Nach der ersten Anwendung und der Evaluation der Fiktionstheorien wurde im letzten Kapitel als Zwischenfazit die Vermutung geäußert: Eine auf die Bedürfnisse der Literaturwissenschaft zugeschnittene Kombination der Theorien von Currie (FC), Stock (FS) und Davies (FDW) könnte die Gütekriterien des Erklärungs- und Lösungspotenzials, der Adäquatheit der Ergebnisse und der Anwendbarkeit erfüllen. Ein solcher Vorschlag zur Definition (5.1) und Operationalisierung (5.2) wird in diesem zweiten Theoriekapitel ausformuliert, um ihn danach auf Montauk und Koala anzuwenden.
5.1 Definition
Zunächst werden die Definitionen von Fiktionalität und Nichtfiktionalität auf der Ebene der Äußerung (5.1.1), der Erzählung (5.1.2) und des Werks (5.1.3) erläutert.
5.1.1 Äußerung
Die Definition von Fiktionalität und Nichtfiktionalität auf der Ebene von einzelnen Äußerungen und Sätzen1 ist für die literaturwissenschaftliche Praxis meist von untergeordneter Wichtigkeit. In aller Regel liegt das Interesse auf dem Werk als Text im Kontext.2 Trotzdem ist eine Bestimmung auf der Mikroebene notwendig. Erstens bereitet sie die Definitionen der fiktionalen bzw. nichtfiktionalen Erzählung und des fiktionalen bzw. nichtfiktionalen Werks vor. Zweitens kann auch in der literaturwissenschaftlichen Praxis am Fiktionalitätsstatus eines aus einem Textzusammenhang gelösten und insofern isoliert betrachteten Satzes ein berechtigtes Interesse bestehen.
Hier hat sich Curries Theorie als leistungsstark erwiesen.3 Sie wird wie folgt angepasst:
(FU) | Eine Äußerung U ist fiktional genau dann, wenn (i) der Autor A reflexiv intendiert, dass sich der Leser L vorstellt, die durch U ausgedrückte (komplexe) Proposition p sei wahr, und (ii) der Gehalt von U nicht auf einem Wahrheitsbemühen von A beruht. |
Ein fiktionaler Satz ist nach dem hier mit Currie geteilten Verständnis das Ergebnis einer spezifischen Form der Sprachverwendung innerhalb der (literarischen) Kommunikation – einer fiktionalen Äußerung. Damit eine Äußerung fiktional ist, müssen zwei notwendige und zusammen hinreichende Bedingungen erfüllt sein.
Erstens: Notwendig ist das Vorliegen einer bestimmten im Grice’schen Sinne4 reflexiven Intention. Dem Autor einer Äußerung U mit dem propositionalen Gehalt p muss begründet die Intention zugeschrieben werden können, dass (i) der Leser sich vorstellt, dass p, (ii) der Leser die in (i) genannte Intention erkennt, und (iii) das Erkennen der in (i) genannten Intention der entscheidende Grund für den Leser ist, sich vorzustellen, dass p. In die Definition wird der eingeklammerte Ausdruck der komplexen Proposition aufgenommen. Es soll dadurch verdeutlicht werden, dass die Rekonstruktion des Verhältnisses zwischen dem aus einer Äußerung resultierenden Satz und dem vorzustellenden propositionalen Gehalt eine anspruchsvolle Analyse und Interpretation bedingen kann. In dieser muss unter anderem die jeweilige Kommunikationssituation berücksichtigt werden. Insbesondere in vielschichtigen Erzählkonzeptionen mit mehreren Sprechern und Erzählungen auf verschiedenen Ebenen lässt sich eine im Sinne eines komplexen Satzes zusammengesetzte Proposition oft nicht sinnvoll in mehrere einfache Propositionen zergliedern.5 Zudem kann (etwa bei Fragesätzen) eine strukturelle Umformulierung notwendig sein, um den wahrheitswertfähigen (komplexen) propositionalen Gehalt des Satzes zu eruieren, der durch eine Äußerung direkt oder indirekt ausgedrückt oder impliziert wird.6 Diese für die literaturwis-senschaftliche Praxis relevanten Aspekte sollen damit explizit in die Definition eingehen.
Zweitens: Der Gehalt der Äußerung U darf nicht auf einem Wahrheitsbemühen des Autors beruhen. Dabei handelt es sich um eine Umformulierung von Curries zweiter Bedingung. Der Ausdruck des Wahrheitsbemühens soll (deutlicher als jener der ‚höchstens zufälligen Wahrheit‘) betonen, dass die Erfülltheit der Bedingung nicht vom Wahrheitswert der einfachen oder zusammengesetzten Proposition abhängt, sondern von der Intention, mit der die Äußerung getätigt wird. Durch die Rede von einem Bemühen wird der pragmatische Kern dieser nur quasireferenzialistischen Gehaltsbedingung so deutlich wie möglich hervorgehoben. Wie Stock zeigt, wird die Bedingung (ii) durch die Bedingung (i) bereits impliziert.7 Insofern könnte auf sie verzichtet werden. Sie wird gleichwohl in der Definition beibehalten, um explizit festzuhalten, wann außerhalb eines Textzusammenhangs betrachtete oder alleinstehende Sätze wahr und zugleich fiktional sein können: nämlich nur dann, wenn der Äußerung kein Wahrheitsbemühen zugrunde liegt.8
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Dem soll folgende Definition einer nichtfiktionalen Äußerung entgegengestellt werden:
(NFU) | Eine Äußerung U ist nichtfiktional genau dann, wenn der Autor A reflexiv intendiert, dass der Leser L glaubt, die durch U ausgedrückte (komplexe) Proposition p sei wahr. |
Notwendig und zugleich hinreichend für die Nichtfiktionalität einer Äußerung ist dem Vorschlag zufolge eine andere, wiederum reflexive Intention. Dem Autor einer Äußerung U mit dem propositionalen Gehalt p muss begründet die Intention zugeschrieben werden können, dass (i) der Leser glaubt, dass p, (ii) der Leser die in (i) genannte Intention erkennt, und (iii) das Erkennen der in (i) genannten Intention der entscheidende Grund für den Leser ist, zu glauben, dass p. Auch hier kann die Eruierung des zu glaubenden (komplexen) propositionalen Gehalts einer Äußerung eine anspruchsvolle Analyse, Interpretation und/oder strukturelle Umformulierung des resultierenden Satzes bedingen. Weitere Bedingungen sind zur Definition nichtfiktionaler Äußerungen nicht notwendig. Wenn die Intentionsbedingung erfüllt ist, hat insbesondere der Wahrheitswert eines Satzes keinen Einfluss auf deren Fiktionalitätsstatus. Auch ein falscher Satz, dem ein Irrtum oder eine Täuschungsabsicht zugrunde liegt, ist in einem solchen Fall das Ergebnis einer nichtfiktionalen Äußerung.
∵
Der grundlegende Unterschied zwischen fiktionalen und nichtfiktionalen Äußerungen ist demnach die durch den Autor geforderte epistemische Haltung gegenüber dem geäußerten propositionalen Gehalt. Fiktionale und nichtfiktionale Sätze in Texten von literarischen Werken sind das Ergebnis von Äußerungen mit verschiedenen Zielsetzungen innerhalb der (literarischen) Kommunikation. Eine fiktionale Äußerung zielt auf die Ausbildung einer Vorstellung, dass etwas der Fall ist. Eine nichtfiktionale Äußerung zielt auf die Ausbildung einer Überzeugung, dass etwas der Fall ist.9 Zu welcher Vorstellung oder Überzeugung aufgefordert wird, ist im Einzelfall zu untersuchen. In der literarischen Kommunikation können insbesondere die jeweiligen Sprecherverhältnisse (Autorenrede, Erzählerrede, Figurenrede) einen entscheidenden Einfluss auf den zu eruierenden (komplexen) propositionalen Gehalt einer Äußerung haben.10
Es wird mit Currie, Davies, Konrad und Stock somit davon ausgegangen, dass es einen genuin fiktionalen Sprechakt gibt, der durch einen fiktionsspezifischen Illokutionsakt bestimmt ist. Für die literarisch-schriftliche Kommunikation zwischen Autor und Leser kann der fiktionale Sprechakt in die folgenden Sprachhandlungen zergliedert werden:11 Der Äußerungsakt besteht aus dem Aufschreiben eines Satzes „p“. Der propositionale Akt besteht aus dem Referenzakt und dem Prädikationsakt: Durch die Bezugnahme auf einen Gegenstand und die Zuordnung einer Eigenschaft zu diesem Gegenstand wird der propositionale Gehalt p bestimmt. Anhand dieser Akte können fiktionale Sprechakte jedoch noch nicht von nichtfiktionalen Sprechakten unterschieden werden. Sie unterscheiden sich durch den Illokutionsakt: In einem fiktionalen Sprechakt fordert der Autor den Leser zur Vorstellung auf, dass p. In einem nichtfiktionalen Sprechakt fordert der Autor den Leser zu der Überzeugung auf, dass p. Relativ zu dieser Zielsetzung, dem perlokutionären Akt, unterscheidet sich (bei erfolgreicher Verständigung) der perlokutionäre Effekt: Der Leser stellt sich vor oder glaubt, dass p.
5.1.2 Erzählung
Die Definitionen von fiktionalen und nichtfiktionalen Äußerungen und Sätzen sind für die literaturwissenschaftliche Praxis von eher beschränktem Nutzen. Der Fokus sollte aber auch nicht, wie es üblicherweise der Fall ist, auf der Makroebene des Werks liegen. Die zentrale Ebene zur Bestimmung von Fiktionalität und Nichtfiktionalität, so der Vorschlag, ist die Erzählung.
Hier hat sich Stocks Anpassung von Curries Theorie als leistungsstark erwiesen.12 Sie soll wie folgt zur Definition einer fiktionalen Erzählung angepasst werden:
(FE) | Eine Erzählung E ist fiktional genau dann, wenn (i) der Autor A reflexiv intendiert, dass sich der Leser L vorstellt, die temporal geordnete und sinnhaft verknüpfte Menge der durch die Äußerungen U1–Un ausgedrückten (komplexen) Propositionen {p, q, r, …} sei wahr, und (ii) der Gehalt mindestens einer Äußerung der Äußerungen U1–Un nicht auf einem Wahrheitsbemühen von A beruht. |
Auch eine fiktionale Erzählung ist das Ergebnis einer spezifischen Sprachverwendung durch den Autor. Die Definitionsmenge verschiebt sich jedoch von einzelnen Äußerungen auf verknüpfte Äußerungsmengen. Eine Menge an geäußerten Sätzen bildet eine Erzählung, wenn aufgrund des Gehalts eine temporal geordnete und sinnhaft verknüpften Menge an Ereignissen rekonstruiert werden kann.13 Die Definition enthält wiederum zwei notwendige und zusammen hinreichende Bedingungen.
Erstens: Notwendig ist eine bestimmte reflexive Intention. Dem Autor einer Erzählung E, resultierend aus den Äußerungen U1–Un mit dem propositionalen Gehalt {p, q, r, …}, muss begründet die Intention zugeschrieben werden können, dass (i) der Leser sich vorstellt, dass {p, q, r, …}, (ii) der Leser die in (i) genannte Intention erkennt, und (iii) das Erkennen der in (i) genannten Intention der entscheidende Grund für den Leser ist, sich vorzustellen, dass {p, q, r, …}. Dabei gilt auch für Erzählungen: Die Eruierung des vorzustellenden propositionalen Gehalts kann anspruchsvolle analytische und interpretative Vorarbeiten sowie strukturelle Umformulierungen von Sätzen bedingen.
Zweitens: Der Gehalt mindestens einer Äußerung in U1–Un darf nicht auf einem Wahrheitsbemühen des Autors beruhen. Die quasireferenzialistische Gehaltsbedingung von (FU) wird in (FE) also beibehalten. Aufgrund der Veränderung der Definitionsmenge wird sie aber stark abgeschwächt. In einer fiktionalen Erzählung müssen die Bedingungen von (FU) von mindestens einer Einzeläußerung erfüllt sein. Diese Bedingung wird in die Definition integriert, um das Verhältnis von Fiktionalität und Wahrheit wiederum explizit zu machen. Eine fiktionale Erzählung kann zu großen Teilen (fast vollständig) beabsichtigt wahr sein. Vollständig wahr und zugleich fiktional kann sie jedoch nur unbeabsichtigt sein. Eine Erzählung muss mindestens einen Satz enthalten, der auch isoliert betrachtet nach (FU) das Ergebnis einer fiktionalen Äußerung ist, damit die verknüpfte Satzmenge insgesamt fiktional sein kann.
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Dem soll folgende Definition einer nichtfiktionalen Erzählung entgegengestellt werden:
(NFE) | Eine Erzählung E ist nichtfiktional genau dann, wenn der Autor A reflexiv intendiert, dass der Leser L glaubt, die temporal geordnete und sinnhaft verknüpfte Menge der durch die Äußerungen U1–Un ausgedrückten (komplexen) Propositionen {p, q, r, …} sei wahr. |
Notwendig und zugleich hinreichend ist eine bestimmte reflexive Intention. Dem Autor einer Erzählung E, resultierend aus den Äußerungen U1–Un mit dem propositionalen Gehalt {p, q, r, …}, muss begründet die Intention zugeschrieben werden können, dass (i) der Leser glaubt, dass {p, q, r, …}; (ii) der Leser die in (i) genannte Intention erkennt; und (iii) das Erkennen der in (i) genannten Intention der entscheidende Grund für den Leser ist, zu glauben, dass {p, q, r, …}. Eine zusätzliche Bedingung ist nicht notwendig. Ist die Intentionsbedingung erfüllt, haben etwa die Gehalte der Äußerungen oder weitere Intentionen keinen Einfluss auf den Fiktionalitätsstatus.
∵
Der grundlegende Unterschied zwischen fiktionalen und nichtfiktionalen Erzählungen beruht wiederum auf der geforderten epistemischen Haltung gegenüber dem geäußerten propositionalen Gehalt und den Zielsetzungen innerhalb der (literarischen) Kommunikation. Eine fiktionale Erzählung zielt auf die Ausbildung einer verknüpften Menge an propositionalen Vorstellungen (wobei eine Teilmenge der Äußerungen im Sinne Stocks zudem auf die Ausbildung von propositionalen Überzeugungen zielen kann). Eine nichtfiktionale Erzählung zielt auf die Ausbildung einer verknüpften Menge an propositionalen Überzeugungen.
Auch fiktionale Erzählungen sind das Ergebnis von fiktionalen Sprechakten im oben erläuterten Sinne, die jedoch beschränkt mit nichtfiktionalen Sprechakten kombinierbar sind. Auf die literarisch-schriftliche Kommunikation angepasst: Bei einer fiktionalen Erzählung besteht der Äußerungsakt aus dem Aufschreiben einer Satzmenge {„p“, „q“, „r“, …}. Durch den propositionalen Akt wird der propositionale Gehalt {p, q, r, …} bestimmt. Der Unterschied zwischen fiktionalen und nichtfiktionalen Erzählungen besteht wiederum im Illokutionsakt: Der Autor einer fiktionalen Erzählung fordert den Leser auf, sich vorzustellen, dass {p, q, r, …} (wobei der Autor den Leser zugleich auffordern kann, eine Teilmenge von {p, q, r, …} zu glauben). Der Autor einer nichtfiktionalen Erzählung fordert den Leser auf zu glauben, dass {p, q, r, …}. Relativ zum perlokutionären Akt unterscheidet sich bei einer erfolgreichen Verständigung der perlokutionäre Effekt beim Leser: Er stellt sich vor oder glaubt, dass {p, q, r, …}.
5.1.3 Werk
Aus den Definitionen fiktionaler und nichtfiktionaler Erzählungen resultiert die Möglichkeit von Mischfällen auf der Ebene des Werks. Auf Davies’ Skizze14 sowie den Definitionen (FE) und (NFE) aufbauend sollen die folgenden Bestimmungen vorgeschlagen werden:
(FW) | Ein Erzählwerk W ist fiktional genau dann, wenn (a) W nur fiktionale Erzählungen enthält oder (b) die Werkbedeutung von W entscheidend von den enthaltenen fiktionalen Erzählungen abhängt. |
(NFW) | Ein Erzählwerk W ist nichtfiktional genau dann, wenn (a) W nur nichtfiktionale Erzählungen enthält oder (b) die Werkbedeutung von W entscheidend von den enthaltenen nichtfiktionalen Erzählungen abhängt. |
Bei einheitlichen Fällen (a) überträgt sich die Klassifikation der Erzählungen auf das Werk. Wenn ein Werk nach (FE) nur fiktionale Erzählungen enthält (eine oder mehrere), ist es fiktional. Wenn ein Werk nach (NFE) nur nichtfiktionale Erzählungen enthält (eine oder mehrere), ist es nichtfiktional.
Die Definition berücksichtigt zudem die Möglichkeit von Mischfällen (b). Werke können Mischungen aus fiktionalen und nichtfiktionalen Erzählungen sein (eine oder mehrere). Solche Mischfälle sollen, zunächst grob umrissen, als fiktional gelten, wenn die Werkbedeutung stärker von den fiktionalen Erzählungen abhängt als von den nichtfiktionalen Erzählungen. Als nichtfiktional sollen Mischfälle gelten, wenn die Werkbedeutung stärker von den nichtfiktionalen Erzählungen abhängt als von den fiktionalen Erzählungen. Die Klassifikation von Mischfällen ist demnach in einem noch auszuführenden Sinne interpretationsabhängig. Der Fiktionalitätsstatus hängt damit nicht vom Verhältnis der durch den Autor getätigten fiktionalen und nichtfiktionalen Äußerungen ab, sondern vom Funktionszusammenhang der resultierenden fiktionalen und nichtfiktionalen Erzählungen.
Der Vorschlag soll verschiedenen Beobachtungen und Bedürfnissen gerecht werden. Er liefert ein Kriterium, um auch bei komplexen und heterogenen Fällen ein begründetes Urteil über den Fiktionalitätsstatus des Werks zu fällen. Dabei bleibt der Fiktionalitätsstatus der Erzählungen unangetastet. Damit kann, wo diese Unterscheidung sinnvoll ist, zwischen fiktionalen Werken mit nichtfiktionalen Erzählungen und nichtfiktionalen Werken mit fiktionalen Erzählungen unterschieden werden. Einerseits wird mit diesem Vorschlag die Ebene der Erzählung als die zentrale Ebene zur Klassifikation betont. Andererseits wird dem nachweisbaren und berechtigten Interesse am Fiktionalitätsstatus von Werken Rechnung getragen. Wird festgestellt, dass es sich nach (FE) und (NFE) um einen Mischfall von fiktionalen und nichtfiktionalen Erzählungen handelt, kann das Werk nach (FW) und (NFW) im Rahmen einer Interpretation klassifiziert werden.
Um Einzelfällen gerecht zu werden, wird erstens nicht angenommen, literarische Werke seien immer homogene Gebilde und folglich müsse allen Werkteilen derselbe Fiktionalitätsstatus zukommen. Es wird zweitens nicht angenommen, literarische Werke seien immer heterogene Gebilde aus Werkteilen von unterschiedlichem Fiktionalitätsstatus. Die vorgeschlagene Theorie ist der Versuch einer Versöhnung der autonomistischen und kompositionalistischen Position. Auf der Ebene der Erzählung ist sie autonomistisch, auf der Ebene des Werks kompositionalistisch. Auf der Basis dieses Vorschlags, so die Vermutung, können sowohl paradigmatische als auch umstrittene Fälle von Fiktionalität und Nichtfiktionalität analysiert und adäquat bestimmt werden.
5.2 Operationalisierung
Nach den vorgeschlagenen Antworten auf die Frage, was Fiktionalität bzw. Nichtfiktionalität ist, stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage, wie Fiktionalität bzw. Nichtfiktionalität zu erkennen ist. Auf der Basis der erläuterten Definitionen werden im Folgenden zunächst Fiktions- und Nichtfiktionssignale definiert (5.2.1). Danach wird ein mögliches Vorgehen zur systematischen Analyse des Fiktionalitätsstatus von Erzählungen und Werken erläutert (5.2.2).
5.2.1 Signale
In der Analyse des Fiktionalitätsstatus von Äußerungen und Erzählungen kommt Fiktions- und Nichtfiktionssignalen eine entscheidende Rolle zu. Sie sollen wie folgt definiert werden:
(SF) | Ein Text- oder Kontextmerkmal M ist relativ zu den Relationsgrößen R ein Fiktionssignal genau dann, wenn M zur Begründung einer Klassifikation als fiktional beitragen kann. |
(SNF) | Ein Text- oder Kontextmerkmal M ist relativ zu den Relationsgrößen R ein Nichtfiktionssignal genau dann, wenn M zur Begründung einer Klassifikation als nichtfiktional beitragen kann. |
Fiktions- und Nichtfiktionssignale sind demnach Text- und Kontextmerkmale, die auf die Erfülltheit der Bedingungen für Fiktionalität bzw. Nichtfiktionalität hinweisen. Durch die Angabe von Fiktions- und Nichtfiktionssignalen können Klassifikationen begründet werden. Dabei ist die Begründungsleistung einzelner Merkmale graduell. Sie legen nicht abschließend fest, dass die Bedingungen erfüllt oder nicht erfüllt sind, sondern legen mehr oder weniger deutlich nahe, dass sie erfüllt sein könnten. Einzelne Fiktions- und Nichtfiktionssignale sind insofern mehr oder weniger stark.
Der Status als Fiktions- und Nichtfiktionssignal kommt Text- und Kontextmerkmalen relativ zu zwei Relationsgrößen zu. (i) Eine erste Relationsgröße sind die der Analyse zugrunde liegenden Definitionen von Fiktionalität bzw. Nichtfiktionalität. Wird nach dem Fiktionalitätsstatus einer Äußerung bzw. eines isolierten Satzes gefragt, bilden (FU) und (NFU) Relationsgrößen. Wird nach dem Fiktionalitätsstatus einer Erzählung bzw. einer verknüpften Satzmenge gefragt, bilden (FE) und (NFE) Relationsgrößen. (ii) Eine zweite Relationsgröße ist die Signifikanz des Merkmals als Fiktions- oder Nichtfiktionssignal im historischen Kontext. Je nach Zeit und Ort kann ein Merkmal ein starkes, ein schwaches oder auch gar kein Fiktions- oder Nichtfiktionssignal sein. Die auf Fiktionalität und Nichtfiktionalität hinweisenden Merkmale sind, anders gesagt, historisch variabel.
Damit wird die Wichtigkeit der getrennten Beantwortung von ontologischen und epistemologischen Fragen hervorgehoben. Die Frage, was Fiktionalität bzw. Nichtfiktionalität ist, wurde zuvor durch die Angabe von historisch invariablen notwendigen und zusammen hinreichenden Bedingungen beantwortet. Die Frage, wie Fiktionalität bzw. Nichtfiktionalität zu erkennen ist, kann nicht auf dieselbe Weise beantwortet werden. Es gibt keine konstante Menge an Text- und Kontextmerkmalen, die allen fiktionalen bzw. nichtfiktionalen literarischen Werken gemein ist.15 Es weisen jedoch historisch variable Mengen an Text- und Kontextmerkmalen im Sinne einer Wittgenstein’schen Familienähnlichkeitsrelation mehr oder weniger deutlich auf die Erfülltheit der notwendigen und zusammen hinreichenden Bedingungen hin.16 Eine Klassifikation muss somit durch die Angabe und Gewichtung der jeweiligen Fiktions- und Nichtfiktionssignale im Text und Kontext eines literarischen Werks im Einzelfall begründet werden.
So sollen die Stärken zweier Definitionsformen kombiniert werden: der Äquivalenzdefinition einerseits und der Charakterisierung einer Familienähnlichkeitsrelation andererseits.17 Fiktionalität bzw. Nichtfiktionalität sind dem erarbeiteten Vorschlag zufolge immer und ausschließlich das Ergebnis derselben spezifischen Intentionen im Rahmen der (literarischen) Kommunikation.18 Fiktionale bzw. nichtfiktionale literarische Werke teilen sich aber kein konstantes Set an Text- und Kontextmerkmalen, sondern stehen in einer Ähnlichkeitsbeziehung.
5.2.2 Methode
Auf der Basis der bisherigen Ausführungen und Definitionen kann eine Methode zur Klassifikation von Erzählungen und Werken ausformuliert werden. Das Vorgehen lässt sich in folgende Schritte fassen:
(1) | Rekonstruktion Erzählungen E1–En in Werk W |
(2) | Analyse Cluster C an Fiktions-/Nichtfiktionssignalen in Text und Kontext von W |
(3) | Zuschreibung Fiktionalitätsstatus von E1–En relativ zu C |
(4.1) | Bei einheitlichen Klassifikationen E1–En: Zuschreibung Fiktionalitätsstatus von W |
(4.2) | Bei uneinheitlichen Klassifikationen E1–En: |
(4.2.1) | Interpretation I von W |
(4.2.2) | Zuschreibung Fiktionalitätsstatus von W relativ zu I |
Die Klassifikation eines Werks bedingt eine narratologische Analyse. Zunächst sind die enthaltenen Erzählungen im Sinne der temporal geordneten und sinnhaft verknüpften Ereignisfolgen zu bestimmen. Danach sind Fiktions- und Nichtfiktionssignale zusammenzutragen: die Merkmale im Text und Kontext des literarischen Werks, die auf die Erfülltheit von (FE) oder (NFE) hinweisen. Auf der Basis dieses gewichteten Clusters an Fiktions- und Nichtfiktionssignalen ist den Erzählungen begründet ein Fiktionalitätsstatus zuzuschreiben. Beim Ergebnis handelt es sich um eine datenbasierte und somit potenziell anfechtbare Hypothese von gradueller epistemischer Sicherheit relativ zu diesem Cluster.
Ist der Fiktionalitätsstatus der Erzählungen einheitlich (oder enthält das Werk nur eine Erzählung), überträgt sich dieser auf das Werk. Unterscheiden sich die Klassifikationen der Erzählungen, handelt es sich um einen Mischfall. In einem solchen Fall kann, wo es sinnvoll ist, die Zuschreibung des Fiktionalitätsstatus des Werks durch eine Interpretation begründet werden, die den Funktionszusammenhang der Erzählungen relativ zur Werkbedeutung berücksichtigt. Beim Ergebnis handelt es sich erneut um eine datenbasierte und potenziell anfechtbare Hypothese von gradueller epistemischer Sicherheit – hier jedoch relativ zu dieser Interpretation.
Eine Interpretation, die nach der Werkbedeutung fragt, stellt eine durch den Text und Kontext begründbare Hypothese über die zentrale Mitteilungsabsicht auf, die dem Werk innerhalb der literarischen Kommunikation zugrunde liegt. Diese allgemeine Bestimmung lässt noch offen, von wessen Mitteilungsabsichten die Werkbedeutung abhängt. Der Vorschlag zur Operationalisierung ist grundsätzlich mit verschiedenen Interpretationskonzeptionen kompatibel. Die zu ermittelnde Mitteilungsabsicht könnte dem Autor, einem hypothetischen Autor oder gar dem Werk selbst zugeschrieben werden. Durch die vorgeschlagenen Definitionen drängt sich aber ein starker bzw. aktualer Intentionalismus auf. Damit wird sowohl der Fiktionalitätsstatus von Erzählungen als auch jener von Werken von den Intentionen des Autors abhängig gemacht. Bei Mischfällen geschieht dies auf der Werkebene indirekt: Wenn die Werkbedeutung von den Mitteilungsabsichten des Autors abhängt – und der Fiktionalitätsstatus von der Werkbedeutung –, dann hängt der Fiktionalitätsstatus von den Mitteilungsabsichten ab.19 Ein Mischfall soll demnach als fiktional gelten, wenn die Werkbedeutung in entscheidender Weise von den Gehalten der fiktionalen Erzählungen abhängt, wobei die Gehalte der nichtfiktionalen Erzählungen zur Werkbedeutung beitragen. Bei einem umgekehrten Funktionszusammenhang soll der Mischfall als nichtfiktional gelten. Ist diese Unterscheidung in (wahrscheinlich seltenen) Einzelfällen nicht sinnvoll oder erhellend, kann sie auch ausbleiben. Eine Klassifikation auf der Werkebene muss einem Mischfall nicht aufgezwungen werden. Die zentrale Ebene zur Analyse des Fiktionalitätsstatus bleibt die Erzählung.
Vor diesem Hintergrund bietet sich nun auch eine gehaltvollere Bestimmung des Grenzfallbegriffs an. Zunächst galt ein Werk als Grenzfall, wenn unterschiedliche, aber begründbare Auffassungen über den Fiktionalitätsstatus beobachtet werden können. Im Sinne des Vorgehens zur systematischen Analyse des Fiktionalitätsstatus von Erzählungen und Werken lässt sich präzisieren: Eine Erzählung oder ein Werk kann berechtigt als Grenzfall bezeichnet werden, wenn die datenbasierte, potenziell anfechtbare Klassifikationshypothese eine erhöhte epistemische Unsicherheit aufweist. Die Gründe dieser Unsicherheit sind dann im Einzelfall zu erläutern.20
∵
Die vorgeschlagene Methode verknüpft somit die Fiktionstheorie mit der Erzähl- und der Interpretationstheorie. Obwohl sich die Teildisziplinen der Literaturtheorie durch ihre Fragestellungen unterscheiden, sind gewisse fiktionstheoretisch relevante Fragen nur durch zusätzliche narratologische und/oder interpretative Vorarbeiten zu klären. Für die literaturwissenschaftliche Praxis ist diese Verknüpfung ein Vorteil. Dadurch kann die Kompatibilität verschiedener literaturtheoretischer Annahmen besser geprüft werden. Fiktionstheorie, Narratologie und Interpretationstheorie haben, trotz unterschiedlichem Fokus, dieselbe literarische Kommunikation im Blick. Im Interesse einer kohärenten Literaturtheorie sollten ihre Annahmen insofern aufeinander abgestimmt werden. Mit dem im nächsten Kapitel auf Montauk und Koala anzuwendenden Vorschlag wird versucht dazu beizutragen.
5.2.3 Fazit: Vorschlag
Vor der Anwendung soll der erarbeitete Vorschlag zur Definition (i) und Operationalisierung (ii) von Fiktionalität und Nichtfiktionalität in einer Übersicht zusammengetragen werden. Zuletzt wird knapp zusammengefasst, wie sich die Theorie zu vieldiskutierten und zentralen Problemen der Fiktionstheorie positioniert (iii).
(i) Definitionen
Fiktionale Äußerungen, Erzählungen und Werke werden wie folgt definiert:
(FU) | Eine Äußerung U ist fiktional genau dann, wenn (i) der Autor A reflexiv intendiert, dass sich der Leser L vorstellt, die durch U ausgedrückte (komplexe) Proposition p sei wahr, und (ii) der Gehalt von U nicht auf einem Wahrheitsbemühen von A beruht. |
(FE) | Eine Erzählung E ist fiktional genau dann, wenn (i) der Autor A reflexiv intendiert, dass sich der Leser L vorstellt, die temporal geordnete und sinnhaft verknüpfte Menge der durch die Äußerungen U1–Un ausgedrückten (komplexen) Propositionen {p, q, r, …} sei wahr, und (ii) der Gehalt mindestens einer Äußerung der Äußerungen U1–Un nicht auf einem Wahrheitsbemühen von A beruht. |
(FW) | Ein Erzählwerk W ist fiktional genau dann, wenn (a) W nur fiktionale Erzählungen enthält oder (b) die Werkbedeutung von W entscheidend von den enthaltenen fiktionalen Erzählungen abhängt. |
Nichtfiktionale Äußerungen, Erzählungen und Werke werden wie folgt definiert:
(NFU) | Eine Äußerung U ist nichtfiktional genau dann, wenn der Autor A reflexiv intendiert, dass der Leser L glaubt, die durch U ausgedrückte (komplexe) Proposition p sei wahr. |
(NFE) | Eine Erzählung E ist nichtfiktional genau dann, wenn der Autor A reflexiv intendiert, dass der Leser L glaubt, die temporal geordnete und sinnhaft verknüpfte Menge der durch die Äußerungen U1–Un ausgedrückten (komplexen) Propositionen {p, q, r, …} sei wahr. |
(NFW) | Ein Erzählwerk W ist nichtfiktional genau dann, wenn (a) W nur nichtfiktionale Erzählungen enthält oder (b) die Werkbedeutung von W entscheidend von den enthaltenen nichtfiktionalen Erzählungen abhängt. |
(ii) Operationalisierung
Die auf die Erfülltheit der notwendigen und zusammen hinreichenden Bedingungen für Fiktionalität (hier: (FU), (FE)) bzw. Nichtfiktionalität (hier: NFU), (NFE)) von Äußerungen und Erzählungen hinweisenden Fiktions- bzw. Nichtfiktionssignale werden wie folgt definiert:
(SF) | Ein Text- oder Kontextmerkmal M ist relativ zu den Relationsgrößen R* ein Fiktionssignal genau dann, wenn M zur Begründung einer Klassifikation als fiktional beitragen kann. |
(SNF) | Ein Text- oder Kontextmerkmal M ist relativ zu den Relationsgrößen R* ein Nichtfiktionssignal genau dann, wenn M zur Begründung einer Klassifikation als nichtfiktional beitragen kann. |
* Relationsgrößen R: (i) Definitionen von Fiktionalität und Nichtfiktionalität, (ii) Zeit und Ort: Signifikanz des Merkmals im historischen Kontext
Auf diesen Definitionen aufbauend wird folgende Methode zur Bestimmung des Fiktionalitätsstatus von Erzählungen und Werken vorgeschlagen:
(1) | Rekonstruktion Erzählungen E1–En in Werk W |
(2) | Analyse Cluster C an Fiktions-/Nichtfiktionssignalen in Text und Kontext von W |
(3) | Zuschreibung Fiktionalitätsstatus von E1–En relativ zu C |
(4.1) | Bei einheitlichen Klassifikationen E1–En: Zuschreibung Fiktionalitätsstatus von W |
(4.2) | Bei uneinheitlichen Klassifikationen E1–En: |
(4.2.1) | Interpretation I von W |
(4.2.2) | Zuschreibung Fiktionalitätsstatus von W relativ zu I |
(iii) Positionierung
Der Vorschlag positioniert sich damit explizit zu zentralen Problemen der Fiktionstheorie wie folgt. Die Theorie
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ist pragmatisch-produktionsorientiert: Fiktionalität und Nichtfiktionalität hängen ausschließlich vom sprachlichen Handeln des Autors ab.
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bestimmt Fiktionalität und Nichtfiktionalität in drei aufeinander abgestimmten Definitionen: Äußerung, Erzählung und Werk.
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versteht dabei die Ebene der Erzählung als zentrale Definitionsmenge von Fiktionalität und Nichtfiktionalität.
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ist auf der Ebene der Erzählung autonomistisch: Eine Erzählung ist in ihrer Ganzheit fiktional oder nichtfiktional.
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ist auf der Ebene des Werks kompositionalistisch: Ein Werk kann eine Mischung aus fiktionalen und nichtfiktionalen Erzählungen sein.
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legt den Bestimmungen von Fiktionalität auf den Ebenen der Äußerung und der Erzählung einen engen (allein propositionalen) Vorstellungsbegriff zugrunde.
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legt den Bestimmungen von Nichtfiktionalität auf den Ebenen der Äußerung und der Erzählung den Begriff der (propositionalen) Überzeugung zugrunde.
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integriert auf den Ebenen der Äußerung und der Erzählung eine quasireferenzialistische Gehaltsbedingung in die Bestimmungen von Fiktionalität.
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integriert zur interpretationsabhängigen Klassifikation von Mischfällen auf der Werkebene den Begriff der Werkbedeutung in die Bestimmungen.
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versteht den Fiktionalitätsstatus von Mischfällen dabei als abhängig vom Funktionszusammenhang der enthaltenen Erzählungen relativ zur Werkbedeutung.
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versteht die notwendigen und zusammen hinreichenden Bedingungen für Fiktionalität und Nichtfiktionalität als historisch invariabel.
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versteht die auf die Erfülltheit der Bedingungen für Fiktionalität und Nichtfiktionalität hinweisenden Text- und Kontextmerkmale als historisch variabel.
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versteht die Klassifikationen von Äußerungen, Erzählungen und Werken als datenbasierte und potenziell anfechtbare Hypothesen von gradueller epistemischer Sicherheit.
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versteht den Begriff des Grenzfalls als Bezeichnung für eine Klassifikation von erhöhter epistemischer Unsicherheit.
Zur Rekapitulation: Sätze werden als „Hauptform sprachlicher Äußerungen“ (Motsch 2007, 362) verstanden. Demnach ist jeder Satz das Resultat einer Äußerung, obwohl nicht aus jeder Äußerung ein Satz resultiert. Die Äußerung wird dabei als pragmatische, der Satz als syntaktisch-semantische Einheit verstanden.
Für die zugrunde gelegten Bestimmungen von ‚Text‘, ‚Kontext‘ und ‚Werk‘ vgl. die Einleitung zu Kapitel 1: Als literarisches Werk wird ein literarischer Text im Kontext seiner bedeutungsrelevanten textexternen Sachverhalte verstanden.
Für die Rekonstruktion vgl. Kapitel 2.2.
Vgl. Grice 1957, 383–384. Vgl. zu reflexiven Intentionen auch die Rekonstruktionen in Kapitel 2 zu Currie (2.2), Lamarque/Olsen (2.3) und Stock (2.6).
Zu komplexen Sätzen vgl. Tugendhat/Wolf 1983, 104–126.
Vgl. dazu auch Stock 2017, 21–22. Zur Wahrheitswertfähigkeit fiktionaler Äußerungen vgl. zudem Werner 2014.
Vgl. dazu Kapitel 2.6.
Unter ‚Wahrheitsbemühen‘ wird hier das Streben nach der Äußerung eines wahren Satzes verstanden. Es liegt vor, wenn der Autor intendiert, durch die Äußerung eines Satzes „p“ einen bestehenden Sachverhalt (eine Tatsache) p zum Ausdruck zu bringen. (Der Begriff des Wahrheitsbemühens trifft dabei den pragmatischen Kern der Bedingung wiederum präziser, als es etwa jener des Wahrheitsanspruchs täte.) Zum zugrunde gelegten Wahrheitsbegriff vgl. Köppe 2008, 41; 2014b, 190; Patzig 1988, 11 sowie grundlegend Wittgenstein 2006, 14 (Tractatus 2.06); für einen Überblick über Wahrheitstheorien als Wahrheitsfeststellungstheorien vgl. Gabriel 2015, 37–39; zum Begriff des Wahrheitsbemühens vgl. zudem ausführlicher Klenner [in Vorb.].
Die Begriffe ‚Vorstellung‘ und ‚Überzeugung‘ werden damit verwendet, wie von Currie in die fiktionstheoretische Debatte eingeführt: Eine propositionale Vorstellung lässt sich, anders als eine echte Überzeugung (belief), als eine simulierte Überzeugung (make-belief) bezeichnen (vgl. Currie 1990, 21 sowie Kapitel 2.2). Mit anderen Worten: Eine propositionale Vorstellung ist eine vorgestellte Überzeugung, dass etwas der Fall ist (vgl. Currie/Ravenscroft 2002, 12). Eine Überzeugung wird dabei verstanden als „the attitude we have, roughly, whenever we take something to be the case or regard it as true“ (Schwitzgebel 2021). Fiktionstheoretisch relevant sind nach der hier vertretenen Auffassung allein Aufforderungen zur propositionalen Vorstellungsbildung. Aufforderungen zur sinnlichen Vorstellungsbildung sind zwar rezeptionspsychologisch relevant, aber fiktionstheoretisch neutral. (Für eine Übersicht über verschiedene Vorstellungsbegriffe innerhalb der Rezeptionspsychologie der Fiktionalität vgl. Köppe 2014c.)
Zur komplexen Struktur der literarischen Kommunikation vgl. insbesondere die Kommunikationsmodelle in Kindt 2011, 145 sowie Fricke 2013, 53.
Zur Terminologie vgl. Searle 1969, 22–26.
Für die Rekonstruktion vgl. Kapitel 2.6.
Hier wird somit die (minimalistische) Definition von ‚Erzählung‘ von Köppe/Kindt in die Definition integriert (vgl. Köppe/Kindt 2014, 43 sowie die Einleitung zu Kapitel 1 Annäherung).
Für die Rekonstruktion vgl. Kapitel 2.4.
Diese Auffassung wird etwa in allen in Kapitel 2 rekonstruierten Fiktionstheorien vertreten. Vgl. in diesem Sinne insbesondere auch Köppe 2008, 39 sowie Friend 2012 (die im Rückgriff auf Walton 1970 jedoch die hier nicht geteilte Position ableitet, Fiktionalität sei nicht durch die Angabe von notwendigen und zusammen hinreichenden Bedingungen zu bestimmen).
Vgl. Wittgenstein 2006, 278 (PU 67). Zur historischen Variabilität von Fiktionssignalen vgl. zudem Köppe 2008, 39–40; Hempfer 1990, 121; 2018, 56–58. Für Überblicke zur Theorie der Fiktionssignale vgl. insbesondere Zipfel 2001, 232–247; 2014.
Zur Erläuterung verschiedener in der Literaturwissenschaft gebräuchlicher Definitionsformen vgl. insbesondere die Überblicke in Fricke 2010; Köppe/Kindt 2014, 37–40.
Selbstredend wird mit den vorgenommenen autorintentionalistischen Bestimmungen die Existenz einer notwendigerweise von Autoren und Lesern geteilten sozialen Praxis der Fiktionalität bzw. Nichtfiktionalität nicht abgestritten. Um bestimmen zu können, was fiktionale bzw. nichtfiktionale Äußerungen, Erzählungen und Erzählwerke sind, muss es die Praxis der Produktion und Rezeption solcher Äußerungen, Erzählungen und Erzählwerke geben. (Diese Tatsache wird hier als Hintergrundbedingung verstanden, die nicht der expliziten Aufnahme in die Definitionen bedarf. Eine Einbettung der Bestimmungen in einen institutionellen Rahmen ist nach dieser Auffassung möglich, aber nicht notwendig.) Zur Entwicklung der Praxis der Fiktionalität und Nichtfiktionalität vgl. die historischen Überblicke von Rösler 2014; Glauch 2014; Köppe 2014d.
Zur Bedeutungskonzeption und dem Interpretationsverfahren des hermeneutischen Intentionalismus sowie dem Begriff der Werkbedeutung vgl. Köppe/Winko 2013, 133–148; Kindt 2008, 7–25; Stecker 2006. Zur Unterscheidung von starkem bzw. aktualem und hypothetischem Intentionalismus sowie für einen Überblick über interpretationstheoretische Debatten vgl. Descher et al. 2015. Zum Werkbegriff in intentionalistischen Interpretationstheorien vgl. zudem Krämer 2019.
Grenzfälle sind demnach als epistemische Grenzfälle zu betrachten (zur Unterscheidung zwischen ‚epistemischen‘ und ‚materialen‘ Grenzfällen vgl. Gertken/Köppe 2009, 258). Mit anderen Worten: Äußerungen, Erzählungen und Erzählwerke sind entweder fiktional oder nichtfiktional, es kann jedoch Unsicherheit darüber bestehen, ob sie fiktional oder ob sie nichtfiktional sind. Dies gilt grundsätzlich auch für uneinheitliche Werke – mit der genannten Eingrenzung, dass bei Mischfällen aus fiktionalen und nichtfiktionalen Erzählungen eine Klassifikation auf der Werkebene nicht zwingend zu erfolgen hat. Innerhalb des definierten Geltungsbereichs wird die Unterscheidung ‚fiktional‘/‚nichtfiktional‘ somit als vollständig und exklusiv verstanden. (Auf eine Hintergrundbedingung, die erfüllt sein muss, damit sich die Frage nach dem Fiktionalitätsstatus überhaupt sinnvoll stellen lässt, sei hier nur der Vollständigkeit halber hingewiesen: Die Äußerungen, aus denen Sätze, Erzählungen und Erzählwerke resultieren, müssen einen direkt oder indirekt ausgedrückten oder implizierten propositionalen Gehalt haben. Diese Bedingung wird von Erzählwerken jedoch per definitionem erfüllt, weshalb sie hier nicht weiter beachtet werden muss.)