Vor 50 Jahren, am 26. September 1972, wurde in den Niederlanden der ‘Conseil international des associations de bibliothèques de théologie’ gegründet, ein Verein der theologischen Bibliotheksverbände in sechs europäischen Ländern. Ein Jahr später, am 21. September 1973, erhielt der Verein die (damals noch erforderliche) förmliche königliche Genehmigung in den Niederlanden. Anlässlich dieses Jubiläums erscheint dieses Buch mit einer Reihe von Beiträgen zur jüngeren Geschichte theologischer Bibliotheken und Vereine. 1999 änderte der Verein seinen Namen in ‘Bibliothèques européennes de théologie’ (BETH).

In diesen 50 Jahren hat sich viel verändert, sowohl im Verein und bei seinen Mitgliedern als auch in dem Kontext, in dem der Verein tätig war und ist. 1972 beherrschte noch der Kalte Krieg die Beziehungen in Europa. Der Conseil war ein rein westeuropäischer Verein, die Länder hinter dem Eisernen Vorhang nahmen nicht teil. Mittlerweile kommen die Mitglieder und Teilnehmer der BETH-Konferenzen aus fast allen Ländern Europas.

Die 50 Jahre des Conseil/BETH waren unter anderem geprägt von zunehmender Säkularisierung mit abnehmendem Engagement in kirchlichen Organisationen und abnehmender Bereitschaft, sich an deren Kosten zu beteiligen. Viele theologische Fakultäten, Seminare und andere kirchliche Einrichtungen wurden geschlossen oder mit anderen fusioniert, Abteien und Klöster aufgelöst. Mit dem kulturellen Erbe dieser Institutionen, einschließlich der Bibliotheken, wurde nicht immer sehr sorgfältig umgegangen.

1972 steckte die Bibliotheksautomatisierung noch in den Kinderschuhen; heute ist sie unverzichtbar geworden. Außerdem sind Bibliothekskataloge fast alle im World Wide Web zugänglich. Auch sonst ist die Arbeit eines Bibliothekars sehr viel technischer geworden. Bisher unbekannte Begriffe wie Digitalisierung, Metadaten, Datenmanagement und Open Science sind unter theologischen Bibliothekaren alltäglich geworden.

Auch in finanzieller Hinsicht hat sich viel verändert. Einerseits waren und sind Bibliotheken regelmäßig mit Kürzungen konfrontiert. Andererseits sind die Preise für wissenschaftliche Bücher und Zeitschriften – sowohl gedruckt als auch digital – stark gestiegen.

All diese Entwicklungen hatten nicht nur für Bibliotheken, sondern auch für Bibliotheksverbände weitreichende Folgen. Wo Bibliotheken geschlossen wurden, verloren Vereine Mitglieder. Aber wo Grenzen geöffnet wurden, kamen neue Mitglieder hinzu. Finanzielle Einschränkungen stimulieren Kooperationen, sind auch ein Stimulus für die Open-Science-Bewegung. Neue Techniken führen zu neuen Initiativen, das Internet ermöglicht mehr Zusammenarbeit.

In den Beiträgen dieses Bandes berichten verschiedene Kollegen über die Entwicklungen in ihren Bibliotheken und Verbänden. Für BETH selbst lässt sich sagen, dass sich die oben skizzierten Entwicklungen positiv auf den Verein ausgewirkt haben. Seine Mitgliederzahl hat sich mehr als verdoppelt, er hat sich von einem eher informellen Beratungsgremium zu einem aktiven Verein entwickelt, dessen Konferenzen jedes Jahr mehr Besucher anziehen. Die Notwendigkeit einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wurde immer deutlicher.

Der erste Teil dieses Jubiläumsbandes enthält wissenschaftliche Beiträge zur jüngeren Geschichte theologischer Bibliotheken in ganz Europa.

Es ist keineswegs die Absicht – und auch nicht realistisch –, einen mehr oder weniger umfassenden Überblick über die europäische Landschaft der theologischen Bibliotheken zu geben. Vielmehr vermitteln die verschiedenen Beiträge ein facettenreiches Bild von Bibliotheken in einer begrenzten Anzahl europäischer Länder mit sehr unterschiedlichen historischen und soziopolitischen Hintergründen. Die hier beschriebenen Geschichten der verschiedenen Bibliothekstypen sind repräsentativ für die große Vielfalt der religiösen und kirchlichen Landschaft in Europa im vergangenen Jahrhundert. Dieser Teil des Buches enthält auch mehrere Beiträge über Bibliotheken in Mittel- und Osteuropa, die zeigen, wie sehr sich BETH erweitert hat und wie vielfältig die Geschichte seiner Mitglieder ist. Wir freuen uns besonders, dass unsere Übersicht auch einen Beitrag über eine Bibliothek aus der Ukraine enthält, der einen Eindruck von der außergewöhnlichen Geschichte vermittelt, die Bibliotheken in Ländern des ehemaligen sowjetischen Einflussbereichs durchlaufen haben. Unsere ukrainischen Kolleginnen und Kollegen sind noch nicht formell Mitglieder von BETH, aber wir haben schon seit einiger Zeit herzliche Beziehungen, die eine baldige Mitgliedschaft in Aussicht stellen. Die aktuelle Krisensituation, die durch den russischen Einmarsch in der Ukraine verursacht wurde, macht uns nur noch entschlossener, unsere Zusammenarbeit in Zukunft zu verstärken.

Der zweite Teil des Buches legt besonderes Augenmerk auf den allgemeinen Kontext und die neuen Bedingungen, unter denen theologische Bibliotheken seit einem halben Jahrhundert arbeiten müssen. Natürlich ist die fortschreitende Computerisierung und Automatisierung der Bibliotheksarbeit hier von entscheidender Bedeutung, in einer digitalen Welt, die Herausforderungen stellt, aber vor allem Chancen bietet, um die bedeutende Funktion der theologischen Bibliotheken im 21. Jahrhundert zu verwirklichen. Dies zeigt sich in einer Reihe von neuen oder erneuerten Werkzeugen, die dem Benutzer heute zur Verfügung stehen. Aber auch die grundlegenden Veränderungen in der Theologie und im kirchlichen Leben haben die europäischen theologischen Bibliothekare dazu veranlasst, ihre Zusammenarbeit und den Austausch von Erfahrungen und Wissen zu verstärken. Dies hat zu grenzüberschreitenden Netzwerken geführt, in denen Bibliothekare aus ganz Europa zunehmend zusammenarbeiten.

Der dritte Teil dieses Buches enthält schließlich kurze historische Übersichten über BETH und seine Mitglieder. Es zeigt sich, dass sich unser Verband im Laufe der Zeit verändert, aber auch, dass er durch den Beitritt von Bibliotheksverbänden aus Mitteleuropa und Skandinavien erweitert worden ist. Daher kann BETH mit Zuversicht und Elan auf weitere 50 Jahre der Zusammenarbeit der theologischen Bibliotheken in ganz Europa blicken.

Ich möchte diese Einführung abschließen, indem ich mich bei allen bedanke, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben: die Kollegen, die einen Beitrag geschrieben haben; die Übersetzer verschiedener Beiträge und Abstracts; die Mitarbeiter des Brill-Verlages; die Herausgeber und insbesondere der Redaktionsleiter, ohne den dieses Buch nie entstanden wäre.

Geert Harmanny

BETH Präsident

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Theological Libraries and Library Associations in Europe

A Festschrift on the Occasion of the 50th Anniversary of BETH

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