1891 gründete sich der Internationale Artisten-Verband mit der zugehörigen Zeitschrift Der Künstler, ein Jahr später entstand in Hamburg durch einen Zusammenschluss von Varietékünstler:innen der Verein Sicher wie Jold.15

Anlass zu diesen Vereinsgründungen gab vor allem die Notwendigkeit, sich gegen den Arbeitgeber:innen-Verband zu verbünden und sich kollektiv gegen verschiedene soziale Risiken abzusichern. Doch auch ein Veränderungswille hinsichtlich der gesellschaftlichen Vorurteile sowie der gesetzlichen Benachteiligung gegenüber anderen Bühnenkünstler:innen trieb die Artist:innen an. Dies bringen folgende, im Programm abgedruckte Gründungsziele der IAL zum Ausdruck:

4. Die Besserung der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung, insbesondere auch in bezug auf die Hintansetzung des Varietés gegenüber dem Theater sowie die Beseitigung ungerechtfertigt erscheinender gesetzlicher, behördlicher oder steuerlicher Behinderungen und Erschwerungen des Artistenberufs und des Varieté-, Zirkus- und Kabarettgewerbes im In- und Auslande.

5. Die Förderung des Ansehens der Artistenschaft, des Artistentums und der Artistik in der Oeffentlichkeit, insbesondere bei Publikum, Presse und Behörden des In- und Auslandes namentlich auch durch Bekämpfung unwürdiger Elemente im Artistenstande und unwürdiger Zustände im Artistenberufe wie zum Beispiel […] des Tingeltangel-Unwesens usw.16

Um die Abgrenzung der Artistik-Verbände gegenüber dem „Tingeltangel-Unwesen“ wird es im ersten Unterkapitel ausführlicher gehen. Ins Leben gerufen wurde die IAL 1901 auch als Antwort auf den kurz zuvor initiierten Internationalen Variété-Direktoren-Verband, der jedoch bereits in den Jahren 1903/04 wieder einschlief. Im Jahr 1908 wurde dann der längerfristig bestehende Internationale Varieté-Theater-Direktoren-Verband (IVTDV) gegründet.17 Von den beiden bereits existierenden Vereinigungen unterschied sich die IAL auch in ihrer gewerkschaftlichen Funktion: „Die bestehenden Artistenvereine waren“, so Max Berol-Konorah, Mitbegründer und ab 1904 langjähriger Präsident der IAL, „keine Kampforganisationen. […] Beide waren auch keine reinen Artistenverbände, sondern rekrutierten ihre Mitglieder auch aus anderen, ja sogar direktorialen Kreisen.“18 Die IAL hingegen bot ihren Mitgliedern Rechtsschutz und finanzielle Unterstützung, vergab Darlehen und diente den Artist:innen als Kranken- und Sterbekasse.19 Mit ihrem Organ, dem Programm, entstand ab 1902 eine bedeutende Fachzeitschrift, die zudem mit einem fremdsprachigen Teil auf Englisch, Französisch und Russisch erschien.20 Die Mitglieder der internationalen Vereinigung trafen sich regelmäßig an unterschiedlichen Orten – nicht nur in Deutschland:

Die erste Versammlung im Auslande fand schon am 4. Juni 1901 in Moskau statt, es folgten Wien, Paris, Amsterdam, London, Brüssel und am 20. Februar sogar erstmalig New York. Dies ist nun umso erstaunlicher, als die Loge noch bis 1909 immer nur einen durchschnittlichen Mitgliederbestand von etwa 800 hatte.21

Internationale Mobilität und Vernetzung war für Artist:innen um 1900 somit offenbar eine Selbstverständlichkeit. Ab 1908 war die IAL auch mit britischen (Variety Artists Federation), französischen (Union Syndicale des Artistes Lyriques) und US-amerikanischen (White Rats) Artistik-Verbänden affiliiert, 1911 folgte in Paris die Gründung der Weltliga der Artisten-Organisationen.22

Betrachtet man die Entstehung von Interessenorganisationen von und für Artist:innen etwas näher, so wird deutlich, dass insbesondere Varietékünstler:innen und -direktor:innen die treibende Kraft der neuen Bewegung waren. Ein überregionaler Zirkusdirektor:innen-Verband gründete sich hingegen erst 1920. Wie aus den Statuten der IAL hervorgeht, verstand die Organisation sich auch als Vertreterin der Interessen von Zirkuskünstler:innen: So konnte laut Paragraf 2 „Mitglied […] jeder Artist werden, der selbstständig thätig ist, dem Artistenstande seit mindestens sechs Monaten angehört, auf Variétébühnen und in Circussen, nicht aber in Tingel-Tangeln auftritt“.23 Auch das Programm berichtete 1912 bezüglich der Arbeit der IAL für den Entwurf des Reichstheatergesetzes, dass „[s]elbstverständlich […] die Zirkusartisten genau so wie die Varietéartisten von allen sozialen oder Vertragsreformen, die man vom Reichstheatergesetz erwartet, mitprofitieren […].“24 Doch waren die Zirkuskünstler:innen vergleichsweise deutlich schlechter organisiert und machten nur einen geringen Anteil der IAL-Mitglieder aus.25 Unter der Überschrift „Achtung! Zirkusartisten!“ hielt das Programm ebenfalls im Jahr 1912 fest, „daß von den 1700 (jetzt 1800) Mitgliedern der I.A.L. kaum 300 eigentliche Zirkusartisten“ seien.26 Daher wende sich die IAL nun an „die Zirkusartisten aller Gattungen“ mit dem „Mahnruf, sich aufzuraffen, nicht länger teilnahmslos und apathisch zuzuschauen, ob nicht auch ohne ihre Mithilfe von der Loge etwas getan wird, um ihre Lage zu verbessern.“27 In seinem Rückblick auf die ersten 25 Jahre der IAL konstatierte Max Berol-Konorah, dass es im Vergleich zu den vornehmlich an Varietés arbeitenden Künstler:innen viel schwieriger gewesen sei, mit den Zirkusartist:innen in Kontakt zu treten und zu bleiben.28 Vermutlich sahen insbesondere die Mitglieder der kleineren, reisenden Familienzirkusse zur damaligen Zeit wenig Bedarf, sich (gewerkschaftlich) zu organisieren.29

In ihrer historischen Entwicklung und der institutionellen Ausdifferenzierung unterscheiden sich Zirkus und Varieté zwar deutlich,30 und das Varieté ist auch nicht Gegenstand dieses Buchs. Dennoch stützt sich dieses Kapitel stark auf die Aktivitäten und Schriften der IAL, weil die Organisation sich den Interessen der Zirkuskünstler:innen verpflichtet fühlte, ihren Anliegen Ausdruck verlieh und ihren sozialen Status zu verbessern suchte. Auch gegen die Vorstöße der Kreissynode und die Einführung der Lustbarkeitssteuer wehrte sich die IAL gemeinsam mit anderen Organisationen der Artist:innen. Und im Rahmen des Reichtheatergesetz-Projekts, um das es im folgenden Unterkapitel gehen wird, setzte sich die IAL ab 1909 ebenfalls für die Belange von Varieté- und Zirkuskünstler:innen ein.

3.1 Das Reichstheatergesetz lässt die vereinigten Bühnenorganisationen hoffen

Dem Reichstage wird in der kommenden Sitzungsperiode der Entwurf eines Reichstheatergesetzes zur Beratung und Beschlußfassung vorliegen. Damit ist der erste Schritt auf ein Gebiet getan, das die deutsche Gesetzgebung bisher zu betreten nicht gewagt hatte, das der Kunstpolitik.31

Wie diesen Zeilen zu entnehmen ist, schien die Zeit für das lang ersehnte, allgemeine Theatergesetz im Jahr 1909 endlich reif zu sein.32 Der DBV hatte, wie im zweiten Kapitel erwähnt, bereits 1901 eine Kommission für die Erarbeitung eines Reichtheatergesetzes ins Leben gerufen.33 Nachdem diverse Petitionen zur Verbesserung der Situation der Bühnenangestellten, unter anderem vom technischen Bühnenpersonal sowie vom Allgemeinen Deutschen Chorsängerverband, beim Parlament eingegangen waren,34 brachte Ernst Müller von der Freisinnigen Volkspartei ein solches Gesetzesvorhaben 1903 erneut im Reichstag zur Sprache. Er wollte die „Materie neuerlich in Angriff“ genommen wissen, „die schon verschiedene Male kurz hier verhandelt worden ist“, nämlich „die Frage der einheitlichen Regelung des Theaterwesens“.35 Dabei sprach Müller sich dafür aus, dass „das ganze Gebiet des Theaterwesens in einem großzügigen Reichs-Theatergesetze geregelt“ werde, „und zwar in öffentlichrechtlicher und zivilrechtlicher Beziehung.“36 Ein Leichtes sei es, fuhr er fort,

die Nase zu rümpfen u. a. über die sittlichen Verhältnisse, die bei dem einen oder anderen Theater bisweilen vorkommen mögen. Aber wer die Verhältnisse auch nur einigermaßen kennt, dem wird vieles erklärlich; es wird ihm auch vielleicht erklärlich, wenn z. B. ein Mädchen, das rein und tugendhaft zum Theater gegangen ist, bei diesem Berufe sittlich scheitert.37

Müller spielte damit zum einen auf die prekären Verhältnisse der Schauspieler:innen beziehungsweise Bühnenarbeiter:innen an und zum anderen auf die gängigen Vorurteile insbesondere gegenüber weiblichen oder weiblich gelesenen Schauspieler:innen.38 Mit einem Reichstheatergesetz wollte der Abgeordnete auch mit der landesrechtlich geregelten und in Berlin vom „Muckertum“39 geprägten Zensur aufräumen.40 „Was sind das für muckerische Rückständigkeiten überhaupt!“, rief er aus.41 „Man wird lachen über diese Art, wie gerade hier in Berlin gegenüber dem gebildeten Publikum mit einer derartigen Zensur vorgegangen wird.“42

Doch nicht eine Infragestellung der „muckerischen Rückständigkeiten“ sollte dem Projekt des Reichstheatergesetzes Auftrieb verschaffen, sondern vielmehr die Prekarität der Schauspieler:innen im Kontext der Gewerkschaftsbewegung sowie eine damit verbundene Konflikteskalation zwischen GDBA und dem DBV.43

3.1.1 Von „Stiefkindern des Gesetzes“ zu Geladenen der Regierung

Zwischen der Arbeitnehmer:innen-Vertretung GDBA und dem Arbeitgeber:innen-Verband DBV spitzten sich im Laufe des Jahres 1908 die Auseinandersetzungen zu. Das Aufbegehren der in der GDBA organisierten Schauspieler:innen gegen die schlechten Arbeitsbedingungen beziehungsweise die Bühnenleiter:innen bewog den DBV Anfang 1909 dazu, jegliche Verträge mit der GDBA und sämtliche gemeinsame Gremien aufzulösen. Das Ereignis wurde vielfach in der Presse besprochen, wobei die Sympathien mehrheitlich den Schauspieler:innen galten. So schrieb etwa Der neue Weg rückblickend im Mai 1909:

Seit jenem berühmten Dezemberstreit im Bühnenparlament sind in der Presse das Schauspielerelend und die anderen Fragen des Theaters lebhaft erörtert worden; die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger hat begonnen, mit großer Entschiedenheit und Schärfe mehr als bisher die Interessen des Schauspielerstandes zu vertreten und die Oeffentlichkeit für die notleidenden Bühnenkünstler zu erwärmen; der Reichstag endlich beschloß in einstimmig angenommener Resolution, die Regierung um baldige Vorlage eines Reichstheatergesetzes zu ersuchen.44

Die Spannungen zwischen GDBA und DBV beziehungsweise die dadurch entstandene Aufmerksamkeit für die prekäre Lage der Schauspieler:innen führte somit zur Erarbeitung eines neuen Theatergesetzes auf Reichsebene, das auch die Beziehung zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen regeln sollte.45

Bereits im Dezember 1908 hatte Maximilian Pfeiffer, Abgeordneter der Zentrumspartei, eine Resolution in die Debatten des Reichstags eingebracht. Er habe

bei früheren Gelegenheiten in diesem hohen Hause wiederholt Veranlassung genommen, darauf hinzuweisen, daß es höchste Zeit ist, in Deutschland daranzugehen nach dem Vorbilde Österreichs das Theater, die Musikaufführungen, überhaupt alles, was hier hinein gehört, als künstlerische Betriebe anzusehen und sie nicht länger der Gewerbe- und Gesindeordnung zu unterstellen.46

Die Resolution wurde von der Mehrheit des Parlaments angenommen. Im Januar 1909 veröffentlichte Pfeiffer dann eine Denkschrift mit dem Titel Theater-Elend, Ein Weckruf, die er auch allen Mitgliedern des Reichstags zukommen ließ. Darin nahm er sich der Sache der Schauspieler:innen an und räumte einleitend mit vielen nach wie vor gängigen Vorurteilen gegenüber Schauspieler:innen auf:

‚Die Leute haben es schön! Was für ein herrlicher Beruf! Wie werden sie verehrt, vergöttert!‘ Das ist die Tonart, in der man die wohlmeinenden Enthusiasten vom Schauspieler sprechen hört. Der Nörgler sagt: ‚Schauspieler? Na, leichte Ware! Jeden Tag einen anderen Charakter spielen, verdirbt den Charakter!‘ Der Biedermann hält ihn unbesehen für Ausbund der Immoralität, und mancher denkt mit dem alten Volkswort: ‚Tut die Wäsche weg, die Komödianten kommen.‘ Um sein wahres Wesen kümmern sich die wenigsten.47

Der Abgeordnete sah in den Schauspieler:innen vor allem Arbeitnehmer:innen, deren Rechte mittels eines neuen, allgemeinen Theatergesetzes an das in anderen Branchen bereits geltende Arbeitsrecht angeglichen werden sollten.48 Für Pfeiffer war klar, dass ein derartiges Reichstheatergesetz „Licht und Luft und Leben […] spenden“ würde.49 Fortan müsse

[d]as Theater […] für die Städte nicht die [zu, Anm. M. H.] melkende Kuh sein, sondern die hehre Göttin. Wir haben zuviel Theater. Man reduziere sie in Städtebühnen und nehme Goethes Mahnung wahr: ‚die Städte möchten doch das Komödienspielen als wichtig genug betrachten, auf daß ernste Leute es ernsthaft verwalten.‘ Dazu gehört auskömmliche Bezahlung und würdige Behandlung der Angestellten. […] Die Konzession knüpfe er [der Staat, Anm. M. H.] an moralische, künstlerische und finanzielle Tüchtigkeit und fordere die Hinterlegung einer Kaution, um die Mitglieder über Not zu schützen.50

Der Bühnenverein war seinerseits darum bemüht, klarzustellen, dass das Reichstheatergesetz auf seine Initiative zurückgehe und dass es dabei nicht nur um die Rechte der Schauspieler:innen, also der Arbeitnehmer:innen gehen dürfte. So veröffentlichte der Intendant der Königlichen Württembergischen Hoftheater Joachim Baron zu Putlitz auch in Reaktion auf Pfeiffers Theater-Elend im März 1909 unter dem Titel Theaterhoffnungen, Ein Wort zur Aufklärung ebenfalls eine Denkschrift.51 Diese schloss er mit folgender Formulierung: „Nicht, wie Herr Dr. Pfeiffer, nur den Bühnenkünstlern, nein, dem gesamten deutschen Theater, allen die an ihm wirken, möchte ich diese Schrift gewidmet haben.“52 Nichtsdestoweniger zeigte sich Putlitz dankbar, dass der „Stein auch im Reichstage ins Rollen gebracht“ worden sei für die Erarbeitung eines allgemeinen Theatergesetzes – ein Ziel, das der Bühnenverein bereits seit 1871 verfolge.53

Am 10. Februar 1909 wurde das Projekt im Reichstag erstmalig ausführlicher besprochen. Unterstützung erhielt Pfeiffer insbesondere von Ernst Müller von der Freisinnigen Volkspartei, der jedoch nur die Überarbeitung der zivilrechtlichen Belange, das heißt der arbeitsrechtlichen Regulierungen als notwendig erachtete.54 Die Organe der GDBA und des DBV kommentierten daraufhin, dass noch unklar sei, ob ein genuines Theatergesetz oder eine Novellierung der Gewerbeordnung erarbeitet werde.55 Auch die IAL verfolgte die Debatten rund um das neue Reichstheatergesetz. Nach der Diskussion im Reichstag Anfang Februar 1909 notierte das Programm, die IAL sehe „in dieser immerwährenden Hervorhebung der Missstände am Theater und der fast gänzlichen Nichtbeachtung der Missstände bei Zirkus und Variété durch die verschiedenen Herren Parlamentarier […] eine große Gefahr“ – sowohl für das „Variétégewerbe“ als auch für das „Zirkuswesen“ sowie die gesamte „Artistenschaft“.56 Leo Herzberg, Vorstandsmitglied der IAL, appellierte an die Artist:innen, „hierbei die Augen offen zu halten und darauf hinzuwirken, dass in diesem Gesetze die Verhältnisse der Variététheater nicht unberücksichtigt bleiben.“57 Doch auch in den folgenden Verhandlungen des Reichstags zum Thema sollte die Artist:innenschaft keine Erwähnung finden.

Der Abgeordnete der Zentrumspartei Hermann Fleischer, zugleich Verbandssekretär der katholischen Arbeitervereine, betonte in der Sitzung vom 1. April 1909 nochmals die Wichtigkeit und Dringlichkeit des Projekts.58 Fleischer äußerte die Hoffnung, dass in der kommenden Sitzungsperiode

unter dem beiderseitigen Mitwirken von Bühnengenossenschaft und Bühnenverein ein Gesetz zustande kommt, das im Interesse der deutschen Kunst und namentlich auch im Interesse des sozialen Aufstiegs unseres Schauspielerstandes segensreich wirken möge.59

Doch diese Hoffnung sollte sich nicht so bald erfüllen. Im Frühjahr 1911 erinnerten Abgeordnete der Zentrumspartei, der Freisinnigen Volkspartei wie auch der SPD an die noch immer ausstehende Regierungsvorlage und wiesen darauf hin, dass ihnen „daran liegt, möglichst bald das Reichstheatergesetz vorgelegt zu erhalten.“60

Im Herbst 1911 kam dann endlich Bewegung in die Sache. „Eine neue Aera bricht an“, verkündete das Programm: „Spät kommt es, doch es kommt, das Reichstheatergesetz. Am 14. Dezember d. Js. beginnen im Reichsamt des Innern die Konferenzen […].“61 Es sei aber noch unklar, welche Interessengruppen zur sogenannten Reichstheater-Konferenz im Dezember 1911 eingeladen würden. Die IAL hoffte, dass die von ihr 1909 eingesandte Denkschrift, um die es im folgenden Unterkapitel noch vertiefend gehen wird, seitens der Regierung Beachtung gefunden hatte dass sie als Vertretung der Artist:innen zur Konferenz eingeladen würde.62 Am 15. Dezember 1911 trafen sich dann zur Besprechung des Gesetzesprojekts Vertreter des DBV, der GDBA, des Allgemeinen Deutschen Chorsänger Verbands, des Allgemeinen Deutschen Musiker Verbands, Vorsitzende diverser Musiker- und Orchesterverbände sowie der IAL-Vorsitzende Max Berol-Konorah, der Syndikus der IAL Richard Treitel, der Vorsitzende des IVTDV Carl Bretschneider und Zirkusdirektor Paul Busch mit dem Rechtsanwalt Paul Alexander-Katz im Reichstag. Anwesend waren zudem der Leiter der polizeilichen Theaterabteilung und der Zensurbehörde Curt Karl Gustav von Glasenapp sowie der Gewerberechtsexperte Robert von Landmann.63 Die IAL saß also mit am Verhandlungstisch.

Nicht nur im Rahmen der Reichstheater-Konferenz verhandelten die Vertreter der IAL Seite an Seite mit den Delegierten der GDBA, die IAL schloss sich 1912 auch dem seit 1910 bestehenden Bühnenkartell, die Vereinigung der deutschen und österreichischen Verbände der Bühnenkünstler:innen, an.64 Das Bühnenkartell bestand bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Danach schlossen sich die einzelnen Organisationen der Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände (AfA) an, die sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 auflöste.65

Anfang Februar 1912 kündigte das Organ des IVTDV an: „Reichstheatergesetz zur Eröffnung des Reichstags in der Thronrede erwähnt. […] Es ist also bestimmt zu erwarten, daß das Reichstheatergesetz den kommenden Reichstag beschäftigen wird […].“66 Einige Abgeordnete erinnerten zwar bereits im März desselben Jahres an das seitens der Regierung noch immer ausstehende Gesetzesprojekt,67 veröffentlicht wurde der Entwurf jedoch erst im Dezember 1912.68 Dabei wurde klar: Die Regierung sah lediglich eine Novellierung der Gewerbeordnung vor.

Der Entwurf war in zwei Artikel unterteilt, die zum einen die öffentlich-rechtlichen (Artikel I) und zum anderen die privatrechtlichen Verhältnisse (Artikel II) regelten. In Artikel I waren Abänderungen der Paragrafen 32, 33, 35, 53 und 60d der Reichsgewerbeordnung vorgesehen. Was den öffentlich-rechtlichen Teil anbelangte, so sollte Paragraf 32 (RGO) laut Entwurf diverse Zusätze erhalten. Paragraf 33a (RGO) blieb für alle Theaterformen ohne ‚höheres Kunstinteresse‘ bestehen und sollte fortan auch die Konzessionierung der Kinos regeln.69 Insgesamt beabsichtigten die Änderungsvorschläge einen strengeren Zugang zu Konzessionen insbesondere für Theaterformen und Spielstätten ohne ‚höheres Kunstinteresse‘ sowie für reisende Theatergruppen. Die Anzahl entsprechender Spielstätten und Ensembles sollte weiterhin mithilfe der Bedürfnisfrage reguliert werden.70 Marion Linhardt, eine der wenigen Theaterwissenschaftler:innen, die sich in jüngerer Zeit mit dem Gesetzesprojekt beschäftigt haben, kommentiert den Entwurf wie folgt: „[S]o muss konstatiert werden, dass der Entwurf der deutschen Regierung für ein Reichstheatergesetz keinerlei entsprechende finanzielle, juristische, ideelle und institutionelle Maßnahmen zur Förderung des Theaters vorsah.“71

Die Veröffentlichung des Gesetzesprojekts erfuhr in den einschlägigen Fachzeitschriften große Resonanz.72 Im Januar 1913 verabschiedete der Reichstag auf Initiative des SPD-Abgeordneten Adolf Albrecht sowie des Zentrum-Politikers Franz Schädler eine Resolution, die von der Regierung verlangte, dem Parlament den Gesetzesentwurf vorzulegen.73 Doch mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 wurde das Projekt auf Eis gelegt. Im Jahr 1916 erinnerte Reinhard Mumm, Abgeordneter der Christlich-Sozialen Partei, nochmals an das Reichstheatergesetz, das ihm zufolge von derartiger Bedeutung sei, dass es „nicht um all der vielen Kriegsschwierigkeiten willen unter den Tisch fallen“ dürfe.74 Genau dies geschah jedoch: Das Gesetz wurde nicht mehr besprochen und entsprechend auch nie verabschiedet.75 Die „Stiefkinder des Gesetzes“76 hatten es somit zwar geschafft, zur Besprechung des Gesetzesprojekts in den Reichstag eingeladen zu werden, doch blieben ihre Anstrengungen am Ende folgenlos.

3.1.2 Die Artistik-Lobby geht in die Offensive

Die im Entwurf vorgesehenen Revisionen des öffentlich-rechtlichen Teils der Gewerbeordnung wurden von der IAL im Programm unter der Überschrift „Licht und Schatten im R.-T.-G.-Entwurf“ als Schatten über dem geplanten Theatergesetz wahrgenommen.77 Ab dem Frühjahr 1909 hatte die IAL wie gesehen versucht, sich in die Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs einzubringen. Sie veranstaltete Versammlungen, an der laut einem Bericht im Programm auch elf Reichstagsabgeordnete, darunter Maximilian Pfeiffer, teilnahmen. Zudem verfasste sie eine Denkschrift, um ihre Forderungen an das Gesetzesprojekt gegenüber Regierung und Reichstag kundzutun.78 Dies schien der Interessenvertretung der Artist:innen dringend erforderlich, denn „[d]ie Artistenschaft hat stets empfunden, daß die Behörden und Gerichte, die das Theaterwesen meist ziemlich genau kennen, in das Variétéwesen keinen zutreffenden Einblick gewonnen zu haben scheinen […].“79 Die IAL erachtete „eine einheitliche Regelung des gesamten Theaterrechtes für das ganze Deutsche Reich auf zeitgemäßer sozialpolitischer Grundlage“, wie auch die anderen Bühnenarbeiter:innen-Organisationen sie forderten, „als dringend notwendig“.80

Die vom Vorsitzenden der IAL, Max Berol-Konorah, verfasste Denkschrift der Internationalen Artistenloge zum Reichstheatergesetz widmete sich im ersten Abschnitt Fragen des öffentlichen Rechts und einem zweiten Teil dem Privatrecht.81 Auch zum Thema der Agenturen sowie dem Urheberrecht für artistische Produktionen bezog die Schrift Stellung.82 Für die vorliegende Studie sind vor allem die Positionen der IAL bezüglich des öffentlichen Rechts von Bedeutung.

Die Denkschrift ging ausführlich auf den Paragrafen 33a (RGO) ein, der die Konzessionierung von Varietétheatern und stehenden Zirkussen regelte. Im Jahr 1883 sei dieser dem Paragrafen 33 der Reichsgewerbeordnung, der sich bis zu diesem Zeitpunkt lediglich auf Schankwirtschaften bezogen habe, hinzugefügt worden und benachteilige feste Zirkusse und Varietés im Vergleich zu anderen stehenden Theatern: „Man sah also vor einem Vierteljahrhundert die Spezialitätentheater noch nicht als Theater, sondern als eine Art Appendix der Schankbetriebe an.“83 Die zuständigen Behörden müssten sich aus diesem Grund „noch heut auf Gesetze stützen, die – wie die Reichsgewerbeordnung – zu einer Zeit geschaffen wurden, als man vom modernen Variété kaum den Begriff kannte.“84 Somit würden noch im Jahr 1909

weltstädtische Variétés von der Art eines Wintergartens in Berlin, Deutschen Theaters in München, Apollotheaters in Düsseldorf usw. usw., aus einem Paragraphen konzessioniert, der seine Entstehung dem Umstande verdankt, daß dem der Moral im höchsten Grade schädlichen Tingeltangelunwesen mit Erfolg entgegengetreten werden sollte! Es wurde im Gesetze keinerlei Unterschied zwischen Variété und Tingeltangel gemacht!85

Bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1901 versuchte die IAL, das Ansehen von Varieté- und Spezialitätenbühnen wie auch von Zirkussen zu verbessern, indem sie beide deutlich vom sogenannten Tingeltangel abgrenzte. Daher forderte die Interessenvertretung der Artist:innen in der Denkschrift auch die Einführung eines Zusatzabschnitts in Paragraf 32 (RGO) für Varietés und stehende Zirkusse. Diesen könne man „als § 32a dem Konzessionsparagraphen der Theater anreihen […], so daß man den jetzigen § 33a den Tingeltangeln, für die er geschaffen war, überläßt.“86

Verstärkt für Definitionsschwierigkeiten hätten in den vergangenen Jahren die in Paragraf 33a (RGO) verankerten Formulierungen ‚Tingeltangel‘ wie auch ‚höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft‘ gesorgt. Mit Verweis auf mehrere Gerichtsurteile schrieb Berol-Konorah,87 dass insbesondere das ‚höhere Kunstinteresse‘ „von Gerichten und Behörden so verschieden und so widersprechend definiert und interpretiert“ worden sei, woraus die „größten Rechtsverwirrungen“ wie auch behördliche Willkür hervorgegangen seien.88

Zusammenfassend wurden in der Denkschrift folgende Forderungen bezüglich der stehenden Theater für den Entwurf des Reichstheatergesetzes festgehalten:

  1. Trennung der Konzessionsbestimmungen für Variétés und Tingeltangel;

  2. Trennung der Konzessionsbestimmungen für Variétés und Rauchtheater in denen Schauspielvorstellungen veranstaltet werden;

  3. Definition des Begriffes ‚höheres Interesse der Kunst und Wissenschaft‘, falls dieser beibehalten wird;

  4. Ausschaltung der Bedürfnisfrage bei Variété- und Zirkusunternehmen;

  5. Einfügung einer Bestimmung, wonach die Qualifikation der Variété- und Zirkuskonzessionäre mit Bezug auf finanzielle Zuverlässigkeit geprüft wird.89

‚Echte‘ Varietés sowie stehende Zirkusse sollten demnach einen eigenen Paragrafen beziehungsweise einen eigenen Abschnitt innerhalb des Schauspiel-Paragrafen (§ 32 RGO) erhalten. Der zweite Punkt sollte die Arbeitsplätze der Artist:innen an den Varietés sichern und sie vor der Konkurrenz durch Schauspieler:innen schützen. Ein Bericht mit der Überschrift „Die Schauspiel-Ensembles im Variété“ im Programm vom 19. April 1908 befasst sich näher mit der Thematik. Leo Herzberg aus dem IAL-Vorstand konstatierte darin, dass „[s]eit einigen Jahren […] in die Spielpläne der Spezialitätentheater Nummern […] Eingang gefunden [haben], deren eigenste Wirkungsstätte nicht die Spezialitätenbühne, sondern die Schauspielbühne zu sein hat.“90 Damit waren vor allem die Darbietungen von Possen oder Operetten an Varietébühnen gemeint, die in Berlin diejenigen Direktionen in ihr Programm aufnehmen konnten, die eine Doppelkonzession (§ 32 und § 33a RGO) besaßen. Ebenfalls im Programm war 1912 unter der Überschrift „Pseudo-Variétés“ zu lesen, dass schon seit einigen Jahren eine Zunahme von Aufführungen durch Operetten- und Komödien-Ensembles an den Varieté-Spielstätten beobachtet werde.91 Derartige Theatervorstellungen in den Varietés seien nach den Wünschen der IAL „nur insoweit zu gestatten […], als es sich um kurze Einakter mit beschränkter Personenanzahl handelt, und, wir fügen hinzu, nicht mehr wie einen Einakter pro Abend.“92

Mit den Punkten vier und fünf verlangte die IAL, die Ausstellung von sogenannten Doppelkonzessionen fortan nicht mehr von der Bedürfnisfrage, sondern von der Prüfung der finanziellen Bonität der Aspirant:innen abhängig zu machen. Wie einem Bericht der Mitgliederversammlung der IAL vom 21. Februar 1908 zu entnehmen ist, hatte die Organisation bereits im Jahr 1907 eine Petition beim Reichstag eingereicht, in der sie für Varietétheater „die Schaffung eines § 32 a der G. O.“ forderte.93 Der Zusatzparagraf sollte unter anderem die Prüfung „der erforderlichen Zuverlässigkeit des Leiters oder Unternehmers, insbesondere in sittlicher, artistischer und finanzieller Beziehung“ beinhalten.94 Mit der Einführung dieses Zusatzparagrafen wären durch Paragraf 33a (RGO) fortan ausschließlich „Singspiel-Unternehmungen“95 beziehungsweise Tingeltangel-Bühnen ohne ‚höheres Kunstinteresse‘ reglementiert worden.96 Laut dem Bericht der Kommission für Petitionen des Reichstags enthielt die Petition der IAL folgende Begründung:

Der heutige gesetzliche Zustand, § 33a der Gewerbeordnung, der für Variétés, Tingeltangel und Theater, bei denen ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft nicht obwaltet, Bestimmungen enthält, gebe zu sehr erheblichen Bedenken geschäftlicher und rechtlicher Natur Anlaß, und die Verkoppelung des Variétés mit dem Theater, bei dem ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft nicht obwalte, einerseits und dem Tingeltangel andererseits führe für das Variété zu unleidlichen Konsequenzen. […] Im Laufe der letzten 25 Jahre hätten sich neue Kunstinstitute entwickelt, die weder zu den aus § 32 noch zu den aus § 33 a der Gewerbeordnung konzessionierten Betrieben gehörten […]. […] Eine große Anzahl von Theatern, die aus § 32 konzessioniert seien, hätten die Konzession aus § 33a hinzuerworben, um in ihren Räumen Getränke ausschänken und rauchen zu lassen […].97

In der Denkschrift der Internationalen Artistenloge zum Reichstheatergesetz wurde in Bezug auf wandernde Theaterunternehmen auf die Problematik hingewiesen, dass für sie kein spezifischer Paragraf bestehe, vielmehr würden „Hausierer, wandernde Händler, Zirkusse, Drehorgler, reisende Theaterunternehmer, Topfflicker, Karusselbesitzer usw.“ in Paragraf 55 (RGO) über einen Kamm geschoren.98 Die aktuellen Zugangsregulierungen (auf Basis der Bedürfnisfrage) zum Wandergewerbeschein sowie dessen beschränkte Gültigkeit für reisende Zirkus- und Varietéunternehmen seien problematisch. Außerdem seien die entsprechenden Unternehmer:innen mit übertriebenen Gebühren konfrontiert, da sie nicht nur jährlich für die Ausstellung des Wandergewerbescheins bezahlen müssten, sondern auch für die Eintragung ihres gesamten Personals in den Schein durch die Behörden.99 Die IAL schlug daher für die Erarbeitung des Reichstheatergesetzes Folgendes vor:

  1. Der Wandergewerbeschein für Variété- und Zirkusunternehmer soll von der Heimatsbehörde oder von der Behörde des Aufenthaltsortes ausgestellt werden und zur Ausübung des Gewerbes innerhalb des gesamten Deutschen Reiches berechtigen.

  2. Die Bedürfnisfrage ist auszuschalten. An ihrer Stelle ist die Qualifikation des Nachsuchenden mit Bezug auf den beabsichtigten Betrieb in finanzieller Hinsicht genauer zu prüfen.

  3. Die Geltungsdauer des Scheines sollte sich auf ein Jahr vom Ausstellungstage erstrecken.

  4. Der Eintragung der Namen usw. der mitgeführten Personen bedarf es nicht, im Höchstfalle könnte die Eintragung der höchstzulässigen Anzahl der mitgeführten Personen gefordert werden.100

Die Gültigkeit des Wandergewerbescheins im gesamten Deutschen Reich hatte der Leipziger Artistenverband wie erwähnt bereits 1908 mit seiner Petition vom Reichstag gefordert.101 Ähnliche Forderungen stellte 1921, wie an späterer Stelle noch ausgeführt wird, auch der 1920 gegründete Allgemeine Circus-Direktoren-Verband (ACDV).

Die Denkschrift der IAL aus dem Jahr 1909 ging auch auf das insbesondere für Spielstätten ohne ‚höheres Kunstinteresse‘ bestehende Spielverbot an Sonn- und Feiertagen ein, das an späterer Stelle noch ausführlicher behandelt wird. Die IAL kritisierte die bundesweit divergierenden Bestimmungen und forderte stattdessen eine einheitliche Regelung beziehungsweise eine Beschränkung des Spielverbots auf den Karfreitag.102 Nicht zuletzt sollten – analog zu GDBA und DBV – auch Vertreter:innen aus dem Zirkus- und Varietébereich als Sachverständige bei Konzessionierungen herangezogen werden.103

Auch vonseiten des IVTDV war für den öffentlich-rechtlichen Teil des Reichstheatergesetzes eine Trennung von Varieté- und Tingeltangel-Konzessionen sowie die Abschaffung der „lächerlichen Unterscheidung“ von den sogenannten theatralischen Vorstellungen ohne und mit ‚höherem Kunstinteresse‘ gewünscht.104 Das Programm ließ außerdem verlauten, der Direktoren-Verband wolle, „dass in Städten, wo stabile Zirkusgebäude sich befinden, Wanderzirkusse nicht in Zelten spielen dürfen, sondern nur in stabilen Gebäuden“.105 Zugeschrieben wurde dieser Wunsch Sigmung Kohn, Direktor des Krystallpalastes in Leipzig. Über die Teilnahme Paul Buschs an der Reichstheater-Konferenz im Dezember 1911 merkte das Organ der IAL an:

Dir. Busch persönlich wohnte nur der ersten Sitzung bei; er überließ es dann seinem Anwalt [Paul Alexander-Katz, Anm. M. H.], weiter für die Vertretung der Zirkusinteressen zu sorgen. Es fiel übrigens fast allen Anwesenden auf, dass Prof. Katz eigentlich nicht die Zirkusinteressen im allgemeinen, sondern mehr die der zwei oder drei Zirkusunternehmer vertrat, die in festen, permanenten Gebäuden ihre Vorstellungen geben, und dass er dabei mehr als einmal gegen die Interessen der in Anzahl doch erheblich bedeutenderen großen Wanderunternehmen Stellung nahm.106

Mit Paul Alexander-Katz beziehungsweise seinem Fokus auf die Partikularinteressen schien die IAL, wie aus diesem Zitat hervorgeht, eher unzufrieden. Umso stärker wirkte hingegen ihre Euphorie über die Aussicht, sich an der Ausarbeitung des neuen Gesetzes beteiligen zu können. „Eine neue Aera“ wurde erwartet, in der „das Variété nun auch von Gesetzes wegen den ihm gebührenden Rang“ erhalten und von dem „Odium“ befreit werden sollte, „welches wegen seiner Konzessionierung aus § 33 a der R.G.O. bis zum heutigen Tage noch auf ihm ruht“.107 Die Organisation hegte außerdem die Hoffnung, dass „der Gummibegriff der Darbietungen ‚von höherem Interesse der Kunst und Wissenschaft‘“ gänzlich „aus dem Gesetz verschwindet“ oder zumindest „in einer Weise präzisiert wird, daß auch die untergeordneten Polizeibehörden sich über seine Anwendbarkeit klar werden können.“108 Im Dezember 1911 wurde die IAL wie bereits erwähnt ebenso wie der IVTDV tatsächlich zur Reichstheater-Konferenz eingeladen.109

Doch bereits kurz nach der Konferenz begann sich die Stimmung der Artistik-Verbände langsam zu trüben. Ungleich sei die Vertretung gewesen, die Abgesandten der GDBA und des DBV deutlich in der Überzahl.110 Im April 1912 war dann im Programm zu lesen, die IAL wage „nicht zu hoffen, daß der Regierungsentwurf zum Reichstheatergesetz die Abschaffung der Bedürfnisfrage vorsehen wird.“111 Für die Regulierung der Tingeltangel sei die Prüfung der Bedürfnisfrage gerechtfertigt, „aber für Variétés, Zirkusse und dergleichen moralisch nicht zu beanstandende Unternehmen muß die Bedürfnisfrage abgeschafft werden. Natürlich, die Regierung wird das nicht wollen.“112 Daher setze die IAL fortan auf den Reichstag.113 Und an die Regierung gewandt fragte die Interessenvertretung rhetorisch, ob denn „die Anwendung der Bedürfnisfrage gegenüber den aus § 33a zu konzessionierenden Unternehmen etwa die ‚höhere Kunst‘ fördern, also den Theatern die Variétékonkurrenz vom Leibe halten [soll]? […] war das die eigentliche Absicht der Regierung […]?“114 Bezüglich der rechtlichen Möglichkeiten für einen Einspruch im Falle der Ablehnung von Wandergewerbescheinen fragte die IAL weiterhin, ob „reisende Zirkusunternehmer, Schausteller u. dgl. denn Staatsbürger zweiter Klasse [sind], denen man das verfassungsgemäße Recht jedes anderen Bürgers, sein Recht bei Gericht zu suchen, nicht zugestehen braucht?“115

***

Der im Dezember 1912 veröffentlichte Entwurf des Reichstheatergesetzes sah für Paragraf 32 (der neuerdings nicht mehr Schauspiel-, sondern Bühnenunternehmer:innen adressierte) tatsächlich Zusatzabsätze vor, jedoch keine, die den Varieté- oder Zirkusunternehmen galten. Deren Zugang zu Konzessionen blieb in der Regierungsvorlage wie erwähnt nach Paragraf 33a geregelt, wobei neben der Bedürfnisfrage, die wie von der IAL erwartet von der Regierung nicht abgeschafft wurde, zusätzlich die Bonität der Aspirant:innen geprüft werden sollte.116 Die IAL äußerte sich dazu in ihrem Organ wie folgt:

Also: unser Wunsch läßt sich nach Meinung der Regierung erfüllen, indem man für die Variétés alle die ‚brankmarkenden‘ Vorschriften bestehen läßt, die ursprünglich für sittengefährende Betriebe geschaffen wurden; daran wird nichts geändert […]. Bloß, es werden nun für die Tingeltangel noch schärfere Kautelen vorgesehen! Das ist eine recht eigenartige Methode, unsere Wünsche zu ‚erfüllen‘.117

Über die Beibehaltung der Prüfung der Bedürfnisfrage war die IAL regelrecht empört, denn damit würden „bedenkenfreie Gewerbe der schrankenlosen Willkür der Behörden preisgegeben“, was „ungerechtfertigt und verfehlt“ sei.118 Die Besprechung des „neuen Konzessionsparagraphen“ endete denn auch mit einem enttäuschten „So hatten wir es uns nicht gedacht.“119 Der im Dezember veröffentlichte Entwurf des Reichtheatergesetzes sah für die reisende Theater betreffenden Paragrafen nur minimale Änderungen vor, die sich aus der Überarbeitung der Paragrafen 32 und 33 (RGO) ergaben.120 Offenbar bestand für die Regierung hier keinerlei Handlungsbedarf.

Im April 1914 war dann im Programm über den Entwurf des Reichstheatergesetz zu lesen:

Die Novelle hat scharfe Kritiken von allen Seiten und zwar nicht nur aus den Kreisen der Interessenten herausgefordert. Allgemein, vor allem auch in der Presse, wurde betont, daß dieser Entwurf lediglich eine Ausdehnung der Polizeibefugnisse bezwecke. Freunde scheint die Novelle fast nirgends, vor allem nicht bei den Majoritätsparteien des Reichstags, gefunden zu haben. […] Nach alledem scheint es ausgeschlossen, daß die Novelle in der vorliegenden Form – wenn überhaupt – ein Gesetz wird […].121

Der Internationale Verband reisender Schausteller und Berufsgenossen sah „den ganzen deutschen Schaustellerstand“ durch die von der Regierung geplante Novellierung der Paragrafen 33a und 33b der Reichsgewerbeordnung „mit dem Ruin bedroht.“122 Daher organsierte er laut einem Zeitungsausschnitt aus der Berliner Morgenpost vom 3. April 1914 eine Protestversammlung.123 Diese Maßnahme wurde jedoch wie gesehen schon bald hinfällig – der Entwurf blieb kriegsbedingt ein Entwurf.124

Richard Treitel, IAL-Syndikus und Theaterrechtexperte, hatte die Erfolgschancen der Artistiklobby bereits 1909 deutlich nüchterner betrachtet: Es läge in der Natur von Denkschriften, „daß man sich nicht auf das beschränkt, was erreichbar ist. Man wird ruhig sagen können, daß das in der Denkschrift Enthaltene nicht Gesetz werden wird. Das Gesetz soll ja nicht die Wünsche der einen Partei erfüllen. Es soll ein Ausgleich sein.“125 Tatsächlich glaube niemand daran, „daß wir in absehbarer Zeit ein Reichstheatergesetz bekommen werden“,126 schrieb Treitel damals in einem Aufsatz über das Gesetzesprojekt in der Schaubühne.

3.1.3 Aufwertung der „ehrenhaften“ Artist:innen, Abwertung der „unwürdigen Elemente“

Wie im Zusammenhang mit den Bemühungen der Artistik-Verbände bezüglich des Reichstheatergesetzes deutlich wurde, versuchten diese sich klar vom sogenannten ‚Tingeltangel-Unwesen‘ abzugrenzen und diese Differenzierung ebenfalls in den Theatergesetzen zu verankern.127 Bereits bei einer Zusammenkunft deutscher Varietédirektor:innen im Jahr 1895 hatte der Punkt „Was ist zu tun, um den Ausdruck ‚Tingel-Tangel‘ von dem Spezialitäten-Theater abzulösen, da die Regierung laut Gewerbeordnung einen Unterschied nicht kennt“ auf der Agenda gestanden.128 Die IAL wollte das Ansehen der Artist:innen wie einleitend erwähnt durch eine „Bekämpfung unwürdiger Elemente“ und „unwürdiger Zustände“ verbessern und nahm entsprechend keine Künstler:innen auf, die an Tingeltangel-Bühnen arbeiteten.129 Laut Paragraf 1 der Statuten sollte die IAL „der Sammelpunkt für alle ehrenhaften Artisten sein“, welche „ernstlich für die Wahrung der moralischen und materiellen Interessen ihres Standes“ eintraten.130 Denn die IAL hatte es „sich insbesondere zur Aufgabe gemacht, die geschäftlichen und sonstigen Missbräuche zu bekämpfen, unter welchen die Artisten bisher zu leiden hatten.“131

In Paragraf 2 wurde erklärt, dass „Mitglied […] jeder Artist werden [kann], der selbstständig thätig ist, dem Artistenstande seit mindestens sechs Monaten angehört, auf Variétébühnen und in Circussen, nicht aber in Tingel-Tangeln auftritt“.132 Um dies sicherzustellen, verlangte der Vorstand der IAL bis 1909 einen Gagennachweis von 500 beziehungsweise später 300 Mark pro Monat.133 Der Paragraf präzisierte außerdem, dass weibliche Artist:innen „ebenfalls Mitglieder der Loge werden“ können, „jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sich ihre Thätigkeit ausschließlich auf artistischem Boden bewegt“.134 Stimm- und Wahlberechtigung erhielten sie indes nicht, auch durften sie nicht an den Mitgliederversammlungen teilnehmen.135 Mit der Formulierung, das Tätigkeitsfeld der weiblichen IAL-Mitglieder müsse sich auf den „artistischen Boden“ beschränken, wurde vermutlich versucht, Artist:innen von der Prostitution abzuhalten beziehungsweise derartige Vorurteile zu entkräften.

Doch nicht nur um eine klare Abgrenzung gegenüber dem ‚Tingeltangel-Unwesen‘ waren die Artistik-Verbände bemüht, sondern auch um eine Aufwertung ihres Schaffens im öffentlichen Diskurs. „Aus den Gauklerbuden von anno einst und den Singspielhallen der 60er und 70er Jahre“ seien, so die Internationale Artisten-Zeitung im September 1901, „Weltvariétés entstanden mit ihrer majestätischen Pracht und der Schönheit ihrer Darbietungen.“136 Die Fertigkeiten der Gaukler und Vaganten hätten sich „[m]it erstaunlicher Schnelligkeit, in verblüffender Art […] zu idealer Kunsttätigkeit entwickelt und objektiv Denkende werden auf einzelne Darbietungen der heutigen Spezialitätenbühne das Wort ‚Kunst‘ in seiner vollen Bedeutung anwenden.“137 Laut einem Artikel im Programm aus dem Jahr 1921 mit der Überschrift „Artistenkultur“ sollten die Artist:innen „[e]rstens als Künstler, dann als ein der Bildung und einer korrekten Lebensführung zustrebender Mensch“ fortan „in geordnetere, hoffentlich auch gesichertere Verhältnisse [emporsteigen].“138 Um das Ansehen der Artist:innen in der Öffentlichkeit aufzuwerten, wurde also auch versucht, ihr Schaffen als ernstzunehmende Kunst zu legitimieren.

Aufgewertet werden sollten ‚niedere‘ Schaustellungen zudem „durch Einschiebung interessanter wissenschaftlicher Demonstrationen und Experimente“ oder „durch Zuhilfenahme der dramatischen Kunst“.139 Auf diese Weise könne gleichsam „die Allgemeinbildung der Zuschauer auf ein höheres Niveau“ gebracht beziehungsweise ihre „ästhetische Bildung“ verbessert werden.140 In einem Beitrag im Organ aus dem Jahr 1909 mit dem Titel „Das Variété als Erzieher“ ist in diesem Zusammenhang zu lesen: „Wenn es vor dreißig oder auch nur zwanzig Jahren einem Menschen eingefallen wäre, von den erzieherischen Qualitäten des Variétés und Artistentums zu sprechen, man hätte den guten Mann verlacht, …und nicht einmal mit Unrecht!“141 Damals sei das Varieté eine „Stätte seichter und abenteuerlicher Unterhaltungssucht“ gewesen – nun sei es jedoch dabei, „eine Kulturaufgabe zu erfüllen.“142

An zahlreichen Stellen im Artist wie auch im Programm wurde die Tätigkeit der Artist:innen nicht nur als durch das harte tägliche Training äußerst anstrengend beschrieben, sondern auch als ein „beständiges Grübeln um neuartige Produktionen“.143 Man bemühte sich also, die geistige Beanspruchung beim artistischen Schaffen hervorzuheben. In einem Programm-Artikel von 1921 wird dies besonders deutlich:

Mit nachstehenden Ausführungen […] möchte ich den Beweis führen, daß Akrobaten doch wohl nicht so geistesarm sind, wie man in sehr nahestehenden Kreisen oft behauptet. Gewiß ist die Akrobatik eine schwere physische Arbeit, die tägliche, stundenlange Uebung und Training unbedingt erheischt […]. Aber nie wird ein Akrobat etwas Außerordentliches und Bedeutendes erreichen, wenn er kopf- und sinnlos, nur mit roher Gewalt drauflos probiert. […] Daß dazu doch wohl Geist und etwas mehr als physisches Können gehört, wird wohl schon ein Laie begreifen.144

Diese geistreichen, schöpferischen Artist:innen wurden gegenüber sogenannten Kopist:innen, denen man unterstellte, bloß die Tricks ihrer Kolleg:innen nachzuahmen, zu Vorbildern stilisiert.145 In der jungen Artistik-Fachpresse entstand so ein Legitimationsdiskurs, innerhalb dessen ein Artistik-Idealbild konstruiert wurde: Beim täglichen Proben und Trainieren sollten sie an ihrer Kunstfertigkeit arbeiten und durch den Einsatz ihres Geistes neue Nummern und Tricks erfinden, auch wenn dafür schlaflose Nächte eingelegt werden mussten.146 Derartige Artist:innen wurden zum Gegenbild von Künstler:innen, die vermeintlich „nichts weiter zu tun haben, als im strahlenden Lampenlicht ihre bejubelten Tricks vorzuführen.“147 Dieser Aufwertungsdiskurs besaß somit auch eine disziplinierende Funktion.

***

In den Akten der Berliner Theaterpolizei findet sich eine längere Korrespondenz zwischen der Behörde und den Artistik-Verbänden zu einer angemessenen Definition des sogenannten Tingeltangels. Einem darin enthaltenen Zeitungsausschnitt aus der Internationalen Artisten-Zeitung vom 22. Juni 1901 ist zu entnehmen: „Wegen Unklarheit in dem Begriff ‚Tingel-Tangel‘ soll der Vorstand [der IAG, Anm. M. H.] Bescheid darüber geben, wo die Grenze zwischen diesem und Variété zu ziehen sei, da die Ansichten hierüber zu verschieden und die Bezeichnung ‚Tingel-Tangel‘ zu dehnbar ist.“148 Und über eine mündliche Besprechung der Behörde mit Leo Herzberg, Vorstandsmitglied der neugegründeten Artistenloge, ist in den Akten eine Notiz vom 5. Dezember 1901 zu finden, laut welcher Herzberg erklärt habe,

daß seiner Ansicht nach folgende Definition des „Tingeltangel“ die richtige sei: Öffentliches Vergnügungslokal, in welchem das sog. Unterhaltungsprogramm hauptsächlich durch Damenkräfte bestritten wird u. in welchem die Bedienung des Publikums durch Kellnerinnen erfolgt.149

Herzberg wollte der Notiz zufolge die Thematik in der darauffolgenden Mitgliederversammlung der IAL besprechen und wurde gebeten, der Behörde das Ergebnis zukommen zu lassen.150 So geschah es denn auch: Am 17. Dezember 1901 wurde von der IAL folgende ausführliche Begriffsbestimmung beschlossen und an das Polizeipräsidium geschickt:

‚Ein Tingel-Tangel ist gewöhnlich ein Local, in welchem Vorträge hauptsächlich lasciver Natur (durch Wort oder Geste), meist von weiblichen Personen, ausgeführt werden, in welchem das Entrée meist frei oder minimal ist, so dass der Gagenetat zum allergrössten Theil aus dem Verdienst an der Consommation bestritten wird, dessen Publicum fast ausschließlich männlichen Geschlechts ist, dessen Bühne meist nur aus einem Podium besteht, dessen Musikbegleitung fast stets nur durch einen Pianisten ausgeführt wird, dessen Besucher durch sogenanntes Animiren oder durch Getränkezwang zur Consommation fast gezwungen werden, und in denen die Bedienung gewöhnlich durch Kellnerinnen geschieht; ausserdem ist es in vielen Tingel-Tangeln, hingegen niemals im Variété, Praxis, dass die gerade nicht beschäftigten Darstellerinnen trotzdem zwangsweise auf der Bühne Platz nehmen oder mit den Gästen im Auditorium sitzen müssen.‘151

Im Juli 1903 hielt die Berliner Polizeibehörde ihrerseits folgende Merkmale von Tingeltangeln fest, von deren Veröffentlichung „in den Amtlichen Nachrichten“ jedoch „mit Absicht abgesehen“ wurde:152

  1. Auftreten weiblicher Personen in Kostümen auf einem Podium oder einer Bühne.

  2. Vorträge, welche durch Worte, Vortragsart oder Gebärden schlüpfrig oder zweideutig wirken.

  3. Zur Schau-Sitzen der auftretenden weiblichen Personen auf dem Podium bzw. der Bühne oder Aufenthalt dieser Personen im Zuschauerraum und Verkehr derselben mit Gästen.

  4. Freier Eintritt oder nur geringes Eintrittsgeld.

  5. Bedienung der Gäste durch Kellnerinnen und Animieren der Gäste durch diese, eventuell auch durch Sängerinnen. […]153

Diese polizeiinterne Definition, die sich recht offensichtlich an der IAL-Resolution vom 17. Dezember 1901 orientierte, steht im Zusammenhang mit einer Anweisung des Berliner Polizeipräsidenten vom 15. April 1903. Darin beauftragte letzterer eine Spezialeinheit der Polizei mit der Überwachung von „Varietes, Tingeltangeln und Tanzlokalen zweifelhaften Charakters“.154 Laut der Anordnung, die im folgenden Unterkapitel ausführlicher besprochen wird, sollten die Überwachungsbeamten insbesondere darauf achten, „ob Lieder, deklamatorische Vorträge und dergl. anstössigen Inhalts vorgetragen werden“ und „ob die Auftretenden durch Kostüme, Gebärden und dergl. anstössig wirken“, aber auch „ob Kellnerinnen oder Sängerinnen mit den Gästen zusammen sitzen und zechen oder die Gäste zum Trinken animieren“.155

Die IAL hatte der Polizeibehörde also eine Definition geliefert, die nicht nur zur Überwachung der Tingeltangel-Spielstätten, sondern auch der Varietés diente. Dabei hatten die Artist:innen das genaue Gegenteil bezweckt. Sie hatten versucht, „die Behörden auf den Standpunkt zu bringen, dass ein Unterschied anerkannt wird“.156 Denn die Artist:innen hatten, wie in besagter Mitgliederversammlung vom 17. Dezember 1901 festgehalten wurde, „schon seit langer Zeit darunter zu leiden, dass in den Augen der Behörden jedes noch so gute Varieté als Tingeltangel gilt.“157 Aus diesem Grund laufe „der anständige Artist Gefahr, in Misskredit zu gerathen, wie es ja theilweise auch schon geschehen ist.“158 Der IAL wäre es daher überaus recht gewesen, „dass die ordinären Locale vom Erdboden verschwinden, denn die Personen, die in denselben ihre Vorträge halten, nennen sich insgesammt Artisten, ohne es wirklich zu sein.“159

Die Redaktion des Artist hatte bereits im Mai 1897 ihre Freude über die „werthvolle Unterstützung“ im „schweren Kampfe gegen die Unzucht auf dem Variété […] durch den Verein zur Hebung der öffentlichen Sittlichkeit in Hamburg“ geäußert.160 Wohlbemerkt würde der Verein zwischen „wirklichen Artisten“ und der „Schmarotzerwelt, die sich seit drei, vier Jahren bei uns eingenistet“ habe, klar zu unterscheiden wissen.161 Die Sittlichkeitsvereinigung habe „soeben eine Brochüre erscheinen lassen, in welcher gegen das Bühnen-Cocottenthum, diese Pestbeule, an welcher momentan das Artistenthum krankt, mit der denkbar grössten Schärfe vorgegangen wird.“162 Der Hamburger Verein zur Hebung der öffentlichen Sittlichkeit engagierte sich also, ebenso wie die evangelische Berliner Kreissynode, im Namen von Sitte und Moral gegen das „Bühnen-Cocottenthum“, das sich nach Auffassung der Sittlichkeitsbewegung um 1900 gleich einer Epidemie in den Städten verbreitete und die gesellschaftliche Ordnung gefährdete.

3.2 Berliner Kreissynode und Sittlichkeitsbewegung gegen Tingeltangel und Varieté

Um die Jahrhundertwende erreichte die seit den 1880er Jahren erstarkende und maßgeblich von Organen der evangelischen Kirche, christlichen Vereinen und einzelnen Geistlichen geprägte Sittlichkeitsbewegung ihren Höhepunkt. Unterstützt wurde die Bewegung von diversen antiurbanen, antimodernen, völkischen sowie kulturkritischen Aktivist:innen, die sich im Kampf gegen ‚die Unsittlichkeit‘ vereint sahen. ‚Sittlichkeit‘ hatte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem komplexen und zentralen Begriff der bürgerlichen Sexualmoral entwickelt.163 Die Sittlichkeitsbewegung formierte sich im Kontext der Urbanisierung und den damit einhergehenden Veränderungen. Die Lebensrealitäten in modernen Städten standen in einem großen Spannungsverhältnis zu traditionellen wie auch bürgerlichen Werten, Moralvorstellungen und Lebensweisen.164 Eine in der Reichshauptstadt zentrale Akteurin war die evangelische Berliner Kreissynode, eine Art Lokalparlament der evangelischen Kirche.165 „Die Unsittlichkeit hatte“, wie die Historikerin Isabell Lisberg-Haag in ihrer Studie schreibt,

unzählige schädliche Erscheinungsformen, die den Bestand der Gesellschaft gefährden konnten: Sittliche Gefahren des Seemann- und Studentenlebens […], die Homosexuellenfrage, die Rolle und Aufgabe der Frau, Großstadt und Unsittlichkeit, Schmutz- und Schundliteratur, Theater und öffentliche Belustigungen, Kellnerinnenfrage, ledige Mütter und uneheliche Kinder, Geburtenrückgang.166

Die Sittlichkeitsbewegung richtete sich demnach auch gegen sogenannte Vergnügungsetablissements.167 Diese Spielstätten wurden von den Hüter:innen der ‚Sittlichkeit‘ mit Laster und Prostitution assoziiert, als bedrohlich für die gesamte Gesellschaft wahrgenommen und entsprechend pathologisiert.168 Ausdruck fanden die Anliegen der Bewegung unter anderem in zahlreichen um 1900 publizierten Anstands- und Benimmbüchern.169

In den Reichstagsprotokollen finden sich im Zeitraum der 1890er Jahre diverse Petitionen von unterschiedlichen Sittlichkeitsvereinen, die versuchten, die Gesetzgebung zur Einschränkung von ‚Unsittlichkeit‘ zu bewegen.170 Es war auch die Zeit der sogenannten Lex Heinze, benannt nach dem in einen Mordfall und Zuhälterei verwickelten Berliner Ehepaar Gotthilf und Anna Heinze. Dieses Sittlichkeitsgesetz beziehungsweise die damit verbundene Verschärfung mehrerer Paragrafen des Reichsstrafgesetzbuches richtete sich gegen Prostitution, Zuhälterei sowie die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten und wurde ab 1892 im Reichstag diskutiert und vornehmlich von der katholischen Zentrumspartei vorangetrieben. Verabschiedet wurde die Gesetzesnovelle jedoch erst am 25. Juni 1900.171

Der Gesetzesentwurf beabsichtigte auch, „der Sittlichkeit einen erhöhten Schutz dadurch angedeihen zu lassen, dass er den Kreis der Gefahren, welche durch unzüchtige Abbildungen und dgl. heraufbeschworen wurden, durch eine Erweiterung des § 184 [des Reichsstrafgesetzbuches, Anm. M. H.] einzuengen bestrebt war“.172 Damit sollte „prophylaktisch das Übel gleichsam an der Wurzel“ gepackt werden.173 Der vor allem von der Zentrumspartei und den evangelischen Abgeordneten befürwortete Paragraf 184 wurde auch als ‚Theaterparagraf‘ bekannt, denn er bezog sich nicht nur auf Schriften und Abbildungen, die als ‚unsittlich‘ eingestuft wurden, sondern auch auf entsprechende szenische Darstellungen.174

Unter Theatervertreter:innen sorgte die geplante Verschärfung dieses Paragrafen für Aufsehen und Protest, da befürchtet wurde, die Zensur könnte dadurch noch strenger werden.175 So war etwa 1898 im Organ der GDBA als Kommentar zu den Gesetzesverhandlungen zu lesen, dass „[d]er Kampf gegen ‚Unsittlichkeit in Theater und Literatur‘ […] gegenwärtig von unseren Muckern mit großem Eifer geführt [wird]“.176 Auch die im Jahr 1900 im Zusammenhang mit den Debatten um die Einführung der ‚Lex Heinze‘ gegründeten Goethe-Bünde richteten ihren Protest gegen diesen ‚Theaterparagrafen‘.

Die erhoffte Verschärfung von Paragraf 184 des Reichsstrafgesetzbuches schaffte es letztlich nicht durch das Parlament und die im Mai 1900 verabschiedete Novelle war weitaus weniger streng als der ursprüngliche Entwurf. Dennoch hielten dessen Ideen nach 1890 Einzug in die Praxis – in Form von polizeilichen Maßnahmen, strenger Zensur und entsprechenden Gerichtsentscheiden.177

Der Entwurf des ‚Theaterparagrafen‘ führte zwar einerseits zu Widerstand seitens der Literaturtheater-Vertreter:innen. Andererseits überschnitten sich die Argumentationsmuster der Sittlichkeitsbewegung und der Bühnenverbände jedoch auch teilweise. So unternahm, wie im zweiten Kapitel ausführlich besprochen, auch die Literaturtheater-Lobby im Namen von Sitte und Moral Vorstöße gegen die konkurrierenden ‚niederen‘ Theaterformen. Und der treibende Verband der Artist:innen, die IAL, wandte sich zur „Förderung des Ansehens der Artistenschaft, des Artistentums und der Artistik in der Oeffentlichkeit“ ebenfalls gegen „unwürdige Elemente im Artistenstand und unwürdige Zustände im Artistenberufe wie zum Beispiel […] des Tingeltangel-Unwesens“.178 Damit bewegte sich die IAL in einem komplexen Diskursfeld, denn zum ‚Tingeltangel‘ zählten aus Perspektive der Sittlichkeitsbewegung im Allgemeinen und der Berliner Kreissynode als prägender lokaler Akteurin auch die Varietétheater. Die Berliner Kreissynode ging mit ihren Vorstößen gegen ‚Tingeltangel‘ um 1900 zwar nicht explizit gegen Zirkusunternehmen oder Zirkusartist:innen vor, sehr wohl aber gegen ihre Praxis, die von der Sittlichkeitsbewegung als Teil einer für verderblich befundenen Vergnügungs- und Unterhaltungskultur betrachtet wurde. Vonseiten der Artistik-Verbände wiederum wurden diese Vorwürfe und Unterstellungen auf das Tingeltangel-Gewerbe verschoben, mit dem sie nichts zu tun haben wollten. Aber was genau war eigentlich ‚Tingeltangel‘?

3.2.1 „Wer denkt angesichts solcher Praktiken nicht an den Ausdruck ‚Tingelbordell‘?“

Gegen das „Unwesen der sogenannten Singspielhallen (Tingeltangel etc.)“ hatte sich 1882 die Regierungsvorlage für den Zusatzparagrafen 33a der Reichsgewerbeordnung gerichtet.179 Und wie im zweiten Kapitel gesehen waren sich die Reichstagsabgeordneten aller politischen Lager darin einig, dass den Tingeltangeln der Garaus gemacht gehöre. Laut Aussagen des deutschkonservativen Abgeordneten Karl Gustav Ackermann waren Tingeltangel im Jahr 1879 Orte der „gröbsten Art von Unsittlichkeit und Sinnlichkeit“ und „Tummelplätze der Frivolität“.180 Darüber, was in den Tingeltangeln genau vonstatten ging, wurde im Reichstag geschwiegen – es schien jedoch allen Anwesenden bekannt zu sein.

Der Begriff ‚Tingeltangel‘ erfuhr laut dem Kulturwissenschaftler und Varieté-Experten Wolfgang Jansen durch die im zweiten Kapitel ausführlich besprochene und um 1900 vielfach rezipierte Schrift Das deutsche Theater und seine Zukunft (1876) des Staatsbeamten Ludwig Hahn große Verbreitung.181 Der Autor hielt darin fest, dass es sich die Berliner Polizei zur Aufgabe gemacht habe, das „entsittlichende Treiben“ der lediglich „äußerlich in Theater umgewandelten Cafés chantants und sogenannten ‚Tingel-Tangels‘“ in die „Schranken“ zu weisen.182 Laut Jansen brachte „Hahn […] damit den entscheidenden Begriff in die Debatte ein, der sich alsbald verselbstständigte und in der Folgezeit u. a. von Journalisten der Wochen- und Monatsschriften […] aufgegriffen wurde.“183 Der genaue Ursprung des Wortes ist jedoch unklar.184

Auf jeden Fall wurde ‚Tingeltangel‘ als abwertende Zuschreibung für bestimmte Theaterformen, Spielstätten oder Aufführungen verwendet, die ihre Blütezeit parallel zum Aufstieg der Arbeiter:innenbewegung erreichten.185 Bereits im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden, etwa in Zeitungen, unterschiedliche Erklärungsversuche für die Bedeutung des Begriffs unternommen:186 „Alle Berichte verbindet, dass ‚Tingeltangel‘ beschrieben werden als gastronomische Stätten mit vorwiegend musikalischen Programmen, dargeboten auf einer Bühne in einem ungezwungenen Rahmen, bei zumeist freiem Eintritt.“187 Somit wurde der Begriff vornehmlich für Singspielhallen (die deutsche Bezeichnung für die französischen Cafés chantants beziehungsweise die britischen Music Halls) und Varietés verwendet,188 war aber „in der Regel mit unmoralischem Auftreten der Sängerinnen oder Artistinnen und Prostitution verknüpft.“189 Die Berliner Theaterpolizei nutzte ab 1903 intern folgende Arbeitsdefinition:

Ein Tingeltangel (Café chantant) […] ist eine Singspielhalle, in welchem die ganze Betriebsführung einschließlich der Art, wie die Aufführungen veranstaltet werden, darauf abzielt, durch sinnliche Anreizung und Ausbeutung des Leichtsinns, insbesondere vermittels ‚Animierens‘ dem Wirt eine möglichst hohe Einnahme aus dem Consum von Getränken zu verschaffen.190

Die Denkschrift der IAL aus dem Jahr 1909 zitierte ihrerseits ein Gerichtsurteil vom Oktober 1904, in dem ‚Tingeltangel‘ wie folgt definiert wurde:

‚Nach dem vulgären Sprachgebrauch stehen die Tingeltangel (und Café chantants) am nächsten den Veranstaltungen, die als Spezialitätentheater (Variétés) bezeichnet zu werden pflegen. […] Wenn das Unternehmen bezweckt oder geeignet ist, Besucher dadurch anzulocken oder festzuhalten, daß ihre niederen Triebe, insbesondere die Geschlechtslust erregt wird, dann ist dieses Unternehmen ein Tingeltangel. Der Begriff Tingeltangel ist also zu definieren: Gewerbsmäßige Darbietungen von fester Betriebsstätte, bestehend in Musikvorträgen, insbesondere Vokalmusik, Deklamationen, Tänzen, kleineren Schau- oder Singspielen, bei denen ein höheres Interesse der Kunst nicht obwaltet und die geeignet sind, sei es durch ihren Inhalt, sei es durch die Art der Ausführung, die niederen Triebe, insbesondere die Geschlechtslust der Zuschauer zu erregen.‘191

Diese negativen Konnotationen wurden auf diverse Spielstätten der vergnüglichen Theaterformen übertragen und so wurde ‚Tingeltangel‘ zu einem regelrechten Kampfbegriff.192 Es ist daher kaum verwunderlich, dass das Programm mit Verweis auf einen Prozess in Nürnberg im Jahr 1910 notierte: „Wer denkt angesichts solcher Praktiken nicht an den Ausdruck ‚Tingelbordell‘ […]?“193

Im Zusammenhang mit dem ‚Tingeltangel‘ lässt sich wiederum das Konzept der Parasexualität fruchtbar machen, also die Idee einer geregelten Inszenierung von Sexualität in der Öffentlichkeit im Rahmen der rigiden, aber zugleich doppelbödigen bürgerlichen Sexualmoral des 19. Jahrhunderts.194 Auf den als ‚Tingeltangel‘ bezeichneten Bühnen spielten weibliche beziehungsweise weiblich gelesene Künstler:innen mit den erotischen Erwartungen des Publikums – zumindest wurde ihnen dies unterstellt –, auch indem sie für die damalige Zeit außerordentlich viel Haut und Körper zeigten. Dies zog einerseits die Kritik des (Bildungs-)Bürgertums, der Sittlichkeitsbewegung und anderer konservativer Kräfte auf sich. Andererseits sorgte es um 1900 aber auch für offene und große Faszination bei den Angehörigen einer anti-bürgerlichen, künstlerischen Avantgarde.195

Worum es im Konkreten ging, macht ein Fall aus dem Jahr 1908 deutlich: Laut dem Prager Tagblatt verklagte die Varieté-Artistin Mme She (Martha Hein) den „bekannten Vorkämpfer der Sittlichkeitsbewegung“ Reinhard Mumm, ein in Berlin wohnhafter Pastor (und ab 1912 Reichstagsabgeordneter), „weil er sie in einer Polemik gegen ihre Vorführung als ‚Dirne‘ bezeichnet hatte.“196 Laut dem Programm handelte es sich bei der Polemik um einen von Mumm verfassten Zeitungsartikel vom November 1907.197 Über die Darbietungen von Mme She ist in diversen Berichten zu lesen, dass sich die Künstlerin mit ihrem mit bronzener Farbe bemaltem Körper in unterschiedlichen Tableaux vivants inszeniert und „berühmte Plastiken“ nachgestellt habe,198 die nicht nur in Berlin, sondern auch in Wien die Aufmerksamkeit der Sittlichkeitshüter:innen auf sich gezogen hätten.199 Mme She war keinesfalls die einzige Betroffene: Immer wieder wurden weibliche oder weiblich gelesene Künstler:innen von (mehrheitlich männlichen) Sittlichkeitsverfechter:innen für ihre Darbietungen angegriffen.200 Nachdem Mumm von der Künstlerin verklagt worden war, wandte er sich an das Direktorium der IAG, um ein „Sachverständigengutachten“ über die Darbietungen von Mme She einzuholen.201 In dem von Alex Hönig verfassten Gutachten heißt es: „Weder die Darbietungen der Madame She noch die dieselben ankündigenden Plakate zielen auf Reizung der Sinnlichkeit ab; bei der Feinheit der Darstellung vermag solche ueberhaupt nicht aufzukommen.“202 Die IAG stellte sich also hinter die international tourende Künstlerin und befand ihre Sittlichkeitsfragen provozierenden Darbietungen nicht für problematisch. Wäre ihr Körper auf der Bühne nicht bronziert und in einer Pose fixiert gewesen, sondern gänzlich nackt und in Bewegung, hätte es sich hingegen mit Sicherheit auch für die IAG um eine ‚unzüchtige‘ Darbietung gehandelt.203 Vertreten durch einen Anwalt ließ der durch die Künstlerin angeklagte Sittlichkeitsverfechter schließlich im Programm seine öffentliche Entschuldigung abdrucken.204

Der angeklagte Pastor und Politiker Reinhard Mumm spielte eine bedeutende Rolle bei der Einführung beziehungsweise dem Ausbau des sogenannten Gesetzes gegen Schmutz und Schund, das zum Schutz der Jugend literarische Publikationen prüfen und indizieren sollte. Er war außerdem Leiter der Evangelischen Hauptstelle gegen Schund und Schmutz und gehörte verschiedenen weiteren evangelischen Bündnissen an.205 In der Reichshauptstadt war die evangelische Kreissynode um 1900 eine führende Akteurin der Sittlichkeitsbewegung, die mehrfach, auch auf politischem Weg, gegen die Spielstätten und Praxis der Artist:innen vorging.206

3.2.2 „Was kann die Kirche thun, um den üblen Einfluß der Varietétheater wirksamer zu bekämpfen?“

Unter der Überschrift „Kirche und Variété“ erschien im Programm im Mai 1910 ein Beitrag, der sich über das oben umrissene Engagement religiöser Sittlichkeitsvertreter:innen ereiferte. In Preußen würden „die päpstlich Gesinnten mit den Anhängern der evangelischen Synode Hand in Hand die freie Kunst und Wissenschaft knebeln“, und „statt dem religiösen Frieden zu dienen“ würden sie „gegen den ‚unchristlichen Geist der Zeit‘“ – gemeint war die Kultur der modernen Städte – „als Hauptursache des sittlichen Niederganges hetzen“.207 In der Reichshauptstadt habe „die evangelische Synode und bündlerische Propaganda zur Abwehr der sittenverderbenden Kunst schon seit Jahren einen Kreuzzug inszeniert und ihre Hetzapostel namentlich gegen das Variété-Babel angeeifert“ und dabei auch „die pietistische Presse und orthodoxen Zeloten des Parlaments für ihre Zwecke“ gewinnen können.208

Während die Angehörigen der katholischen Kirche im Reichstag durch die Zentrumspartei vertreten und aufgrund des ‚Kulturkampfs‘ in Verbänden organisiert waren, hatte der Protestantismus keine parteipolitische Vertretung auf Reichsebene. Nichtsdestoweniger konnte, wie in dem gerade zitierten Programm-Artikel bereits angedeutet, beispielsweise die Berliner Kreissynode politische Erfolge in ihrem Kampf gegen die „sittenverderbende Kunst“ verbuchen.209 Neben den Synoden gab es auch diverse evangelische Vereine, die sich gegen ‚Unsittlichkeit‘ und auch konkreter gegen Alkoholkonsum oder Prostitution engagierten.210

Sowohl die evangelischen Synoden als auch die Vereine versuchten, sich auch auf Reichsebene einzubringen. So wandte sich der Vorstand der Kreissynode Berlin II beziehungsweise ihre Sittlichkeits-Kommission am 26. Mai 1903 mit einer Petition an den Reichstag. Darin wurde „eine erneute Prüfung der einschlägigen strafgesetzlichen Bestimmungen“ gefordert, damit „den Verwaltungs- und Gerichtsbehörden schärfere gesetzliche Handhaben zur Unterdrückung schlechter Literatur- und Kunsterzeugnisse (wir verweisen besonders auf Witzblätter und dergleichen) gegeben werden.“211 Die Petition wurde am 12. Mai 1905 im Reichstag besprochen.212 Der Abgeordnete Hermann Roeren von der Zentrumspartei unterstützte das Anliegen der Berliner Kreissynode und äußerte sich dazu folgendermaßen:

Nun, meine Herren, können Sie doch nicht bestreiten, daß tatsächlich die Literatur in unangenehmer Weise nach der Richtung des Schmutzes sich bei uns entwickelt hat, und daß sie eine ungeheure Verbreitung gefunden hat. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) – Ja, meine Herren, Sie bestreiten das. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)213

Auf den Protest der Sozialdemokraten erwiderte er, dass „das bisherige Einschreiten der Behörden, der Polizei und des Staatsanwalts auf Grund der Sittlichkeitsgesetze […] keine genügende Abhilfe geschaffen“ habe.214 Das liege auch an der „Zaghaftigkeit der Polizei auf diesem Gebiete.“215 Trotz heftigem Widerspruch von der linken Seite des Saales wurde der Antrag der Kommission, die Petition dem Reichskanzler zur Berücksichtigung zu überweisen, von einer Mehrheit des Parlaments angenommen.216

Für dasselbe Anliegen setzten sich auch der Katholische und der Deutsch-evangelische Frauenbund, der Katholische Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder und einige weitere Vereinigungen ein. Sie wandten sich am 22. Januar 1906 an den Reichstag mit der Bitte,

durch gesetzgeberische Maßnahmen die Möglichkeit zu schaffen, durchgreifender und schärfer, als dies heute geschehen kann, die Herstellung, Anpreisung und den Verkauf unsittlicher und das Schamgefühl verletzender Schriften, Bilder, Photographien und anderer Darstellungen strafrechtlich zu verfolgen […].217

Obwohl oder gerade weil dieser Teil der ‚Lex Heinze‘, der sogenannte Theaterparagraf (§ 184 des Reichsstrafgesetzbuchs), im Jahr 1900 nicht verabschiedet worden war, hielten die Sittlichkeitsverfechter:innen an dem Anliegen fest. Im Jahr 1908 wandte sich auch der Volksbund zur Bekämpfung des Schmutzes in Wort und Bild mit einer Petition gegen die Publikation und Verbreitung von ‚unsittlichen‘ Bildern und Schriften an den Reichstag.218

Diese Vereine und Verbände gingen nicht nur mittels Petitionen auf dem parlamentarischen Weg gegen ‚Unsittlichkeit‘ vor. Das im ersten Kapitel besprochene Inszenierungsbeispiel, die Zirkuspantomime Babel, die 1903 bei Circus Schumann aufgeführt wurde, trug ursprünglich den Titel Babel und Bibel, durfte aber wie erwähnt nach der Premiere aufgrund einer polizeilichen Verfügung nur noch Babel genannt werden (s. Kapitel 1.3.2).219 Einem in den Akten der Theaterpolizei überlieferter Zeitungsausschnitt aus der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vom 3. Dezember 1903 ist diesbezüglich Folgendes zu entnehmen: Der (vermutlich der Berliner Parochialkirche angehörende) Positive Parochialverein der Lazarusgemeinde habe beschlossen, „beim Herrn Polizeipräsidenten dahin vorstellig zu werden, daß der Titel des neuen Manegeschaustückes des Zirkus Schumann Babel und Bibel, das in weiten Kreisen der Berliner Bevölkerung Anstoß und großes Aergernis hervorgerufen hat, geändert“ werde.220

Laut einem weiteren archivierten Zeitungsbericht aus der Welt am Montag vom 14. Dezember 1903, der sich über das „Gebahren der frommen Herren“ mokierte,221 wurde Albert Schumann bezüglich der Streichung des Wortes ‚Bibel‘ aus dem Titel bereits zum dritten Mal zur Theaterpolizei gebeten. Schon im Vorfeld der Vorladung habe sich der Zirkusdirektor „dazu bequemen“ müssen, „seinen Entwurf von allen biblischen Reminiszenzen zu befreien“.222 Denn „nach dem bekannten Paragraphen“ war es nicht erlaubt, „Stücke biblischen Inhalts“ aufzuführen.223 Daraufhin sei das Stück „in der revidierten Form in Szene“ gegangen, doch „nicht lange, da wurde der Direktor abermals auf die Polizei zitiert. Der Dezernat […] [mußte] Schumann die Mitteilung machen […], daß mit Rücksicht auf gewisse kirchliche Kreise die Darstellung der Paradiesszene in der bisherigen Art unzulässig sei.“224 Abschließend hielt die Redaktion fest: „Befremdlich ist bei dieser Angelegenheit die Tatsache, daß die Polizei, berufen lediglich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, nunmehr sich auch in den Dienst des Muckertums begeben hat.“225

Der strenge Umgang mit biblischen Darstellungen auf der Bühne wurde in Preußen durch verschiedene und seit Beginn des 19. Jahrhunderts bestehende ministerielle Erlasse geregelt.226 Per ministerielle Verfügung war am 19. April 1901 sogar ein Verbot für die öffentliche Aufführung von Stoffen aus der biblischen Geschichte eingeführt worden.227 Nach einer Entscheidung des preußischen Oberverwaltungsgerichts im Januar 1903 konnten allerdings „lediglich die Art und Weise, wie der biblische Stoff verwertet worden ist und die äusseren Umstände, unter denen dies geschieht, ein polizeiliches Einschreiten […] rechtfertigen.“228 Albert Schumann kannte das Gerichtsurteil womöglich und bewegte sich mit seiner Ende 1903 zur Aufführung gebrachten Pantomime vielleicht ganz bewusst auf dem schmalen Grat zwischen zulässigen und unzulässigen biblischen Darstellungen.

Im Mai 1902 hielt Pfarrer Hirsch für die Sitzung der Sittlichkeits-Kommissionen der Berliner Synoden einen Vortrag mit dem Titel „Was kann die Kirche thun, um den üblen Einfluß der Varietétheater wirksamer zu bekämpfen?“229 Einleitend betonte er, dass es für einen Pfarrer natürlich schwierig sei, „über diesen Gegenstand zu reden, da sein Stand ihm verbietet, persönlich die in Frage kommenden Lokale zu betreten.“230 Über die Lage habe er sich dennoch mithilfe von Polizeibeamten und Literatur informieren können. Die Gegenwart zeichne sich durch „Genußsucht“, „Perversität“ und „Décadence“ aus.231 Und in den 168 Singspielhallen und Varietés im Stadtkreis Berlin, selbst in besseren wie dem Berliner Wintergarten, gehe es letztlich bloß um die „unverhüllte Schaustellung weiblicher Reize.“232 Der Pastor habe persönlich beobachtet, wie die jungen männlichen Tingeltangel-Besucher „[m]it wild aufgeregten Sinnen“ aus diesen Spielstätten kämen – „draußen harren ihrer die Dirnen in Scharen, und manch edles Menschenleben wird für immer beschmutzt.“233 Doch eben nicht nur junge Männer besuchten diese verderblichen Spielstätten:

Hier kommen wir zum Schlimmsten. Es fehlt weiten Kreisen unseres Volkes das Gefühl für das Schickliche. Was soll man dazu sagen, daß Vater, Mutter und erwachsene und heranwachsende Söhne und Töchter zusammen den Wintergarten, das Apollotheater und ähnliche Vergnügungsstätten besuchen? Sollte etwa diesen soliden Bürgersleuten der Umstand nicht zu denken geben, daß in diesen feinen Varietés die Demimonde und die nur dem Vergnügen niederster Art lebende jeunesse dorée […] den hervorragendsten Platz einnimmt?234

Der Vortragende hielt unmissverständlich fest: „Das Ueberhandnehmen der Tingeltangel höheren und niederen Grades ist eine furchtbare sittliche Gefahr für unser Volk.“235 Als Maßnahmen dagegen empfahl Hirsch für die Lage in Berlin eine stetige Überwachung der Tingeltangel durch eigens dafür geschulte zusätzliche Polizeibeamte, die Ablehnung neuer Konzessionen nach Paragraf 33a (RGO) aufgrund des seiner Meinung nach bereits mehr als gesättigten Bedürfnisses nach derartigen Konzessionen, eine insgesamt strengere Überwachung durch die Polizei sowie einen Aufruf innerhalb der Kirchgemeinden mit dem dringenden Hinweis, dass der Varietétheater-Besuch schädlich für die Sittlichkeit, insbesondere für die der Jugend sei.236

Im Rahmen der Verhandlungen der Kreissynode Berlin II am 13. Mai 1902 wurden alle von Hirsch vorgeschlagenen Maßnahmen von der Sittlichkeits-Kommission angenommen und sogar weiter verschärft: Die Bedienung durch weibliche Kellner:innen in den Varietétheatern und Singspielhallen sowie Werbung oder Publikumsakquise vor den Lokalen sollten fortan verboten werden.237 Die Berliner Kreissynode wandte sich daraufhin unter anderem „an den Herrn Minister des Innern“, mit der

dringende[n] Bitte derselbe möge dem Herrn Polizei-Präsidenten eine genügende Zahl geschulter Beamter zur dauernden Ueberwachung aller Varietétheater, Singspielhallen und ähnlichen Lokale zur Verfügung stellen und die dazu nötigen Geldmittel bewilligen.238

An das Berliner Polizei-Präsidium wurde seitens der Kreissynode ferner ein Schreiben mit folgendem Inhalt aufgesetzt:

In dankbarer Anerkennung alles dessen, was nach dem letzten Verwaltungsbericht des Königlichen Polizei-Präsidiums gegenüber den Auswüchsen des Varietétheaterwesens bisher geschehen, bittet die Kreissynode den Herrn Polizei-Präsidenten, derselbe möge künftig, soweit es gesetzlich irgend möglich ist, noch mehr als bisher den Ausschreitungen der Varietétheater, Singspielhallen und verwandten Lokalen inbezug auf den Inhalt und die Art der Darstellungen und die Kostümierung der Darstellerinnen entgegentreten.239

Die Redaktion der Internationalen Artisten-Zeitung war empört. Am 18. Mai 1902 reagierte sie auf den Vorstoß der Berliner Kreissynode mit der Frage, ob denn „schon jemals verschärfte polizeiliche Vorschriften ein Uebel hemmen“ konnten.240 „Der mit Berliner Verhältnissen nicht vertraute Leser“ habe nun ein Bild von der Reichshauptstadt als „moralischer Sumpf“ und meine, „dass sämmtliche Berliner Tingel-Tangel nichts weiter seien als die Brutstätten alles Schlechten und Verwerflichen, dass die in diesen Etablissements auftretenden Sängerinnen, die Kellnerinnen nur Dirnen, das Publikum sich aber nur aus Dieben und Idioten zusammensetzt.“241 Der Artist hingegen schloss einen Kommentar über die Geschehnisse mit folgenden Worten: „Dass hier Remedur geschaffen werden muss, liegt am meisten im Interesse der Artisten selbst, schon deshalb ist eine Scheidung zwischen Variété und Tingl-Tangl [sic!] entschieden an der Zeit.“242

Die Kreissynode unterschied jedoch nicht zwischen Varietétheatern und Tingeltangel-Spielstätten, und ihr Vorstoß sollte Erfolg haben: Am 28. November 1902 wurde eine polizeiinterne Verfügung „gegenüber Singspielhallen und ähnlichen Unternehmungen“ erlassen.243 Diese bezog sich zwar mehrheitlich auf die Zensurpraxis. Doch wurden die zuständigen Beamten darin auch angewiesen, Meldung zu machen im Falle von „Bedenken“ bezüglich des „Charakter[s] des Lokals oder der Vorführung oder auf die Person des Darstellers“ und vor allem „dann, wenn die erforderliche Dezenz in Kleidung und Benehmen der weiblichen Artisten nicht gesichert“ schien.244

Zu Beginn des Jahres 1903 wurden in Berlin zudem – wie von der Kreissynode gewünscht – auf Veranlassung des preußischen Innenministers Hans von Hammerstein die Mittel für einen polizeilichen Überwachungsdienst in Zivil für „Varietes, Tingeltangel und Tanzlokale zweifelhaften Charakters“ bereitgestellt.245 Die dafür zuständigen Beamten wies der Polizeipräsident am 15. April 1903 wie folgt an:

Bei den Observationen haben die betr. Beamten ihr Augenmerk hauptsächlich darauf zu richten, ob Lieder, deklamatorische Vorträge und dergl. anstössigen Inhalts vorgetragen werden, ob die Auftretenden durch Kostüme, Gebärden und dergl. anstössig wirken, ob Kellnerinnen oder Sängerinnen mit den Gästen zusammen sitzen und zechen oder die Gäste zum Trinken animieren […], ob die Polizeistunde übertreten wird.246

Für die genannten und als problematisch befundenen Charakteristika dürfte sich die Polizei, wie im vorigen Abschnitt erwähnt, an der Tingeltangel-Definition der IAL orientiert haben.

Rechtlich war nicht unumstritten, ob die Polizei überhaupt derartige Maßnahmen ergreifen durfte.247 Zugleich war diese Praxis der Berliner Polizei, gegen Aufführungen vorzugehen, deren „Wirkung eine Gefahr für die Sittlichkeit zu erzeugen vermag“, bereits im September 1900 mit einem Entscheid des preußischen Oberverwaltungsgerichts bestätigt worden.248 Die Basis für diese Regulierungsmaßnahmen bildeten, wie die Geschichtswissenschaftlerin Angelika Hoelger schreibt, „vor allen Dingen Auffassungen über den vermeintlichen Lebenswandel der städtischen Unterschichten, denen ein Hang zu Gewalt, sexuellen Ausschweifungen, Arbeitsunlust und Trunksucht nachgesagt wurde.“249 Die um 1900 eingeleiteten Schritte zielten nicht nur auf eine „Bekämpfung von Prostitution und Alkoholkonsum […] sowie der Zensur von als unsittlich und obszön erachteten Darstellungen und Vorträgen“, sondern auch auf eine „Überwachung und Disziplinierung der Berliner Unterschichten“.250

Die Einführung des polizeilichen Überwachungsdiensts führte zu Protesten auf Seiten der Artist:innen, wie mehrere in den Polizeiakten archivierte Zeitungsausschnitte belegen. Im Berliner Lokal Anzeiger war am 19. Oktober 1903 etwa zu lesen, dass die Berliner IAG am Tag zuvor „[e]ine Protestkundgebung gegen die Angriffe der Synode auf das Variétéwesen und den Artistenstand“ veranstaltet hatte.251 Der Vorsitzende der IAG, Alex Hönig,

erklärte das Vorgehen der Synode für durchaus ungerechtfertigt, da sie keinen Unterschied zwischen einem erstklassigen Spezialitätenlokal und einem Tingeltangel niedersten Grades zu machen wisse und ohne jedes Beweismaterial das gesamte Variétéwesen der Förderung der Unsittlichkeit beschuldige.252

Im Mai 1904 rief dann die Internationale Artisten-Zeitung zum Widerstand auf: „Artisten, erinnert euch, dass ihr gleichberechtigte Staatsbürger seid und politische Rechte habt. Wehrt euch aufs äusserste.“253 Zudem wandten sich die Artist:innen und Varieté-Veranstalter:innen nun selbst an die Politik: Laut einem Zeitungsausschnitt aus der Vossischen Zeitung vom 30. Mai 1904 sollte ein Komitee aus Vertreter:innen des Internationalen Direktoren Verbandes, der IAL und der IAG

beim Minister des Innern um eine Audienz nachsuchen, um die öffentliche Verunglimpfung des ganzen Artistenstandes, die Bezeichnung der Variétés als ‚Brutstätte des Lasters‘ und gegen die besondere polizeiliche Ueberwachung der Spezialitäten-Theater, für welche von der Synode nahestehender Seite Geldmittel zur Verfügung gestellt werden, Verwahrung einzulegen.254

Ob die Mittel für den speziellen Überwachungsdienst tatsächlich von Angehörigen der evangelischen Kirche kamen, lässt sich nicht belegen. Auf jeden Fall blieb die politische Initiative der Artistik-Verbände erfolglos. Im Jahr 1907 war im Programm als Reaktion auf eine erneute Verunglimpfung der Varietés und ihrer Angehörigen durch einen evangelischen Verband zu lesen:

Wir wünschen uns nicht in einem Atemzuge genannt zu werden mit denjenigen Elementen des sogenannten ‚Artistenstandes‘, die unseren schönen Beruf, der in glänzendem Gewande oft unsagbar viel Herzeleid und Wehmut birgt, zu Zwecken missbraucht, mit denen ein anständiger Artist und ein vornehmes Variété nicht das Geringste zu tun hat.255

Doch es gelang der Artist:innenschaft weder mit Protesten noch mit ihren diskursiven Überzeugungsversuchen, den preußischen Innenminister beziehungsweise die Berliner Ordnungshüter zum Umdenken zu bewegen. Als sich Hans von Hammerstein im März 1904 bei der Berliner Polizei „über die Erfahrungen“ erkundigte, „welche mit der Einrichtung eines besonderen polizeilichen Überwachungsdienstes […] inzwischen gemacht worden sind“,256 lautete die Antwort aus dem Polizeipräsidium:

Die Ueberwachung der Variétés, Tingeltangel und zweifelhaften Tanzlokale durch geeignete in Zivil gekleidete Schutzleute hat sich bisher durchaus bewährt, und ist inzwischen auch auf […] solche Schanklokale ausgedehnt worden, in welchen Conzertaufführungen und gleichzeitig Kellnerinnen-Bedienung gehalten wird […]. Auch sind in der letzten Zeit einige der sogenannten Cabarets und der Restaurants, in denen gelegentliche Gesangsvorträge stattfinden, in ähnlicher Art – allerdings durch Beamte der Kriminal-Polizei – observiert worden, um ein Urteil über diese Lokale zu gewinnen.257

Um „diesem Uebelstand jetzt besser steuern zu können“, kämen diverse Strafmaßnahmen infrage – bei Bedarf auch die „Herabsetzung der Polizeistunde“.258 Darüber, welche Übelstände die Berliner Polizei genau beobachtete, schwieg der Bericht.259 Der folgende preußische Innenminister Theobald von Bethmann Hollweg hielt, wie aus einem Besprechungsbericht vom März 1907 hervorgeht, an der Bekämpfung der „Ausdehnung des Berliner Nachtlebens“ beziehungsweise der „Missstände“ fest,260 unter anderem durch die Einführung einer neuen Polizeistunde ab 23 Uhr.261

Die Berliner Kreissynode engagierte sich ihrerseits wie auch andere evangelische Vereine nicht nur gegen die als ‚unsittlich‘ angesehenen Spielstätten und die mit ihnen verbundene künstlerische Praxis, sondern auch für die sogenannte Heilighaltung der Sonn- und Feiertage. Bereits im Laufe der 1890er Jahre hatten sich diverse Vorstände von Kreissynoden sowie von christlichen Vereinen mit Petitionen zur gesetzlichen Einhaltung beziehungsweise Verschärfung der Sonntagsruhe an den Reichstag gewandt.262 Die Heilighaltung der Sonn- und Feiertage hatte auch für das Theaterwesen Konsequenzen, denn an den entsprechenden Tagen durften, wenn überhaupt, nur Stücke aufgeführt werden, die „keine Profanierung des Ernstes oder der Feierlichkeit“ zu Folge hatten.263 Kurzum: „An solchen Tagen soll die theatralische Darbietung vorwiegend erbauen.“264

3.2.3 Clowns an kirchlichen Feiertagen? Nur „ungeschminkt und in Zivil“

Unter dem Einfluss der evangelischen Kirche und ihrer Verbündeten sowie der katholischen Zentrumspartei und der Arbeiter:innenbewegung wurde ab Mitte der 1860er Jahre die sogenannte Heilighaltung der Sonn- und Feiertage zunehmend verrechtlicht. Im Jahr 1891 wurde mit einer Novellierung der Gewerbeordnung (§ 41a, § 55a und § 105a RGO) die Sonn- und Feiertagsruhe auf Reichsebene eingeführt beziehungsweise die Sonntagsarbeit grundsätzlich verboten. Welche Tage als Festtage galten, mussten die jeweiligen Landesregierungen festlegen.265 In Berlin wurden die Karwoche, Weihnachten, Ostern und Pfingsten, der Buß- und Bettag sowie der Totensonntag als Feiertage definiert und entsprechende Arbeitsverbote erlassen.266 Im preußischen Abgeordnetenhaus wurde in diesem Zusammenhang etwa darüber diskutiert, „ob sonntags auch außerhalb der Zeit des Gottesdienstes Schaufenster verhängt und das Auslegen von Waren verboten werden solle.“267

Das Programm hielt Ende 1905 fest: „Die Erwerbstätigkeit des Artisten wird im Laufe des Jahres durch eine ansehnliche Anzahl von Tagen unterbrochen, an denen er auf behördliche Anordnung pausieren muss.“268 Und weiter: „Wir wollen an dieser Stelle nicht die Frage aufrollen, weshalb der Artist seitens der Behörden noch immer nicht mit demselben Mass gemessen wird, wie der Schauspieler […].“269 Offenbar galten also nicht für alle Theaterformen die gleichen Regeln. Anders formuliert: Nicht alle Darbietungen wurden als ernst genug empfunden, um die Feierlichkeit dieser Tage zu wahren.270

Mit einer Polizeiverordnung bezüglich der Heilighaltung der Sonn- und Feiertage waren in Berlin seit 1896 am Karfreitag sowie am Nachmittag des Totensonntags alle öffentlichen und privaten Kulturveranstaltungen (ausgenommen von geistlichen Oratorien) verboten. In der Karwoche und an Ostern, Pfingsten und Weihnachten durften in Theater- oder Zirkusspielstätten Aufführungen gegeben werden. Tanzveranstaltungen, Schaustellungen in Tingeltangeln oder Vorstellungen in Marionetten-Theatern waren an diesen Feiertagen dagegen untersagt. Zirkusvorstellungen beziehungsweise feste Zirkusspielstätten wurden in dieser Polizeiverordnung noch gemeinsam mit Theatervorstellungen und -spielstätten genannt.271 Anfang des Jahres 1898 wurde die Verordnung verschärft. Fortan waren in der Karwoche sowie an Ostern, Pfingsten und Weihnachten nur noch „Vorstellungen in den Theatern im eigentlichen Sinne, d. h. solchen, deren Zweck es ist, Schauspielvorstellungen zu veranstalten, bei welchen ein höheres Interesse der Kunst obwaltet“, erlaubt.272 Und es wurde präzisiert, dass der zusätzliche Besitz einer sogenannten Schauspielkonzession (§ 32 RGO) neben einer Genehmigung nach Paragraf 33a (RGO) nicht ausreichend sei, um an den genannten Feiertagen Vorstellungen geben zu dürfen.273 Wie sich zwei Zeitungsausschnitten aus dem Berliner Lokal-Anzeiger vom Mai 1902 entnehmen lässt, hatte die IAG gemeinsam mit anderen Verbänden (vermutlich vergebens) auch gegen diese Bestimmungen Widerstand zu leisten versucht.274

Am 20. Februar 1903 wandte sich die Berliner IAG gemeinsam mit weiteren lokalen Vereinigungen wie dem Verein der Variété- und Konzerthausbesitzer und dem Verband der Gast- und Schankwirte von Berlin und Umgebung an das Polizeipräsidium. Gemeinsam baten sie darum, „in der Charwoche (mit Ausnahme des Charfreitags) nach besonders einzureichendem Programm ernsten Inhalts Vorträge zur Aufführung bringen zu dürfen.“275 Sie begründeten ihre Bitte mit der Notlage, in welche die Artist:innen und ihre Familienangehörigen durch ein Arbeitsverbot in der Karwoche gerieten.276 Ende März 1903 wurde eine Überarbeitung der entsprechenden Polizeiverordnung veröffentlicht. Tatsächlich durften fortan auch in anderen Spielstätten als Literaturtheater-Bühnen am Donnerstag und Samstag der Karwoche, am Totensonntag sowie an Ostern, Pfingsten und Weihnachten „Gesangs- und deklamatorische Vorträge, Schaustellungen von Personen“ und „theatralische Vorstellungen“ aufgeführt werden, sofern deren „ernste[r] Charakter gewahrt“ war.277 Streng geregelt beziehungsweise verboten blieben hingegen Darbietungen auf öffentlichen Plätzen sowie Tanzveranstaltungen.278

Von der Heilighaltung der Sonn- und Feiertage beziehungsweise den entsprechenden Spielverboten oder -einschränkungen waren auch die Berliner Zirkusdirektionen betroffen. In den Akten der Theaterpolizei lassen sich verschiedene Korrespondenzen zwischen den Zirkusdirektionen und dem Polizeipräsidium zu dieser Thematik finden. Paul Busch reichte beispielsweise am 6. November 1912 sein geplantes Programm für die Vorstellung am Abend des Totensonntags bei der Theaterpolizei ein. Für die erste Hälfte des Abends kündigte er Darbietungen von Reitkünstler:innen, Radkünstler:innen und einem Seiltänzer sowie eine Eseldressur an. Für die zweite Hälfte war die Zirkuspantomime Sevilla vorgesehen.279 Auf der Rückseite des Schreibens ist folgender Kommentar eines zuständigen Polizeibeamten zu lesen:

Die Aufführung der Pantomime ‚Sevilla‘ halte ich für den Totensonntag für ungeeignet. Im ersten Bilde werden Gäste in einer Schänke durch eine Zigeunerbande unterhalten, die Tänze und Spiele zum besten geben, ihre Künste zeigen und dabei durch Castagnetten und Tambourin begleitet werden. Im zweiten Bilde wird ein Gefängniswärter betrunken gemacht. Im dritten Bilde wird der Stierkampf in Sevilla gezeigt, eine Handlung, die durch Schreien der Menge, Zurufen und Jubel des Volkes, Trompetenstösse und dergleichen begleitet wird, kurzum ein Volksfest der Spanier, bei welchem ungezügelte Heiterkeit an den Tag gelegt wird […]. Im vierten Bild wird der Schlupfwinkel der Banditen dargestellt, die ihren wohlgelungenen Raub der Gouverneurstochter durch Johlen, Lachen, Alkoholgenuss, wilde Feste und dergleichen feiern. Im fünften Bilde endlich wird die Verlobungsfeier eines jungen Paares festlich begangen, wo natürlich allenthalben glückliche und frohe Stimmung herrscht.280

Die Inszenierung war der Polizei also nicht ernst genug für den Abend dieses Feiertags, der auf den 24. November 1912 fiel. Die Zirkusdirektion antwortete darauf, dass sie sicherstellen werde, „in der Abendvorstellung des Totensonntags der ganzen Vorstellung wie üblich einen besonders seriösen Charakter [zu] geben“.281 Die „Clownspässe“ würden „vermieden werden, und Scenen, welche geneigt sind den Charakter des Tages zu verletzten, ausgelassen“.282 Dem Antrag wurde offenbar stattgegeben, denn die Berliner Börsen-Zeitung wies darauf hin, dass am Abend des Totensonntags „die neue große Ausstattungspantomime ‚Sevilla‘, die gestern bei ihrer Premiere einen so großen Erfolg erzielte, zum zweiten Mal in Szene“ gehe.283

Ein Jahr später reichte Busch für die Abendveranstaltung am gleichen Feiertag bei der Theaterpolizei ein Programm mit den Auftritten verschiedener Reitkünstler:innen, einer Affendressur, einer Darbietung des Fratellini-Clownstrios sowie der Pantomime Aus unseren Kolonien ein. Die Gebrüder Fratellini kündigte die Zirkusdirektion mit einer „Zaubermanipulation“ an.284 Vielleicht wollte Paul Busch mit dieser Präzisierung den „seriösen Charakter“ dieser Clownsnummer betonen, denn die Zauberkunst genoss bereits seit dem 18. Jahrhundert einen guten Ruf, somit könnte eine Zauberdarbietung daher eher als ‚höhere‘ beziehungsweise ‚ernste‘ Kunst gegolten haben.285 Öffentlich angekündigt wurden die „Intermezzi der Clowns“ für diesen Abend jedoch mit „burlesken Späße[n]“ und einem „lustige[n] Scherz“ mit dem Titel „Der nervöse Oberkellner“.286

Auch für Vorstellungen vor den Osterfeiertagen des Jahres 1917 wies Paul Busch darauf hin, dass die Clowns „Männe und Marzelli […] seriös arbeiten“ und ein „Zauberentrée“ präsentieren würden.287 Dem Schreiben war außerdem zu entnehmen, dass das Polizeipräsidium bezüglich der Nummer „Georg, der fallende Mensch“ mitgeteilt hatte, „dass derselbe an beiden Tagen nicht auftreten dürfte.“288 Der Zirkusdirektor hielt dagegen, er habe diese Darbietung bereits öffentlich angekündigt, und bat die Polizei in seinem „ergebenen Gesuch“, „das Auftreten des ‚Georg‘ in seriöser Weise in Frack oder Smoking gestatten zu wollen, so dass derselbe als reine Balancenummer auch den Beifall des Publikums finden dürfte.“289 Ob „Georg, der fallende Mensch“ tatsächlich auftreten durfte, ist unklar.

Die Clowns schienen jedenfalls als seriöser wahrgenommen zu werden, wenn sie in unmittelbarer Nähe von oder an Feiertagen ungeschminkt und ohne Clownskostüm auftraten oder dies zumindest so der Polizei mittgeteilt wurde. So hielt Paul Busch in einem weiteren Schreiben an die Theaterpolizei im März 1917 fest, „dass unsere Spassmacher an beiden Tagen ungeschminkt und in Zivil arbeiten und ferner in der Pantomime die Tänze weggelassen werden.“290 Bereits im Jahr zuvor hatte Busch betont, dass die Pantomime Ostern während der genehmigten Vorstellungen in der Karwoche ohne Tanzeinlagen aufgeführt werde.291 Bis die Pantomime Ostern von Paula Busch überhaupt zur Aufführung gebracht werden durfte, mussten mehrere Szenen gestrichen oder abgeändert werden, denn der Zensor befand, dass die darin enthaltenen kirchlichen Szenen „als Zirkusszenen […] das religiöse Empfinden [verletzen].“292 Die Zirkusspielstätte war der Theaterpolizei insgesamt zu profan für derartige Inhalte. Wie aus einem Schreiben Paul Buschs vom 22. März 1916 hervorgeht, wurde die Pantomime komplett umgearbeitet:

Jede kirchliche Handlung ist gestrichen […]. Der derbkomische Anfang des dritten Bildes ist weggelassen und die Schauspieler werden die komischen Momente nicht betonen. Die Hubertuslegende wird belehrenderweise auf das Osterhäschen transponiert. […] So sind alle drei Bilder belehrender Natur.293

Um die Berliner Theaterpolizei davon zu überzeugen, an diesen Tagen Vorstellungen geben zu dürfen, beschrieb die Zirkusdirektion die Darbietungen rund um die Feiertage als „ernst“, „seriös“ und „belehrend“. Die Bestrebungen der Sittlichkeitsbewegung hatten um und nach 1900 also nicht nur konkrete Konsequenzen wie die polizeiliche Überwachung der Tingeltangel- und Varieté-Spielstätten oder Vorstöße gegen von der Zensur bereits genehmigte biblische Darstellungen wie im Falle von Babel im Circus Schumann zur Folge, sondern auch diskursive Verschärfungen. Die Unterscheidung zwischen ‚ernsten‘ und ‚unernsten‘ beziehungsweise ‚höheren‘ und ‚niederen‘ Darbietungen erfuhr demnach in Verbindung mit der Heilighaltung von Feiertagen eine Zuspitzung.

Während die Berliner Kreissynode beziehungsweise die Sittlichkeitsbewegung aus ideologischen Gründen gegen sogenannte Vergnügungsetablissements kämpfte, berief sich der Berliner Fiskus bei seinen Entscheidungen aus wesentlich pragmatischeren Gründen auf die gängigen Moraldiskurse der damaligen Zeit: Er sah darin eine gute Möglichkeit, die leere Stadtkasse aufzufüllen.

3.3 Keine Lustbarkeitssteuer für Bildungstheater

In der Deutschen Bühnen-Genossenschaft erschien am 3. Februar 1899 ein Beitrag mit dem Titel „Lustbarkeitssteuer“.294 Dem Artikel zufolge war eine derartige Steuer seit Beginn des 19. Jahrhunderts aus Frankreich, Bayern und Sachsen bekannt, in Preußen hätten jedoch bislang nur wenige Gemeinden von der Möglichkeit, eine solche Steuer zu erheben, Gebrauch gemacht. Veranstaltungen mit ‚höherem Kunstinteresse‘ seien meist (aber nicht immer) von der Steuer befreit geblieben.295 Es stelle sich aber die Frage, ob „nun das Theater im Allgemeinen eine Stätte sei, welche dem Luxus, der Ostentation und der öffentlichen Belustigung dient“? Manche städtischen Behörden hätten „diese Frage ohne Weiteres bejaht“ und würden daher „von jedem Schauspielunternehmer ohne Ausnahme jene meist recht beträchtliche Lustbarkeitssteuer“ verlangen. Andere Kommunen hingegen hätten „Schauspielunternehmer, deren Darbietungen ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft beizumessen ist“, von der Steuer ausgenommen.296

In Berlin sorgte die Lustbarkeitssteuer ab 1905 für Aufregung – zunächst bei den Direktionen der Literaturtheater-Spielstätten, dann bei zahlreichen weiteren Kulturveranstalter:innen inklusive der Zirkus- und Varietédirektionen wie auch der Interessenorganisation des Tourismusgewerbes. Im Jahr 1913 wurde die Steuer auf Eintrittskarten in Berlin schließlich eingeführt. Theatervorstellungen mit ‚höherem Kunstinteresse‘ blieben davon jedoch ausgenommen. Die Konsequenzen der Lustbarkeitssteuer für die Berliner Kulturlandschaft sind bislang weitestgehend unerforscht, sodass sich auch über ihre Folgen für die Berliner Zirkusse keine genauen Aussagen treffen lassen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Steuer für die betroffenen Unternehmen insbesondere unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen der 1920er und 30er Jahre eine große Belastung darstellte.297

3.3.1 Eine Theatersteuer für Berlin

Einem Schreiben des Magistrats (der heutige Senat) der Stadt Berlin vom 25. Januar 1905 ist zu entnehmen, dass die Regierung plante, „nach dem Vorgange der überwiegenden Mehrzahl der deutschen Städte, eine Theater-, Billet- und Lustbarkeitssteuer einzuführen.“298 Mehrere von der Theaterpolizei in diesem Zusammenhang gesammelte Zeitungsausschnitte vom Februar 1905 zeugen davon, dass die Pläne zur Einführung einer Lustbarkeitssteuer auf großen Widerstand seitens der Berliner Theaterdirektionen stießen. Sie organisierten sich umgehend, verfassten Denkschriften und Petitionen, um die Stadtpolitik davon zu überzeugen, die geplante Lustbarkeitssteuer nicht einzuführen.

Groß war die Empörung auch über den Umstand, dass die königlichen Bühnen von der Besteuerung ausgenommen bleiben sollten.299 In einem Zeitungsausschnitt aus dem Berliner Tageblatt vom 10. Dezember 1905 wurden Auszüge aus einer von Berliner Theaterdirektoren um Otto Brahm (Leiter des Lessingtheaters) und Raphael Löwenfeld (Gründer und Leiter des Schiller-Theaters) verfassten Denkschrift abgedruckt, die an den Berliner Magistrat gerichtet war. Die Direktoren fragten in ihrem Schreiben, für welche Spielstätten beziehungsweise kulturellen Bereiche die Besteuerung denn eingeführt werden solle, und betonten sogleich:

Auf die Theater kann sie unmöglich beschränkt bleiben, es wäre nur gerecht, sie, falls sie denn eingeführt werden soll, auch auf Musikproduktionen auszudehnen, auf die Kunstausstellungen, die Zirkus, Variétés, Kabaretts, Tingel-Tangel, bis herab zu den Lustbarkeiten jeder Art. […] Wenn nicht, würde sich die unmögliche Situation ergeben, daß die Stadt Berlin die ernst strebenden Kunstinstitute mit einer empfindlichen Steuer belegt, während die dem bloßen Amüsement gewidmeten Betriebe frei ausgingen.300

Gut einen Monat später war in einem Bericht im Berliner Lokal-Anzeiger über eine weitere Versammlung der Berliner Theaterdirektionen dann Folgendes zu lesen:

Den Vertretern der Theaterdirektoren ist es bei den langwierigen Beratungen mit der Steuerdeputation gelungen, diese Behörde dahin zu bringen, […] daß man dazu kommen werde, Theater mit höheren Kunstzwecken zu unterscheiden von Kabaretten, Variétés, Tanzböden mit Musikaufführungen usw.301

Die Bemühungen der Direktor:innen schienen also aussichtsreich. Die GDBA positionierte sich ebenfalls gegen die Einführung der neuen Steuer in Berlin, wie aus einem Beitrag in der Deutschen Bühnen-Genossenschaft vom 9. Februar 1906 mit dem Titel „Gegen die Theaterbillettsteuer in Berlin!“ hervorgeht.302 Die Genossenschaft sah in der geplanten Besteuerung eine Gefährdung des Berliner Theaterwesens, das „unter dem von Jahr zu Jahr sich steigernden Konkurrenzkampf ohnehin schwer zu leiden hat“.303 Und

[a]bgesehen hiervon […] würde die Steuer in all den Kreisen derer, denen die Sache der Kunst am Herzen liegt, schon darum als eine Unbilligkeit empfunden werden, weil in der für die Stadtverordneten vorbereiteten Vorlage der Unterschied, den doch die Reichsgewerbeordnung macht zwischen Unternehmungen, bei denen ein höheres Interesse der Kunst obwaltet und anderen, bei denen dies nicht der Fall ist, völlig ignoriert und Theater- und Konzertunternehmungen, welche künstlerische Zwecke verfolgen, über einen Kamm geschoren werden mit Spezialitäten-Theatern jeder Art, Singspielhallen, Kabaretts, Zirkusetablissements und anderen, ausschließlich der Belustigung dienenden Veranstaltungen.304

Statt besteuert zu werden, sollten die Literaturtheater nach Auffassung der GDBA von der Stadt Berlin, so wie es bereits in anderen Städten der Fall sei, unterstützt oder gänzlich subventioniert werden – Literaturtheater seien nämlich „ein der öffentlichen Aufmerksamkeit und Förderung würdiger und bedürftiger Faktor in der geistigen Entwicklung unseres Volkes […]“.305 Laut einem Bericht der Vossischen Zeitung vom 5. Oktober 1906 war die Steuervorlage des Magistrats von der Stadtverordneten-Versammlung (das Berliner Stadtparlament) am 28. Februar 1906 dahingehend ergänzt worden, dass die „Billetsteuer“ vor allem die „teureren Plätze im Zirkus, Theater usw.“ beziehungsweise „Veranstaltungen, welche von Fremden viel besucht werden“ betreffen sollte, wohingegen „kulturellen und gemeinnützigen Bestrebungen in schonender Weise Rechnung getragen werden soll.“306

Die Steuervorlage wurde im Oktober 1906 von den Berliner Stadtverordneten jedoch gänzlich abgelehnt, woraufhin die GDBA ihren Dank für die „kunstfreundliche Gesinnung“ der Abgeordneten in ihrem Organ abdruckte.307 Vier Jahre später stand die Steuer jedoch bereits erneut zur Diskussion. Das Programm kommentierte diesbezüglich, es handle sich bei der Vorlage um den gleichen „alten Braten […] mit neuer Sauce“.308 In der Wiederauflage dieses „Scheusals“ sei präzise formuliert worden, welche Veranstaltungsformate die Steuer betreffen solle:

Theatervorstellungen, deklamatorische Vorlesungen, Rezitationen und andere Vorträge, Konzerte, Zirkusvorstellungen, Spezialitäten- und Variétévorstellungen, Gesangs- und sonstige musikalische Vorstellungen, Schaustellungen von Personen, Tieren und ähnliche Darbietungen; ferner Tanzbelustigungen […].309

Die IAL hoffte auf die Besinnung der Berliner Stadtverordneten und beteiligte sich an den wiederum umgehend einsetzenden Protesten.310 Zu den Theaterdirektionen gesellten sich diesmal auch Tanzlehrer:innen sowie Schankwirt:innen, und sowohl die Handelskammer als auch die Centralstelle für die Interessen des Berliner Fremdenverkehrs sprachen sich ebenfalls gegen die Einführung der Steuer aus.311 Letztere wandte sich mit einem mehrseitigen Schreiben, das auch dem Polizeipräsidium zugestellt wurde, an das Berliner Stadtparlament.312

Der Verband sah in der geplanten Lustbarkeitssteuer eine Gefährdung des gesamten Berliner Tourismusgewerbes, da durch die Erhöhung der Kartenpreise die Reichshauptstadt an Attraktivität einbüßen würde, wovon andere Gewerbezweige wie Hotellerie und Gastronomie ebenfalls stark betroffen wären. In der Vorlage des Magistrats war eine Besteuerung der Eintrittskarten in Höhe von 10 bis 20 Prozent vorgesehen.313 Die Centralstelle für die Interessen des Berliner Fremdenverkehrs rechnete dadurch mit schweren Folgen für das „gesamte Berliner Vergnügungswesen“, denn „[k]aum ein Cabaret, Variété, Kinematographentheater, Circus oder dergleichen in Berlin dürfte imstande sein, eine Lustbarkeitssteuer, im besonderen eine so exorbitante zu tragen.“314 Der Verband merkte zudem an:

Der ganze Entwurf erweckt den Eindruck, als solle durch die neue Steuer das Berliner Vergnügungsleben in bedeutendem Umfange eingeschränkt werden. Dem gegenüber muß mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, welche enorme Bedeutung die Vergnügungsindustrie für eine Großstadt, insbesondere für eine Reichshauptstadt in wirtschaftlicher Beziehung hat.315

Im Vergleich zur Berliner Kreissynode und zu den Sittlichkeitsverfechter:innen sah die Tourismuslobby im „Berliner Vergnügungswesen“ also weniger eine Gefahr für die Gesellschaft als vielmehr einen bedeutsamen Wirtschaftsfaktor.

Unter der Überschrift „Die neue Bewegung gegen die Lustbarkeitssteuer“ berichtete das Programm am 26. März 1911 über eine Zusammenkunft, an der in den Concordiasälen einige Tage zuvor circa 2000 Personen teilgenommen hätten, darunter der Verein der Berliner Bühnenleiter, vertreten durch Otto Brahm, die IAL, vertreten durch Max Berol-Konorah, sowie Verbände der Gast- und Schankwirt:innen, Saal- und Caféhausbesitzer:innen und Vereinigungen von Musiker:innen, Schausteller:innen, Kinematographentheater-Betreiber:innen und Tanzlehrer:innen. Sogar Stadtverordnete seien anwesend gewesen.316 Im Lessingtheater (mit Otto Brahm als Intendanten) wurde kurz darauf eine weitere Versammlung abgehalten und folgende Resolution beschlossen:

Diese Steuer nimmt großen Schichten der Bevölkerung die Möglichkeit, sich nach der ernsten Arbeit des Erwerbslebens der notwendigen Erholung zu widmen. Diese Steuer ist geeignet, alle Stätten, die der Kunst und der Unterhaltung dienen, in ihrer Existenzmöglichkeit auf das schwerste zu gefährden. […] Die Versammlung spricht ihre feste Zuversicht aus, dass diese kunst-, kultur- und volksfeindliche Steuer, die angetan ist, ganze Erwerbszweige auszusaugen und zu erdrosseln, von der Stadtverordnetenversammlung mit grösster Entschiedenheit abgelehnt wird.317

Auffällig ist, dass in dieser Resolution gleichermaßen die Bedrohung von Kunst und Unterhaltung betont wurde. Es wurde nicht das im zweiten Kapitel ausführlich behandelte Bildungsargument angeführt, sondern im Sinne einer breiten Zugänglichkeit und sogar der Erholung der Arbeiter:innenklasse gegen die Einführung der Steuer gekämpft wurde. Im April 1911 wurde die Vorlage dann im Berliner Stadtparlament diskutiert, wobei der umstrittene Steuerentwurf an eine Kommission zurückverwiesen wurde, die mit dem Magistrat verhandeln sollte, inwiefern auch die königlichen Theater dieser Steuer zu unterziehen sein.318

Der langjährige Vorsitzende der IAL, Max Berol-Konorah, schrieb rückblickend über die Protestbewegung beziehungsweise auf die letztlich eingeführte Kartensteuer: „Damals standen in Berlin alle Organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vom Schauspiel, Varieté und Kino in gemeinsamer Phalanx zusammen.“319 Doch dann habe der ab Mai 1912 amtierende Stadtkämmerer Gustav Böß (ab 1921 Berliner Oberbürgermeister) eine neue Strategie eingeschlagen, um die Steuervorlage durch die Stadtverordnetenversammlung zu bringen: eine Spaltung der vereinten Interessengruppen entlang der Grenzlinie von Kunst und Unterhaltung.320

Tatsächlich erkundigte sich Böß am 26. Oktober 1912 in einem vertraulichen Schreiben bei der Berliner Theaterpolizei,

welche von den in Berlin belegenen Theatern als Spezialitäten- und Varietétheater anzusehen sind und welche Bühnen nach der Art des Metropoltheaters Revuen und dergleichen aufführen. Gleichzeitig bitte ich noch um gefällige Mitteilung, wieviel Kabaretts in Berlin vorhanden sind, welche Eintrittspreise in jedem einzelnen gezahlt werden und wie hoch die Zahl der Besucher durchschnittlich geschätzt wird.321

Bereits im Dezember 1912 lag der neue Entwurf des Magistrats für die Lustbarkeitssteuer vor, die fortan auf die Eintrittskarten von „[k]inematographischen Vorstellungen, Spezialitätenvorstellungen und Variétévorstellungen sowie Theatervorstellungen, bei denen das Rauchen im Zuschauerraum gestattet ist, Zirkusvorstellungen und gewerbsmäßig veranstaltet öffentliche Tanzbelustigungen“ erhoben werden sollte.322 Die Literaturtheater-Spielstätten beziehungsweise Theater, die einem ‚höheren Kunstinteresse‘ dienten, waren gemäß der neuen Vorlage somit nicht mehr von der geplanten Besteuerung betroffen.

Die IAL führte den Kampf gegen die Einführung der neuen Steuer fort und rief im Programm im Februar 1913 zu einer gemeinsamen „Protestversammlung“ mit dem IVTDV sowie dem Allgemeinen Deutschen Musiker-Verband „gegen die vom Berliner Magistrat geplante Kinosteuer“ auf.323 Die zunächst als Lustbarkeitssteuer bezeichnete Abgabe hatte zwischen 1905 und 1912 also einen Namenswechsel erfahren und hieß fortan Kinosteuer beziehungsweise Kinematographensteuer.

3.3.2 Von der Theatersteuer zur Kinematographensteuer

Am 8. März 1913 wurde die umstrittene Steuer mit der „Ordnung für die Besteuerung von Kinematographentheatern usw. im Stadtbezirk Berlin“ eingeführt.324 Mit „usw.“ waren neben Filmvorführungen „Spezialitätenvorstellungen, Varietévorstellungen, Pantomimen und Kunstlaufvorstellungen auf Eisbahnen […]; ferner Revuen, Kabarettvorstellungen, sowie solche Theatervorstellungen, bei denen im Zuschauerraum das Rauchen gestattet ist oder Getränke verabreicht werden;“ sowie „Zirkusvorstellungen“ und „Tanzbelustigungen“ gemeint.325 Von den Abgaben befreit waren jene „Veranstaltungen, die Zwecken der Wissenschaft, des Unterrichts und der Belehrung dienen“.326 Für Kinematographentheater galten die höchsten Steuersätze. Die Berliner Zirkusdirektionen mussten je nach Eintrittspreis eine Steuer zwischen 10 und 20 Prozent pro Karte abführen.327

Die Betroffenen hielten auch nach Verabschiedung der Steuerverordnung an ihrem Protest fest.328 Das Programm berichtete im Frühjahr 1913 von einer Versammlung am 19. April im Admiralspalast. Dort sei auf Grundlage der „bisherigen Erfahrungen festgestellt“ worden, „daß die angebliche ‚Kinosteuer‘“ vor allem dem „Wintergarten, dem Admiralspalast, den beiden Zirkussen und den Kabaretts“ zur Last falle, gefolgt von „den großen Lichtspieltheatern“.329 Es gebe aufgrund dieser Erkenntnisse „keinen Zweifel […], daß die Existenz der betroffenen Betriebe schwer bedroht ist.“330 In den Akten der Theaterpolizei ist auch ein in diesem Zusammenhang gehaltener Vortrag Carl Bretschneiders überliefert. Darin äußerte sich der Generalsekretär des IVTDV wie folgt über die Annahme der Steuerverordnung durch das Stadtparlament:

Bekanntlich hat man nicht gewagt, die Theater zu einer Besteuerung heranzuziehen, und man versuchte nun, die durch den Antikinorummel gewaltsam erzeugte Mißstimmung gegen das Kino auszubeuten, um auf diese Weise die Pille den Herren Stadtverordneten schmackhafter zu machen. Und man hat sich nicht darin getäuscht. Für eine Lustbarkeitssteuer waren die Herren nicht zu haben gewesen. Die Kinematographensteuer dagegen leuchtete ihnen ein, und so gelangte das neue Produkt zur Annahme.331

Der „Antikinorummel“ war tatsächlich hoch im Kurs – in Berlin-Wilmersdorf etwa war bereits 1912 eine Lustbarkeitssteuer ausschließlich für Kinos eingeführt worden.332 Unter den Literaturtheater-Verbänden engagierte sich 1912 insbesondere der DBV mit dem Verband Deutscher Bühnenschriftsteller als Verbündetem gegen die Konkurrenz durch das Kino.333 So war etwa in einem Beitrag mit dem Titel „Zur Bewegung gegen die Kinos“ im Programm vom 9. Juni 1912 zu lesen, dass „der Bühnenverein und in seiner Gefolgschaft eine Anzahl namhafter Dramatiker es sich [hat] angelegen sein lassen, gegen die Kino-Hochflut Stimmung zu machen […].“334 Der DBV werde als Maßnahmen gegen die „Kino-Hochflut“ etwa die Einführung einer spezifischen Besteuerung vorschlagen, wie sie in verschiedenen Städten bereits erlassen worden sei.335 Dem Autor des Beitrags, Leo Herzberg, schien diese Maßnahme fragwürdig:

Glaubt man nun wirklich, daß eine so machtvolle Industrie, wie sie die Filmfabrikation im Laufe der Zeit geworden ist, ein Gewerbebetrieb, in dem Hunderttausende ihr Brot finden, durch Verfügungen und Verordnungen in ihrer Entwickelung aufgehalten werden kann, nur, damit einigen um ihre Existenz besorgten Theaterdirektoren alle Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt werden sollen?336

Der DBV wollte darüber hinaus sogar erwirken, Schauspieler:innen zu verbieten, in Filmen mitzuwirken.337 Auch in der von der GDBA herausgegebenen Zeitschrift Der neue Weg wurden in dieser Zeit Streit- und Denkschriften über die neue Bedrohung durch die Kinematographentheater abgedruckt.338 In einem Beitrag des bereits mehrfach zitierten Schauspielers und Theaterkritikers Erich Schlaikjer über die vom Kino ausgehende Gefahr war etwa zu lesen, dass sich „[i]n der Fachpresse der Schauspieler […] eine lebhafte Unruhe geltend“ mache.339 Denn:

Ein Feind ist im Anmarsch. Wie sollen wir ihm begegnen? Glaub doch um Himmelswillen nicht, daß es ein harmloser Gegner ist! Im verflossenen Jahr hat er allein 32 Theater bankerott und damit ungefähr 500 bis 600 Schauspieler brotlos gemacht. Seine Macht nimmt täglich zu. […] Der Feind steht bereits vor den Toren! […] Dieser Feind ist das Kino.340

Es ist also keinesfalls auszuschließen, dass es dem Stadtkämmerer Gustav Böß auch dank der Umbenennung der Steuer gelungen war, diese durch das Stadtparlament zu bringen. Und betrachtet man die Entwicklungen des Berliner Lustbarkeitssteuerprojekts von 1905 bis 1913 beziehungsweise der entsprechenden Protestbewegung, so lässt sich als Erfolg der Literaturtheater-Vertreter:innen verzeichnen, dass es ihnen – aufbauend auf dem etablierten Diskurs – gelungen war, die Steuer auf bestimmte Theaterformen und auf die Kinos abzuwälzen. Berlin war im Übrigen nicht die einzige deutsche Stadt, in der für Zirkusse und Varietés im Vergleich zu den Literaturtheater-Spielstätten besonders hohe Steuersätze galten – wenn letztere nicht gänzlich von der Steuer befreit waren.341

Nicht ohne ironischen Unterton hatte IAL-Syndikus Richard Treitel bereits 1905 über das Projekt der sogenannten Billettsteuer in der Schaubühne geschrieben:

Theater ist Vergnügen. Und Vergnügen soll und muß man bezahlen. Wird wirklich moralischer oder kultureller Einfluß vom Theater geübt, nun, so werden eben nur dieses Einflusses teilhaftig werden, die da zahlen können. Wir habens herrlich weit gebracht. Es ist immerhin gut, einmal zu sehen, wie man oben offen denkt.342

Diese Erkenntnis lässt sich zweifelsohne auch auf die Einführung der sogenannten Kinematographensteuer übertragen.

Mehrere in den Polizeiakten archivierte Zeitungsausschnitte geben Aufschluss über die Protestveranstaltungen im April 1913 sowie die Folgen der Kinematographensteuer. Ein Artikel in der Berliner Morgenpost vom 20. April 1913 fragte etwa: „Schließung der Berliner Vergnügungslokale?“ Der Artikel berichtete über die bereits genannte Versammlung im Admiralspalast, der zufolge „[d]ie Existenz der betroffenen Betriebe […] auf das Schwerste bedroht“ sei.343 Aufgrund der erhöhten Kartenpreise komme weniger Publikum, weshalb die Einnahmen binnen eines Monats bereits „bedeutend zurückgegangen“ seien.344 Daher sei in der Versammlung „unter allgemeiner Zustimmung der Vorschlag gemacht“ worden, „ein Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vorzuziehen, und die Etablissements zu schließen.“345 Dabei handelte es sich gewiss auch um eine Drohgebärde gegenüber der städtischen Politik – aber nicht nur. So war Anfang November 1913 im Berliner Börsen-Courier Folgendes zu lesen:

Es wird Ihnen nicht unbekannt geblieben sein, daß der Leiter des Zirkus Busch bereits beschlossen hat, von der Direktion des Zirkus zurückzutreten, da es ihm unmöglich ist, die Schädigungen, welche diese Steuer für ihn im Gefolge hat, weiter zu tragen. […] Die Folge war zunächst eine Verminderung des Besuchs und eine Abwanderung des Publikums auf billigere Plätze, wodurch zum Beispiel im Zirkus Busch nachweislich ein täglicher Einnahmeverlust von 1000 bis 2000 Mark entstand.346

Die Erfahrungen bezüglich des Umsatzrückganges deckten sich laut des Berichts mit denjenigen von Circus Schumann und durch die Schließung des Circus Busch seien zwischen 500 und 600 Angestellte arbeitslos geworden.347

3.3.3 Circus Busch schließt, zumindest temporär

Der Berliner Börsen-Courier veröffentlichte am 10. Mai 1913 einen Bericht über die Folgen der Lustbarkeitssteuer, in dem er auch aus einem längeren Schreiben von Circus Busch zitierte. Darin warf das Zirkusunternehmen den Stadtverordneten „große Leichtfertigkeit“ und „Willkür“ vor und merkte an, dass die Steuer im „denkbar ungünstigsten Moment“ eingeführt worden sei.348 Aufgrund des Preisanstiegs bei den Eintrittskarten rechnete der Zirkusdirektor mit Einnahmeeinbußen insbesondere durch das Leerbleiben von Plätzen in den teureren Kategorien und zog daher in Erwägung, seinen Aufenthalt in Berlin in Zukunft zu verkürzen.349

Erhebliche Einnahmeausfälle sah auch Albert Schumann auf sich zukommen.350 Einem kurzen Beitrag im Berliner Tageblatt vom 4. April 1913 ist zu entnehmen, dass sich bei Circus Schumann „die Wirkungen der Lustbarkeitssteuer auf das unangenehmste fühlbar machen. Viele Besucher kehren an der Abendkasse um, weil sie nicht gewillt sind, die erhöhten Preise zu zahlen.“351 Die Einbußen beliefen sich laut dem Berliner Tageblatt auf mindestens 60 Prozent.352 Einem anderen Bericht zufolge hatte Circus Schumann entschieden, die Besteuerung nicht auf das Publikum abzuwälzen, sondern die Kosten selber zu tragen.353 Im April 1913 berichtete das Programm dann über das aufgrund der Steuereinführung von Albert Schumann gefasste Vorhaben, den Markthallenzirkus an Max Reinhardt zu verkaufen.354

In dem bereits erwähnten, im Börsen-Courier abgedruckten Text von Circus Busch heißt es an einer Stelle: „Durch die Belastung des Geschäftsbetriebs durch immer neue behördliche Verfügungen, Versicherungsabgaben usw. usw. ist ein rentabler Betrieb heute bereits auf das äußerste erschwert.“355 Wenngleich das Schreiben programmatischer Natur ist, so lässt sich durch diese Ausführung dennoch etwas besser verstehen, warum die Zirkusse ab den 1910er Jahren nach und nach an Strahlkraft verloren. Denn durch die auf den zurückliegenden Seiten geschilderten neuen Bauverordnungen, gewerberechtlichen Einschränkungen, Spielverbote an Feiertagen sowie die strengeren Zensurmaßnahmen dürfte der Spielbetrieb der Berliner Zirkusse nach 1900 tatsächlich zunehmend kompliziert und weniger rentabel geworden sein. Die goldenen Jahre der Berliner Zirkuskultur waren Anfang des 20. Jahrhunderts zwar noch nicht komplett vorbei, ihr Zenit jedoch bereits seit einiger Zeit überschritten.

Einem Zeitungsausschnitt aus dem Vorwärts mit dem Titel „Das Ende des Zirkus Busch?“ vom 16. Oktober 1913 ist zu entnehmen, dass die beiden Berliner Zirkusse – nach bis dato erfolglosen Verhandlungen – versucht hätten, mit „einer Eingabe an das Ministerium“ eine Senkung der Steuersätze zu erwirken.356 „Was aus dem Zirkus Busch wird, wenn diese Eingabe unberücksichtigt bleibt“, sei noch unklar.357 Am Folgetag äußerte sich auch die Vossische Zeitung zum möglichen Ende von Circus Busch:

Von anderer Seite ist behauptet worden, daß das Aufhören des Zirkus Busch durch die städtische Lustbarkeitssteuer veranlaßt wurde. Diese Behauptung ist, wie wir versichern können, nicht zutreffend. Der Grund ist vielmehr der, daß der Staat den Platz, auf dem sich der Zirkus befindet, für andere Zwecke gebraucht und daher nicht den Pachtvertrag mit dem Zirkus Busch zu erneuern beabsichtigt.358

Doch mit dem Pachtvertrag hatte die Schließung von Circus Busch nichts zu tun. Anfang Dezember 1913 verkündeten die Berliner Morgenpost und der Berliner Börsen-Courier den Rücktritt von Paul Busch zum 31. März 1914. Albert Schumann werde künftig das Gebäude von Circus Busch pachten und den deutlich größeren Markthallenzirkus zunächst vermehrt an Max Reinhardt vermieten und perspektivisch gänzlich an diesen abtreten.359 Paul Busch informierte die Behörden darüber, dass er seine Spielstätte ab September 1914 an Schumann vermieten werde. Seiner Einschätzung nach bestehe keine Hoffnung mehr, „dass die Lustbarkeitssteuer vor Ablauf von 2 Jahren aufgehoben wird, welche für diese Steuer als Probezeit angesetzt ist“, womit für ihn „jeder geschäftliche Gewinn illusorisch“ geworden sei, weswegen er seinen Betrieb auflösen werde.360 Der zu diesem Zeitpunkt 63-jährige Zirkusdirektor war offenbar (im Gegensatz zu Albert Schumann) nicht bereit, sein Unternehmen mit weniger Rendite weiterzuführen.361 Das Programm kommentierte die Schließung wie folgt:

So aber hat er [Paul Busch, Anm. M. H.], seit die Lustbarkeitssteuer in Kraft getreten ist, Hunderttausende für die Steuer hinlegen müssen und da er nicht die Lust hat, für eine Sache zu arbeiten, die weder ihm noch seinen Leuten Nutzen bringen kann, so zieht er es vor, das Geschick des Zirkus in andere Hände zu geben und sich selbst die wohlverdiente Ruhe zu gönnen.362

Buschs Rückzug in den Ruhestand sollte jedoch nur von kurzer Dauer sein: Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 durchkreuzte seine Pläne. Nachdem Albert Schumann den Pachtvertrag mit Circus Busch aufgelöst hatte, beschloss Paul Busch, gemeinsam mit seiner Tochter Paula den Spielbetrieb ab September 1915 wiederaufzunehmen.363 Im Programm schaltete er im Mai 1915 eine Anzeige mit dem Hinweis, dass „Offerten von Artisten nichtfeindlicher Nationalität […] erwünscht“ seien.364 Für die Wiedereröffnung engagierte Busch einen Großteil des alten Personals und kündigte zwei Pantomimen an.365

Es lässt sich nicht genau beziffern, wie schwer die Einführung der Lustbarkeitssteuer auf den beiden großen Berliner Zirkusbetrieben lastete. Gleichwohl kann davon ausgegangen werden, dass sie mit einer geringeren Rendite und entsprechend auch mit einem geringeren Investitionskapital, etwa für große Inszenierungen oder Baumaßnahmen, arbeiten mussten. Nach Einführung der Steuer beschloss Paul Busch, sich in den Ruhestand zu begeben, und Albert Schumann, den Markthallenzirkus an Max Reinhardt abzutreten. Zweifellos löste also die Einführung der Lustbarkeitssteuer Veränderungen aus, die sich letztlich auch auf das Verhältnis von Zirkus und ‚Theater‘ in Berlin auswirkten.

***

Wie bereits im zweiten Kapitel gesehen, versuchte Paul Busch in den Jahren 1922 und 1923 zum wiederholten Mal und unter anderem mit einem Gutachten des DBV-Syndikus Paul Felisch darauf hinzuwirken, von der Theaterpolizei ein ‚höheres Kunstinteresse‘ anerkannt zu bekommen.366 So sollte das Unternehmen von der Lustbarkeitssteuer befreit werden.367 Im Februar 1920 war die Kinematographen-Steuerverordnung vom März 1913 aktualisiert und erweitert worden.368 Auch gewerbliche Theatervorstellungen und Ballette sowie Radrennen und Ringkämpfe unterlagen fortan dieser Besteuerung.369 Die Vorstellungen der nach 1918 in Staats- und Stadttheater umgewandelten Literaturtheater- und Opern-Spielstätten waren, da ihre Vorstellungen „Zwecken der Wissenschaft, des Unterrichts und der Belehrung dienen“,370 von der Steuer ausgenommen. Auch Theaterveranstaltungen, „die ohne jede auf Gewinnerzielung gerichtete Absicht ausschließlich der Förderung der Kunst oder der Volksbildung dienen“,371 konnten vom Magistrat nach einer Prüfung durch Sachverständige von der Steuer befreit werden.

Auch 1920 formierte sich Protest gegen die Ausweitung der Steuer. Der IVTDV wandte sich an die Theaterpolizei mit der Bitte um eine Anpassung der Steuerordnung zugunsten der großen Berliner Varietés, Apollo-Theater und Wintergarten, sowie zugunsten von Circus Busch, dem letzten noch bestehenden festen Berliner Zirkus. Aufgrund der „erdrosselnden Wirkung“ dieser Steuer sei eine Änderung „unabweisbar.“372 Doch die Berliner Behörden hielten auch in den überarbeiteten Versionen der Steuerverordnung an der Besteuerung der Eintrittskarten von Zirkus- und Varietévorstellungen fest. Nach der abermaligen Überarbeitung der Verordnung im Jahr 1922 galt für Theatervorstellungen, Revuen, Ballette und Kunsttänze wie auch für Zirkusvorstellungen ein Steuersatz von 15 Prozent pro Eintrittskarte und bei Varieté-, Spezialitäten- und Tingeltangel-Vorstellungen 20 Prozent.373 Von der Steuer befreit waren

Theatervorstellungen, Ballette, Konzerte, […] sowie Vorführungen der Tanzkunst, welche von den Ländern in öffentlichem Interesse unternommen, unterhalten oder wesentlich unterstützt werden, sowie Veranstaltungen, welche ohne die Absicht der Gewinnerzielung ausschließlich zum Zwecke der Kunstpflege oder der Volksbildung unternommen werden und von der Landesregierung als gemeinnützig ausdrücklich anerkannt sind.374

Der Textauszug illustriert die Verschiebung der Situation nach 1918. Die ‚neuen‘ Stadt- oder Staatstheater boten Vorführungen, „welche von den Ländern in öffentlichem Interesse“ und „zum Zwecke der Kunstpflege oder der Volksbildung unternommen“ wurden. Mit anderen Worten: Die verstaatlichten oder kommunalisierten Schauspielbühnen und Opernhäuser waren als öffentlich subventionierte, der Kunst und Bildung verpflichtete Theaterformen von der Vergnügungs- oder Lustbarkeitssteuer ausgenommen.375

Im Jahr 1927 stand in Berlin eine überarbeitete Vergnügungssteuerverordnung zur Debatte, der zufolge die verschiedenen Theaterspielstätten beziehungsweise -formen neu klassifiziert werden und die Steuersätze für ‚künstlerisch hochstehende‘ Vorstellungen gesenkt werden sollten. Die Vorlage wurde jedoch von der Stadtverordnetenversammlung abgelehnt, sodass in Berlin zwischenzeitlich die Bundesverordnung bezüglich der Abführung der Vergnügungssteuer in Kraft trat.376 Am 9. Juni 1921 war nämlich vom damaligen Reichsrat eine bundesweite Vergnügungssteuer eingeführt worden: Hatten die einzelnen Gemeinden bislang keine derartige Steuer erhoben, wurden fortan öffentliche ‚Vergnügungen‘ in ihrem Bezirk mit 10 bis 25 Prozent pro Eintrittskarte besteuert. Für Gemeinden, die bereits vor diesem Datum eine solche Steuer eingeführt hatten, veränderte sich durch das neue Gesetz nichts.377

Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Vergnügungssteuer des Reichrats in Berlin präzisierte das preußische Innenministerium am 30. Mai 1928, dass Zirkusvorstellungen nicht als „künstlerisch hochstehend“ angesehen werden könnten, „da der Begriff […] wirkliche Kunstpflege im Sinne höherer Kunst mit geistigem Charakter voraussetzt.“378 Die Steuersätze auf die Eintrittskarten der Zirkusse könnten daher lediglich in Einzelfällen von den Gemeinden gesenkt werden. Ein derartiges Entgegenkommen sei bei „führenden Unternehmen auf diesem Gebiet“ gerechtfertigt, da ihnen „ein Wert im Sinne guter Volksunterhaltung und -belehrung zuerkannt werden“ könne.379 Das Entgegenkommen sei sogar „erwünscht, weil die Zirkusunternehmen, wie das Zusammenbrechen zweier bedeutender Zirkusse im letzten Jahre beweist, mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen“ hätten.380

Als vermeintlich echte, ‚höhere‘ Kunst „mit geistigem Charakter“ wurden Zirkusdarbietungen in Preußen also auch im Jahr 1928 keinesfalls angesehen, doch schien das Innenministerium zumindest „führenden Unternehmen“ einen gewissen kulturellen Wert beimessen zu wollen. Waren dies vielleicht die Früchte der jahrelangen Kämpfe von Circus Busch und Circus Schumann sowie der Lobbyarbeit des ab 1920 bestehenden Allgemeinen Circus-Direktoren-Verbands (ACDV)? Oder bemerkten die Behörden Ende der 1920er Jahre schlichtweg, dass selbst größere und traditionsreiche Zirkusunternehmen langsam, aber sicher von der Bildfläche verschwanden?

3.4 Die Zirkusse verschwinden

Nach der Jahrhundertwende wandten sich die Artistik-Vereinigungen mit Petitionen an den Reichstag, sie verfassten Denkschriften, organsierten Protestversammlungen, verhandelten mit Behörden und Politik. Nach nur oder nicht einmal zehnjähriger Existenz konnten sich die IAL wie auch der neu gegründete IVTDV im Dezember 1911 neben den ‚alten‘ Bühnenverbänden in die Vorbereitung des Reichstheatergesetzes einbringen. Kurzum: Die Artistik-Vereinigungen vertraten ihre Interessen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, gegen teils massive Widerstände, offensiv nach außen. Aber auch nach innen wurde, unter anderem in den Fachzeitschriften, ein Narrativ der Aufwertung und des Aufstiegs – inklusive einer deutlichen Abgrenzung gegenüber dem sogenannten Tingeltangel – kultiviert. Infolge ihrer unermüdlichen Organisations-, Institutionalisierungs- und Distinktionsbemühungen schienen die Artist:innen somit, zumindest ein Stück weit, in der bürgerlichen Gesellschaft anzukommen.

Passend zu dieser Dynamik veranstaltete die IAL im Frühjahr 1914 in der Nähe des Berliner Zoos die Erste Varieté Ausstellung, kurz EVA.381 Das Organ des IVTDV schrieb diesbezüglich am 16. Mai 1914 in einem langen, euphorischen Bericht: „Von vornherein sei es gesagt: Diese Veranstaltung ist für uns ein historischer Merkstein. Die Geschichte der Artistik wird fortan mit einer Zeit ‚vor‘ und ‚nach‘ der ‚Eva‘ zu rechnen haben.“382 Der langjährige IAL-Präsident Max Berol-Konorah notierte seinerseits im Rückblick auf das Ereignis:

Fast alles, was an Industrien und Gewerben dem Varieté oder Zirkus dient, hatte hier seine Erzeugnisse ausgestellt: Dekorationsfirmen, Perücken- und Schminkefabriken, Litho- und Plakatdruckereien, Kostümateliers, die Produzenten von Zauberapparaten, Musikinstrumenten, Perlen, Flittern und Bühnenschmuck, Beleuchtungsapparaten, Requisiten, Filz- und Kokosteppichen, Zirkuszelten, Sattelzeug, Reiseeffekten und hundert anderen Bedarfsartikeln. Daneben gab es eine historische und literarische Abteilung mit Handschriften, Stichen, Plakaten, Photographien und Originalrequisiten berühmter Artisten. Außerdem wurden dem Publikum auf fünf Bühnen sowie in der Luft von 11 Uhr morgens bis 11 Uhr abends fast unaufhörlich Vorführungen geboten. […] Die Ausstellung […] sollte nur vom 9. bis 24. Mai dauern, mußte aber bis zum 3. Juni verlängert werden.383

Die EVA bot also nicht nur Akteur:innen der affiliierten Gewerbezweige und Künstler:innen eine Plattform, sondern versammelte offenbar auch Materialien, die der bis dato ausstehenden Zirkus- und Varieté-Geschichtsschreibung dienen sollten. Doch nur zwei Monate nach Ende der EVA brach im August 1914 der Krieg aus und organisierte alles neu. So wurde die EVA auch nicht zu einem „historische[n] Merkstein“ der „Geschichte der Artistik“ wie vom Organ vorausgesagt,384 sondern geriet in Vergessenheit.

3.4.1 August 1914: Krieg, Krise und Konkurrenz

Variétés sind überall geschlossen. Geschlossen, weil die Artistentruppen zerrissen sind; weil die Theatermeister und Kontrolleure eingezogen sind; weil das Orchester nur halb komplett ist. Auch weil kein Publikum kommt. Engagementsverträge sind wertlos wie Fidibusse. Ob eine Kriegsklausel darin ist und wie sie lautet […] – alles ist gleichgültig. […] Artisten können nicht eintreffen; die Eisenbahnen befördern weder sie noch ihr Gepäck. […] Den Zirkussen ist das Pferdematerial zum Teil wegrequiriert worden; sie kriegen auch keine Lowrys [gemeint sind ‚lorries‘, Anm. M. H.], um reisen zu können; dazu kommt die Mobilmachung ihres Personals.385

Zeilen aus dem Programm vom 9. August 1914. „Die Artistenschaft ist durch den so jäh hereingebrochenen Krieg hart in Mitleidenschaft gezogen worden“,386 fuhr das IAL-Organ in der gleichen Ausgabe kurz nach Kriegsbeginn fort. Es wurde von deutschen Artist:innen berichtet, die fluchtartig eines der „feindlichen Länder“ verlassen mussten und „mittellos mit den letzten Zügen und ohne Gepäck oder Requisiten“ im Deutschen Reich angekommen seien; von wehrpflichtigen deutschen Artisten, die im Ausland bereits in Kriegsgefangenschaft geraten seien; von Kollegen, die sich zum Kriegsdienst verabschiedet hätten; von russischen und französischen Artist:innen, die nicht wüssten, wie sie ausreisen sollen oder „in Verdacht der Spionage geraten sind“ und „in Schutzhaft genommen werden sollen.“387 Alles schien sich beinahe über Nacht verändert zu haben: „Man lebt geradezu in einer anderen Welt. Einer Welt in Waffen. Einer Welt, in der buchstäblich alle bisherigen Werte anders bewertet werden, alle bisherigen Erfahrungen auf den Kopf gestellt sind, alles, was man bisher Logik nannte, umgekrempelt ist.“388

Auch das Programm veränderte sich. So wurde die Zeitschrift mit Beginn des Kriegs und in seinem weiteren Verlauf durch die allgemeine Ressourcenknappheit deutlich dünner und teurer.389 Zudem erschien die bisher – dem internationalistischen Selbstverständnis der Artist:innenschaft entsprechende – mehrsprachige Zeitschrift ab dem Sommer 1914 nur noch auf Deutsch. Dazu zählte auch eine „Verdeutschung der Artistensprache“, für die Berol-Konorah im Programm noch im Dezember 1914 konkrete Vorschläge unterbreitete.390 Zur Begründung dieser Maßnahme hieß es: „Die Fachsprache der Artistenschaft wimmelt von Fremdwörtern, was an sich bei der Internationalität unseres Berufes natürlich nicht zu verwundern ist“.391 Doch sei jetzt der Moment gekommen, die „Bemühungen des Deutschen Sprachvereins“ zu unterstützen, „das deutsche Volk zur Vermeidung der Fremdwörter anzuhalten und die deutsche Sprache von Fremdwörtern zu säubern […].“392 Die Begriffe, die Berol-Konorah vorschlug, waren Alternativen zu aus dem Französischen oder dem Englischen entlehnten Fachausdrücken: Das Varieté sollte fortan Schau- oder Buntbühne genannt werden, die Konzession neuerdings Spielerlaubnis, eine Offerte künftig Angebot, die Saison von nun an Spielzeit, die Clowns ab sofort Spaßmacher, und „Chapiteau und Tent heißen natürlich Zelt“.393 Wie gesehen verwendete Paul Busch im März 1917 in einem Schreiben an die Theaterpolizei den Begriff ‚Spaßmacher‘ für die Bekanntgabe eines Auftritts seiner Clowns.394

Nicht nur auf die Mehrsprachigkeit des Berufsfelds sowie auf das Identitätsverständnis der Artist:innen wirkte sich der Erste Weltkrieg aus, sondern auch auf die internationale Mobilität sowie die länderübergreifenden Bündnisse und Netzwerke. Mit der Frage „Was wird mit uns?“ blickte ein militärdienstleistender Artist im Programm im August 1917 auf die Zeit nach dem Krieg.395 Er wolle zurück in seinen alten Beruf, doch „für uns internationale Schaunummern bleibt die Frage vorläufig offen, weil wir Schaunummern auf das Ausland angewiesen sind.“396 Außerdem zählten die „Kriegsjahre […] doppelt“, womit 1917 „schon sechs Jahre unserer besten Zeit geopfert“ seien.397

Erschwerend komme hinzu, dass die deutschen Artist:innen im Ausland inzwischen verhasst seien.398 Zu dieser Einschätzung passt ein Beitrag aus dem gleichen Jahr mit der Überschrift „Internationalität!“, der zu dem Schluss kommt, dass der Zugang zum internationalen Arbeitsmarkt für deutsche Artist:innen nach dem Krieg nicht mehr gewährleistet sein werde. So habe der russische Artistik-Verband bereits im Herbst 1914 seine deutschen Mitglieder ausgeschlossen. Die britische Variety Artists Federation (VAF) sei diesem Beispiel Anfang 1916 gefolgt und habe ein Auftrittsverbot für deutsche und österreichische Artist:innen bis drei Jahre nach Kriegsende beschlossen. Auch die französische Union Syndicale des Artistes Lyriques habe sich diesem Beschluss inzwischen angeschlossen.399 Wie einleitend erwähnt hatte sich die IAL ab 1908 mit britischen, französischen und US-amerikanischen Artist:innenverbänden affiliiert und drei Jahre vor Kriegsausbruch gemeinsam die Weltliga der Artistik-Organisationen gegründet.400 Nach Kriegsende versuchte Berol-Konorah vergeblich im Namen der IAL, mit der VAF in London zu verhandeln. Daher entschied die IAL im November 1920, „auch in Deutschland Engländer so lange nicht auftreten zu lassen, bis die V. A. F. ihren Beschluß aufhebe.“401 Im Februar 1921 fanden die einzelnen nationalen Verbände dann in Rotterdam zusammen, um die Weltliga neu zu gründen. Trotz eines Vermittlungsversuchs von französischer Seite führte die andauernde Auseinandersetzung zwischen VAF und IAL dazu, dass die neue Ligue Mondiale des Organisations des Artistes mit Sitz Brüssel ohne die VAF gegründet wurde.402 Auch wenn mit der Neugründung an die Bündnisse aus der Zeit vor 1914 angeknüpft werden konnte, stellte der Erste Weltkrieg für die internationale Praxis der Artist:innen und Zirkusgesellschaften eine tiefgreifende Zäsur dar, deren Ausmaß und vielschichtige Konsequenzen sich heute nur erahnen lassen.

Auch während des Kriegs bemühten sich die deutschen Artistik-Verbände, das gesellschaftliche Ansehen von Artist:innen weiter zu verbessern. So organisierten sie am 12. Oktober 1917 einen sogenannten Nationaltag, an dem die Einnahmen aller Vorstellungen in Kriegsanleihen flossen.403 Auch Circus Busch und Circus Schumann beteiligten sich an der Aktion.404 Die GDBA und der DBV hatten bereits am 12. April 1917 einen derartigen Nationaltag der Deutschen Bühnen orchestriert und dabei offenbar mehrere Millionen Reichsmark eingenommen. Die Organisationen der Artist:innen waren in die Planung seitens der Literaturtheater-Verbände nicht miteinbezogen worden, weshalb sich das Programm bemühte klarzustellen: „Das Variété, der Zirkus und das Kabarett waren ohne Kenntnis der Absicht der Angehörigen der dramatischen Kunst geblieben […].“ Dafür gebe

[d]ie gegenwärtig zur Zeichnung aufgelegte 7. Kriegsanleihe […] nunmehr den Berufsgenossenschaften unserer so oft und zu Unrecht befehdeten Kunstrichtung die Gelegenheit, aus ihrer bislang der Öffentlichkeit gegenüber beobachteten Zurückhaltung herauszutreten. […] Auch wir sind vollwertige Staatsbürger, die hinter niemand zurückstehen.405

Die Zirkusunternehmen standen nach Kriegsausbruch vor diversen Herausforderungen.406 Darüber berichteten auch die wöchentlich erscheinenden „Circus-Nachrichten“ im Programm: von zum Kriegsdienst eingezogenen Künstlern, von der Konfiskation von Zirkuspferden zu militärischen Zwecken sowie von großen Reise- und Transportschwierigkeiten insbesondere für Wanderunternehmen.407 Im Laufe des Kriegs kamen außerdem eine stetige Verteuerung des Reiseverkehrs, Ressourcenknappheit bei Beheizung und Beleuchtung sowie große Engpässe bei der Versorgung der verbliebenen Tiere hinzu, die viele Zirkusse dazu zwangen, den Spielbetrieb auf Eis zu legen.408 Das Organ berichtete unter der Überschrift „Zirkuspferde als ‚Luxuspferde‘“ im Oktober 1917, dass in Berlin eine Verfügung erlassen worden sei, der zufolge Luxuspferde von den Verteilstellen keinen Hafer und kein Heu mehr erhalten sollten. Zirkuspferde fielen ebenfalls in die Kategorie der Luxuspferde, wogegen die beiden Berliner Zirkusdirektionen Busch und Schumann laut Bericht umgehend Einspruch erhoben.409 Der Artikel endet mit den Worten: „Wird ihnen trotzdem der Haferbezug verweigert, so werden sowohl der Zirkus Schumann wie auch der Zirkus Busch ihre Pforten schließen müssen.“410

Ein anderer Bericht mit der Überschrift „Vom Zirkus. Unsere Zirkusse im Kriege“, der im Dezember 1917 im Programm erschien, zeichnete für die beiden Berliner Zirkusse ein weniger düsteres Bild: Ihre Vorstellungen liefen wie in Friedenszeiten sehr gut, trotz „ungeübtem Personal“ und „mannigfachem Ersatzmaterial“.411 Paul Busch nahm den Betrieb nach der zwischenzeitlichen Schließung im Jahr 1914 im September 1915 wieder auf.412 Er war sich also vermutlich relativ sicher, dass das Publikum kommen und sein Unternehmen sich rentieren würde. Sein Zirkusbetrieb bestand bis 1937 ohne Unterbrechung fort. Circus Schumann hingegen schloss seine Pforten noch vor Ende des Ersten Weltkriegs, jedoch nicht – oder zumindest nicht offiziell – kriegsbedingt, sondern aufgrund des Rückzugs des Direktors in den Ruhestand.413

„Und dann kam fast wie über Nacht das Ende des Krieges und die Revolution“,414 hielt Berol-Konorah in seinem Rückblick auf 25 Jahre IAL fest.415 Mit dem Ende des Kriegs kamen zugleich neue Schwierigkeiten, in die der damalige Vorsitzende der IAL folgende Einblicke gibt:

Monate und Jahre hindurch zogen sich die vorübergehenden Schließungen von Betrieben hin wegen der Straßengefechte, der militärischen Absperrungen, der Verkehrsstreiks, der Kellner- und Musikerstreiks, der Elektrizitätsstreiks. Dazu kamen die Kohlenverordnungen durch die die Vorstellungen nur von 6 bis 10 Uhr dauern durften, die Wohnungs- und Lebensmittelverordnungen, die besonders den reisenden Artisten große Erschwernisse brachten, Gepäckeinschränkungsverordnungen, der Eisenbahn – niemand sollte mehr als 50 Kilo mitführen […] –, im März 1919 die angedrohte Schließung von 200 Luxusbetrieben, da diese angeblich bei den Ernährungsschwierigkeiten aufreizend auf das Volk wirkten, später im Mai die einwöchige Landestrauer […].416

In dieser turbulenten Zeit gelang manchen Zirkusunternehmen ein erfolgreicher Neustart, andere gerieten aufgrund der Verluste während des Ersten Weltkriegs und der darauffolgenden, starken Inflation zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten und mussten aufgeben.417 Davon zeugt auch das im Zusammenhang mit der Berliner Lustbarkeitssteuer besprochene Schreiben des preußischen Innenministeriums vom Mai 1928, dem zufolge „die Zirkusunternehmen, wie das Zusammenbrechen zweier bedeutender Zirkusse im letzten Jahre beweist, mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen“ hätten.418 Noch prekärer wurde die Situation dann offenbar in den 1930er Jahren, als viele deutsche Zirkusgesellschaften ihren Betrieb einstellten.419 Möglichweise war die Zahl der Zirkusgesellschaften aber bereits vor dem Ersten Weltkrieg zurückgegangen. Joseph Halpersons zirkushistoriografischer Arbeit zufolge existierten um 1900 „auf dem Kontinent über 200 große und mittlere Gesellschaften, eine Ziffer, die in den letzten Jahren vor dem Kriege freilich schon auf etwa siebzig zurückgegangen war.“420 Zweifelsohne spielte bei dieser Entwicklung auch die Konkurrenz durch neue Formen der Theater- und Unterhaltungskultur wie Varieté, Kabarett und Film eine bedeutsame Rolle.421

Im Dezember 1918 blickte Karl Döring im Programm auf „Die Zirkusgeschäfte“ während der vergangenen vier Jahre zurück und hielt fest, dass die Kriegszeit durchaus das Ende des Zirkus hätte besiegeln können. Aber die Zirkusunternehmen hätten den Widrigkeiten getrotzt und überlebt und die Wanderbetriebe hätten in den Provinzen sogar das Interesse des Publikums neu belebt.422 Döring konstatierte jedoch auch: Insbesondere „[d]ie großen Zirkusgeschäfte in festen Bauten in ‚Residenzstädten‘, die jetzt nicht mehr Residenz überflüssig gewordener Potentaten, wohl aber Hauptstädte sind, haben freilich […] mit der Konkurrenz der Theater, Variétés und Kinos zu rechnen.“423

3.4.2 Das Kino zieht ein, der Zirkus aus

II. Akt 1. […] Das offene Meer liegt vor uns und wir sehen jetzt ein Unterseeboot langsam auf der stillen Fläche dahingleiten. […] Da wir dieses seltsamste aller Kriegsschiffe nun genügsam von außen betrachtet haben, so quält es uns, auch in das Innere einen Blick zu tun, zu sehen, wie es den Menschen, die das blinde Ungeheuer lenken, zu Mute ist, wie sich ihr Leben, ihre Arbeit darinnen gestaltet. […]

II. Akt. 2. […] Wir sehen ein Unterseeboot im Längsschnitt vor uns. […] Jetzt durchzittert das Schiff ein heftiger Stoß, und im nächsten Augenblick dringt eine mächtige Wasserwoge in den Maschinenraum und schlägt Maschinist und Heizer zu Boden. […]

III. Akt. […] Vor unseren Augen breitet sich der Meeresgrund aus und wir erkennen deutlich das verunglückte Unterseeboot auf einem Felsen aufgefahren.424

Was sich wie das Drehbuch eines Films liest, ist ein Auszug aus dem Textbuch der Pantomime U20, die Ende 1911 bei Circus Busch Premiere feierte. Die Sujets der frühen Filme und der Zirkuspantomimen ähnelten sich und beeinflussten sich gegenseitig – Titel wie Meißner Porzellan oder Fridericus Rex waren sowohl auf Kino- wie auch auf Zirkusplakaten vorzufinden.425 Die um 1900 traditionsreiche und fest etablierte Inszenierungspraxis der Zirkuspantomimen, in denen spektakuläre Darbietungen in die übergeordnete narrative Gesamtdramaturgie integriert wurden, dürfte einen maßgeblichen Einfluss auf den frühen Film gehabt haben. Der französische Theater- und Filmwissenschaftler Patrick Désile etwa spricht in diesem Zusammenhang von einer Aneignung der zirzensischen Inszenierungsweisen und ihrer Ästhetiken durch den jungen Film, bei der auch ein personeller und räumlicher Transfer vom Zirkus zum Kino stattgefunden habe.426 Bis zum Beginn der 1910er Jahre hatte sich für und mit dem Film eine eigenständige Institution und ernste Konkurrenz für den Zirkus entwickelt: das Kino.

Im Programm war im März 1912 unter der Überschrift „Das Kino-Problem“ zu lesen, dass die Artistik-Verbände zu der seitens der Literaturtheater-Verbände viel besprochenen Kino-Konkurrenz noch keine Stellung bezogen hätten, unter anderem weil

eine nicht unbedeutende Anzahl von engagementslosen Artisten bei der Aufnahme von Films [sic!] einen sehr willkommenen Nebenverdienst [findet], wogegen nichts einzuwenden ist, so lange es sich nicht um die kinematographische Aufnahme ihrer Nummer, sondern um Mitwirkung bei den oft recht halsbrecherischen und gefährlichen Filmpantomimen und Sensationsdramen handelt.427

Die spezifischen Fertigkeiten von Artist:innen wurden also sowohl in den Zirkuspantomimen als auch in den „gefährlichen Filmpantomimen und Sensationsdramen“ in die Handlung integriert – bei letzteren traten sie vermutlich auch als die ersten Stuntmen und -women der Kinogeschichte auf. Doch konnten die Zirkuspantomimen allem Anschein nach irgendwann nicht mehr mit dem Kino Schritt halten, „als das Spektakuläre, Bombastische und technisch extrem Versierte“ des Zirkus hinter den zusätzlichen Möglichkeiten, die der Film bot, zurückblieb.428 Zudem entwickelte sich im Laufe der 1910er Jahre der Zirkusfilm als eigenes Kinogenre. Wie der Filmwissenschaftler Matthias Christen in einer Studie festhält,

[errichteten] [d]eutsche und dänische Firmen […] in der ersten Hälfte der 10er Jahre auf ihren Studiogeländen fest installierte Freilichtmanegen, um Zirkusfilme in Serie produzieren zu können […]. Insgesamt entstehen im Lauf der 1910er Jahre rund 120 solcher Filme: 34 in den USA, 30 in Deutschland sowie je 22 in Dänemark und Italien. Die 1920er Jahre bringen in Deutschland und den USA, den beiden größten Märkten, eine annähernde Verdoppelung des Produktionsaufkommens; […].429

Das interessierte Publikum konnte nach 1910 also auch im Kino in die Welt des Zirkus eintauchen.

Über den räumlichen Transfer vom Zirkus zum Kino berichtete das Programm im März 1912: „Jede Woche bringt uns die Hiobspost, daß ein gutes Familien-Variété […] in ein Kinematographentheater umgewandelt und so den Artisten wieder eine Arbeitsstätte verschlossen wurde […].“430 Nicht nur Varietés wurden nach 1910 vielfach in Kinos umgewandelt, sondern auch feste Zirkusspielstätten. In einem Artikel im Organ über die „Kinoseuche“ war Ende 1918 etwa zu lesen, dass es aus einer wirtschaftlichen Perspektive zwar verständlich sei, wenn die zeitweise leeren Zirkusgebäude an Kinounternehmer:innen vermietet würden.431 Doch sei es insgesamt schädlich für „Zirzensik und Artistik“,432 denn

die Kinokonkurrenz ist auch nicht bei dem Erreichten stehen geblieben. Sie sucht und findet auch neue Räumlichkeiten, um Besucher in großer Zahl aufnehmen zu können. Einesteils werden diese Kinotheater mit großem Fassungsraum neu erbaut, oder, und das ist hier der springende Punkt, das Kino zieht in Räume ein, die ursprünglich einem anderen Zweck gewidmet waren. […] Sind Variété- oder Zirkusgebäude ihrem ursprünglichen Zweck zugunsten des Kinos abwendig gemacht, sind diese […] doch in zweifacher Weise geschädigt. Die Gebäude nutzt der scharfe Konkurrent aus, und dessen Besucher werden dem Zirkus oder Variété entzogen.433

Bereits 1907 war der Pariser Cirque d’Hiver in das Cinéma Pathé umgewandelt geworden und auch das Hippodrome in der Rue Caulincourt wurde 1911 zum Gaumont Palace, ein vor dem Ersten Weltkrieg enorm erfolgreiches Kino.434 Frei wurden die festen Spielstätten nicht nur, weil Zirkusse ihren Betrieb einstellten, sondern auch, weil ab 1900 viele europäische Zirkusgesellschaften auf den sogenannten Chapiteauzirkus umsattelten. Wie im Zusammenhang mit der Reichstheater-Konferenz im Dezember 1911 erwähnt, existierten laut dem Programm zu dieser Zeit bereits wesentlich mehr Wanderunternehmen als feste Zirkusspielstätten.435 In den 1920er Jahren setzte sich in Europa der Zelt- beziehungsweise Wanderzirkus dann unwiderruflich gegen den Betrieb fester Spielstäten durch.436

Viele der noch bestehenden festen Zirkusgebäude wurden umgenutzt, abgerissen oder im Zweiten Weltkrieg zerstört. Mit der Aufgabe der festen Spielstätten, die sich meist im Zentrum der Städte befanden, verschwanden die Zirkusse zusehends aus dem Stadtbild. Aber weder Circus Busch noch Circus Schumann – die beiden letzten nach 1900 noch bestehenden Berliner Zirkusse mit festen Gebäuden – wurden in Kinos umfunktioniert. Circus Busch wurde 1937 abgerissen, der geplante Neubau nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr realisiert. Der Markthallenzirkus wurde nach der Einstellung des Betriebs von Circus Schumann nicht in ein Kino, sondern in Max Reinhardts Großes Schauspielhaus umgewandelt. Im Jahr 1911 hatte Karl Döring geschrieben, unter anderem auf Max Reinhardts Ödipus-Inszenierung im ehemaligen Berliner Circus-Renz-Gebäude ein Jahr zuvor anspielend: „Die größte Gefahr droht dem Zirkus von Seiten des Theaters.“437

3.4.3 Nach 1918: Vom Geschäftstheater zum Kulturtheater

„Eine andere Inschrift steht über den Toren des Kulturtheaters. Sie lautet: Dieses Haus dient der Kunst“, so Ludwig Seelig, Syndikus des Allgemeinen Deutschen Chorsänger Verbandes und Generalsekretär des Bühnenkartells der Arbeitgeber:innen-Verbände, in seiner von der GDBA 1914 herausgegebenen Streitschrift Geschäftstheater oder Kulturtheater?438 Endlich sei die Zeit gekommen:

Das Geschäftstheater schickt sich an, uns zu verlassen. Würdigere Bildungen rücken an seine Stelle. Jetzt breitet sich vor dem Auge aus, welch beispiellose Verheerungen der ungezügelte Erwerbsbetrieb im Reiche der Kunst angerichtet hat. Es ist, wie wenn Gewitterschloßen über fruchtbar blühendes Land niedergegangen sind. Überall Spuren der Zerstörung!439

Auch die im Jahr 1900 im Zusammenhang mit den Debatten um die Einführung der ‚Lex Heinze‘ gegründeten Goethe-Bünde plädierten für die Kommunalisierung der Literaturtheater-Bühnen. Dies verdeutlicht etwa der folgende Auszug eines Artikels in der Deutschen Bühnen-Genossenschaft aus dem Jahr 1906 mit der Überschrift „Betrieb städtischer Theater“:

Ueber dieses Thema hat auf dem soeben in Stuttgart abgehaltenen Delegiertentag der deutschen Goethe-Bünde Professor Dr. Pauli-Bremen einen Vortrag gehalten und führte unter anderem folgendes aus: Wir von den Goethe-Bünden haben uns von Anfang an zum Schutz und zur Pflege der wahren Kunst gegen Sittlichkeitsheuchelei, wie sie die Lex Heinze predigte, vereinigt. Eine unmoralischere und gefährlichere, weil zur Gewohnheit gewordene und systematisch betriebene Verderbung und Herabminderung, wie sie unserer dramatischen Kunst durch ihre offizielle Verpachtung an Geschäftsunternehmer zuteil wird, ist kaum zu denken.440

Die Goethe-Bünde schrieben, wie dieses Zitat aus dem Vortrag des Direktors der Kunsthalle Bremen illustriert, die „unmoralische“ und „gefährliche“ „Verderbung“ des Literaturtheaters ebenfalls dem „zerstörerischen“ Geschäftstheater zu. Auch hier zeigt sich, dass der umstrittene Gewerbestatus des Theaters untrennbar mit der Frage nach (Un-)Sittlichkeit verbunden war.

„Kann der Staat ein Theater verwalten? Und ist es für das Theater als Kunstinstitut zuträglich, wenn es in staatliche Verwaltung übergeht?“441 Diese Fragen aus einem Vortrag von Sascha Simchowitz, Dramaturg der Vereinigten Stadttheater in Köln, druckte Die Deutsche Bühnen-Genossenschaft 1906 ab.442 „Der Vortragende bejahte beide Fragen […].“443 Und unter Überschriften wie „Städte als Theatereigentümer“,444 „Wirtschaftsfragen des Theaters“,445 „Eigenbetrieb oder Verpachtung der Theater durch die Gemeinde“,446 „Theaterkulturpolitik der Gemeinden und soziale Frage“447 oder „Die Verstaatlichung der Bühne, Grundsätze und Vorschläge“448 wurde der Übergang von Geschäfts- zu Kulturtheatern auch in der GDBA-Zeitschrift Der neue Weg in den 1910er Jahren vielfach besprochen. ‚Kulturtheater‘ meinte in diesem Kontext nichts anderes als die Finanzierung von Theaterspielstätten mit ‚höherem Kunstinteresse‘ durch Gemeinden und den Staat. Ludwig Seelig lieferte in seiner Schrift auch eine Begründung dafür, warum das ‚Theater‘ öffentliche Subventionen erhalten sollte:

Die Bühne zeigt das Bild des Lebens im lebendigen Spiel. Sie rollt die menschlichen Geschehnisse als Geschehnisse unter Menschen vor den Sinnen auf. Sie ruft alle Künste herbei, die Poesie, die Musik, den Tanz, die Malerei und die bildende Kunst, um mit ihrer Hilfe das Spiel zu gestalten. In tiefster Seele des Menschen wurzelt der Spieltrieb. Es lockt das Spiel den Menschen an, es hält ihn fest, es erschüttert und erhebt ihn, es wirkt auf sein Wesen ein. Am Kultus des Schönen nimmt der Genießende hier schöpferisch teil. Das Volk, das die Geschehnisse des Theaters gemeinsam erlebt, wird zum mitwirkenden Faktor der Kunsterzeugung. Solche Gemeinwirkung kennt die Bildergalerie, das Museum nicht. Durch die Bühne tritt das Drama ins Leben. […] So bedeutet das Theater den Sieg des Ideals über die Wirklichkeit, des Ethos über den Egoismus, den Triumph des Geistes über das dumpfe Leben. Es bringt uns Schönheit und Erhebung. […] Die Dienste, die es der Menschheit zu leisten hat, stellen es in der Tat neben die Kirche und die Schule.449

Dieser Sichtweise aus dem Bereich des Bildungs- und Literaturtheaters zufolge war das ideale Theater nun also das städtisch oder staatlich finanzierte und eine Institution für das Volk, die eine gemeinschaftsstiftende sowie erhebende Dimension besaß.450 Seeligs Argumentation überschneidet sich mit sozialistischen beziehungsweise sozialdemokratischen Motiven (Volkserziehung, Zugänglichkeit zu den bürgerlichen Institutionen), doch klingt in Formulierungen wie „Sieg des Ideals über die Wirklichkeit“ oder „Ethos über den Egoismus“ auch ein völkisch-nationalistischer Diskurs an.

Während der letzten Kriegsmonate setzte sich auch der 1917 gegründete, über 10’000 Mitglieder umfassende Verband zur Förderung Deutscher Theaterkultur für die Kommunalisierung und Verstaatlichung der Literaturtheater-Spielstätten ein. Ihm gehörten neben Einzelmitgliedern auch ganze Städte und Gemeinden an und er prägte maßgeblich die sogenannte Theaterkulturbewegung gegen Ende des Ersten Weltkriegs.451

Mit der Gründung der Weimarer Republik war es dann so weit: „Das Theater als ‚Kunststaat in den vereinigten Staaten Deutschlands‘, das war das neue Schlagwort“,452 schrieb Max Hochdorf 1921 in seinem Rückblick auf die ersten 50 Jahre der GDBA. „Dementsprechend bauten sich die Theater, die früher königliche oder herzogliche gewesen waren, neu auf. Sie gaben sich eine neue Verfassung. Die städtischen Theater taten desgleichen. Republikanisch sollte die Verfassung sein.“453 Die königlichen Bühnen wurden gegen Entschädigungszahlung aus der Konkursmasse der Fürsten in Staatstheater überführt und die Kommunalisierung der Pachttheater wurde in den sozialdemokratisch regierten Städten zur Norm.454

Die jahrzehntelange Lobbyarbeit der GDBA, des DBV und weiterer Literaturtheater-Verfechter:innen trug also zu Beginn des 20. Jahrhunderts Früchte: Die Literaturtheater-Spielstätten konnten den verhassten ‚Geschäftstheater‘-Status ablegen und waren fortan gegen die Konkurrenz durch andere kulturelle Angebote abgesichert.455 Doch sei auch erwähnt, dass nicht nur die Überzeugungsarbeit der entsprechenden Bühnenorganisationen zur Verstaatlichung der Pachttheater führte: Viele Kommunen sahen sich aufgrund der häufigen Konkurse von Theaterpächter:innen schlicht dazu gezwungen, die lokalen Spielstätten mit eigenen Mitteln zu betreiben.456 Mit der finanziellen Förderung durch die öffentliche Hand wurden die staatlichen beziehungsweise städtischen Theater endgültig zu einer der öffentlichen Bildung und ‚hohen‘ Kunst verpflichteten Institution und waren fortan von der Gewerbeordnung ausgenommen. Sie waren in der Hochkultur angekommen.

3.4.4 Das Reichstheatergesetz ist Geschichte – die Theatergesetze bleiben, wie sie waren

Im Jahr 1918 flackerte zwar hier und da die Idee eines Reichtheatergesetzes nochmals auf. So meinte etwa der SPD-Abgeordnete Heinrich Schulz im Rahmen einer Debatte über einen Gesetzesentwurf zur Reglementierung der Kinos im März 1918, „daß es eine der wichtigsten gesetzgeberischen Aufgaben des Reichstags sein wird, ein Reichstheatergesetz zu schaffen, sobald der Friede dem Reichstage die Hände für derartige Kulturaufgaben wieder freimacht.“457 Am 14. April 1918 fand unter Beteiligung der IAL in Berlin auch eine Kundgebung statt, bei der es unter anderem um die sozialpolitischen Aspekte eines möglichen Reichstheatergesetzes ging.458 Und im November 1918 ersuchte das Präsidium des Bühnenkartells den neuen Staatssekretär des Reichsarbeitsamtes um eine Zusammenkunft, um „ihm die Dringlichkeit der Schaffung des Reichstheatergesetzes, das bekanntlich schon seit zehn Jahren ‚in Vorbereitung‘ ist“, darzulegen.459

Aus einem längeren, von Ludwig Seelig verfassten Bericht mit dem Titel „Theatergesetzgebung“, der am 13. November 1918 in Der neue Weg erschien, geht hervor, dass den Literaturtheater-nahen Verbänden des Kartells eine Novellierung der Gewerbeordnung nicht mehr sinnvoll schien, sie also bereits Abstand vom Projekt eines Reichstheatergesetzes genommen hatten.460 Als Begründung für diese Entscheidung führte Seelig an, „die Theater […] müssen auch der Verwaltung der Kulturangelegenheiten, also den Kultusministerien unterstellt werden.“461 Daher sollten die Literaturtheater-Spielstätten

aus der Gewerbeordnung, wo sie sich neben den Wirtshäusern und dem Branntweinhandel, den Pfandleihern und Trödlern finden, herausgenommen, ihr öffentliches Recht sollte in einem besonderen Theatergesetz geregelt werden. […] Das heutige Gewerbepolizeirecht gilt nur für gewerblich betriebene Theaterunternehmungen. Es gilt nicht für Theater, die zu rein künstlerischen, gemeinnützigen Zwecken, betrieben werden.462

Im April 1919 gab die IAL dann bekannt, dass sich das Bühnenkartell definitiv auflösen werde. Außerdem würden der neue Tarifvertrag zwischen IAL und IVTDV sowie der Zirkustarifvertrag nun diejenigen Neuerungen bringen, die im privatrechtlichen Teil des Reichtheatergesetzes vorgesehen gewesen seien.463 Die kommunalisierten und verstaatlichten Theaterbetriebe unterstanden wie erwähnt nicht mehr den Theatergesetzen der Gewerbeordnung. Für Zirkusse und Varietés sollte sich hingegen nach dem Ersten Weltkrieg auf öffentlich-rechtlicher Ebene nichts ändern – ihre Spielerlaubnis war weiterhin durch das Gewerberecht geregelt und die Unternehmen unterstanden somit dem Zuständigkeitsbereich der Innenministerien der Länder.

Der 1920 gegründete Allgemeine Circus-Direktoren-Verband (ACDV) bemühte sich, wie aus Unterlagen in den Akten der Berliner Theaterpolizei hervorgeht, gemeinsam mit der Reichsarbeitsgemeinschaft der Vereinigung reisender Gewerbetreibender Deutschlands zu Beginn des Jahres 1921 um eine Anpassung der Gewerbeordnung zugunsten der Wanderzirkusse.464 Die beiden Vereinigungen baten darum,

die gesetzlichen Bestimmungen dahin zu ändern, dass für das Zirkusgewerbe und die ihm verwandten Berufe ein Reichswandergewerbeschein ohne Beschränkung für das ganze Reich erteilt wird und dass die Bestimmungen über die Bedürfnisfrage in Fortfall kommen. […] Wir bitten […] die Gewerbeordnung weiter dahin abzuändern, dass im Wandergewerbeschein nur die Zahl der beschäftigten Personen anzugeben ist.465

Diese Forderungen entsprachen im Wesentlichen den Punkten, für welche sich die IAL in ihrer Denkschrift im Zusammenhang mit dem Reichstheatergesetz bereits im Jahr 1909 eingesetzt hatte.466 Der ACDV bat um eine „unverzügliche“ Abänderung der entsprechenden Paragrafen der Gewerbeordnung, „[m]it Rücksicht darauf, dass das Zirkusunternehmertum und die verwandten Berufe ausserordentlich hart unter den gerügten Missständen [infolge der geltenden Gesetze, Anm. M. H.] leiden“.467 Die Reichsarbeitsgemeinschaft der Vereinigung reisender Gewerbetreibender Deutschlands fügte ihrerseits hinzu, „dass die den reisenden Stand betr. Bestimmungen der R.G.O. der heutigen Zeit nicht mehr entsprechen und dass eine einheitlichere Gestaltung der R.G.O., soweit sie den reisenden Stand betrifft, ein unbedingtes und unabweisbares Erfordernis der jetzigen Zeit ist.“468

Der amtierende Reichswirtschaftsminister Robert Schmidt (SPD) kommentierte die erbetenen Erleichterungen wie folgt: „Ich beabsichtige, den Eingaben im allgemeinen keine weitere Folge zu geben“.469 Stattdessen informierte er sich bei den Innenministerien der Länder über deren Umgang mit der Bedürfnisfrage.470 Die Akten der Berliner Theaterpolizei geben dazu keine weitere Auskunft, doch wurde in einem polizeiinternen Schreiben vom 29. September 1921 „[a]us Anlaß eines Einzelfalles“ darauf hingewiesen, dass „künftig den umherziehenden Zirkus-Unternehmungen […] besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden“ sei.471 Die Bau- beziehungsweise Zeltpläne der Zirkusse müssten vor deren Aufrichtung von der Polizei abgenommen und der Wandergewerbeschein genau kontrolliert werden.472 Bezüglich der Prüfung der Bedürfnisfrage für Groß-Berlin wurde in einem weiteren internen Schreiben vom 19. Dezember 1921 empfohlen, das Bedürfnis für Gastspiele von Wanderzirkussen vorab auf einen bestimmten Zeitraum zu beschränken.473 So könne die jeweilige Behörde

von dem Zirkusunternehmer […] den Nachweis […] erfordern, wo er nach Ablauf dieses Zeitraumes sein Gewerbe fortzusetzen beabsichtigt, und daß ihm an dem betreffenden Orte die Fortsetzung des Unternehmers zugesichert ist. Andernfalls, wenn dieser Nachweis nicht erbracht wird, wäre die Ausdehnung [des Wandergewerbescheins, Anm. M. H.] auf Berlin und die Bedürfnisfrage von vornherein zu verneinen.474

Der Vorstoß des ACDV im Jahr 1921 blieb somit erfolglos und auch die Berliner Polizei kam den Wanderzirkussen nicht entgegen.

Im April 1925 unternahm die IAL dann nochmals einen Versuch, die Theater-Paragrafen der Gewerbeordnung abändern zu lassen. Wie bereits vor 1910 bemühte sie sich, Regierung und Reichstag davon zu überzeugen, dem Paragrafen 32 (RGO) einen Absatz hinzuzufügen (§ 32a) und so zu erwirken, dass Doppelkonzessionierungen fortan nicht mehr zulässig wären.475 Die IAL wollte damit erreichen, dass Varietédirektionen in Zukunft ausschließlich Artist:innen engagierten und nicht „nach Belieben heut Schauspielunternehmer und morgen Varietéunternehmer“ sein könnten.476 Wie bereits vor 1918 waren für Varieté- oder Zirkusdirektionen, die Schauspielvorstellungen ohne ‚höheres Kunstinteresse‘ bieten wollten, neben einer Konzession nach Paragraf 33a zusätzlich eine Konzession nach Paragraf 32 (RGO) notwendig. Dieser Umstand hatte laut der IAL aber dazu geführt,

daß die meisten Varieté-Unternehmer neben der Konzession aus § 33a auch die aus § 32 erwerben, die erteilt wird, weil man annimmt, daß sie im Rahmen des Varietés kurze Schauspiele, Einakter, Sketche, usw. darbieten wollen. Die Konzession wird dann aber nur zu oft auch dazu benutzt, den Varietébetrieb beliebig oft im Laufe der Saison als reinen Theaterbetrieb zu führen, und zwar hauptsächlich um Operetten, Revuen und dergl. aufzuführen. Dadurch wird den eigentlichen Theatern, insbesondere auch den Stadttheatern und den rein künstlerischen Interessen dienenden Privattheatern oft monatelang eine sehr unerwünschte Konkurrenz bereitet […]. Die Theater haben sich stets, und unseres Erachtens nicht mit Unrecht, über diese Konkurrenz beklagt, die ihnen die Varietétheater bereiten.477

Die IAL versuchte also quasi mit den Argumenten der Literaturtheater-Lobby, die durch Krieg und Inflation von Erwerbslosigkeit gebeutelten Artist:innen vor der Konkurrenz zu schützen.478 Vor dem Krieg sei „der deutsche Artist […] der gesuchteste Artist in allen Ländern der Welt“ gewesen, wohingegen die deutschen Artist:innen aktuell „insbesondere den früheren Feindstaaten“ verpönt seien.479

Infolge dieser Eingabe der IAL richtete das Berliner Polizeipräsidium ein Schreiben an den amtierenden preußischen Innenminister Carl Severing (SPD) und statuierte, dass der Polizei die Änderungen von Paragrafen 32 und 33a (RGO) nicht angebracht schienen.480 „Erwerbslosigkeit und Not“ herrsche „in gleicher Weise unter den Schauspielern.“481 Letztere hätten ebenfalls mit Konkurrenz durch „Revuen ehemaliger Volltheater mitauftretenden Artisten“ zu kämpfen.482 Daher, so der Polizeipräsident, „zu Gunsten der Artisten ihr Arbeitsfeld noch weiter zu beschneiden, vermag ich nicht zu befürworten.“483 Auch der Versuch der IAL, die Theater-Paragrafen der Gewerbeordnung im Jahr 1925 zu verändern, blieb somit erfolglos.

***

Während Paragraf 32 (RGO) durch das Theatergesetz von 1934 endgültig abgeschafft wurde, blieben die Paragrafen 33a und 55 in der Weimarer Republik und der Bundesrepublik Deutschland (mit Unterbrechung während der NS-Zeit) bis zu einer Überarbeitung der Gewerbeordnung im Jahr 1984 für stehende und reisende gewerbliche Theater gültig.484 Seit dieser Novellierung bezieht sich Paragraf 33a nur noch auf „geschlechtsbezogene Darstellung[en] von Personen“.485 1984 wurde außerdem in den beiden Paragrafen die Formulierung „ohne daß ein höheres Interesse der Kunst oder der Wissenschaft dabei obwaltet“ entfernt. In einem Kommentar zu dieser Änderung ist zu lesen, dass sie vom Bundesrat mit folgender Begründung vorgeschlagen worden war:

§ 33 a ist im Jahre 1883 in die Gewerbeordnung eingefügt worden. Er sollte nach der Begründung die Möglichkeit bieten, dem Unwesen der sogenannten Singspielhallen (‚Tingeltangel‘) mit Erfolg entgegenzutreten, die damals als ‚der Moral im höchsten Grade schädlich‘ angesehen wurden. Die Anschauungen über Sitte und Moral haben sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Im übrigen ist der Anwendungsbereich der Vorschrift aus der heutigen Sicht überzogen. Ein großer Teil der erlaubnispflichtigen Tatbestände, nämlich die Veranstaltung von Singspielen, Gesangs- und deklamatorischen Vorträgen, theatralischen Vorstellungen, ist, sofern derartige Aufführungen überhaupt noch stattfinden, daher unter gewerberechtlichen Umständen nicht mehr regelungsbedürftig. Dasselbe trifft für Schaustellungen von Personen zu, soweit es sich dabei z. B. um künstlerische, sportliche, akrobatische oder ähnliche Vorführungen […] handelt.486

Es ging bei der Überarbeitung 1984 also nicht um die Aufhebung der Hierarchie verschiedener Theaterformen in der Gewerbeordnung, sondern um eine Anpassung an die zeitgemäßen „Anschauungen über Sitte und Moral“, sowie darum, „überzogene Genehmigungserfordernisse […] abzubauen“487 beziehungsweise das Reisegewerberecht zu „liberalisieren“ und zu „entbürokratisieren“.488 So sind Reisegewerbekarten (die ehemaligen Wandergewerbescheine) heute in der ganzen Bundesrepublik gültig und können auch ohne zeitliche Beschränkung ausgestellt werden. Ein festes Zirkusgebäude wird in Deutschland heute nur noch von Circus Krone in München betrieben und die Situation der kleineren Wanderunternehmen ist insgesamt äußerst prekär.489

Wie im Laufe dieses Kapitels gesehen, kämpften die nach 1900 überregional und international agierenden Artistik-Verbände um gesellschaftliche Anerkennung für die artistischen Berufe und für eine Legitimierung von Zirkus und Varieté als Kunst. Zu diesem Zweck versuchten sie, den Status ihrer Spielstätten und Produktionen auch auf rechtlicher Ebene aufzuwerten. Im Rahmen dieses Aufwertungs- und Anerkennungskampfes grenzten sich die Artistik-Verbände konsequent vom sogenannten Tingeltangel ab und diskreditierten die entsprechenden Spielstätten und Protagonist:innen. Ihre Argumentation wies dabei ironischerweise Überschneidungen sowohl mit den Argumentationen der Literaturtheater-Lobby als auch der Sittlichkeitsbewegung auf.

Vor dem Hintergrund der Abgrenzung gegenüber dem sogenannten Tingeltangel forderte die IAL vom Gesetzgeber für die Varietétheater einen eigenen Konzessionsparagrafen (§ 32a RGO), der Artist:innen das alleinige Auftrittsrecht an Varietés sichern und sie damit zugleich vor der Konkurrenz durch Schauspieler:innen schützen sollte. Das narrative Muster der Artistik-Vertreter:innen weist deutliche Parallelen zu der im zweiten Kapitel ausführlich besprochenen Auf- und Abwertungsargumentation der Literaturtheater-Lobby auf, die Legitimierung des Literaturtheaters beziehungsweise des Schauspiels als ‚förderungswürdige‘ Kunst durch eine Abwertung vermeintlich ‚niederer‘ Theaterformen – inklusive des Zirkus – herbeizuführen.

Bei diesem Auf- und Abwertungsnarrativ im Zusammenhang mit der Frage, was als Kunst beziehungsweise als Nicht-Kunst bewertet wird, handelt es sich um ein strukturelles Phänomen, dass sich in unterschiedlichen Epochen beobachten lässt – etwa beim Théâtre de la Foire in Paris um 1700. Die Theaterwissenschaftlerin Martina Groß hält diesbezüglich in einer Studie fest, dass die Akteur:innen des Marktheaters rund um Alain-René Lesage damals „nach Theatermöglichkeiten in einem System suchten, das glaubte, von Kunst könne nur gesprochen werden, wenn sie regelgemäß sei.“490 Mit ihren Aufführungen grenzten sie sich „von den bisherigen Jahrmarktsunterhaltungen“ ab.491 Doch zogen diese Darbietungen zugleich „(Spiel-)Verbote seitens der offiziellen Theater“, das heißt der Comédie Française, der Comédie Italienne und der Pariser Oper nach sich, die sich von den innerhalb des Kunstsystems aufsteigenden Markttheater-Aufführungen bedroht fühlten.492

Die Artistik-Verbände versuchten nach 1900 ebenfalls, für Varieté und Zirkus einen besseren Platz innerhalb des etablierten Systems zu erkämpfen. Dabei kritisierten die politischen Akteur:innen zwar die hierarchische Ordnung, ohne diese jedoch grundlegend zu hinterfragen. Im Zusammenhang mit dem Reichstheatergesetz schrieb das Programm etwa, dass „die Ausschaltung des schleierhaften, von Gerichten und Behörden in widerspruchsvollster Weise ausgelegten Begriffes des ‚höheren Kunstinteresses‘ aus den Konzessionsvorschriften“ erforderlich sei.493 Darüber seien sich im Rahmen der Reichstheater-Konferenz im Jahr 1911 „[a]lle Variété- und Zirkusinteressenten […] völlig einig“ gewesen.494 Leo Bartuschek, Leiter der Centralhallen in Stettin und später der Eis-Arena im Berliner Admiralspalast, führte dazu im Organ des Direktoren-Verbands aus:

Würde das stolze Epitheton ‚höheres Interesse der Kunst‘ in seiner Anwendung auf die Meisterwerke der Opernliteratur oder der Klassiker beschränkt sein, so wäre das zu verstehen. Wenn wir aber sehen, dass […] die Eintagsfliegen des modernen Schwankes, der Posse und der Operettenliteratur von Gesetzes wegen in die freien Höhen der hehren Kunst erhoben werden und zahllosen auf dem Variété gebotenen wahrhaft künstlerischen Leistungen von Amts wegen der Stempel der Inferiorität aufgeprägt wird, so muss man sich nach dem Sinn derartiger Gesetzesbestimmungen fragen. Hat doch ein Richter den weisen Spruch gefällt, dass einer Vorstellung, die in einem Rauchtheater stattfand, höheres Interesse der Kunst nicht innewohnte. […] [D]en stereotypen Tänzen des Corps de Ballet der Kgl. Oper wohnt aber ein höheres Interesse der Kunst und Wissenschaft inne. Das höhere Interesse der Kunst würde aber unzweifelhaft verneint werden, wenn dasselbe Ballett auf einer Variétébühne zur Aufführung gelangen würde.495

Bartuschek zweifelte also offensichtlich an der Plausibilität einer Begünstigung von Theaterformen mit ‚höherem‘ gegenüber solchen mit ‚nicht vorhandenem‘ Kunstinteresse „von Amts wegen“, durch „Gesetzesbestimmungen“ und Richtersprüche sowie durch einen bestimmten institutionellen Rahmen. Gleichwohl schien ihm eine entsprechende Attribuierung für „die Meisterwerke der Opernliteratur oder der Klassiker“ gerechtfertigt. Ähnlich wie die Äußerung Bartuscheks liest sich auch einer der ersten Versammlungsberichte der IAL vom 17. Dezember 1901:

Das Gesetz besagt, dass zum Theater Vorführungen gerechnet werden, die der höheren Kunst und der Wissenschaft dienen; wir müssen uns da aber die Frage stellen, ob eine kleine, gewöhnliche Schmiere, die sich auch Theater nennt und welche von dem Publicum, das Interesse für höhere Kunst hat, gar nicht besucht wird, wirklich etwas Besseres bieten sollte, als unsere erstclassigen Variétés, deren Zuhörerschaft sich aus den feinsten Kreisen zusammensetzt. Hier liegt ein Widerspruch in der Auffassung des Begriffes ‚höhere Kunst‘ vor […].496

Und im Rahmen des Versuchs der IAL, die Bedürfnisfrage in den Paragrafen 33a und 55 (RGO) mit dem Reichstheatergesetz abzuschaffen, schrieb Max Berol-Konorah im Jahr 1912:

Da fragt es sich nur, ob es denn zutrifft, daß unsere Schauspiel- und Opernbühnen Kunstinstitute sind?! Sind sie nicht ebensogut Erwerbsinstitute wie die Variétés? Kunst kommt von ‚Können‘. Die Darbietungen unserer besten Variétés tragen heut schon längst selbst dem verwöhntesten Geschmack Rechnung, und die moderne Artistik bietet mancherlei über den Durchschnitt gehendes, das allen Anforderungen der Aesthetik entspricht, und das schon deshalb Kunst ist, weil man es erst ‚kann‘, wenn man durch rastlosen Fleiß, Uebung, Mut und Energie es so weit gebracht hat. Ist denn aber alles, was an den ‚höheren‘ Bühnen geboten wird, wirkliche Kunst?? Die Gesetzgebung hat ebensowenig die Aufgabe, die Variétés u. dgl. zugunsten der Theater im ‚Interesse der höheren Kunst‘ zu unterbinden, als etwa das Drucken von Romanen zugunsten der Verleger von Klassikern einzuschränken, das Herstellen von Bildern in Farbendruck oder das Photographieren zugunsten der Maler zu untersagen, oder die Caféhauskapellen zugunsten der Philharmonischen Orchester zu verbieten usw.497

Die Varietés beziehungsweise die dort auftretenden Artist:innen hatten sich Berol-Konorah zufolge im Gegensatz zu den Tingeltangel-Angehörigen emporgearbeitet auf die Stufe der Kunst, erhielten aber nach wie vor keine Anerkennung als „Kunstinstitute“ in der Gesetzgebung. Bemerkenswert ist in der zitierten Passage auch die Gegenüberstellung von E- und U-Kultur beziehungsweise als Kunst und Nicht-Kunst bewertete kulturelle Sphären, wobei erstere als ‚förderungswürdig‘ galten und damit von der Gesetzgebung bevorzugt wurden, etwa von Steuerabgaben befreit waren.

Die Artist:innen übernahmen und reproduzierten in ihrer Argumentation das gängige Kunst-Narrativ. Damit fügten sie sich in den vorherrschenden Diskurs ein und stabilisierten diesen letztlich.498 Die Artistik-Lobby kämpfte um Anerkennung innerhalb der bestehenden Rangordnung und hinterfragte weder die Spartentrennung noch die Konstruiertheit des Wertesystems. Lediglich vereinzelt kam es zu einer grundsätzlichen Infragestellung des hegemonialen Kunstbegriffs wie in den folgenden Zeilen des Zirkushistoriografen Joseph Halperson:

Als Kunststätte rangiert das Theater vor dem Zirkus – so will’s die herkömmliche Rangordnung. Die Theaterleute sind Künstler, die Zirkusleute gelten bestenfalls als ‚Künstler‘. Wehe dem, der sich vermißt, dem Schauspieler, und sei er auch nur das bescheidenste Lumen, einen tüchtigen Zirkuskünstler voranzustellen. Ist es aber auch wirklich so ganz gerechtfertigt, jenen, der uns die berühmte Meldung zu erstatten hat, daß die ‚Pferde gesattelt‘ seien, um so viel höher einzuschätzen als jenen anderen, der sie uns geschickt und gefällig vorzureiten versteht? Da klafft doch ein artiger Widerspruch, der durch eigensinniges Festhalten an einer überlieferten Skala der Werteinschätzung um nichts logischer wird.499

In seinem 1926 veröffentlichten Buch vom Zirkus wollte der Autor es „[d]en Soziologen […] überlassen, zu beurteilen, inwieweit der Zirkus ernst zu nehmen sei“.500 Der engagierte Historiograf verwies die Frage, ob der Zirkus als Kunst gelten könne, also an jene Wissenschaft, die sich explizit mit der Beschaffenheit gesellschaftlicher Verhältnisse beschäftigt.

***

Die Bemühungen der Artistik-Lobby blieben wie gesehen weitgehend erfolglos. Warum? Vielleicht kamen sie zu spät oder aber viel zu früh, vielleicht bediente sie die falschen Argumentationen, vielleicht war sie auch einfach zu schwach. Fest steht: Auch nach 1900 war es die deutlich ältere und bereits gut etablierte Literaturtheater-Lobby, die sich politisches Gehör verschaffen konnte. Unterstützung erhielt sie dabei indirekt von der Sittlichkeitsbewegung, die mit ihren Vorstößen gegen das ‚Tingeltangel-Unwesen‘ den Diskurs der Minderwertigkeit, ja sogar Schädlichkeit der vergnüglichen, ‚niederen‘ Theaterformen zusätzlich zementierte. Die Literaturtheater-Lobby war nur ein Faktor, der zur Wende im Kräfteverhältnis von Zirkus und ‚Theater‘ beitrug. Doch lässt sich die bis heute wirkmächtige Bewertung des Zirkus im Umkehrschluss nicht ohne ihr hartnäckiges Wirken im Untersuchungszeitraum dieser Arbeit verstehen.

1

Zeitungsausschnitt Internationale Artisten-Zeitung, 24.02.1901, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

2

Ebd.

3

Vgl. Berichte der Kommission für Petitionen, 30.04.1908, in: RTP, S. 5445. Laut dem Kommissionsbericht hatte die Petition „eine Beseitigung der Wandergewerbeschein- und der Wandergewerbescheinsteuerpflicht für die Artisten“ zum Ziel (ebd.). Der Leipziger Artistenverband schlug vor, „‚[d]er Hohe Deutsche Reichstag wolle eine Abänderung der Gewerbeordnung dahingehend beschließen, daß jeder in Deutschland arbeitende Artist eine ‚Paßkarte‘ ausgestellt bekommt, Grund welcher er berechtigt ist, überall im Deutschen Reiche seinem Berufe ungehindert nachzugehen.‘“ (Ebd.).

4

Der Artist, 10.07.1883, Titelblatt. Vgl. auch Max Berol-Konorah, 25 Jahre IAL. Ihr Werden, Wachsen und Wirken. 1901–1926. Berlin: Das Programm, 1926, S. 17.

5

Vgl. Jansen, Varieté, S. 171.

6

Der Artist, 22.03.1908, o. S.

7

Vgl. Rühlemann, Varietés und Singspielhallen, S. 404–408.

8

Zu nennen sind Signor Domino, Cirkus; Signor Saltarino, Artisten-Lexikon; ders., Fahrend Volk. Abnormitäten, Kuriositäten und interessante Vertreter der wandernden Künstlerwelt. Leipzig: J. J. Weber, 1895; sowie der geschichtliche Rückblick von Raeder, Circus Renz.

9

Raeder, Circus Renz, S. VII.

10

Der Artist, 10.04.1904, o. S.

11

Birgit Peter weist darauf hin, dass Signor Saltarino mit seinen Arbeiten „[d]ie Begriffsschöpfung ‚Artist‘ […] im Deutschen“ stark prägte (Peter, Zirkus, S. 17). Im Artisten-Lexikon (1895) hielt er Biografien von Artist:innen fest und war Chefredakteur des Artist (vgl. ebd.).

12

Aus dem Artist geht hervor, dass es sowohl in Berlin als auch in Hamburg eine „Internationale Artisten-Genossenschaft“ (IAG) gab, die untereinander offenbar deutliche Meinungsverschiedenheiten hatten. Der Artist wurde zum Organ der Hamburger IAG, während die IAG in Berlin die Artistenwelt und später die Revue publizierte (vgl. Der Artist, 22.03.1908, o. S.).

13

Ebd.

14

Vgl. Bezirksamt Neukölln / Kunstamt, Eine große Familie, S. 12–28; Artisten-Verein Einigkeit Berlin-Neukölln.

15

Vgl. Jansen, Varieté, S. 172.

16

Das Programm, 04.01.1931, o. S.

17

Vgl. Berol-Konorah, Denkschrift der Internationalen Artistenloge zum Reichstheatergesetz. Berlin: F. Lenz & Comp., 1909, S. 16–18, 42; Jansen, Varieté, S. 173.

18

Berol-Konorah, Denkschrift, S. 17. Für weitere Informationen zu Max Berol-Konorah vgl. Jansen, Varieté, S. 175–181.

19

Vgl. Jansen, Varieté, S. 175 f.; Der Artist, 22.03.1908, o. S. Frauen erhielten bei der IAL von Anfang an eine Mitgliedschaft, durften allerdings nicht an den Versammlungen teilnehmen (vgl. Jansen, Varieté, S. 176).

20

Vgl. ebd.; G. Winkler, Von fliegenden Menschen, Bd. 1, S. 156; Das Programm, 05.11.1911, o. S.

21

Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 27.

22

Vgl. Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 38 f., 58 f.; Das Programm, 23.11.1913, o. S.

23

Ebd. Satzung (Statuten) der Internationalen Artisten Loge, Berlin 1901, S. 3, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

24

Das Programm, 03.03.1912, o. S.

25

Vgl. Berol-Konorah, Denkschrift, S. S. 61.

26

Das Programm, 28.04.1912, o. S. Im Oktober 1912 hatte die IAL bereits rund 2000 Mitglieder (vgl. Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 61).

27

Das Programm, 28.04.1912, o. S.

28

Vgl. Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 61.

29

Vgl. Otte, Jewish Identities, S. 43.

30

Vgl. Jansen, Varieté, S. 71–73; Rühlemann, Varietés und Singspielhallen, S. 29–35; G. Winkler, Von fliegenden Menschen, Bd. 1, S. 459–469.

31

Der neue Weg, 11.10.1913, o. S.

32

Das hier besprochene Reichstheatergesetz-Projekt ist nicht zu verwechseln mit dem nationalsozialistischen Reichstheatergesetz von 1934.

33

Vgl. Die Deutsche Bühne, 1.4, 1 (1909), S. 61–63; Lennartz, Theater, S. 107; Linhardt, Reichstheatergesetz, S. 261; Schöndienst, Geschichte des DBV, S. 137–147.

34

Vgl. Berichte der Kommission für die Petitionen, 29.10.1902, in: RTP, S. 5579.

35

Verhandlungen des Reichstags, 262. Sitzung, 19.02.1903, in: RTP, S. 8021–8054, hier S. 8024.

36

Ebd.

37

Ebd.

38

Vgl. dazu auch Hinz, Theater der Prostitution.

39

Verhandlungen des Reichstags, 262. Sitzung, 19.02.1903, in: RTP, S. S. 8021–8054, hier S. 8030.

40

Vgl. Verhandlungen des Reichstags, 262. Sitzung, 19.02.1903, in: RTP, S. S. 8021–8054, hier S. 8025 f. Im Deutschen Wörterbuch von Karl Weigand wird ein „Mucker“ 1910 als „scheinheiliger Frömmler“ definiert (Karl Weigand, „Mucker“, in: Herman Hirt (Hg.), Deutsches Wörterbuch, Bd. 2: L–Z, überarb. Aufl., Gießen: Alfred Töpelmann, 51910, S. 224). Auch der Begriff ‚Sittlichkeitsmucker‘ war geläufig (vgl. Isabell Lisberg-Haag, ‚Die Unzucht – das Grab der Völker‘. Die Evangelische Sittlichkeitsbewegung und die ‚sexuelle Moderne‘ (1870–1918). Münster: LIT Verlag, 2002, S. 93).

41

Verhandlungen des Reichstags, 262. Sitzung, 19.02.1903, in: RTP, S. 8021–8054, hier S. 8029.

42

Ebd.

43

Zur zunehmenden politischen Organisation der Arbeiter:innen ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert vgl. auch Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 788–804.

44

Der neue Weg, 29.05.1909, o. S. Zum Thema ‚Schauspielerelend‘ vgl. auch die Berichte „Nothstände am Theater“ in: Deutsche Bühnen-Genossenschaft, 08.05.1903, o. S. und „Theaterelend“ in: Deutsche Bühnen-Genossenschaft, 12.05.1905, o. S.

45

Vgl. Linhardt, Reichstheatergesetz, S. 206–262; Rübel, Geschichte der GDBA, S. 141, 143, 151.

46

Verhandlungen des Reichstags, 176. Sitzung, 04.12.1908, in: RTP, S. 5977–5994, hier S. 5982.

47

Pfeiffer, Theater-Elend, S. 5. Die Denkschrift ist auch in den Akten der Berliner Theaterpolizei archiviert (vgl. Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin).

48

Vgl. ebd.; Linhardt, Reichstheatergesetz, S. 265.

49

Pfeiffer, Theater-Elend, S. 39.

50

Ebd.

51

Vgl. Joachim Gans zu Putlitz, Theater-Hoffnungen. Ein Wort zur Aufklärung. Stuttgart u. Leipzig: Deutsche Verlags-Anst., 1909. Die Denkschrift ist auch in den Akten der Berliner Theaterpolizei archiviert (vgl. Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin).

52

Putlitz, Theater-Hoffnungen, S. 38.

53

Vgl. Putlitz, Theater-Hoffnungen. Die Schrift wurde auch in der ersten Ausgabe der Deutschen Bühne abgedruckt (vgl. Die Deutsche Bühne, 1.4, 1 (1909), S. 61–63; vgl. auch Die Deutsche Bühne, 1.6, 1 (1909), S. 93–95).

54

Vgl. Verhandlungen des Reichstags, 203. Sitzung, 10.02.1909, in: RTP, S. 6817–6846, hier S. 6821–6824, 6835.

55

Vgl. Die Deutsche Bühne, 1.17 (1909); Der neue Weg, 20.02.1909, 06.08.1910, 15.10.1910, 29.06.1912.

56

Das Programm, 21.02.1909, o. S.

57

Ebd.

58

Vgl. Verhandlungen des Reichstags, 240. Sitzung, 01.04.1909, in: RTP, S. 7986–8016, hier S. 7995.

59

Verhandlungen des Reichstags, 240. Sitzung, 01.04.1909, in: RTP, S. 7986–8016, hier S. 7996.

60

Verhandlungen des Reichstags, 166. Sitzung, 04.05.1911, in: RTP, S. 6333–6378, hier S. 6357; vgl. auch Verhandlungen des Reichstags, 145. Sitzung, 11.03.1911, in: RTP, S. 5337–5372, hier S. 5342; Verhandlungen des Reichstags, 166. Sitzung, 04.05.1911, in: RTP, S. 6333–6378, hier S. 6357 f.

61

Das Programm, 26.11.1911, o. S.

62

Vgl. ebd.; vgl. auch Rübel, Geschichte der GDBA, S. 154.

63

Vgl. Die Deutsche Bühne, 25.12.1911, S. 364 f.; Das Programm, 24.12.1911, o. S. Robert von Landmann ist auch der Verfasser eines bedeutenden Kommentars zur Gewerbeordnung.

64

Vgl. Das Programm, 23.11.1913, o. S.; Rübel, Geschichte der GDBA, S. 147; vgl. auch Der neue Weg, 24.12.1910 u. 06.01.1912, o. S.

65

Vgl. Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 62.; Rübel, Geschichte der GDBA, S. 171.

66

Das Organ, 03.02.1912, S. 5.

67

Vgl. Verhandlungen des Reichstags, 17. Sitzung, 01.03.1912, in: RTP, S. 367–403, hier S. 398; Verhandlungen des Reichstags, 22. Sitzung, 07.03.1912, in: RTP, S. 533–558, hier S. 542.

68

Vgl. Das Programm, 08. u. 12.12.1912, o. S.; Der neue Weg, 07.12.1912.

69

Vgl. Das Programm, 12.12.1912, o. S.

70

Vgl. Erster amtlicher Entwurf zum Reichstheatergesetz, abgedruckt in: Das Programm, 12.12.1912, o. S. und in: Der neue Weg, 21.12.1912, o. S.; vgl. auch Linhardt, Reichstheatergesetz, S. 268.

71

Linhardt, Reichstheatergesetz, S. 269.

72

Vgl. auch Linhardt, Reichstheatergesetz, S. 264; Richard Treitel, „Reichstheatergesetz [1913]“, in: Manfred Rehbinder (Hg.), Bühnenprobleme der Jahrhundertwende im Spiegel des Rechts. Theaterrechtliche Aufsätze, Berlin: Gesellschaft für Theatergeschichte, 1990, S. 30–39.

73

Vgl. Verhandlungen des Reichstags, 95. Sitzung, 22.01.1913, in: RTP, S. 3125–3169, hier S. 3131.

74

Verhandlungen des Reichstags, 51. Sitzung, 20.05.1916, in: RTP, S. 1147–1188, hier S. 1157.

75

Vgl. Linhardt, Reichstheatergesetz, S. 268; Rübel, Geschichte der GDBA, S. 156.

76

Das Programm, 08.12.1912, o. S.

77

Vgl. Das Programm, 22.12.1912, o. S.

78

Vgl. Berol-Konorah, Max, Denkschrift, S. 38; ders., 25 Jahre, S. 47 f.; Das Programm, 07.11.1909, o. S. Die vom Vorsitzenden der IAL, Max Berol-Konorah, verfasste Denkschrift wurde in einer Auflage von 1000 Stück gedruckt (vgl. ebd.). Eines der wenigen erhaltenen Exemplare befindet sich in der Bibliothek des Instituts für Theaterwissenschaft der Universität Bern. Im Juni 1909 versandte auch die GDBA eine Denkschrift mit ihren Forderungen an das Reichstheatergesetz. Eine Abschrift dieser Denkschrift ist in den Akten der Berliner Theaterpolizei überliefert (vgl. Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin).

79

Berol-Konorah, Denkschrift, S. 38.

80

Berol-Konorah, Denkschrift, S. 3.

81

Vgl. Berol-Konorah, Denkschrift, S. 17–38. Berol-Konorah verweist in diesem Zusammenhang auch auf das 1904 von ihm und dem Syndikus der IAL verfasste Artistenrecht (vgl. Berol-Konorah, Denkschrift, S. 38; Max Berol-Konorah / Richard Treitel, Artistenrecht. Ein Handbuch über den Variété-Engagementsvertrag. Berlin: Das Programm, 1905).

82

Vgl. Berol-Konorah, Denkschrift, S. 12 f., 14 f.

83

Berol-Konorah, Denkschrift, S. 4.

84

Berol-Konorah, Denkschrift, S. 3.

85

Berol-Konorah, Denkschrift, S. 5.

86

Ebd.

87

Vgl. Berol-Konorah, Denkschrift, S. 6.

88

Berol-Konorah, Denkschrift, S. 5.

89

Berol-Konorah, Denkschrift, S. 10.

90

Das Programm, 19.04.1908, o. S.; vgl. auch Das Programm, 18.09.1910 u. 21.07.1912, o. S.

91

Das Programm, 21.07.1912, o. S.

92

Ebd.

93

Das Programm, 01.03.1908, o. S.

94

Ebd. Die Idee war auch seitens der Artist:innen nicht neu. Bereits im Juni 1902 rief die Internationale Artisten-Zeitung dazu auf, „an maassgebender Stelle unermüdlich zu petitioniren“, dass künftig auch die Qualifikationen von Aspirant:innen auf eine Konzession nach § 33a (RGO) geprüft werden müssten (vgl. Zeitungsausschnitt Internationale Artisten-Zeitung, 22. Juni 1902, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin).

95

Ebd.

96

Die Petition wurde am 19. Februar 1908 von der Kommission für Petitionen des Reichstags unter Hinzuziehung von Robert von Landmann besprochen und sollte nach Einverständnis des Parlaments dem Reichskanzler als Material überwiesen werden (vgl. Berichte der Kommission für Petitionen, 23.06.1909, in: RTP, S. 9564–9565, hier S. 9565).

97

Berichte der Kommission für Petitionen, 23.06.1909, in: RTP, S. 9564–9565, hier S. 9564 f.

98

Berol-Konorah, Denkschrift, S. 10.

99

Vgl. ebd.

100

Berol-Konorah, Denkschrift, S. 12.

101

Vgl. Berichte der Kommission für Petitionen, 30.04.1908, in: RTP, S. 5445.

102

Berol-Konorah, Denkschrift, S. 16.

103

Vgl. Berol-Konorah, Denkschrift, S. 17.

104

Das Organ, 20.05.1909, S. 2.

105

Das Programm, 07.11.1909, o. S.

106

Das Programm, 24.12.1911, o. S.

107

Das Programm, 26.11.1911, o. S.

108

Ebd.

109

Vgl. Das Programm, 24.12.1911, o. S.

110

Vgl. ebd.

111

Das Programm, 07.04.1912, o. S.

112

Ebd.

113

Vgl. ebd.

114

Ebd.

115

Ebd.

116

Vgl. Erster amtlicher Entwurf zum Reichstheatergesetz, abgedruckt in: Das Programm, 12.12.1912, o. S. und in: Der neue Weg, 21.12.1912, o. S.

117

Das Programm, 22.03.1914, o. S.

118

Ebd.

119

Ebd.

120

Vgl. Erster amtlicher Entwurf zum Reichstheatergesetz, abgedruckt in: Das Programm, 12.12.1912, o. S. und in: Der neue Weg, 21.12.1912, o. S.

121

Das Programm, 12.04.1914, o. S.

122

Zeitungsausschnitt Berliner Morgenpost, 3. April 1914, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin.

123

Vgl. ebd.

124

Vgl. auch Dewenter / Jakob, Theatergeschichte, S. 13; Linhardt, Reichstheatergesetz, S. 253.

125

Richard Treitel, „Reichstheatergesetz oder Ergänzung der Reichsgewerbeordnung [1909]“, in: Manfred Rehbinder (Hg.), Bühnenprobleme der Jahrhundertwende im Spiegel des Rechts. Theaterrechtliche Aufsätze, Berlin: Gesellschaft für Theatergeschichte, 1990, S. 27–30, hier S. 28.

126

Ebd.

127

Vgl. auch Rühlemann, Varietés und Singspielhallen, S. 406.

128

Der Artist, 22.03.1908, o. S.

129

Das Programm, 04.01.1931, o. S.

130

Satzung (Statuten) der Internationalen Artisten Loge, Berlin 1901, S. 3, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin. Die Statuen wurden 1901 dreisprachig (Deutsch, Französisch, Englisch) gedruckt.

131

Satzung (Statuten) der Internationalen Artisten Loge, Berlin 1901, S. 3, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

132

Ebd.

133

Vgl. Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 27. Vertraut man den Angaben in einer 1909 vom Reichstagsabgeordneten Maximilian Pfeiffer publizierten Schrift, so hatte die Mehrzahl der Schauspieler:innen in Deutschland zu dieser Zeit ein Jahreseinkommen von 1000 bis 1500 Mark (vgl. Pfeiffer, Theater-Elend, S. 12).

134

Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 3 f.

135

Vgl. ebd.

136

Zeitungsausschnitt Internationale Artisten-Zeitung, 22. September 1901, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

137

Ebd.

138

Das Programm, 05.06.1921, o. S.

139

Ebd.

140

Ebd.; vgl. auch Koslowski, Stadttheater, S. 15, 76.

141

Das Organ, 15.05.1909, S. 1.

142

Ebd.

143

Der Artist, 22.03.1908, o. S.

144

Das Programm, 05.06.1921, o. S.

145

Vgl. Der Artist, 22.03.1908, o. S.

146

Auch der Begriff ‚Probe‘ taucht im Aufwertungsdiskurs der Artist:innen häufig auf. Zur Legitimation des Theaters als Kunstform wurde die Probe laut Annemarie Matzke als „besondere Form der Arbeit am Theater eingeführt beziehungsweise aufgewertet“ (Matzke, Arbeit, S. 86).

147

Der Artist, 22.03.1908, o. S.

148

Zeitungsausschnitt Internationale Artisten-Zeitung, 22. Juni 1901, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

149

Aktennotiz, 5. Dezember 1901, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

150

Vgl. ebd.

151

Zeitungsausschnitt Mitteilungen der Internationalen Artisten-Loge, 22.12.1901, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin. Eine andere Definition, die Alex Hönig, Vorsitzender der Berliner IAG, dem Polizeipräsidium zukommen ließ, war prägnanter: „Untrügliche Merkmale“ des „Tingeltangels“ seien „1) der gänzliche Mangel an Kunst bei den sich Produzierenden und 2) der gleiche Mangel an künstlerischem Interesse bei deren Publikum.“ (Schreiben Alex Hönig an das Polizeipräsidium, 10.05.1902, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin. Vgl. auch Zeitungsausschnitt Internationale Artisten-Zeitung, 29.06.1902, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.)

152

Polizeipräsident, Abteilung I, Begriffsbestimmung für Tingeltangel, 25.07.1903, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

153

Ebd.

154

Der Minister des Innern, 14.02.1903, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

155

Der Polizeipräsident, 15.04.1903, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

156

Zeitungsausschnitt Mitteilungen der Internationalen Artisten-Loge, 22.12.1901, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

157

Ebd.

158

Ebd.

159

Ebd.

160

Der Artist, 09.05.1897, o. S.

161

Ebd.

162

Ebd.

163

Vgl. Lees, Cities, S. 3 f., 23 f., 47; Lisberg-Haag, Unzucht, S. 11, 89–91. Der Historiker Andrew Lees merkt auch an, dass die antiurbane Bewegung mit der Verbreitung erster stadtkritischer Schriften ab 1889 deutlich wuchs (vgl. Lees, Cities, S. 28).

164

Vgl. Hoelger, Reglementierung, S. 24; Lisberg-Haag, Unzucht, S. 10.

165

Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 381, 1174.

166

Lisberg-Haag, Unzucht, S. 95.

167

Vgl. Hoelger, Reglementierung, S. 24 f., 42.

168

Lazardzig, Inszenierung, S. 272.

169

Vgl. Förster, Frau im Dunkeln, S. 33. Zu nennen wäre beispielsweise die Publikation von Emma Kallmann, Der gute Ton. Handbuch der feinen Lebensart und guten Sitten. Berlin: Hugo Steinitz, 1891.

170

Für das Jahr 1891 findet sich etwa eine Petition des Vorstands der allgemeinen Konferenz der deutschen Sittlichkeitsvereine, die eine Abänderung der Paragrafen 180 und 184 des Reichsstrafgesetzbuches zum Ziel hatte (vgl. Berichte der Kommission für Petitionen, 13.03.1891, in: RTP, S. 2290). Und für das Jahr 1895 ist beispielsweise die Eingabe einer Petition des Vereins zur Hebung der öffentlichen Sittlichkeit aus Heidelberg gegen Unsittliches in diversen Druckerzeugnissen überliefert (vgl. Berichte der Kommission für Petitionen, 27.03.1895, in: RTP, S. 1246–1247, hier S. 1246 f.).

171

Vgl. Hoelger, Reglementierung, S. 37, FN 44; Otto Müller, Die Lex Heinze. Freiburg: C. Lehmann, 1900, S. 5–18; Lees, Cities, S. 130; Lisberg-Haag, Unzucht, S. 96 f.

172

Müller, Lex Heinze, S. 6.

173

Müller, Lex Heinze, S. 6 f.

174

Vgl. Müller, Lex Heinze, S. 15, 69.

175

Vgl. Hoelger, Reglementierung, S. 37, FN 44; Lees, Cities, S. 130.

176

Deutsche Bühnen-Genossenschaft, 28.01.1898, o. S.

177

Vgl. Lees, Cities, S. 130; Stark, Banned in Berlin, S. 189–232.

178

Das Programm, 04.01.1931, o. S.

179

Entwurf eines Gesetzes betreffend Abänderung der Gewerbeordnung, 27.04.1882, in: RTP, S. 1–32, hier S. 9.

180

Verhandlungen des Reichstags, 24. Sitzung, 21.03.1879, in: RTP, S. 536–556, hier S. 537.

181

Vgl. Jansen, U und E, S. 78; Hahn, Theater.

182

Hahn, Theater, S. 93.

183

Jansen, U und E, S. 78 f.

184

Vgl. Jansen, U und E, S. 66.

185

Vgl. Jansen, U und E, S. 79.

186

Vgl. Jansen, U und E, S. 67 f.

187

Ebd., Jansen, U und E, S. 69.

188

Vgl. Veraguth, Besser ein ordentliches Theater, S. 173.

189

Rühlemann, Varietés und Singspielhallen, S. 37.

190

Polizeipräsident, Abteilung I, Begriffsbestimmung für Tingeltangel, 25.07.1903, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

191

Berol-Konorah, Denkschrift, S. 5.

192

Vgl. ebd.

193

Das Programm, 17.04.1910, o. S.

194

Vgl. Bailey, Parasexuality, S. 148. Wenig bekleidete Männer wurden demgegenüber nicht für problematisch befunden, zumindest solange sie nicht als Frauen auftraten (vgl. Leonhardt, Im Bann, S. 43; vgl. auch Mirjam Hildbrand / För Künkel, „Streiflichter auf Künstler:innen der Berliner Zirkus- und Varietészene zwischen 1869 und 1913“, in: Friederike Oberkrome / Lotte Schüßler (Hg.), Arbeiten zwischen Medien und Künsten. Feministische Perspektiven auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, Berlin: Neofelis 2023 (bevorstehend)).

195

Vgl. Jansen, U und E, S. 71 f.; Förster, Frau im Dunkeln, S. 7.

196

Prager Tagblatt, 10.03.1908, S. 4.

197

Vgl. Das Programm, 26.04.1908, o. S.

198

Montagsblatt, 03.12.1906, S. 5.

199

Vgl. ebd.; Die Zeit, 15.09.1907, S. 8.

200

Vgl. Das Programm, 24.01.1909 u. 08.05.1910, o. S. In der Ausgabe vom 08.05.1910 wird auf den Skandal rund um den Auftritt von Olga Desmond im Berliner Wintergarten verwiesen.

201

Vgl. Prager Tagblatt, 10.03.1908, S. 4.

202

Ebd. Das Gutachten bzw. Auszüge daraus wurden im Prager Tagblatt ebenfalls abgedruckt.

203

Vgl. Leonhardt, Im Bann, S. 44.

204

Das Programm, 26.04.1908, o. S.

205

Sarah Jäger, Bundesdeutscher Protestantismus und Geschlechterdiskurse 1949–1971. Eine Revolution auf leisen Sohlen. Tübingen: Mohr Siebeck, 2019, S. 163.

206

Vgl. auch Hoelger, Reglementierung, S. 24, 32.

207

Das Programm, 08.05.1910, o. S.

208

Ebd.

209

Ebd. Vgl. zu dieser Thematik auch Koslowski, Stadttheater, S. 93–105.

210

Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 1178; Andreas Grube, Der Sonntag und die kirchlichen Feiertage zwischen Gefährdung und Bewährung. Aspekte der feiertagsrechtlichen Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M.: Peter Lang, 2003. S. 77.

211

Berichte der Kommission für Petitionen, 10.02.1904, in: RTP, S. 1827–1828, hier S. 1827.

212

Vgl. Verhandlungen des Reichstags, 184. Sitzung, 12.05.1905, in: RTP, S. 5967–5982.

213

Verhandlungen des Reichstags, 184. Sitzung, 12.05.1905, in: RTP, S. 5967–5982, hier S. 5970.

214

Verhandlungen des Reichstags, 184. Sitzung, 12.05.1905, in: RTP, S. 5967–5982, hier S. 5971.

215

Ebd.

216

Vgl. Verhandlungen des Reichstags, 184. Sitzung, 12.05.1905, in: RTP, S. 5967–5982, hier S. 5982.

217

Berichte der Kommission für Petitionen, 09.05.1906, in: RTP, S. 4280.

218

Vgl. Berichte der Kommission für Petitionen, 28.04.1909, in: RTP, S. 8264. Außerdem lancierten diverse Frauenvereine eine Petition gegen öffentliche Gerichtsverhandlungen sowie gegen die Wiedergabe von Prozessberichten in Zeitungen, die ‚unsittliche‘ Handlungen zum Gegenstand hatten (vgl. Berichte der Kommission für Petitionen, 26.03.1908, in: RTP, S. 4819–4820, hier S. 4819 f.) Zu den Sittlichkeitskämpfen der Frauenrechtsbewegung vgl. auch Lisberg-Haag, Unzucht, S. 138–142.

219

Vgl. Unterlagen zu Babel Dezember 1903, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1530, Landesarchiv Berlin.

220

Zeitungsausschnitt Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 03.12.1903, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1530, Landesarchiv Berlin.

221

Zeitungsausschnitt Welt am Montag, 14.12.1903, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1530, Landesarchiv Berlin.

222

Ebd.

223

Ebd.

224

Ebd.

225

Ebd.

226

Vgl. Stark, Banned in Berlin, S. 150–188.

227

Vgl. Kleefeld, Theaterzensur, S. 50 f.; Leonhardt, Im Bann, S. 38.

228

Leonhardt, Im Bann, S. 52.

229

Vgl. A. Hirsch, abgedruckter Vortrag, 20.02.1902, S. 1, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin. Vgl. auch Zeitungsausschnitte Die Post u. Berliner Lokal-Anzeiger, 07.05.1902, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

230

A. Hirsch, abgedruckter Vortrag, 20.02.1902, S. 1, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

231

A. Hirsch, abgedruckter Vortrag, 20.02.1902, S. 2, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

232

A. Hirsch, abgedruckter Vortrag, 20.02.1902, S. 4, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

233

A. Hirsch, abgedruckter Vortrag, 20.02.1902, S. 6, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

234

A. Hirsch, abgedruckter Vortrag, 20.02.1902, S. 5 f., Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

235

A. Hirsch, abgedruckter Vortrag, 20.02.1902, S. 6, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

236

A. Hirsch, abgedruckter Vortrag, 20.02.1902, S. 9–11, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

237

Verhandlungen der Kreis-Synode Berlin II, 13.05.1902, S. 19, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

238

Verhandlungen der Kreis-Synode Berlin II, 13.05.1902, S. 4, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

239

Verhandlungen der Kreis-Synode Berlin II, 13.05.1902, S. 4 f., Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin. Ein entsprechendes Schreiben des Superintendenten der Kreissynode Berlin III vom 28. Mai 1902 ist in den Polizeiakten überliefert (Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.).

240

Zeitungsausschnitt Internationale Artisten-Zeitung, 18.05.1902, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

241

Ebd. Die Redaktion der Fachzeitschrift sah das eigentliche Problem der Tingeltangel darin, dass Künstler:innen oftmals von den Direktionen eine Gewinnbeteiligung am Getränkekonsum erhielten oder männlichen Besuchern „im chambre séparée Gesellschaft leisten müssen, wofür sie seitens der Unternehmer noch besonders bezahlt werden“ (ebd., vgl. auch Kwint, Legitimization, S. 102–104).

242

Zeitungsausschnitt Der Artist, 08.06.1902, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

243

Verfügung vom 28.11.1902, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

244

Ebd.

245

Der Minister des Innern, 14.02.1903, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

246

Der Polizeipräsident, 15. April 1903, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

247

Vgl. Kleefeld, Theaterzensur, S. 60–62.

248

Kleefeld, Theaterzensur, S. 60 f.

249

Hoelger, Reglementierung, S. 25.

250

Hoelger, Reglementierung, S. 26.

251

Zeitungsausschnitt Berliner Lokal Anzeiger, 19. Oktober 1903, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

252

Ebd.

253

Zeitungsausschnitt Internationale Artisten-Zeitung, 22.05.1904, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

254

Zeitungsausschnitt Vossische Zeitung, 30.05.1904, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

255

Das Programm, 16.06.1907, o. S. Der Bericht unter der Überschrift „Die Säuberung der Variétés“ bezieht sich auf einen Vortrag des Pfarrers Hans Wegener über die Bekämpfung der ‚Unsittlichkeit‘ anlässlich des Evangelisch-sozialen Kongresses in Straßburg.

256

Der Minister des Innern, 25.03.1904, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1467, Landesarchiv Berlin.

257

Der Polizei-Präsident, Abteilung I, 04.05.1904, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1467, Landesarchiv Berlin.

258

Ebd.

259

Vgl. ebd.

260

Besprechungsbericht, 20.03.1907, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1467, Landesarchiv Berlin.

261

Vgl. ebd.

262

Vgl. beispielsweise Berichte der Kommission für Petitionen, 09.03.1893, in RTP, S. 784–785, hier S. 784 f.

263

Kleefeld, Theaterzensur, S. 52.

264

Kleefeld, Theaterzensur, S. 53.

265

Grube, Sonntag, S. 87–110, 129; Hoelger, Reglementierung, S. 32, FN 27; Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, 01.06.1891, Bd. 1891, Nr. 18 (im Folgenden zitiert als RGBl. 1891/18), S. 261–290. Andreas Grube weist in seiner Studie darauf hin, dass das Sonn- und Feiertagsrecht des 19. Jahrhunderts bislang kaum erforscht ist (vgl. Grube, Sonntag, S. 23).

266

Vgl. Hoelger, Reglementierung, S. 33.

267

Hoelger, Reglementierung, S. 32, FN 27.

268

Das Programm, 26.11.1905, o. S.

269

Ebd.

270

Vgl. Berol-Konorah, Denkschrift, S. 16.

271

Vgl. Entscheidungen des Königlich Preußischen Oberverwaltungsgerichts (PrOVG), Bd. 41., Nr. 53, Berlin 1908, S. 309–322, hier S 309 f.

272

PrOVG 41.53 (1908), S. 309–322, hier S. 311.

273

PrOVG 41.53 (1908), S. 309–322, hier S. 312.

274

Zeitungsausschnitte Berliner Lokal-Anzeiger, 29. u. 30.05.1902, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

275

IAG, Varieté- und Konzerthausbesitzer sowie Schankwirte an das Polizeipräsidium, 20.02.1903, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1465, Landesarchiv Berlin.

276

Vgl. ebd.

277

„Polizei-Verordnung betreffend die äußere Heilighaltung der Sonn- und Feiertage, Berlin, 27. März 1903“, in: Sonderausgabe des Amtsblatts der königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin 127, 28.03.1903, o. S.

278

Vgl. ebd.; Das Organ, 25.09.1909, S. 3.

279

Circus Busch an das Polizeipräsidium, 06.11.1912, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1559, Landesarchiv Berlin.

280

Kommentar eines Polizeibeamten, 13.11.1912, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1559, Landesarchiv Berlin.

281

Circus Busch an das Polizeipräsidium, 19.11.1912, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1559, Landesarchiv Berlin.

282

Ebd.

283

Berliner Börsen-Zeitung, 24.11.1912, S. 7.

284

Circus Busch an das Polizeipräsidium, 6. November 1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1560, Landesarchiv Berlin.

285

Vgl. Eva Blimlinger, „Die fahrenden, unbehausten Ehrlosen. Über die soziale Position von Gauklern, Zauberern und Seiltänzern“, in: Brigitte Felderer / Ernst Strouhal (Hg.), Rare Künste. Zur Kultur- und Mediengeschichte der Zauberkunst, Wien u. New York: Springer, 2007, S. 139–150, hier S. 146.

286

Berliner Börsen-Zeitung, 23.11.1913, S. 6.

287

Circus Busch an das Polizeipräsidium, 04.04.1917, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1560, Landesarchiv Berlin.

288

Ebd.

289

Ebd.

290

Circus Busch an das Polizeipräsidium, 30.03.1917, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1560, Landesarchiv Berlin. Dass Paul Busch hier von Spaßmachern und nicht mehr von Clowns spricht, ist vermutlich kein Zufall, sondern ein Beispiel der sogenannten Verdeutschung der Sprache im Rahmen des Ersten Weltkrieges (s. Kapitel 3.4.1).

291

Circus Busch an das Polizeipräsidium, o. D. (1916), Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1560, Landesarchiv Berlin.

292

Kommentar eines Polizeibeamten auf dem Schreiben Circus Busch vom 11.03.1916, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1560, Landesarchiv Berlin.

293

Circus Busch an das Polizeipräsidium, 22.03.1916, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1560, Landesarchiv Berlin.

294

Vgl. Deutsche Bühnen-Genossenschaft, 03.02.1899, o. S.

295

Vgl. ebd.

296

Ebd.

297

Vgl. Becker, Inszenierte Moderne, S. 320, 330.

298

Magistrat Berlin, 25.01.1905, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin. Einem Bericht im Programm zufolge wurde in Magdeburg, Halle, Erfurt, Braunschweig und Wiesbaden bereits eine derartige Steuer erhoben (vgl. Das Programm, 19.06.1910, o. S.).

299

Zeitungsausschnitte über den Widerstand gegen die Einführung der Lustbarkeitssteuer in der Polizeiakte: Berliner Morgenpost, 26.01.1905; Der Sonntag, 27.02.1905; Vossische Zeitung, 27.02.1905, 18.01. u. 05.10.1906; Berliner Lokal-Anzeiger, 05.03. u. 24.09.1905; und weitere in: Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

300

Zeitungsausschnitt Berliner Tageblatt, 10.12.1905, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

301

Berliner Lokal-Anzeiger, 16.01.1906, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin. Vgl. auch Deutsche Bühnen-Genossenschaft, 09.02.1906, o. S.

302

Ebd.

303

Ebd.

304

Ebd.

305

Ebd.

306

Zeitungsausschnitt Vossische Zeitung, 05.10.1906, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

307

Deutsche Bühnen-Genossenschaft, 12.10.1906, o. S.

308

Das Programm, 05.06.1910, o. S.

309

Ebd.

310

Vgl. ebd.

311

Vgl. Das Programm, 11.09.1910, o. S.; Das Programm, 16.10.1910, o. S.

312

Vgl. Centralstelle für die Interessen des Berliner Fremdenverkehrs, 28. u. 29.10.1910, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

313

Vgl. Centralstelle für die Interessen des Berliner Fremdenverkehrs, 28. u. 29.10.1910, S. 2, 5 f., Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

314

Centralstelle für die Interessen des Berliner Fremdenverkehrs, 28. u. 29.10.1910, S. 4, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

315

Ebd.

316

Vgl. Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 60; Das Programm, 26.03.1911, o. S.

317

Resolution vom 22.03.1911, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

318

Vgl. Das Programm, 16.04.1911, o. S.

319

Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 60.

320

Vgl. ebd.

321

Der Stadtkämmerer an das Polizeipräsidium, 26.10.1912, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

322

Das Programm, 29.12.1912, o. S.

323

Das Programm, 02.02.1913, o. S.; vgl. auch Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 61.

324

Ordnung für die Besteuerung von Kinematographentheatern usw. im Stadtbezirk Berlin, 08.03.1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

325

Ordnung für die Besteuerung von Kinematographentheatern usw. im Stadtbezirk Berlin, 08.03.1913, S. 3, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

326

Ordnung für die Besteuerung von Kinematographentheatern usw. im Stadtbezirk Berlin, 08.03.1913, S. 6, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

327

Ordnung für die Besteuerung von Kinematographentheatern usw. im Stadtbezirk Berlin, 08.03.1913, S. 4, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

328

Vgl. Das Programm, 09.03.1913, 27.04.1913, 04.05.1913, o. S.

329

Das Programm, 27.04.1913, o. S.

330

Ebd.

331

Carl Bretschneider, Referat über die Berliner Lustbarkeitssteuer, 28.04.1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

332

Vgl. Das Programm, 05.05.1912, o. S.

333

Im Jahr 1912 wandte sich der DBV zur Einschränkung der Kinokonkurrenz auch mit einer Petition bzw. einer Denkschrift an den Reichstag (vgl. Bericht der Kommission für die Petitionen, 16.04.1913, in: RTP, S. 1373–1374, hier S. 1373 f.)

334

Das Programm, 09.06.1912, o. S.

335

Vgl. ebd. Die sogenannte Kinematographensteuer und ihre Folgen für den Film sind im Verhältnis zu den Konsequenzen der Lustbarkeitssteuer für Theaterformen wie Zirkus und Varieté besser erforscht. Der Kulturhistoriker Jan-Pieter Barbian schreibt etwa, dass „[d]ie seit der Mitte der 20er Jahre feststellbare finanzielle Krise der deutschen Filmindustrie […] auch die Folge einer verfehlten Steuerpolitik des Reichs und der Kommunen [war]. Die Belastung durch die sogenannte Lustbarkeitssteuer, die an einzelnen Orten bis zu 80% des Eintrittspreises ausmachte, führte zu einem Rückgang der Besucherzahlen. Der zog die Programmreduzierung oder gar Schließung zahlreicher Kinos nach sich.“ (Jan-Pieter Barbian, „Politik und Film in der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur Kulturpolitik der Jahre 1918 bis 1933“, in: Archiv für Kulturgeschichte 80.1 (1998), S. 213–246, hier S. 241).

336

Ebd.

337

Vgl. Der neue Weg, 13.04.1912, o. S.

338

Vgl. Der neue Weg, 13.04.1912 u. 11.05.1912, o. S.

339

Der neue Weg, 13.04.1912, o. S.

340

Ebd.

341

Vgl. Das Organ, 18.09.1909, S. 3; 27.11.1909, S. 5 f.

342

Richard Treitel, „Billettsteuer [1905]“, in: Manfred Rehbinder (Hg.), Bühnenprobleme der Jahrhundertwende im Spiegel des Rechts. Theaterrechtliche Aufsätze, Berlin: Gesellschaft für Theatergeschichte, 1990, S. 41–42, hier S. 41.

343

Zeitungsausschnitt Berliner Morgenpost, 20.04.1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

344

Ebd.

345

Ebd.

346

Zeitungsausschnitt Berliner Börsen-Courier, 04.11.1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

347

Vgl. ebd.

348

Zeitungsausschnitt Berliner Börsen-Courier, 10.05.1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin. Im April 1913 hatte die seit Ende 1908 anhaltende, wirtschaftliche Konjunkturphase ihr Ende gefunden – die Arbeitslosenquote stieg rasch an und viele, bereits angeschlagene Unternehmen sahen sich in ihrer Existenz bedroht (vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 610). Möglicherweise beschrieb Paul Busch den Zeitpunkt der Steuereinführung deshalb als besonders schlecht.

349

Vgl. ebd.

350

Zeitungsausschnitt Berliner Börsen-Courier, 01.04.1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

351

Zeitungsausschnitt Berliner Tageblatt, 04.04.1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

352

Ebd.

353

Zeitungsausschnitt Berliner Börsen-Courier, 4. November 1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

354

Vgl. Das Programm, 06., 13. u. 20.04.1913, o. S. Die Fachzeitschrift berichtete im Zusammenhang mit der Lustbarkeitssteuer auch über die finanziellen Schwierigkeiten des Apollo-Theaters (Varieté, Operetten), die zu dessen Schließung und Umwandlung in ein Kino geführt hätten (vgl. ebd.).

355

Zeitungsausschnitt Berliner Börsen-Courier, 10.05.1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

356

Zeitungsausschnitt Vorwärts, 16.10.1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1923, Landesarchiv Berlin.

357

Ebd.

358

Zeitungsausschnitt Vossische Zeitung, 17.10.1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1923, Landesarchiv Berlin.

359

Zeitungsausschnitte Berliner Börsen-Courier u. Berliner Morgenpost, 03.12.1913, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1560, Landesarchiv Berlin.

360

Zit. n. G. Winkler, Circus Busch, S. 29. Laut Winkler handelt es sich bei der Quelle um ein Schreiben von Circus Busch an die Königliche Ministerial-, Militär- und Baukommission vom 16. Dezember 1913, das sich im Landesarchiv Berlin befindet.

361

Vgl. G. Winkler, Circus Busch, S. 21, 28 f., 56.

362

Das Programm, 28.12.1913, o. S.

363

Vgl. G. Winkler, Von fliegenden Menschen, Bd. 1, S. 126; Schreiben Circus Busch an das Polizeipräsidium, 1. September 1915, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1560, Landesarchiv Berlin.

364

Das Programm, 02.05.1915, o. S.

365

Das Programm, 22.08.1915, o. S.

366

Vgl. Schreiben Paul Busch an Polizeipräsidium, 25.08.1922, Schreiben Polizeipräsidium an GDBA, 15.06.1923, Schreiben Präsidium der GDBA an Polizeipräsidium, 12.07.1923, Paul Felisch, Gutachten über den künstlerischen Wert der Aufführungen des Circus Busch, 25.08.1922, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 1566, Landesarchiv Berlin.

367

Vgl. Paul Felisch, Gutachten über den künstlerischen Wert der Aufführungen des Circus Busch, 25.08.1922, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 1566, Landesarchiv Berlin.

368

Ordnung für die Besteuerung von Kinotheatern usw. im Stadtbezirk Berlin, 06.02.1920, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

369

Vgl. Ordnung für die Besteuerung von Kinotheatern usw. im Stadtbezirk Berlin, 06.02.1920, S. 3, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

370

Vgl. Ordnung für die Besteuerung von Kinotheatern usw. im Stadtbezirk Berlin, 06.02.1920, S. 12, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

371

Ordnung für die Besteuerung von Kinotheatern usw. im Stadtbezirk Berlin, 06.02.1920, S. 12 f., Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

372

Schreiben IVTDV an das Polizeipräsidium, 12. Mai 1920, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

373

Vgl. Ordnung für die Besteuerung von Vergnügungen usw. in der Stadt Berlin, 28.02./30.03.1922 in der Fassung des Nachtrages vom 07.05.1925, S. 14, 16, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

374

Ordnung für die Besteuerung von Vergnügungen usw. in der Stadt Berlin, 28.02./30.03.1922 in der Fassung des Nachtrages vom 07.05.1925, S. 5, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

375

Vgl. Bekanntmachung der Bestimmungen über die Vergnügungssteuer, 09.06.1921, in: Reichsgesetzblatt, Bd. 1921, Nr. 8212, (RGBl. 1921/8212), S. 856.

376

Vgl. Zeitungsausschnitte Vorwärts, 23.03.1927; Berliner Lokal-Anzeiger, 31.03.1927; Berliner Morgenpost, 31.03.1927; Deutsche Zeitung, 10.05.1927; Neue Zeit, 01.07.1927; Berliner Tageblatt, 07.07.1927; Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

377

Vgl. RGBl. 1921/8212, S. 856. Paul Felisch verwies in dem Gutachten über Circus Busch im August 1922 außerdem darauf, dass durch die Vergnügungssteuerverordnung vom 9. Juni 1921 eine neue Begrifflichkeit eingeführt worden sei, die sich nicht mit denjenigen der Reichsgewerbeordnung decke, und zwar: „künstlerisch hochstehende Veranstaltungen“. Felisch fügte hinzu: „Obgleich die Gewerbeordnung die Steigerungsform ‚höher‘ gebraucht, könnte man der Meinung sein, dass die ‚hochstehenden Veranstaltungen‘ ganz besonders hochartig sein sollen […].“ (Paul Felisch, Gutachten über den künstlerischen Wert der Aufführungen des Circus Busch, 25.08.1922, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 1566, Landesarchiv Berlin.).

378

Abschrift aus dem Ministerialblatt für die preußische innere Verwaltung, 30.05.1928, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

379

Ebd.

380

Ebd. Es könnte sich dabei um Circus Corty-Althoff mit Hauptsitz in Münster und Circus Blumenfeld aus Magdeburg gehandelt haben, die beide 1927 den Betrieb einstellen mussten (vgl. Rita Kauder-Steiniger, „Circus in Münster“, in: Magazin Stadtmuseum Münster (11.01.2016), https://magazin.stadtmuseum-muenster.de/orte/circus (Zugriff 05.11.2021); o. A., „Circus Blumenfeld“, in: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Circus_Blumenfeld (Zugriff 05.11.2021); G. Winkler, Von fliegenden Menschen, Bd. 1, S. 116).

381

Vgl. auch Das Programm, 17. u. 24.05.1914, o. S.

382

Das Organ, 16.05.1914, S. 1.

383

Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 62 f.

384

Das Organ, 16.05.1914, S. 1.

385

Das Programm, 09.08.1914, o. S.

386

Ebd.

387

Ebd.; vgl. auch Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 6 f.

388

Ebd.

389

Vgl. auch Das Programm, 10.06.1917, o. S.

390

Vgl. Das Programm, 06.12.1914, o. S.

391

Ebd.

392

Ebd.

393

Ebd.

394

Vgl. Circus Busch an das Polizeipräsidium, 30.03.1917, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1560, Landesarchiv Berlin.

395

Das Programm, 26.08.1917, o. S.

396

Ebd.

397

Ebd.

398

Vgl. ebd.

399

Vgl. Das Programm, 15.04.1917, o. S.

400

Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 38 f., 58 f.

401

Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 85.

402

Vgl. Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 86, 90 f.

403

Das Programm, 23.09.1917, o. S.

404

Vgl. Das Programm, 07.10.1917, o. S.

405

Das Programm, 23.09.1917, o. S.

406

Vgl. Das Programm, 09.08.1914, o. S.

407

Vgl. Das Programm, 23. u. 30.08.1914, o. S.

408

Das Programm, 01.07.1917, o. S.; 23.09.1917, o. S.; 15.12.1918, o. S.; vgl. auch G. Winkler, Von fliegenden Menschen, Bd. 1, S. 143.

409

Vgl. Das Organ, 06.10.1917, S. 8.

410

Ebd.

411

Das Programm, 30.12.1917, o. S; vgl. auch Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 63.

412

Vgl. G. Winkler, Von fliegenden Menschen, Bd. 1, S. 126; Circus Busch an das Polizeipräsidium, 01.09.1915, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1560, Landesarchiv Berlin.

413

Vgl. Das Programm, 07.04.1918, o. S.; Das Organ, 06.04.1918, o. S.

414

Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 65.

415

Unmittelbar darauf gab die provisorische Regierung laut Berol-Konorah bekannt „daß am Sonntag in allen Betrieben Betriebsräte zu wählen seien, die am Sonntagabend im Zirkus Busch die Regierung der ‚Volksbeauftragten‘ wählen sollten.“ (Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 66; vgl. auch Das Programm, 15.12.1918, o. S.) Die Wahl fand tatsächlich am 10. November 1918 im Gebäude des Circus Busch statt.

416

Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 71. Die Problematik der Gepäckbeschränkung sowie der Kohleversorgung war bereits 1917 Thema gewesen (vgl. Das Organ, 20.10.1917 u. Folgenummern).

417

Vgl. Kauder-Steiniger, Circus in Münster; Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 98; G. Winkler, Von fliegenden Menschen, Bd. 1, S. 144, 149.

418

Abschrift aus dem Ministerialblatt für die preußische innere Verwaltung, 30.05.1928, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 203, Landesarchiv Berlin.

419

Vgl. G. Winkler, Circus Busch, S. 64. Gisela Winkler schreibt, dass von rund 50 deutschen Zirkussen damals 40 den Betrieb aufgegeben hätten.

420

Halperson, Buch vom Zirkus, S. 127.

421

Vgl. Der Artist, 10.09.1905, o. S.; G. Winkler, Von fliegenden Menschen, Bd. 1, S. 149.

422

Vgl. Das Programm, 15.12.1918, o. S.

423

Ebd.

424

Textbuch U20, S. 8–12, o. D. (ca. 1911), Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 1924, Landesarchiv Berlin.

425

Vgl. G. Winkler, Circus Busch, S. 127 f.; Gerhard Lamprecht, Deutsche Stummfilme, Bd.1: 1903–1912. Berlin: Deutsche Kinemathek, 1969, S. 25; Lydia Nsiah, „Plötzlich bewegten sich die Bilder: Lebende Skulpturen aus dem Jahr 1910“, in: derStandard.at (09.03.2015), https://www.derstandard.at/story/2000012690730/ploetzlich-bewegten-sich-die-bilder-lebende-skulpturen-aus-1910 (Zugriff 08.11.2021); Philipp Stiasny, Das Kino und der Krieg. Deutschland 1914–1929. München: edition text + kritik, 2009, S. 339–387.

426

Vgl. Désile, Cirque et cinéma, S. 27 f.; ders., „‚Une „atmosphère de nursery du diable.‘ Pantomime de cirque et premier cinéma comique“, in: 1895 61 (2010), S. 114–127.

427

Das Programm, 31.03.1912, o. S.

428

Teller, Machwerke, S. 83.

429

Matthias Christen, Der Zirkusfilm: Exotismus, Konformität, Transgression. Marburg: Schüren, 2010, S. 14 f.

430

Das Programm, 31.03.1912, o. S.

431

Vgl. Das Organ, 29.12.1918, S. 4.

432

Das Organ, 29.12.1918, S. 5.

433

Ebd.

434

Vgl. Charles Rearick, Pleasures of the Belle Epoque: Entertainment and Festivity in Turn-of-the-Century France. New Haven: Yale University Press, 1985, S. 193.

435

Das Programm, 24.12.1911, o. S.

436

Vgl. Dupavillon, Architectures, S. 214–255; Horvath, Großzirkus, S. 103; G. Winkler, Von fliegenden Menschen, Bd. 1, S. 128–136.

437

Das Programm, 05.11.1911, o. S.

438

Ludwig Seelig, Geschäftstheater oder Kulturtheater?, hg. von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger. Berlin: Günther, 1914, S. 17.

439

Seelig, Geschäftstheater, S. 6.

440

Deutsche Bühnen-Genossenschaft, 15.06.1906, o. S.

441

Deutsche Bühnen-Genossenschaft, 23.02.1906, o. S.

442

Die Auszüge aus dem Vortrag wurden unter dem Titel „Das moderne Theater: Eine Privat- oder Staatsangelegenheit?“ abgedruckt (Deutsche Bühnen-Genossenschaft, 23.02.1906, o. S.)

443

Ebd.

444

Der neue Weg, 22.01.1910, o. S.

445

Der neue Weg, 28.01.1911 u. 04.02.1911, o. S.

446

Der neue Weg, 18.07.1914, o. S.

447

Der neue Weg, 20. u. 27.01.1917, o. S.

448

Der neue Weg, 21. u. 28.07.1917, o. S.

449

Seelig, Geschäftstheater, S. 3 f.

450

Seelig verweist nicht mehr wie die Literaturtheater-Verfechter:innen des 19. Jahrhunderts auf Schillers „Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet“ (Rede von 1784, veröffentlicht im Folgejahr unter dem Titel „Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?“), sondern mit dem Spieltrieb auf dessen spätere Schrift Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795). Bei der Rede von 1784 geht es um das Theater als Institution bzw. als dritte Säule des Staates, bei der Schrift von 1795 steht die Wirkung des Theaters auf den Menschen im Vordergrund. (Vgl. Schiller, Schaubühne; ders., „Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen [1795]“, in: ders., Sämtliche Werke. Hg. von Hans-Günther Thalheim, 10 Bde., Berlin: Aufbau Verlag, 2005, Bd. 8: Philosophische Schriften, S. 305–408.)

451

Vgl. Der neue Weg, 06.10.1917, o. S.; vgl. Rübel, Geschichte der GDBA, S. 171.

452

Hochdorf, Deutsche Bühnengenossenschaft, S. 248.

453

Ebd.

454

Vgl. A. Brauneck, Stellung, S. 101–105; Rübel, Geschichte der GDBA, S. 173 f.; Wagner, Fürstenhof, S. 430.

455

Vgl. Wolfgang Lenk, Das kommunale Theater. Berlin: Ebering, 1933, S. 7–19.

456

Vgl. Lenk, Kommunales Theater, S. 37; Kotte, Theatergeschichte, S. 347.

457

Verhandlungen des Reichstags, 141. Sitzung, 15.03.1918, in: RTP, S. 4395–4422, hier S. 4412.

458

Das Programm, 07.04.1918, o. S.

459

Das Programm, 24.11.1918, o. S.; vgl. auch Die Deutsche Bühne, 22.07.1918, S. 268.

460

Vgl. Der neue Weg, 13.11.1918, o. S.; vgl. auch Rübel, Geschichte der GDBA, S. 171.

461

Der neue Weg, 13.11.1918, o. S.

462

Ebd.

463

Das Programm, 27.04.1919, o. S. Der Varieté-Tarifvertrag wurde 1919 und der Zirkustarifvertrag 1920 ratifiziert (vgl. Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 76–78, 83). Der Reformbedarf von Arbeitsverträgen in Zirkusbetrieben wurde von der IAL ab 1911 thematisiert (vgl. Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 61; Das Programm, 12.03.1911, o. S.; 28.04.1912 u. 05.05.1912, o. S.).

464

Vgl. Abschrift Reichswirtschaftsminister, 26.07.1921, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin. Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 82.

465

Allgemeiner Circus-Direktoren-Verband, 18.03.1921, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin.

466

Vgl. Berol-Konorah, Denkschrift, S. 12.

467

Allgemeiner Circus-Direktoren-Verband, 18.03.1921, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin.

468

Ebd.

469

Abschrift Reichswirtschaftsminister, 26.07.1921, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin.

470

Vgl. ebd.

471

Polizeipräsidium Berlin, Abt. III, 29.09.1921, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin.

472

Vgl. ebd.

473

Im April 1920 trat das sogenannte Groß-Berlin-Gesetz in Kraft, mit dem diverse umliegende Gutsbezirke, Landgemeinden und Städte wie Neukölln, Wilmersdorf und weitere in die Stadtgemeinde Berlin eingegliedert wurden (vgl. Hoelger, Reglementierung, S. 23).

474

Polizeiinternes Schreiben an Abt. III, 19.12.1921, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin.

475

Internationale Artisten-Loge, April 1925, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin; vgl. auch „Gegen Theatervorstellungen im Varieté“, in: Das Programm, 19.04.1925, o. S.

476

Ebd.

477

Ebd.

478

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg war im Programm von der „wirtschaftlichen Nothlage der Artisten“ (Das Programm, 10.07.1904, o. S.), von „Engagementslosigkeit und Ueberproduktion im Artistenstande“ (24.06.1906, o. S.), von „Artisten-Elend“ (05.12.1909, o. S.) oder „Der Niedergang der Artistik“ (14.01.1912, o. S.) zu lesen gewesen.

479

Ebd. Die IAL versuchte 1925 zum Schutz deutscher Artist:innen gegenüber ausländischen Künstler:innen, mit dem IVTDV eine Quote aushandeln – allerdings erfolglos (vgl. Berol-Konorah, 25 Jahre, S. 100, 106).

480

Vgl. Polizeipräsidium Berlin an den preußischen Innenminister, 15. Juni 1925, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A Pr. Br. Rep. 030-05, 205, Landesarchiv Berlin.

481

Ebd.

482

Ebd.

483

Ebd.

484

Vgl. Landmann / Rohmer, Gewerbeordnung; Sieg / Leifermann, Gewerbeordnung.

485

Tettinger u. a., Gewerbeordnung, S. 334. „Gute Sitten“ als Voraussetzung der Unternehmer:innen sind indes eine nach wie vor in der Gewerbeordnung verankerte Bedingung für eine Genehmigung nach § 33a (GewO). Darüber, was unter „guten Sitten“ sowie „sittlicher Zuverlässigkeit“ zu verstehen ist, wurde in den vergangenen 30 Jahren in den Rechtswissenschaften viel und kontrovers geschrieben (vgl. ebd.).

486

Dickersbach, Alfred, „§ 33a GewO“, in: Karl Heinrich Friauf (Hg.), Kommentar zur Gewerbeordnung. Neuwied: Luchterhand, o. D. [Zugriff über JURION Onlineausgabe, Rechtsstand 31.01.2017], Rn. 5.

487

Tettinger u. a., Gewerbeordnung, S. 334.

488

Tettinger u. a., Gewerbeordnung, S. 711.

489

Vgl. Christoph Cadenbach / Wolfgang Luef, „Menschen, Tiere, Aggressionen“, in: Süddeutsche Zeitung Magazin 26 (2011), S. 8–15.

490

Groß, Querelle, S. 94.

491

Ebd.

492

Ebd.

493

Das Programm, 24.12.1911, o. S.

494

Ebd.

495

Das Organ, 20.03.1909, S. 2.

496

Zeitungsausschnitt Mitteilungen der Internationalen Artisten-Loge, 22.12.1901, Polizeipräsidium Berlin, Theaterpolizei, A. Pr. Br. Rep. 030-05, 1466, Landesarchiv Berlin.

497

Das Programm, 07.04.1912, o. S.

498

Auch Stefan Koslowski machte in seiner Studie für die Situation in Basel die Beobachtung, dass in den gastierenden Schaustellungen „häufig die öffentlich legitimierten Werte ‚hohe Kunst‘, ‚Bildung‘, ‚Wissenschaft‘ und ‚Fortschritt‘“ betont wurden, womit die Schausteller:innen „die herrschende Normenhierarchie zwar in Frage [stellten], sich jedoch letztlich in das vorherrschende Wertgefüge ein[fügten] und damit die Hochschätzung des vermeintlich ‚Höheren‘ [festigten].“ (Koslowski, Stadttheater, S. 76) Zu der von Koslowski behaupteten Infragestellung der „Normenhierarchie“ kam es meiner Meinung nach nicht. Es handelte sich vielmehr um Versuche, innerhalb des Systems aufzusteigen bzw. Anerkennung als Kunstform zu erlangen.

499

Halperson, Buch vom Zirkus, S. 1 f.

500

Halperson, Buch vom Zirkus, S. 1.

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Theaterlobby attackiert Zirkus

Zur Wende im Kräfteverhältnis zweier Theaterformen zwischen 1869 und 1918 in Berlin

Series:  Ästhetische Praxis, Volume: 4