Vorbemerkungen der Übersetzer*innen

In: Feministisch denken
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Carol Hays Think Like a Feminist nimmt Lesende mit auf eine faszinierende Reise durch die historischen, politischen und philosophischen Entwicklungen der feministischen Bewegung. Es zeigt ebenso lehrreich wie schonungslos, zugleich aber auf amüsante Weise auf, mit welchen strukturellen Ungleichheiten manche in unserer Gesellschaft nach wie vor zu kämpfen haben. Mit der vorliegenden Übersetzung möchten wir – neun Studierende und Lehrende im Studiengang Cognitive Science der Universität Osnabrück (und Bear, der Zwergspitz Mischling) – einen Beitrag zu diesem wichtigen Unterfangen leisten. Feministisch Denken ist gewissermaßen ein Reiseführer für Interessierte aus dem deutschsprachigen Raum, der sprachliche und kulturelle Verständnishürden vermeiden soll. Monatelang haben wir uns Woche für Woche über einzelne Sätze und manchmal sogar Wörter die Köpfe zerbrochen. Carol Hays Überlegungen sollten sprachlich sauber aus dem amerikanischen Englisch ins Deutsche übertragen und für mit der nordamerikanischen Gesellschaft und deren Politik, Geschichte und Kultur weniger vertraute Lesende verständlich gemacht werden, ohne dabei Inhalte unklar zu lassen, Aussagen zu verfälschen oder den nonchalanten Sprachwitz des Originals zu verlieren.

Hay ist Kanadierin und lebt und lehrt seit mehr als zwanzig Jahren in den USA. Entsprechend nimmt sie im Original an vielen Stellen explizit oder implizit Bezug auf Personen, Ereignisse oder Redewendungen aus der nordamerikanischen Geschichte, Politik und Kultur, die deutschsprachigen Lesenden oftmals ebenso wenig vertraut sein werden wie das an einigen Stellen unvermeidliche philosophische Fachvokabular. Aus diesem Grund findet sich im Anhang ein Glossar, in dem wir politische und historische Persönlichkeiten und Begebenheiten, umgangssprachliche Wendungen oder philosophische Fachbegriffe erläutern und gegebenenfalls Parallelen zu Entwicklungen im deutschen Sprachraum ziehen. Auf die Glossareinträge wird im Text mit römischen Endnotenzeichen verwiesen.

Sprachlich wie inhaltlich war es uns ein Anliegen, durch einen gender- und diversitätssensiblen Sprachgebrauch Gleichberechtigung und Toleranz zu befördern und möglichst deutlich hervorzuheben, wie divers die Lebenswirklichkeiten der Menschen sein können, um die es Hay geht. Im Folgenden skizzieren wir die wichtigsten sprachlichen Entscheidungen sowie unsere Gründe dafür.

Oftmals existiert bereits ein gewisses Bewusstsein dafür, dass ehemals gängige sprachliche Wendungen rassistisch oder auf andere Weise problematisch sind. In solchen Fällen konnten wir zum Teil auf Re-Formulierungen oder Konventionen zurückgreifen, die inzwischen halbwegs etabliert und beispielsweise auch von der Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. oder dem Duden anerkannt sind, wie etwa die Bezeichnung ›of Color‹ für nicht-weiße Menschen (s. Kap. 1, Anm. xiii) oder die bewusst unterschiedliche Schreibweise der Adjektive ›weiß‹, ›Schwarz‹ oder ›Braun‹ in Wendungen wie ›Schwarze Menschen‹ oder ›weiße Frauen‹, um auf politische und soziale Machtstrukturen aufmerksam zu machen (s. Vorwort, Anm. xi).

In anderen Fällen hingegen sind wir aufkommenden sprachlichen Tendenzen bewusst nicht gefolgt. Der Ausdruck ›behindert‹ beispielsweise ist oftmals negativ konnotiert. Er solle, so wird gefordert, durch Alternativen wie ›mit besonderen Bedürfnissen‹, ›andersfähig‹ oder ›eingeschränkt‹ ersetzt werden. Allerdings ziehen viele Betroffene ›behindert‹ als Selbstbezeichnung vor, zum Teil deshalb, weil die alternativen Euphemismen keinen Anreiz schaffen, etwas an den nach wie vor bestehenden Diskriminierungen zu ändern. Von einer ›Behinderung‹ zu reden, ist daher nicht nur okay, sondern wichtig, denn es weist auf strukturelle Probleme hin, die behoben, nicht beschönigt, werden müssen: Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert – von einer Gesellschaft, die sie bei der gesellschaftlichen Teilhabe behindert, weil sie von etablierten Normen und typischen Bedürfnissen abweichen.

In wieder anderen Fällen gehen sprachliche Entscheidungen Hand in Hand mit sehr viel weiterreichenden inhaltlichen Überlegungen. Im Englischen gibt es zwei Ausdrücke für das Geschlecht einer Person: ›sex‹ und ›gender‹. ›Sex‹ zielt ab auf biologische Geschlechtsunterschiede im Hinblick auf beispielsweise Chromosomen oder primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale, die, meist bei der Geburt, herangezogen werden, um einer Person ein biologisches Geschlecht zuzuweisen. ›Gender‹ hingegen bezeichnet das soziale Geschlecht einer Person, ihre Geschlechtsidentität, das heißt die gesellschaftlichen Rollen, Ausdrucksweisen und Verhaltensmuster, die ihr damit einhergehend zugeordnet werden. Im Folgenden steht ›Geschlecht‹ für das biologische Geschlecht (engl.: sex) und ›Gender‹ für das soziale Geschlecht (engl.: gender).

Personen, deren Gender mit dem ihnen bei Geburt zugeschriebenen Geschlecht übereinstimmt, werden in der Regel als ›cisgender‹, ›cisgeschlechtlich‹ oder kurz ›cis‹ bezeichnet (lat.: cis/diesseits, auf dieser Seite). Das typische Gegenstück zu ›cis‹ ist ›trans‹ (lat.: trans/jenseits, hinüber). Dieser Ausdruck diente ursprünglich als Sammelbegriff für Selbstbezeichnungen wie ›transgender‹, ›transgeschlechtlich‹, ›transident‹ oder ›transsexuell‹, die mehrheitlich so verstanden wurden, dass die Geschlechtsidentität der betreffenden Personen nicht mit der ihnen bei Geburt zugewiesenen übereinstimmt, sondern mit der ›gegenüberliegenden‹: Eine trans Frau wäre dementsprechend eine Person, der bei Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde, die sich selbst jedoch als Frau identifiziert. Allerdings wird die binäre Vorstellung von Geschlechtsidentitäten, die einer solchen Rede von ›dem gegenüberliegenden‹ Gender oder Geschlecht zugrunde liegt, nicht dem Selbstverständnis und der Lebenswirklichkeit aller nicht-cis Personen gerecht (s. Kap. 4, Anm. vi). Zwar können sich trans Personen in einem solchen binären System verorten, sie können sich aber ebenso gut auf einem Spektrum zwischen den ›gegenüberliegenden‹ Polen oder komplett außerhalb des Genderspektrums bewegen und sich beispielsweise als ›genderqueer‹, ›genderfluid‹ oder ›agender‹ (s. Kap. 4, Anm. vii) bezeichnen. Im Englischen etwa schließen Ausdrücke wie ›trans people‹, ›trans men‹ und ›trans women‹ typischerweise unter anderem auch nichtbinäre, genderqueere und agender Personen ein, sodass ›trans‹ letztlich als Oberbegriff für nicht-cis Menschen fungiert und nicht explizit für trans-binäre Personen – die stereotypischen ›trans Frauen‹ und ›trans Männer‹ – steht. Wir markieren die Bezeichnung ›trans‹ daher mit einem Asterisk, dem Gendersternchen *, um gezielt eine nichtbinäre, inklusive Lesart zum Ausdruck zu bringen und beispielsweise genderqueere Personen nicht auszuschließen (auch wenn damit ein Stück weit von Carol Hays Verwendung des Ausdrucks abgewichen wird; s. Kap. 4, Anm. vi). ›trans*‹ fasst damit die Genderdiversität von nicht-cis Personen in einer Art ›politischen‹ Kategorie zusammen, deren Angehörige (unabhängig davon, welche Selbstbezeichnung sie vorziehen) durch die bestehenden Machtstrukturen in ähnlicher Weise diskriminiert werden. Eine vergleichbare Funktion erfüllt das Gendersternchen auch in anderen Zusammenhängen.

Eine gender- und diversitätssensible Sprache, die einerseits den personalen Achtungsanspruch von Menschen respektiert, deren Lebensrealität und Selbstverständnis von den Normen des althergebrachten binären Systems der deutschen Sprache nicht eingefangen werden, und die andererseits deutlich aufzeigt, welche Personen(gruppen) im jeweiligen Kontext angesprochen sein können, ist alles andere als einfach. Allerdings macht sie das keinesfalls weniger wichtig: Sprache bildet die Wirklichkeit nicht (nur) ab, Sprache schafft Wirklichkeit. Das ›generische Maskulinum‹ ist beispielsweise klarerweise mitverantwortlich für Vorurteile, die Männer bevorzugen (z. B. Körner et al. 2022), während genderneutralere Schreibweisen diese verhindern (z. B. Zacharski & Ferstl 2023). Wenn daher der Rat für deutsche Rechtschreibung und die Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. eine binäre Sprache für alternativlos erklären, weil die zum Gendern verwendeten sprachlichen Mittel »nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie« (Rat für deutsche Rechtschreibung 2023) gehören und die Lesbarkeit und Verständlichkeit erschweren, dann beeinträchtigen sie um alteingesessener Gewohnheiten willen vorsätzlich die Autonomie und Gesundheit vieler Menschen heute und die rund jedes 30. neugeborenen (Meyer 2023) und ignorieren dabei wissenschaftliche Erkenntnisse (z. B. Borchers 2021; Friedrich & Heise 2019; Pabst & Kollmayer 2023). Sicherlich, Gendern macht auch Probleme, die es ernst zu nehmen gilt. Die Verwendung des Gendersternchens beispielsweise steht aktuell einer barrierefreien Sprache im Wege und benachteiligt etwa Personen mit Dyslexie oder Blinde, die auf Screenreader oder die Brailleschrift angewiesen sind. Es besteht also sowohl Optimierungsbedarf als auch die Notwendigkeit, sich Vor- und Nachteile bewusst zu machen und sie sorgfältig abzuwägen. Wenn aber ganze Personengruppen samt ihrer existenziellen Identität per bildungsministerialem Dekret mit Verweis auf eine (nicht weiter spezifizierte) konservative Sprachästhetik aus der Sprache verbannt werden, wie beispielsweise in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt geschehen, während zugleich das Gendersternchen auf eine Stufe mit dem Propagandadeutsch der Nazis gestellt wird (Stöber 2021, S. 17), dann ist das eine Hirnverbranntheit ob deren man sich (wie Dieter Hildebrandt es immer ausdrückte) an den Kopf fassen möchte, wenn der einem für eine solche hanebüchene Verbohrtheit nicht zu schade wäre. Gendersternchen sind nicht das Nonplusultra. Sie erlauben aber nicht nur, verschiedenste Facetten von Gender und Geschlecht zu berücksichtigen, sondern machen auch auf problematische Vermengungen von Gender und Machtstrukturen aufmerksam. Da Überlegungen dieser Art gerade im Kontext des vorliegenden Buchs einen wichtigen Stellenwert einnehmen, haben wir uns in diesem Fall für die Verwendung von Gendersternchen entschieden.

Im Wortinneren vermeidet das Gendersternchen generische Maskulina und binäre Paarformen: Von ›Autor*innen‹ statt von ›Autoren‹ oder ›Autoren und Autorinnen‹ zu sprechen, schließt die weibliche und die männliche Form ein und lässt überdies Raum für weitere Genderidentitäten. Dies gilt auch dann, wenn generische Maskulina in Komposita eingehen: So mancher Bürgerrechtsbewegung beispielsweise ging es um genau das: die Rechte von Bürgern, also den männlichen Angehörigen eines Staates oder einer Gruppe, während die Rechte von Frauen oder die Rechte von Personen mit weiteren Genderidentitäten, die Bürger*innenrechte, eine bestenfalls untergeordnete Rolle spielten (s. Kap. 1, Fußnote 5).

Am Wortende zeigt das Gendersternchen an, dass sich die bezeichneten Personen nicht zwangsläufig mit dem an dieser Stelle sprachlich implizierten Geschlecht identifizieren müssen. Der Ausdruck ›Frau‹ etwa wird nur verwendet, wenn klar ist, dass die betreffende Person sich selbst eindeutig als Frau identifiziert. Ist nicht auszuschließen, dass sie zwar von anderen als Frau gelesen wird, sich aber selbst weder so identifiziert noch so gelesen werden möchte, schafft der Ausdruck ›Frau*‹ Raum für eine abweichende Selbstbestimmung. Ähnlich wie bei ›trans*‹ wird damit die Aufmerksamkeit auf die Machtstrukturen und die daraus resultierenden Diskriminierungen gelenkt, die Menschen erfahren, weil sie von anderen aufgrund gesellschaftlicher Prozesse als Frau gelesen werden, ganz unabhängig davon, wie sie selbst sich identifizieren. Was beispielsweise historisch als Frauenbewegung Berühmtheit erlangt hat, war demnach, auch wenn es sich anachronistisch ausnimmt, eine Frauen*bewegung. So verstanden korrigiert die Rede von ›Frauen*‹ auch ein weit verbreitetes Missverständnis: Trans* Frauen sind ebenso zweifellos und ohne Einschränkung Frauen wie Frauen, denen schon bei Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde. Die Rede von ›Frauen*‹ bedeutet also ganz ausdrücklich nicht, dass es eine Kategorie ›zweiter Klasse‹ für Menschen gibt, die keine ›echten‹ Frauen, sondern ›nur‹ Frauen* sind.

Was für ›Frau‹ und ›Frau*‹ gilt, gilt in ähnlicher Weise auch für andere Ausdrücke, bei denen wir Gefahr laufen, Menschen über das sprachliche Genus Geschlechtsidentitäten aufzuzwängen, beispielsweise für Tätigkeits-, Berufs- oder Funktionsbezeichnungen. Wird eine Person etwa als ›die Autorin*‹, ›die Juristin*‹ oder ›der Präsident*‹ bezeichnet, wird über das grammatische Geschlecht (die = weiblich, der = männlich) zwar nach bestem Wissen und Gewissen ihr gelesenes Geschlecht zum Ausdruck gebracht, aber Raum gelassen dafür, dass sie selbst sich womöglich anders identifiziert und von anderen anders gelesen werden möchte. Dasselbe gilt für Ausdrücke, bei denen nicht (nur) das grammatische, sondern (auch) das semantische Geschlecht Menschen eindeutig ein bestimmtes natürliches Geschlecht aufzwänge, weil es Teil der Wortbedeutung ist, dass die Personen, auf die damit Bezug genommen wird, weiblich oder männlich sind, etwa bei Rollenbezeichnungen wie ›Mutter*‹ und ›Vater*‹, ›Tochter*‹ und ›Sohn*‹ oder ›Schwester*‹ und ›Bruder*‹. Indem man eine Person als ›Mutter*‹ bezeichnet, respektiert man beispielsweise, dass sie selbst sich anders sehen kann, als es der sprachliche Ausdruck, der zur Bezeichnung ihrer Rolle verwendet wird, Kraft seiner Wortbedeutung impliziert – sei es, weil ihr zwar biologisch die Mutterrolle zukommt, sie sich aber nicht als Frau identifiziert, oder weil sie als Mann alle Konventionen der gesellschaftlichen Mutterrolle ausfüllt.

Fiktiven Charakteren wird von den Autor*innen, die sie erschaffen, in aller Regel ein eindeutiges Geschlecht vorgegeben, ohne dass sie sich damit identifizieren oder sich falsch gelesen fühlen können oder Diskriminierung erfahren, sodass sich beispielsweise die Frage, ob der biblische Adam ein Mann war oder ob der Respekt vor seinem personalen Achtungsanspruch es erfordert, dass wir ihn als ›Mann*‹ bezeichnen, nicht sinnvoll stellt.

Stereotypen wie ›Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus‹, ›Frauen, die Sex wollen, sind Schlampen‹ oder ›Männer sind gebieterisch, emotionslos und die besseren Mathematiker, Frauen tratschen gerne, können nicht einparken und sind geeigneter für die Kindererziehung‹ ähneln fiktiven Charakteren vordergründig dadurch, dass es dabei erst einmal nicht um reale Personen geht, sodass sich die Frage, wie sich jemand verglichen mit einer Fremdbeschreibung selbst identifiziert, in diesem Fall grundsätzlich ebenfalls nicht stellt. Allerdings bringen gerade solche Stereotypen den gesellschaftlichen Konstruktionscharakter der Kategorien Frau und Mann überklar zutage: Sie erklären vermeintlich grundlegende Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu einer natürlichen und naturgegebenen Angelegenheit, die in Wahrheit erst über institutionelle und familiäre Strukturen verankert und reproduziert werden. Entsprechend zeigt das Gendersternchen hier an, dass sich das Verständnis von weiblich und männlich dabei ist zu verändern, sodass die Geschlechtszugehörigkeit durch die Selbstverortung der betreffenden Personen bestimmt wird und nicht durch den Geschlechtseintrag in die Geburtsurkunde, durch den Vornamen oder durch als stereotypisch angesehene körperliche, psychologische, soziale etc. Merkmale von außen diktiert werden darf.

Lagen zitierte Werke bereits in deutscher Übersetzung vor, folgen direkte Zitate dieser Übersetzung unverändert. Lag keine Übersetzung vor, wurden direkte Zitate wie der restliche Text von den Übersetzer*innen gemäß der obigen Überlegungen ins Deutsche übertragen.

Gender und Geschlecht sind, wie hoffentlich auch die Machtstrukturen, mit denen sie unauflösbar verwoben sind, wandelbar. Daher kann der hier vorgeschlagene Sprachgebrauch zur Einschließung und Sichtbarmachung der Diversität unserer Gesellschaft und der Menschen, die sie gestalten, nur eine Momentaufnahme eines andauernden Geschlechterdiskurses sein, aber niemals die Realität letztgültig abbilden. Auf ›die eine‹ richtige Lösung zu hoffen, wird vergebens sein. Dafür sind die Menschen, um die es geht, zu einzigartig – sofern wir sie denn lassen. Entsprechend werden auch unsere Kinder noch darüber streiten, wie eine ideale gender- und diversitätssensible Sprache aussehen sollte, und dabei aller Wahrscheinlichkeit nach beklagen, dass das, was wir hier vorschlagen, immer noch zu ausschließend, zu fremdbeschreibend, zu anmaßend war, weil sie im Genderdiskurs längst schon wieder neue Sprachformen gefunden haben werden, die ihre veränderte Lebensrealität besser einfangen werden. In diesem Sinne laden wir die Lesendenschaft ein, bei jedem Ausdruck, der zunächst Verwunderung auslösen mag, der nervt, der ›queer‹ erscheint, kurz innezuhalten und genau wie wir zu überlegen, was und wer gemeint ist und warum herkömmliche Bezeichnungen dem, was intendiert war, womöglich nicht gerecht werden (können). Wer über ›Lesbe*‹ oder ›Mädchen*‹ stolpert, aber bereit ist, sich darauf einzulassen, einmal ernsthaft darüber nachzudenken, was das bedeuten mag, der wird womöglich zu sehen beginnen, dass beispielsweise eine Butch-Lesbe* (s. Kap. 2, Anm. xvii) wie Stormé DeLarverie (*1920; †2014) mit ihrer nichtbinären Geschlechtsidentität sich nicht eindeutig als Frau sehen muss und andere Pronomen als ›sie‹/›ihr‹ bevorzugen kann und dass zur Gruppe derer, die ins ›Mädchenlager‹ fahren, vermutlich nicht nur heranwachsende cis Frauen gehören. Für uns alle gilt wie immer: Man lernt nie aus.

Tempora mutantur, nos et mutamur in illis.

Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns in ihnen.

Kira aus dem Bruch, Vanessa Franke, Emilian Haberland, Imogen Hüsing, Fabia Klausing, Carmen Mossner, Sven Walter, Carolina Ziegler, Luu Zörlein

Literatur

  • Borchers, M. (2021). Geschlechterfaire Sprache: ›Gendergaga‹ oder geboten? InFo Hämatologie + Onkologie 24(6), 6367.

  • Friedrich, M. C. G. & Heise, E. (2019). Does the use of gender-fair language influence the comprehensibility of texts? Swiss Journal of Psychology 78(1–2), 5160.

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  • Meyer, L. (2023). Die Zukunft ist nicht binär. Hamburg: Rohwolt.

  • Pabst, L. M. & Kollmayer, M. (2023). How to make a difference: The impact of gender-fair language on text comprehensibility amongst adults with and without an academic background. Frontiers in Psychology 14.

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