2.1 Wissensordnung
Der durch historisch-enzyklopädische Praxis vorgeprägte, dann jedoch vor allem von der Kultursoziologie theoretisierte Begriff der Wissensordnung ist auf Michel Foucault zurückzuführen. In Die Ordnung der Dinge nimmt dieser den in meinen einleitenden Überlegungen angeführten Borges-Aufsatz zum Ausgangspunkt, die Genese von Wissensordnungen auf den Feldern von Biologie, Recht, Sprache und Ökonomie auf der Grundlage des jeweils vorherrschenden philosophischen Diskurses zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert auf ihre Vergleichbarkeit, Kontinuität und Diskontinuität hin zu befragen.26
Foucault geht davon aus, dass Menschen seit Beginn ihres Lebens durch die in einer historischen Epoche jeweils gültigen »empirische[n] Ordnungen« fixiert sind. Hierbei handelt es sich um »fundamentale[] Codes einer Kultur, die ihre Sprache, ihre Wahrnehmungsschemata, ihren Austausch, ihre Techniken, ihre Werte [und] die Hierarchien ihrer Praktiken beherrschen«.27
Dieses Apriori ist das, was in einer bestimmten Epoche in der Erfahrung ein mögliches Wissensfeld abtrennt, die Seinsweise der Gegenstände, die darin erscheinen, definiert, den alltäglichen Blick mit theoretischen Kräften ausstattet und die Bedingungen definiert, in denen man eine Rede über die Dinge halten kann, die als wahr anerkannt wird.28
Die Entstehung dieser prädeterminierenden Wissensordnung ist dabei nicht wie bei Wilkins auf Einzelunternehmungen zurückzuführen; vielmehr wird eine historisch gültige Ordnung, ein epochenspezifischer Weltkatalog durch das Kollektiv sozialer und wissenschaftlicher Akteur:innen in einem andauernden Prozess ausformuliert. Bei diesem Ordnungsvorgang geht es darum, »Inhalte aneinander anzunähern, zu analysieren, zu isolieren, anzupassen und zu verschachteln. Nichts ist tastender […] als die Einrichtung einer Ordnung unter den Dingen.«29 Dabei entsteht, so Foucault, ein sprachlich verfasstes
›System von Elementen‹, eine Definition der Segmente, bei denen die Ähnlichkeiten und Unterschiede erscheinen können, die Variationstypen, durch die diese Segmente berührt werden können, schließlich die Schwelle, oberhalb derer es einen Unterschied und unterhalb derer es Ähnlichkeiten gibt […].30
So werden Raster der Sinnbildung, werden Wahrnehmungsregime geschrieben und Möglichkeitsräume abgesteckt. Das System von Elementen bildet ein potenzielles Ereignisfeld, auf dem sich Denken und Handeln einer Epoche ereignen. Was unter oder über eine Variationsschwelle fällt, ist kategorial mit der Definition eines anderen Segments zu erfassen. Auf solche Weise nehmen Ordnungen Grenzziehungen vor und formulieren Grenzen mit dazugehörigen Angrenzungen. »Auf dem Hintergrund dieser Ordnung, die als positiver Boden betrachtet wird, errichten sich die allgemeinen Theorien der Anordnungen der Dinge und die Interpretationen, die sie zur Folge hat.«31
Das heißt mit Foucault nicht, dass Dinge außerhalb der empirischen Ordnung bzw. noch nicht in einer Wissensordnung definierte Systemelemente nicht existierten; vielmehr sind sie abgedunkelt und durch das gültige Apriori einer bestehenden Wissensordnung der Wahrnehmung unzugänglich. In Die Ordnung der Dinge heißt es hierzu:
Die Ordnung ist zugleich das, was sich in den Dingen als ihr inneres Gesetz, als ihr geheimes Netz ausgibt, nach dem sie sich in gewisser Weise alle betrachten, und das, was nur durch den Raster eines Blicks, einer Aufmerksamkeit, einer Sprache existiert. Und nur in den weißen Feldern dieses Rasters manifestiert es sich in der Tiefe, als bereits vorhanden, als schweigend auf den Moment seiner Aussage Wartendes.32
Ungeachtet des animistischen Gestus der Sequenz, der Rede über die geheime Korrespondenz und das Warten der Dinge auf Aussage, unterstreicht der Auszug die Rolle von Sprache innerhalb von Foucaults Konzept der Wissensordnung: Erst durch das ›Insprachesetzen‹, den Akt der Benennung und die damit verbundene Implementierung in ein sprachliches System, werden Dinge sichtbar und zugänglich. Ein weißes, unbeschriebenes Feld wird vom Raster der Sinnbildung überschrieben und eine gültige Ordnung oder, wie es Foucault an anderer Stelle nennt, ein »›Denkrahmen‹«33 mit daraus hervorgehenden Praktiken erweitert.
Dass es »Ri[sse] in der Ordnung der Dinge«34 gibt, eine »Kultur mitunter in einigen Jahren aufhört zu denken, wie sie es bis dahin getan hat, und etwas anderes zu denken beginnt«35, dass die Emergenz einer Wissensordnung oder das Bestehen einer Wissensordnung die Wissensunordnung voraussetzt und die Konstruktion einer Ordnung ein Dekonstruiertes, ruft den Begriff der Krise und den Themenkomplex der Krise von Wissensordnungen auf den Plan.36
2.2 Krise als Wissensunordnung
Bereits der etymologische Kern von ›Krise‹ ist für die Entwicklung meines dieser Arbeit zugrunde liegenden Begriffs von Staunen als Krise innerhalb einer Wissensordnung aufschlussreich: ›krínein‹ (krísis) meint »scheiden, auswählen, entscheiden, beurteilen« bzw. die mediale Form ›krínesthai‹ »sich messen, streiten und kämpfen«.37 Der semantische Nukleus des Begriffs verweist auf eine transitive Praxis und ein (konflikthaftes) Differenzierungsgeschehen. In Rückkoppelung zum eben angesprochenen »Riß in der Ordnung der Dinge«38 ist über ›krínein‹ entsprechend ein (Los-)Lösungsprozess innerhalb einer bestehenden Ordnung bzw. eines »›Denkrahmen[s]‹«39 angezeigt, der in Bezug auf das folgende Kap. 3 Krise und Staunen und die darin verhandelten Philosoph:innen sowohl geschichtsphilosophisch, wissenschaftstheoretisch als auch politisch-sozial zu unterstreichen ist.
Der (Kunst-)Historiker Jakob Burckhardt schreibt in den Weltgeschichtlichen Betrachtungen (1905)40 im Kapitel ›Die geschichtlichen Krisen‹: Es »bricht irgendwo irgendwas aus, wodurch die öffentliche Ordnung gestört wird […]. Der Weltprozeß gerät plötzlich in furchtbare Schnelligkeit; Entwicklungen, die sonst Jahrhunderte brauchen, scheinen in Monaten und Wochen wie flüchtige Phantome vorüberzugehen und damit erledigt zu sein.«41 Die Grundlage für diese Dynamisierung sieht Burckhardt im kollektiven Gefühl der »Unbilligkeit gegen alles Bisherige; es sieht so aus, als wäre die eine Hälfte der Dinge faul gewesen, und die andere Hälfte hätte längst gespannt auf eine allgemeine Änderung gewartet.«42 An anderer Stelle spricht er auch von »Gärung«43 und individuellen Gärprozessen, die sich innerhalb eines sozialen Gefüges zu potenzieren beginnen, sich entladen und an einem bestimmten Punkt der Entwicklung in ein kollektives Krisenbewusstsein umschlagen. Es ist eine »blinde Koalition Aller, die etwas anderes haben«, die »einen alten Zustand aus den Angeln«44 heben wollen. Was dieses Andere ist und wie der neue Zustand auszusehen hat, diesbezüglich herrscht »bei allen einzelnen Teilnehmern völlige Blindheit«45. Krisen, so viel gilt es mit Burckhardt an diesem Punkt festzuhalten, sind kulturelle Dynamisierungsprozesse mit unbestimmtem Ausgang – ein alter Zustand, eine alte Ordnung wird für nichtig erklärt, wobei zu Beginn der krisenhaften Prozessdynamiken die Zielgrößen einer neuen Ordnung noch nicht abzusehen sind.
Hierbei betont Burckhardt neben der entgrenzenden und Potenzen freilegenden Funktion von Krisen vor allem den Traditionsbruch als Charakteristikum:
Zum Lobe der Krisen läßt sich nun vor allem sagen: Die Leidenschaft ist die Mutter großer Dinge, d.h. die wirkliche Leidenschaft, die etwas Neues und nicht nur das Umstürzen des Alten will. Ungeahnte Kräfte werden in den Einzelnen und in den Massen wach, und auch der Himmel hat einen anderen Ton. Was etwas ist, kann sich geltend machen, weil die Schranken zu Boden gerannt sind oder eben werden. […] Überhaupt geschehen alle geistigen Entwicklungen sprung- und stoßweise, wie im Individuum, so hier in irgend einer Gesamtheit. Die Krisis ist als ein neuer Entwicklungsknoten zu betrachten. Die Krisen räumen auf: zunächst mit einer Menge von Lebensformen, aus welchen das Leben längst entwichen war, und welche sonst mit ihrem historischen Recht nicht aus der Welt wären wegzubringen gewesen. Sodann aber auch mit wahren Pseudoorganismen, welche überhaupt nie ein Recht des Daseins gehabt und sich dennoch im Laufe der Zeit auf das Stärkste bei dem ganzen übrigen Leben assekuriert, ja hauptsächlich die Vorliebe für alles Mittelmäßige und den Haß gegen das Ungewöhnliche verschuldet hatten. Die Krisen beseitigen auch die ganz unverhältnismäßig angewachsene Scheu vor ›Störung‹ und bringen frische und mächtige Individuen empor.46
Ausdruck der individuellen, auch kollektiven Krisenpraxis, des an Krisen gebundenen »geistigen Entwicklung[ssprungs]« ist das Auf- und Wegräumen von vergangenen »Lebensformen« – ein Terminus, der in einer von Wittgenstein ausgehenden Spezifik im weiteren Verlauf der Arbeit noch zentrale Bedeutung gewinnen wird47 –, deren Legitimität sich allein aus der Hülle ihres historischen Bestehens ableitet, jedoch keine Aktualität oder Passung zu einer gegenwärtigen Realität aufweist. Krisen wenden das Vertraut-Gewöhnliche in »Ungewöhnliche[s]«, sie sind eine »Störung« im Skript einer überkommenen Lebensform.
Burckhardts auf das Jahr 1905 zu datierende, letztlich auch als historisches Zeugnis einzuordnende Ausführungen sind mit den Arbeiten von Reinhart Koselleck weiterzuentwickeln und näher an die Gegenwart heranzurücken. Auch bei Koselleck korrelieren Krise und Ordnung, auch hier ist Krise das Andere der Ordnung: Bereits in seiner Dissertation Kritik und Krise von 1954 skizziert er Krisenzustände als notwendigen Motor für Revolutionsgeschehen und als zentrale Kategorie der, so der Untertitel der Taschenbuchausgabe von 1973, Pathogenese der bürgerlichen Welt. Krise als geschichtsphilosophisches Moment wird darin als ein »Zustand der Unsicherheit und Ungewißheit« beschrieben, der in einer historischen Situation »alle Menschen überfällt, wenn die herrschende Ordnung […] zerbricht«.48 »Auflösung [von] Ordnung«49 ist eine »Geschehenseinheit«50, ein »transitorisches Moment«51 der »Herrschaftslosigkeit«. Krise ist »Anarchie«52, in welcher der Mensch auf seine »Ursprünglichkeit zurückgeworfen«53 wird. Dabei entsteht Koselleck zufolge ein neues Bewusstsein, das sich jedoch einer »Planung, rationale[n] Steuerung«54, entzieht. Die Auflösung einer bestehenden Ordnung, die Unordnung, eine tabula rasa, die Krise als Transitraum und anarchische Entwicklungsdynamik ohne ausformulierte Zielgröße: Es ist auffallend, wie nahe Koselleck an die Semantiken Burckhardts heranreicht.
In seinen nicht mehr vollendeten Begriffsgeschichten von 2006 – einem Destillat der begriffsgeschichtlichen Arbeit eines halben Jahrhunderts – ist der Krisenbegriff wesentlich differenzierter und ohne die von der Französischen Revolution ausgehende geschichtsphilosophische Valenz ausgearbeitet. Koselleck unterstreicht darin, wie bereits in Kritik und Krise angedeutet, vorrangig die »zeitliche Dimension«55 von ›Krisis‹ als »Prozeßbegriff«56 : Das Wort bezeichnet einen »sich beschleunigenden Vorgang, in dem sich viele Konflikte, das System sprengend, zusammenschürzen, um nach der Krise eine neue Lage herbeizuführen«.57 Der Krisenbegriff impliziert gemäß Koselleck also immer auch eine »Zeittheorie«58. Er benennt den zeitlichen Abschnitt zwischen alter und neuer Ordnung und ist Indikator eines Übergangs:
Der Ausdruck steht insbesondere für eine Phase, in der die Entscheidung über den Verlauf einer Angelegenheit ansteht, aber noch nicht gefallen ist. Eine ›kritische Phase‹ beschreibt bis heute einen Zustand unaufgelöster Spannung, der Latenz und Schwebe, eine entscheidungsträchtige Situation, die unumkehrbar auf eine Unterscheidung, Ausscheidung und Entscheidung zuläuft.59
Dass der Krisenbegriff und die mit ihm indizierten Attribute dank ihrer leicht zu übertragenden Semantiken Karriere machten, wundert vor diesem Hintergrund nicht: Egal ob »Innen- und Außenpolitik, Kultur, Wirtschaft, Kirchen und Religionen, […] Technik und Industrie«60 – der Krisenbegriff hat sich universalisiert. Das gilt gemäß Koselleck insbesondere auch für die Wissenschaft, in der Krise zu einer zentralen Kategorie avancierte:
Seit der Übernahme des griechischen Wortes in die europäischen Volkssprachen – seit dem ausgehenden Mittelalter – läßt sich dessen sukzessive und zunehmende Ausbreitung registrieren. Der Begriff erfaßte immer mehr Lebensbereiche: die Politik, die Psychologie, die sich entwickelnde Ökonomie und schließlich die neu entdeckte Geschichte. Man kann die Behauptung wagen, daß der Begriff ›Krisis‹ sogar dazu beitrug, die genannten Bereiche als eigenständige Wissenschaften zu begründen.61
Krise und Wissenschaft sind in dieser Argumentation miteinander verschränkt. Als »Generatoren des Fortschritts«62 bilden Krisen den Ausgangspunkt für das Andauern von Erkenntnisprozessen, für das Hervorbringen neuer Ordnungssysteme in Form von Axiomen und Paradigmen in einer sich zunehmend funktional ausdifferenzierenden Welt. In der Formulierung von Folkers und Lim sind sie entsprechend ein »›moment of truth‹, insofern sie de[n] Ausgangspunkt für eine Produktion von Wahrheit«63 bilden; sie setzen »die Produktion von Wahrheit in Gang«64, sind »Wahrheitsprozedur« und stellen »das epistemologische Gegenüber der Ordnung«65 dar.
Die genannten Strukturmerkmale weisen darüber hinaus eine rhetorisch-narratologische Wendung auf: Das Historische Wörterbuch der Rhetorik führt ›Krisenrhetorik‹ als eigenes Lemma, dessen Kern die bereits über die Etymologie angezeigte Agonalität ausmacht: »Die rhetorische Krisensituation konstituiert sich […] durch einen inhärenten Widerstreit, das Aufeinandertreffen agonaler Kräfte«; sie ist dann beendet, »wenn ein neuer Zustimmungs- und Homöostasezustand erreicht ist«. Die Definition zielt in Richtung offener Konfliktlagen und Ungewissheiten, an deren Ausgang eine Entscheidung herbeigeführt werden soll: Die agonalen Positionen »ringen um die letztgültige Entscheidung in die eine oder andere Richtung mittels […] Rede und Gegenrede«.66
Dass man hierbei wie das Wörterbuch nicht bei den drei klassischen Redegattungen, der judikalen, deliberativen und laudativen Rede, stehen bleiben muss und die Definition ein allgemeines narratives Skript benennt, ist mit Baltin und Wortmann zu betonen. Diese weisen darauf hin, »dass Krisen in Szene gesetzt und erzählt werden müssen, ob im Medium des Bildes oder des Wortes«67. Für sie ist eine Krise
ein vielschichtiges kulturelles Deutungsmuster, das so disparate Bereiche wie Ökonomie, Kunst, Psychologie oder Medizin nicht nur umfasst, sondern auch miteinander in Verbindung, in einen Austausch oder auch in Widerspruch miteinander treten lässt. Die Krise […] ist ein zentraler Bestandteil kultureller und gesellschaftlicher Institutionen – und dabei gleichermaßen Ursprung und Effekt von Erzählungen: Einerseits müssen Krisenphänomene narrativ hergestellt, ja medien- und gattungsspezifisch in Szene gesetzt, vielleicht sogar erst hergestellt werden, andererseits dient die Kulturtechnik des Erzählens – nicht nur im engeren Sinn einer talking culture – der Überwindung von […] Krisen als Deutungsmuster. In Erzählprozessen selbst wiederum stellen Krisen als Ereignisse meist den Zeitpunkt unmittelbar vor dem Wendepunkt dar: Erst in der Krisensituation entscheidet sich, welchen Verlauf das Narrativ nehmen wird.68
Neben der Wiederaufnahme der durch Burckhardt und Koselleck ausformulierten Krise als kulturelles Deutungsmuster im ersten sind im zweiten Teil der Sequenz zwei Gesichtspunkte hervorzuheben: Zum einen sind Krisenerzählungen notwendig für die Herstellung, aber auch für die Lösung von Krisen. Ohne Krisennarrativ keine Krise und auch keine Lösung der Krise. Das narrative Schema entwickelt sich aus Krisenwahrnehmung, -artikulation, -bearbeitung und letztlich durch Krisenbewältigung. Was im Wörterbuch noch mit »Homöostasezustand«69 bezeichnet wurde, ist hier schlichter mit »der Überwindung«70 einer Krise benannt. Krisenerzählungen sind teleologisch durch das Wiederherstellen von Ordnung, von Gleichgewicht motiviert. Zum anderen wird die Ereignishaftigkeit, die Außerordentlichkeit von Krisen angesprochen und in eine temporale Struktur eingebettet: Krisen bilden den Zeitpunkt, an dem ein Entwicklungsprozess ausgelöst wird. Sie entscheiden über die Kontur der narrativ hergestellten »Re-Normalisierung«71.
Ausgehend von den dargelegten, sich gegenseitig komplettierenden Bedeutungssträngen des Krisenbegriffs gilt es für mein Interesse an terminologischer Funktionalisierung folgenden semantischen Kern festzuhalten: ›Krise‹ ist ein medial vermittelter, transitorischer und transformativer Zeitbegriff mit agonalem Gehalt. Dabei wird eine bestehende »Ordnung gestört«72, es entsteht Unordnung, die im Laufe der Krisendynamik aufgelöst wird73. Krisen stellen einen Traditionsbruch mit individuell sowie kulturell bestehenden Denk-, Handlungs- und Lebensformen dar. Ziel- bzw. Fluchtpunkt des Krisenprozesses ist die Wiederherstellung einer neuen Ordnung, die »Re-Normalisierung«74.
Auf ein ausführliches Referat des Werks, den Nachvollzug der ›Archäologie der Humanwissenschaften‹, so der Untertitel des Werks, wird an dieser Stelle verzichtet. Gleiches gilt für den in Die Ordnung der Dinge entwickelten Begriff der Episteme und dessen Zusammenhang zu Foucaults 1970 am Collège de France gehaltener Inauguralvorlesung mit dem Titel Die Ordnung des Diskurses (vgl. Foucault, Michel, Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt am Main: Fischer, 1991). Mein Erkenntnisinteresse liegt beim vorliegenden Kapitel in der Gewinnung des semantischen Kerns von ›Wissensordnung‹. Es geht mir ausschließlich um die Einführung einer im weiteren Verlauf zu funktionalisierenden Terminologie.
Foucault 1971: 22.
Ebd. 204.
Foucault 1971: 22.
Ebd.
Ebd. 23.
Ebd. 22.
Foucault 1971: 204.
Ebd. 26.
Ebd. 83.
Foucault, der Denker der Ordnung, kennt den Begriff der ›Wissensunordnung‹ nicht bzw. »fristet [das Andere der Ordnung] lediglich eine Randnotiz im Werk Foucaults. Es sind nur wenige Sätze, zuweilen nur einzelne Wörter, Losungen oder Formeln, die das Andere [der Ordnung] herbeigestikulieren.« (Folkers/Lim 2014: 52) Vor allem in Die Ordnung der Dinge, dem argumentativen Referenzpunkt meiner Ausführungen, ist die ›Unordnung der Dinge‹ nicht angesprochen.
Koselleck 2006: 203 f.
Foucault 1971: 26.
Ebd. 204.
Vgl. zur Aktualität und den weitreichenden theoretischen Implikationen der Weltgeschichtlichen Betrachtungen Osterhammel in Burckhardt 2018: 283–298.
Burckhardt 2018 [1905]: 176.
Ebd. 180.
Ebd. 185.
Ebd. 180.
Ebd. 179.
Burckhardt 2018 [1905]: 198.
Vgl. Kap. 6 Lebensform – Philosophie als Praxis.
Koselleck 1973: 134.
Ebd. 141.
Ebd. 140.
Ebd. 145.
Ebd. 140.
Ebd. 142.
Koselleck 1973: 134.
Koselleck 2006: 204.
Ebd. 208.
Ebd.
Ebd. 204.
Goetze/Strobel 2011: 512.
Koselleck 2006: 203.
Koselleck 2006: 205.
Ebd. 211.
Folkers/Lim 2014: 55.
Ebd. 51.
Ebd. 49.
Goetze/Strobel 2011: 513.
Baltin/Wortmann 2021: 10.
Baltin/Wortmann 2021: 14.
Goetze/Strobel 2011: 513.
Baltin/Wortmann 2021: 14.
Parr 2021: 23.
Burckhardt 2018 [1905]: 176.
Vgl. Koselleck 1973: 141.
Parr 2021: 23.