Das Wirken des konspirativen militärischen Netzwerks in Bulgarien 1886/1887 gestaltete sich in der Spannung zwischen persönlicher Identität, nationalen Prämissen und politischer Loyalität. Gelegentlich harmonierten diese Faktoren miteinander, in dem beschriebenen Fallbeispiel divergierten sie aber in einem so hohen Maße, das dadurch militärischer Korpsgeist, Berufsethos und Loyalität zum eigenen Staat und zum Monarchen als oberstem Befehlshaber ausgehebelt wurden. Die gespaltene Loyalität des bulgarischen Militärs bildete den Ausgangspunkt für die Verschwörung einer Gruppe von Offizieren gegen den bulgarischen Fürsten und deutschen Prinzen Alexander von Battenberg. Zum einen spielte die Vergangenheit der Verschwörer als Mitglieder eines geheimen Netzwerkes, in dem sie erste Erfahrungen im Untergrundkampf und in der Geheimhaltung sammeln konnten, eine wesentliche Rolle. Zum anderen bauten sie eine militärische Karriere auf und wurden von Rebellen gegen staatliche Gewalt zu legitimen Schützern des Staates, um dann sich wiederum gegen den Staat aufzulehnen. Einerseits waren sie – die früheren Kämpfer gegen das Osmanische Reich – bulgarische Patrioten. Andererseits fühlten sie sich ihren russischen Ausbildern und Vorgesetzten verbunden und wurden zu Instrumenten russischer Machtpolitik in Bulgarien. Ihre Loyalität galt Russland und nicht dem bulgarischen Fürsten; diesen sahen sie als ersetzbare Marionette der europäischen Großmächte, welche zur Gefahr für die Allianz mit Russland und hiermit für das Wohl Bulgariens geworden war. In diesem Sinne agierten sie 1886/1887 als loyale Konspiratoren – mit ihrer Identität im geheimen Untergrund verwurzelt, ihrem Vaterland und einem fremden Staat zugleich loyal. Der Putsch und seine Hintergründe verdeutlichen die Komplexität und die Sprengkraft geheimer Netzwerke innerhalb des Militärs. Die trennende Wirkung solcher Gruppierungen entfaltete sich im gespaltenen Identitätskonstrukt, welches das bulgarische Heer in den Jahren unmittelbar nach seiner Entstehung charakterisierte