1 Abenteuer Lesen
„Notice“ aus Mark Twain, The Adventures of Huckleberry Finn
Mit dieser Warnung ist man zu Beginn von Mark Twains1 Adventures of Huckleberry Finn, die 1884 zuerst in England und dann 1885 in den USA erschienen sind, konfrontiert. Die Suche nach Motiv, Moral und Plot in der folgenden Erzählung ist bei Strafe ausdrücklich verboten; die Signatur „Chief of Ordnance“ verleiht der „Notice“ militärischen Nachdruck. Dieser Paratext setzt die titelgebenden Abenteuer von Huckleberry Finn gleich zu Beginn einem gänzlich anderen, aber scheinbar ebenso gefahrvollen Unternehmen gleich: dem Lese-Abenteuer. Folgte man den postulierten Bedingungen, um in Huck Finns Welt eintreten zu dürfen, droht dem Leser zunächst keine Gefahr und kein Abenteuer. Gefährlich und abenteuerlich würde es paradoxerweise dann, suchte man in der Erzählung mehr als triviale Unterhaltung, indem man sich der Erzählung philologisch näherte.2 Obwohl Motiv, Moral und Plot auf den ersten Blick kaum als philologische Kernfragen gelten können, führt die „Notice“ die Verknüpfung von sprachlich-textueller Vermittlung und der Suche nach dem Plot bereits performativ vor. Denn die häufig in der Literaturwissenschaft despektierlich betrachtete Lesepraxis des „reading for the plot“3 wird hier bewusst mit dem Reimwort „shot“ zur Klimax der Warnung. Sie lässt sich jedoch gleichermaßen als Versprechen lesen, dass sich die Suche lohnen wird, und zwar gerade dort, wo die Literaturwissenschaft üblicherweise nichts oder nur formelhaft Triviales vorzufinden meint – in diesem Fall in der populären englischsprachigen Abenteuerliteratur des 19. Jahrhunderts. Die „Notice“ ist ein Verbot, das gerade bei Überschreitung der Textgrenze einen philologischen Schatz und ebenso ein Abenteuer verspricht.
Das am Anfang des Lese-Abenteuers stehende Verbot und dessen notwendige Missachtung werden bereits im etwas weniger bekannten und einflussreichen Vorgänger The Adventures of Tom Sawyer (1876) mit der Figur Huckleberry Finn verknüpft: Huck, absoluter Außenseiter seines Heimatstädtchens, gilt als sozialer Abschaum: „Huckleberry was cordially hated and dreaded by all the mothers of the town“.4 Gerade das verleitet jedoch Tom dazu, Hucks Nähe zu suchen: „he […] was under strict orders not to play with him. So he played with him every time he got the chance“.5 So notwendig es für die Abenteuer von Tom und Huck ist, die sozialen Gesetzmäßigkeiten zu missachten und zu überschreiten, so unumgänglich ist es auch, die „Notice“ in Adventures of Huckleberry Finn als Einladung zur Übertretung zu betrachten, denn das Verbot der Suche nach Abenteuermotiven, Plotstrukturen und ihrer moralischen, d. h. ideologischen Rahmung heißt ja keinesfalls, dass dieselben nicht existierten.
Betrachtet man allerdings die frühe Rezeption der Adventures of Huckleberry Finn, so zeigt sich, dass ironischerweise nicht diejenigen verbannt wurden, die auf Jagd nach Moral in Hucks Abenteuern gegangen sind. Stattdessen wurde das Buch aus amerikanischen Büchereien verbannt. So veranlasste die bekannte Concord Public Library in Massachusetts ein Leihverbot mit dem Argument, das Buch sei zu derb und insbesondere für junge Menschen nicht geeignet:
It deals with a series of adventures of a very low grade of morality; it is couched in the language of a rough, ignorant dialect, and all through its pages there is a systematic use of bad grammar and an employment of rough, coarse, inelegant expressions. It is also very irreverent. To sum up, the book is flippant and irreverent in its style. It deals with a series of experiences that are certainly not elevating. The whole book is of a class that is much more profitable for the slums than it is for respectable people.6
Die Wirkmacht des Abenteuers und seine Grenzüberschreitungen wurden als zu bedrohlich für die Leser verstanden, was sich sowohl in der mangelnden Moral als auch auf sprachlich-stilistischer Ebene bemerkbar mache. Die wenig erfolgversprechende Suche nach Moral wurde zensiert und so wiederum dem Warnschild zu Beginn des Textes stattgegeben. Tatsächlich stellt die Suche nach Moral im Falle von Huckleberry Finn bis in die Gegenwart ein gefährliches Terrain dar, heute geht es um die Frage der Darstellungsweise von Sklaverei und der Verwendung des notorischen Begriffs ‚Nigger‘ in Twains Text.7 Der Verweigerung, den Text überhaupt zu lesen, begegnet die bekannte afroamerikanische Schriftstellerin Toni Morrison mit ihrer eigenen Leseerfahrung, die wiederum implizit auf die dem Text vorangestellte Warnung Bezug nimmt. Ihre erste Begegnung mit Adventures of Huckleberry Finn beschreibt sie als tatsächlich gefährlichen Augenblick:
Fear and alarm are what I remember most about my first encounter with Mark Twain’s Adventures of Huckleberry Finn. Palpable alarm. Unlike the treasure-island excursion of Tom Sawyer, at no point along Huck’s journey was a happy ending signaled or guaranteed.8
Die Gefahr, die für Morrison von Hucks Abenteuern ausgeht, besteht zuerst in der Angst vor dem Bruch eines Genreversprechens: In der Regel sollte der Held der Abenteuer dieselben überleben. Morrison ist allerdings nicht nur von der fehlenden Aussicht auf ein Happy End aufgerüttelt, sie ist überdies von ihrer eigenen ambivalenten Haltung gegenüber dem Abenteuer alarmiert:
It provoked a feeling I can only describe now as muffled rage, as though appreciation of the work required my complicity in and sanction of something shaming. Yet the satisfactions were great: riveting episodes of flight, of cunning; the convincing commentary on adult behavior, watchful and insouciant; the authority of a child’s voice in language cut for its renegade tongue and sharp intelligence. […] Nevertheless, for the second time, curling through the pleasure, clouding the narrative reward, was my original alarm, coupled now with a profoundly distasteful complicity.9
Huck Finns Abenteuer und sein Verhältnis zu Jim, dem entflohenen Sklaven, sowie die Darstellung der amerikanischen Südstaaten zeigen auch in den Vereinigten Staaten die unauflösliche Verknüpfung von Imperialismus und Sklaverei, die in anglophonen Abenteuertexten des 19. Jahrhunderts auftreten und insbesondere bei afroamerikanischen, aber auch postkolonialen Schriftstellern im weiteren Sinne zu ambivalenten Haltungen gegenüber Abenteuererzählungen führen.10 Adventures of Huckleberry Finn ist damit in mehrfachem Sinne ein Lektüre-Abenteuer, vor dem mit gutem Recht gewarnt werden kann.
Das Warnschild, das Twain hier am Textbeginn aufstellt, inszeniert eindrücklich ein zentrales Strukturelement des Abenteuers auf textueller Ebene: Die Transgression über die Textgrenze in den Text hinein ist für den Leser ebenso abenteuerlich wie Huck Finns Flucht vor seinem gewalttätigen Vater und die Fahrt auf dem Mississippi. Denn genau wie der (fast immer männliche) Held im Abenteuer in einen (meist exotischen) Raum ein- und übertreten muss, in dem Abenteuer noch oder überhaupt erfahrbar sind, so ist auch der Text ein ‚Raum‘, dessen Schwelle überschritten werden muss. Dem folgenden Eintritt in den Abenteuerraum durch Leser und Abenteurer tut die drohende Gefahr natürlich keinen Abbruch, im Gegenteil: Der Reiz des Verbotenen und der neugierigen Grenzüberschreitung, der in den Abenteuerromanen des ausgehenden 19. Jahrhunderts eine maßgebliche Motivierung darstellt, wird hier auf den Lektürebeginn übertragen. Den Vergleich zwischen dem erzählten Abenteuer und dem Abenteuer der Lektüre bemüht auch Robert Louis Stevenson in seinen Überlegungen zur Romance, indem er die Leselust mit Abenteuerlust gleichsetzt:
In anything fit to be called by the name of reading, the process itself should be absorbing and voluptuous; we should gloat over a book, be rapt clean out of ourselves, and rise from the perusal, our mind filled with the busiest, kaleidoscopic dance of images, incapable of sleep or of continuous thought. The words, if the book be eloquent, should run thenceforward in our ears like the noise of breakers, and the story, if it be a story, repeat itself in a thousand coloured pictures to the eye.11
Möchte man also über die Form des abenteuerlichen Erzählens Auskunft erhalten, sind wohl solche textuellen Grenzbereiche, die Abenteuergeschichten Kontur und Form verleihen, eine Untersuchung wert. Mark Twains Abenteuer greifen die Struktur und Form zahlreicher anglophoner Abenteuergeschichten auf, die ab dem 19. Jahrhundert das erste Mal explizit an Kinder und Jugendliche gerichtet waren und sich großer Beliebtheit erfreuten. Dieses Reflexionspotential zum Beispiel in Texten von R. M. Ballantyne und Frederic Marryat zu untersuchen ist deswegen bemerkenswert, da sie häufig erstens als Kinderliteratur und zweitens als populäre Literatur betrachtet wurden. So erscheint gerade die Untersuchung von Vorworten bei diesen Abenteuererzählungen unnötig, da ihre ‚Bedeutung‘ eindeutig ist: Sie sind Teil der Propaganda-Maschinerie des britischen Empire.12 Allerdings, und das zeigt der amerikanische Text Adventures of Huckleberry Finn ganz besonders deutlich, ist vor allen Dingen das Verhältnis von Vorwort und Text aufschlussreich, um zu verstehen, inwiefern diese Abenteuer als imperiale Erfüllungsphantasien funktionieren und welche anderen Diskurse diese Werke außerdem verhandeln. Exemplarisch für diese Art der Romane sind Frederic Marryats Masterman Ready (1841) und R. M. Ballantynes The Coral Island (1858). An diesen bekannten Abenteuererzählungen und ihren Vorworten lässt sich beispielhaft zeigen, wie sie sich mit den Aspekten befassen, die das Abenteuerliche in Erzählungen des 19. Jahrhunderts bereits prekär und zugleich so populär sein lassen: dem Verhältnis von romance und realism, dem Abenteuer als Teil von imperialer jugendlicher und männlicher Bildung, gegen die das Abenteuerliche allerdings gleichermaßen widerständig wirkt, sowie zuletzt dem Abenteuer als Transgressionserfahrung. Welche gefährlichen Schwellen überschreiten die Abenteurer der untersuchten Texte also und welche Rückschlüsse lassen sich aus diesen Grenzüberschreitungen auf das Abenteuer als Erzählform ziehen? Nicht nur die ideologischen Aufgaben populärer Abenteuerromane und ihrer Textgrenzen gilt es zu untersuchen, sondern auch, wie sich diese häufig mit auktorialer Macht vermittelten Funktions- und Wirkmechanismen des Abenteuers, die an der Textgrenze formuliert werden, zu textinternen Abenteuermodi verhalten. Das Abenteuerliche, das sich meist theoretischer Beschreibung widersetzt, scheint sich gleichermaßen auktorialen, ideologisch eindeutigen Absichtserklärungen zu entziehen und erzeugt in Vorworten zu Abenteuererzählungen Ambivalenz. Daher wird zunächst der Paratext und sein strukturelles Verhältnis zum Abenteuer untersucht, um dann zuerst an Marryats Masterman Ready und abschließend in Ballantynes The Coral Island die verschiedenen Reflexionen über das Abenteuer im Vorwort und Abenteuertext selbst zu betrachten.
2 Abenteuerliche Anfänge
Der schwellenüberschreitende Eintritt in das Abenteuer als Erfahrung ist seit dem Beginn der aventure im höfischen Roman von zentraler struktureller und narrativer Bedeutung. Das zeigt bereits der liminale Raum des Waldes inklusive eines Torhüters in einer Burg am Wegrand in Chretien des Troyes’ Yvain, den Erich Auerbach als beispielhaften höfischen Roman nennt.13 In den Narnia-Chroniken (1950–1956) von C. S. Lewis ist es ein Schrank, der als Schwelle zwischen Alltagswelt und Abenteuer fungiert, die generische Tradition der räumlichen Transgression bewusst aufgreift und die liminalen Räume der romance hyperbolisch parodiert.14 Die Überschreitung einer Grenze in ein Abenteuer hinein ist in der mittelalterlichen aventure keineswegs dem Zufall geschuldet. Für das mittelalterliche Abenteuer stellt Auerbach fest, dass der Ritter sich immer schon für den ‚rechten Weg‘ entschieden hat, der zur Schwellenüberschreitung führt.15 Gefährliche Schwellenerfahrungen, deren notwendige Kontingenz immer wieder thematisiert wird, sind demnach eine fundamentale Erfahrung des Abenteuers, und besonders im 19. Jahrhundert ist die Überschreitung einer räumlichen Grenze durch die Fahrt an einen fremden Ort eine fast notwendige Voraussetzung für eine abenteuerliche Erfahrung. Die potenzielle Gefahr, der sich der Abenteurer dabei aussetzt, transferiert, persifliert und überhöht Twain in seiner „Notice“ zu Huckleberry Finn. Twains „Notice“ nimmt damit Stil und Inhalt der Vorworte aufs Korn, die in den englischsprachigen Abenteuergeschichten des 19. Jahrhunderts verbreitet sind.16 Die Abenteuererzählungen, die in Buchform17 veröffentlicht wurden, besitzen häufig vorangestellte Texte. Sie sind markiert als „Prefaces“, „Notices“ oder „Introduction“. Bei allen bekannten und populären Autoren ihrer Zeit, zum Beispiel Frederic Marryat, G. A. Henty, W. H. G. Kingston, R. M. Ballantyne und R. L. Stevenson, finden sich Rahmungen dieser Art.18 Die Verwendung eines Vorworts ist bei Abenteuertexten so stark konventionalisiert, dass sich Ballantyne bemüßigt fühlt, in einem Fall mit einem Vorwort auf die Abwesenheit des Vorworts hinzuweisen (1879):
Preface.
After mature consideration I have come to the conclusion that this book requires no preface. It is therefore sent forth without one, but I fondly hope that the reader may enjoy it notwithstanding.19
Die Verwendung von Vorworten ist bemerkenswerterweise schon sehr früh Teil des Abenteuerdiskurses genauso wie seiner Parodien. Seit der frühen Neuzeit werden Abenteuertexten ausgiebige Vorworte vorangestellt, die häufig einen ironischen oder zumindest komischen Tonfall aufweisen.20 Das Auftreten von Paratexten, und insbesondere des Vorworts, ist jedoch in keiner Weise auf Abenteuererzählungen beschränkt. Allerdings, und das soll hier gezeigt werden, erfüllen sie in Abenteuertexten eine besondere Funktion, die mit der zentralen Rolle der Grenzüberschreitung, die dem Abenteuer strukturell inhärent ist, einhergeht. Diese Paratexte, die zu Beginn des Textes stehen, können als Auftakt und Grenzzone in den Abenteuertext hinein gelten. Sie markieren den Anfang des Abenteuers, das meist durch seine fehlende Exposition auffällt und den Erzählbeginn in medias res präferiert, und sie stehen in Kontrast zum ‚eigentlichen‘ Beginn der Erzählung.
Auf die zentrale Rolle von Anfang und Schlussgebung weisen bereits Georg Simmels Überlegungen zum Abenteuer hin. Er beschreibt das spannungsvolle Verhältnis zwischen Zufall und Sinngebung im Abenteuernarrativ, das sich in der Gestaltung von Anfang und Schluss ergibt:
Zum Abenteuer wird ein solches erst durch jene doppelte Sinngebung: daß es in sich eine durch Anfang und Ende festgelegte Gestaltung eines irgendwie bedeutungsvollen Sinnes ist, und daß es, in all seiner Zufälligkeit, all seiner Exterritorialität gegenüber dem Lebenskontinuum, doch mit dem Wesen und der Bestimmung seines Trägers in einem weitesten, die rationaleren Lebensreihen übergreifenden Sinne und in einer geheimnisvollen Notwendigkeit zusammenhängt.21
Der Zufall, der aus der Sicht der ins Abenteuer verstrickten Figur in den überraschenden Ereignissen wirkt, wird, sobald das Abenteuer als Erzählung präsentiert ist, einer Sinnstiftung untergeordnet.22 Zentral für diese Sinngebung sind gemäß Simmel Anfang und Ende eines Abenteuers, das er als Erfahrungsform versteht. Allerdings, und das lässt sich an den folgenden Texten zeigen, sind für dieses Spannungsverhältnis von Abenteuer und narrativer Struktur auch im Abenteuertext die Setzung und Markierung des Anfangs – genauso wie des Endes – von großer Bedeutung.
Anfang und Schluss eines Erzähltextes bestehen, mit Genette gesprochen, nicht aus dem ersten beziehungsweise letzten Satz des Textes, sondern vielmehr aus dem, was ihn umgibt, vom Titel, über das Epigramm, das Vorwort, die Kapitelübersicht und die Covergestaltung bis im weitesten Sinne hin zu Rezensionen, Interviews oder Herausgeber-Einleitungen in kritischen Editionen: dem Paratext.23 Dieser ist ein Grenzbereich, eine „unbestimmte Zone“.24 Genette und die weiteren kritischen Auseinandersetzungen mit dem von ihm eingeführten Begriff25 machen darauf aufmerksam, dass es sich beim Textrand um eine räumliche Struktur handelt, die sich nicht auf eine zweidimensionale Grenzlinie reduzieren lässt, sondern vielmehr einen Raum öffnet, dessen Volumen variieren kann und dessen Ränder wiederum selbst unscharf sein können.26 In diesem Grenzbereich werden häufig „das Zuschreibungsverhältnis zwischen Autor und Werk sowie die diskursiven Vertragsbedingungen zwischen Autor und Leser“ festgelegt.27 Das heißt, dass sowohl generische als auch narrative Strukturen und ideologische Positionierungen sowie Kontextualisierungen verhandelt und gesetzt werden. Der Beginn, und damit das Übertreten der Schwelle in den Text hinein, spielt eine zentrale Rolle für die Konstruktion von Sinnstiftung und Kohärenz im folgenden Text.28
Insbesondere das Vorwort nimmt bezüglich der Sinnkonstruktion eine interessante temporale Position ein. Das Vor-Wort, das zu Beginn des Textes steht und den Anfang vorgibt sowie markiert, ist tatsächlich der Textteil, der erst nach Abschluss des eingeführten Textes geschrieben worden sein kann, denn es greift voraus, was am Ende der Lektüre steht:
From the viewpoint of the fore-word, which recreates an intention-to-say after the fact, the text exists as something written – a past – which, under the false appearance of a present, a hidden omnipotent author (in full mastery of his product) is presenting to the reader as his future.29
So ist das Vorwort naiv betrachtet zwar nur die Markierung des Textbeginns, hat allerdings eine doppelte temporale Struktur, bei der – einem Möbiusband gleichend – Anfang und Ende gegenseitig aufeinander verweisen und die lineare Struktur aufbrechen. Daraus ergibt sich eine interessante strukturelle Ähnlichkeit zum Abenteuer, das als Erfahrung, folgte man Simmel, gleichermaßen in eine lineare Zeitstruktur eingebunden, dieser aber nicht untergeordnet werden kann – das Abenteuer zeichnet sich durch sein „Außer-der-Reihe-Sein“30 aus.
Besonders Vorworte, aber auch andere paratextuelle Strategien, sind für Abenteuertexte immer wieder Aushandlungsorte des Abenteuerlichen, vielleicht gerade weil eine poetologische, ästhetische Auseinandersetzung mit dem Abenteuerlichen in den Texten selbst, aber auch im kritischem Diskurs spätestens seit dem Abwandern des Abenteuers in die populäre Literatur kaum mehr Raum findet.31 Ein weiterer Grund liegt auch darin, dass das Abenteuer häufig im Grenzbereich zwischen faktualem und fiktionalem Erzählen auftritt und dementsprechend Legimitations- und/oder Beglaubigungsstrategien im Vorwort benötigt. Behaupten beispielsweise Titel oder Vorwort, es handle sich um eine Abenteuergeschichte, wird eine Lektüre nahegelegt, und das mag zuerst einmal Zweck dieser Rahmentexte sein: die Texte als das zu markieren, was sie sein wollen oder sollen. Der Paratext ist also „nicht bloß eine Zone des Übergangs, sondern der Transaktion“32 und ist, so Uwe Wirth, auf vielsinnige Weise eine „Vor-Schrift“:
Das Vorwort ist nämlich in dreifacher Hinsicht Vor-Schrift: Es versucht erstens, dem Leser eine ideale Lektürehaltung vorzuschreiben […]. Zweitens folgt das Vorwort vorgeschriebenen Eingangsformeln, erweist sich mithin als rhetorisches Ritual, […] das mit dem Äußern bestimmter rhetorischer Eingangsformeln einen Anfang macht. Drittens ist das Vorwort auch insofern Vor-Schrift, als es sich einer Dynamik des Davor- und Dazuschreibens verdankt.33
Als Leserlenkung und Interpretationshilfe ist der Paratext stark konventionalisiert und ritualisiert, er ist aber auch ‚dazu-geschrieben‘ und kann deswegen Abenteuer reflektieren (und zwar als Erfahrungs- und als Erzählformat). In der Regel propagieren Vorworte, oft ganz ungeniert, eine Haltung, die der (meist) jugendliche Leser gegenüber der Abenteuererzählung einzunehmen habe. Natürlich sollen ein Motiv, eine Moral und ein Plot für den Leser sichtbar sein, und sie werden am Textrand angekündigt und kommentiert. Genau darin besteht laut Genette die wichtigste Funktion des Vorworts, „eine gute Lektüre des Texts zu gewährleisten“,34 das heißt, der auktoriale Sprecher des Vorworts erläutert, warum und wie der folgende Text zu lesen sei. Diese einfache Funktionsweise, die Genette dem Vorwort und Paratext allgemein zuschreibt, lässt sich mithin in Frage stellen: Horst Zander zeigt, dass bereits in Sternes Tristram Shandy die auktoriale Funktion des Vorworts persifliert und angezweifelt wird.35 Gleichermaßen lässt sich Twains „Notice“ einerseits als Parodie einer Lektüreanweisung lesen, die außerhalb des eigentlichen Textes liegt und die Geschichte über Huck Finns abenteuerliche Floßfahrt auf dem Mississippi nur rahmt. Andererseits nimmt sie die Frage nach Autorität und Fiktionalität der autodiegetischen Erzählinstanz vorweg, denn der ‚eigentliche‘ Text beginnt folgendermaßen:
You don’t know about me, without you have read a book by the name of „The Adventures of Tom Sawyer“ but that ain’t no matter. That book was made by Mr. Mark Twain, and he told the truth, mainly. There was things which he stretched, but mainly he told the truth.36
Huck Finn stellt in diesem ersten Satz ganz explizit den intertextuellen Bezug zu seinem Vorgängertext her, der so selbst zum Rahmentext wird: The Adventures of Tom Sawyer. Darüber hinaus nennt er auch seinen Urheber, Mark Twain, den Autornamen, der selbst ein Pseudonym ist. Die Grenzzone, die durch die „Notice“ (und weitere Paratexte) ausgefüllt wird, verschwimmt daher sowohl mit der Ich-Erzählung von Huck Finn als auch mit der außertextuellen Welt des Autornamens und seiner bereits verfassten Texte: Der Rahmen des Textes wird sowohl nach außen als auch nach innen erweitert und unscharf.37
Diese Unschärfe schlägt sich auch in Huckleberrys Aussage zur Wahrheit nieder: „He told the truth, mainly“. Moral, Motiv und Plot gibt es zwar demnach nicht in diesem Text, dafür aber (hauptsächlich) Wahrheit. Betrachtet man im Überblick die Vorworte der bereits genannten Autoren, ist die Frage nach der Wahrhaftigkeit oder Wahrheit eine zentrale Frage, die im Vorwort diskutiert wird. W. H. G. Kingston legitimiert beispielsweise seine Neufassung von Rival Crusoes, eine der ersten Robinsonaden, die von einer Frau, Agnes Strickland, verfasst wurde, folgendermaßen:
The publishers, however, consider that the work, esteemed as it was in former years, is, from the style and the very natural mistakes of a young lady discernible with regards to matters nautical, scarcely suited to the taste of the present day.38
Die Fehler, die einer wirklichkeitsgetreuen Repräsentation nautischer Dinge abkömmlich sind und die natürlich durch die weibliche Autorin produziert wurden, muss Kingston also ausräumen.
Das Verhältnis zu bereits erzählten Abenteuern, Legitimationsstrategien und das Spannungsfeld zwischen Romance und Realism beschäftigt viele dieser Vorworte, die die Rahmen zu Abenteuertexten bilden. Sie konturieren dadurch das Abenteuer als Erfahrung und Erzählform. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gibt es in England eine regelrechte Explosion an Abenteuertexten, die – angepasst an die Entwicklung des Lesepublikums, der Veröffentlichungswege und Bildungspolitik – hauptsächlich an männliche Jugendliche gerichtet sind. Pädagogisches Programm dieser Texte ist religiöse und gesellschaftspolitische Bildung, die den „boy“ zu einem nützlichen und gehorsamen Diener des seinerzeit massiv expandierenden Empire macht.39 Ein typisches Beispiel dafür ist G. A. Hentys With Clive in India, or the Beginning of an Empire (1883):
My Dear Lads, − In the following pages I have endeavoured to give you a vivid picture of the wonderful events of the ten years, which at their commencement saw Madras in the hands of the French, Calcutta at the mercy of the Nabob of Bengal, and English influence apparently at the point of extinction in India, and which ended in the final triumph of the English both in Bengal and Madras.40
Das Ziel der väterlichen Autorstimme ist klar: Den jungen Burschen sollen auf lebendige Weise die imperialen, militärischen Erfolge nahegebracht werden. Die Produktions- und Rezeptionsbedingungen waren auf ein – häufig jugendliches – Massenpublikum ausgelegt, weshalb ideologische Leserlenkung und Konventionalität dieser Vorworte relativ stark ausgeprägt sind. Allerdings reflektieren sie trotz aller formelhaften Wiederholung nicht nur imperiale Ideologie, vorgetragen von paternalistischen Autorenfiguren. Vielmehr lassen sich auch unter solchen Vorzeichen Aussagen zum Abenteuer als Erzählstruktur und Erfahrungsform in diesen Narrativen und ihren Paratexten finden sowie philologisch untersuchen.
3 Realismus, Romance und Providenz in Masterman Ready
Masterman Ready und Coral Island sind Robinsonaden; als Adaptionen und Umschriften des Robinson Crusoe von Defoe konzentrieren sie sich dabei – das trifft im Übrigen auf beinahe alle Robinsonaden des 19. Jahrhunderts zu – auf die Episoden des Schiffbruchs und des Lebens auf einer einsamen, exotischen Insel.41 Sie beziehen sich darüber hinaus auch auf das programmatische Vorwort von Robinson Crusoe. Es sind die „just History of Fact“ und gleichzeitig das „Wonder“, die der fingierte Herausgeber als Lektüreargument im dortigen Vorwort vorbringt.42 Während in der früheren Forschung Robinson Crusoe als einer der ersten realistischen Romane verstanden wurde,43 zeigt sich bereits in Defoes Vorwort das angedeutete Spannungsfeld zwischen Realism und Romance, und genau dieses wird auch in den Robinsonaden der folgenden Jahrhunderte immer wieder aufgegriffen. Peter Hulme, der sich damit von Ian Watt abgrenzt, verfolgt die Traditionslinien der Romance in Robinson Crusoe und stellt zugleich die häufig missachtete Beziehung zwischen Kolonialismus und Romance aus:
The romance form is useful to the colonial enterprise precisely because it reduces (in another sense of that key word) a potentially embarrassing cultural complexity to the simplicity of the essential romance terminology: heroes and villains.44
Hulme zeigt erfolgreich, dass Robinson Crusoe, trotz aller Strategien, die einen Realitätseffekt erzeugen mögen, den Erzählstrukturen von romance und im Besonderen von adventure verbunden ist, insbesondere, wenn er auf die zentrale Rolle von providence eingeht:
The modern realist novel, as understood by Watt, can usefully be defined by its absolute incompatibility with any notion of Providence. Nothing defines Providence more clearly than its reliance on plot: Providence is history with a plot, authored by God.45
Genau diese Ambivalenz greift Marryats 1841 veröffentlichter Roman Masterman Ready auf. Der Text handelt von der braven, bürgerlichen Familie Seagrave, die nach einem Schiffbruch die rettende Insel bewohnt und kultiviert, von ‚Wilden‘ angegriffen und zu guter Letzt durch providence von einem Schiff gerettet wird und zurück in die Zivilisation gelangt. Der titelgebende Masterman Ready ist ein alter Seemann, der, ganz seinem Namen Ehre machend, stets sofort mit Rat und Tat zur Seite steht, dem jungen William Seagrave die Welt erklärt und ständig abenteuerliche Geschichten aus seiner Zeit mit den Hottentotten zum Besten gibt. Ready stirbt schließlich einen heroischen Tod, die ‚Wilden‘ durchbohren ihn mit einem Speer: Abenteuerliches bietet die Erzählung also allemal.
Das Vorwort, betitelt mit „Preface“, beginnt, Masterman Ready als Geschichtenerzähler vorwegnehmend, mit einem väterlichen Versprechen: „I promised my children to write a book for them.“46 Väterliche und autoritative Sprechakte sind weit verbreitet: So beginnt beispielsweise auch G. A. Henty alle seine in Briefform verfassten Vorreden immer mit „Dear Lads“, „Liebe Jungs“. Die väterliche Autorität im Vorwort von Masterman Ready korreliert mit der heterodiegetischen Erzählinstanz, die, alle Leser in einem ‚Wir‘ selbstverständlich einschließend, die Handlung selbst zwar kaum kommentiert, dafür aber Erzählentscheidungen markiert: „We shall, for the future, omit the regular daily routine of our party on the island, as we shall have quite enough to do to narrate the various incidents which each day brought forth.“47 Die Kinder wünschen sich eine Fortsetzung von The Swiss Family Robinson, ein Text von Johann David Wyss, der 1814 auf Englisch erschien, zuvor auf Deutsch 1812/1813, und eine episodische Robinsonade bildet, die stark pietistisch und didaktisch geprägt ist. Diese Vorlage hält die Autorfigur des Vorworts jedoch für unzulänglich:
the fault which I find in it is, that it does not adhere to the probable, or even the possible, which should ever be the case in a book, even if fictitious, when written for children.
[…]
Fiction, when written for young people, should, at all events, be based upon truth.48
Beginnt der Text noch mit einer verhältnismäßig unschuldigen Legitimation der Erzählung, die den Autor mit einem Schreibauftrag versieht, befasst sich das Vorwort an dieser Stelle mit philologischen Kernfragen nach dem Verhältnis von Vorlage zu Text, von Fakt zu Fiktion, und fragt weiter nach Mimesis und zu guter Letzt nach truth, der Wahrheit, auf der Fiktion basieren solle. Die Legitimation des Masterman Ready speist sich also aus einem Wahrheitsanspruch, was die mimetisch realistische Darstellung von Welt angeht: Die Mängel der Schweizerischen Familie Robinson liegen besonders in der Darstellung der Insel: Dort tummeln sich gleichzeitig Kängurus, Pinguine und Flamingos; auch Gerste und Ananas gedeihen prächtig nebeneinander. „Wahrheit“ wird hier im Vorwort als Realismus verstanden, der unter allen Umständen („at all events“) im Abenteuertext aufrechterhalten werden muss.49 Während also dem Abenteuer üblicherweise die Nähe zur Romance nachgesagt wird und damit gerade kein mimetischer Wirklichkeitsanspruch naheliegend ist, fingiert dieses Vorwort Realismus, ganz im Stil von Robinson Crusoe. Es ist bemerkenswert, dass die Kritik des Vorworts an der Swiss Family Robinson als Beifügung zur textinternen Absage an den Defoeschen Robinson Crusoe durch Ready gelesen werden kann:
„Were you ever shipwrecked on a desolate island like Robinson Crusoe?“
„Yes, Master William, I have been shipwrecked; but I never heard of Robinson Crusoe. So many have been shipwrecked and undergone great hardships, and so many more have never lived to tell what they suffered, that it’s not very likely that I should have known that one man you speak of, out of so many.“
„Oh! but it’s all in a book which I have read. I could tell you all about it – and so I will when the ship is quiet again“.50
Zur Lektüre von Robinson Crusoe kommt es nicht mehr. Sowohl im Vorwort als auch textintern werden die literarischen Vorlagen von den Autoritätsfiguren als unzulänglich markiert. Robinson Crusoe ist für Ready deswegen kein lesenswerter Text, da das erlebte Abenteuer im Zentrum steht, woraus eine Abwertung des Abenteuers als Erzählstruktur resultiert. Die Fingierung des faktualen Status von Defoes Robinson Crusoe wird hier weitergeführt: Ready nimmt an, dass Robinson Crusoe eine wahre Geschichte sei,51 gleichzeitig ist die eigene Erfahrung und das Erzählen davon wesentlich bedeutender. Die Auseinandersetzung mit Defoes Robinson greift demnach die Legitimationsstrategie des Vorworts auf: Lesen ist hier, im Gegensatz zu Twains Adventures of Huckleberry Finn, nicht abenteuerlich. Diese Kontrastierung von Erfahrung und Lesen korrespondiert bemerkenswerterweise mit Rousseaus Émile, der Robinson Crusoe als einzige nützliche Lektüre empfiehlt:
Dieser Roman muß von seinem überflüssigen Beiwerk befreit werden. Er muß mit dem Schiffbruch Robinsons beginnen und mit der Ankunft des rettenden Schiffes enden. So wird er Emil während der ganzen Zeitspanne, von der hier die Rede ist, Unterhaltung und Belehrung zugleich sein.52
Hier ist die eigene vormittägliche, abenteuerliche Erfahrung des jungen Émile im Wald vorrangig und notwendig, um Sinn und Zweck der Wissenschaften und implizit auch der kulturellen Praxis des Lesens zu verstehen.53 Robinson Crusoe ist das einzige Buch, und davon wiederum nur ein bestimmter Teil, das Rousseau überhaupt als Lektüre für den jungen Émile zulässt.
Fokussiert das Vorwort also hauptsächlich auf Wahrheit und das Primat der Erfahrung, spielt eine ganz andere Form der Wahrscheinlichkeit in der eigentlichen Erzählung die wichtigere Rolle: Providenz. So beginnt die Erzählung mit der Vorstellung des Kapitäns und des Schiffs, das später Schiffbruch erleiden wird: „the captain was a good seaman, who did what he considered best for the safety of his vessel, and then put his trust in that Providence who is ever watchful over us.“54 Die Erzählinstanz, den Leser durch „us“ selbstverständlich einschließend, richtet dementsprechend das Providenzversprechen an die Leser und übertritt damit die Textgrenze, Gottes Vorsehung ist nicht nur den Seagraves, sondern auch dem (viktorianischen) Lesepublikum versprochen. Die Aufgabe, dieses Versprechen immer wieder zu erneuern, wird dann recht bald Masterman Ready übertragen, der regelmäßig für die Familie Seagrave eine Auslegung der Ereignisse und der noch zu erwartenden Ereignisse betreibt: „Mr. Seagrave; they forget that there is a Power above, who will Himself decide that point – a Power compared to which the efforts of weak man are as nought.“55 Trotz dieses Versprechens, dass die Familie durch die Vorsehung beschützt werde, sind die Seagraves allerlei Gefahren und Abenteuern ausgesetzt. Allerdings erleben sie ihre Abenteuer trotz der exotischen Umgebung im privaten domestizierten Rahmen der Familie, aus dem sie kaum einmal heraustreten. So kommentiert die Mutter die späte Rückkehr ihres Sohnes: „You are very late, William, dear, […] I was quite uneasy till I saw the boat at a distance.“ „Yes, mamma; but we could not help it.“56 Auch der kleine Bruder Tommy wird gescholten, weil er mit dem Fingerhut der Mutter gespielt hat: „Well, sir, I said you should have no dinner, till the thimble was found, so, as it is found, you may have your dinner“.57 Es passt zu diesem häuslichen Rahmen, dass Ready in den Kapiteln, die von seinen vergangenen Abenteuern auf den Schiffen der britischen Handelsmarine berichten, meist als großväterliche Erzählerfigur auftritt. Am Ende der Erzählung treffen diese verschiedenen Formen der „truth“ – Realismus und Providenz – aufeinander: Dem providenziellen Erscheinen des Schiffes, das die Seagraves vor den ‚Wilden‘ rettet, wird eine Erklärung nachgeschoben, die die göttliche Providenz, der die Seagraves ausgeliefert sind, nachrangig werden lässt, menschliche Handlungsgewalt in den Vordergrund stellt und diese auch erzählt: „Before we wind up this history, it will be as well to state to my young readers how it was that Captain Osborn made his appearance at so fortunate a moment.“58 Der Anspruch des realistischen Abenteuerraums, den das Vorwort propagiert, wird hier also auf die Handlungsebene verschoben: Der wunderbaren Rettung muss eine Erklärung beigefügt werden, genauso wie der Abenteuerraum, die Insel, realistisch repräsentiert werden muss. Das Vorwort, das zu Beginn verspricht, was und wie erzählt werden wird, reflektiert darüber hinaus auch Providenz, die als Erfolgsversprechen für das zu erlebende Abenteuer fungiert. Die Konstruktion von Sinn wird in beiden Fällen zwar zu Beginn ausgesprochen, aber vom Ende her gedacht und legt damit die ambivalente, temporale Struktur von Vorworten offen, auf die Derrida hingewiesen hat, und die sich in der Abenteuerstruktur spiegelt.
4 Abenteuer als Spiel – Initiation in The Coral Island
Während in Masterman Ready Providenz und Realismus im Vorwort zentral sind, fokussiert das Vorwort in The Coral Island (1858) einen anderen Aspekt des Abenteuers und nimmt überdies eine völlig andere Perspektive ein:
Preface
I was a boy when I went through the wonderful adventures herein set down. With the memory of my boyish feelings strong upon me, I present my book specially to boys, in the earnest hope that they may derive valuable information, much pleasure, great profit, and unbounded amusement from its pages.
One word more. If there is any boy or man who loves to be melancholy and morose, and who cannot enter with kindly sympathy into the regions of fun, let me seriously advise him to shut my book and put it away. It is not meant for him.
Ralph Rover59
Ralph Rover, der das Vorwort signiert, ist Held und Erzähler des darauffolgenden Abenteuers, das von drei Jungen berichtet, die auf einer Insel im Südpazifik stranden. Ihre Insel ist ein kleines Paradies. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Robinsonaden findet keine landwirtschaftliche Kultivierung statt,60 Essen und alles Weitere wird eher im Modus des Spiels erjagt: So erlegen Ralph, Peterkin und Jack Schweine mit Pfeil und Bogen oder schwimmen in einem künstlich angelegten Pool. Während in Marryats Masterman Ready die faktuale Stimme des väterlichen Autors markiert wird, die die folgende Fiktion bewertet, anpreist und beschreibt, verschiebt sich hier die Rolle des Vorwortes weg von der ‚äußeren‘ Grenze hin zur Abenteuererzählung, markiert durch die Signatur „Ralph Rover“, dessen Eigenname zum ersten Wort und zur Selbstbeschreibung im eigentlichen Text wird: „Roving has always been, and still is, my ruling passion“.61 Auch hier wird auf den Prätext Robinson Crusoe angespielt, Crusoes „wandring Inclination“ und „Rambling thoughts“ lösen seinen Aufbruch als Seemann aus.62 The Coral Island zelebriert den jugendlichen Abenteurer und gleicht sich so, obwohl das Vorwort klar macht, dass die Erzählung aus der Retrospektive verfasst ist, dem Adressaten der Erzählung an: „With the memory of my boyish feelings strong upon me“63 legitimiert der alt gewordene Erzähler seinen Erzählakt und fingiert eine jugendliche Nähe zum Abenteuer. So treten im ersten Teil der Erzählung, abgesehen von der obligatorisch traurig zurückgelassenen Mutter, kaum Erwachsene auf, und auch im Vorwort spielen diese explizit keine Rolle. Dies steht ganz im Gegensatz zur Familienkonstellation in Masterman Ready, wo die Vater-Funktion im Vorwort dreifach besetzt ist: Zum einen durch die Autorfigur („I promised my children to write a book for them“), zum anderen durch Ready und zuletzt mit Vater Seagrave: „My idea is to show the practical man in Ready and the theoretical in the father of the family“.64 Während diese übermächtige Vaterfigur in Masterman Ready Vorwort und Text bestimmt und auch keine Grenzüberschreitungen der jugendlichen Abenteurer erlaubt, ist die Ausgangssituation in The Coral Island eine andere: In diesem Vorwort wird die Authentizität des Textes ohne Verweise auf Vorgängertexte allein durch den Helden der Geschichte bezeugt. Autorität erhält der Sprecher durch seine dem Text vorangegangenen Erfahrungen: „I went through the wonderful adventures herein set down.“65 Die doppelte Bedeutung des zusammengesetzten Verbs „to go through“ lässt jedoch offen, welchen Status die berichteten Ereignisse haben: „to go through“ kann nämlich gleichermaßen im physischen Sinne „etwas durchlaufen“ als auch „gedanklich durchspielen“ bedeuten. Das Vorwort besteht dementsprechend kaum auf der Wahrhaftigkeit des Abenteuers, sondern auf seinem spielerischen Charakter, der in einen Erwachsenen-freien Raum verlagert ist, in dem Spiel und damit Abenteuer möglich sind. Geleitet ist Ralph von einem überbordenden Enthusiasmus potentieller Abenteuer, die den Text hindurch anhalten; weder Schiffbruch, Kannibalen oder Gefangenschaft können Ralph die Lust am Abenteuer nehmen, die aus dem abenteuerlichen Seemannsgarn anderer Seeleute entspringt: „I freely confess that my heart glowed ardently within me as they recounted their wild adventures in foreign lands“.66
Durch den Verweis auf die kindlichen Affekte und damit weniger die väterliche Autorität des Autors verlagert sich auch die Triebenergie der Abenteuererzählung und Lektüre. Die klimaktische Präsentation der Leseziele markiert diese Verschiebung: „they [the boys] may derive valuable information, much pleasure, great profit, and unbounded amusement from its pages.“ Bei Marryat ist es ganz eindeutig die Stimulation der Neugierde, die den Leser zu einem wissbegierigen Kind machen soll: „induce children to think“ und „to stimulate them to seek for information“.67 In The Coral Island ist Wissensvermittlung zwar genannt, wesentlich ist aber die ungezügelte Lust am Lesen und am Abenteuer, die der fiktive Autor Rover hervorhebt. Der Sprecher geht sogar noch weiter: Es handelt sich sowohl beim Text als auch bei der Insel, die den Abenteuerraum bildet, um „regions of fun“, die nur denen vorbehalten sein sollen, die weder melancholisch noch schlechtgelaunt sind. Die Jungen erleben tatsächlich die Abenteuer, von denen Ralph bereits gehört hat, in dem Augenblick, in dem sie aus der britischen Erwachsenenwelt herausgeworfen werden und allein auf der Insel sind. Der Schiffbruch wird als Schwellenerfahrung inszeniert, die jedoch keine nachhaltigen tragischen Folgen hat, sondern zuerst „regions of fun“ eröffnet, von denen bereits im Vorwort die Rede ist. Dort sind zwar im Verlauf der Erzählung auch Missionare tätig, deren Ziel es ist, die ‚Kannibalen‘ grundlegend zu ändern. Allerdings ist die Insel für die jugendlichen Abenteurer selbst ein Raum, den sie wieder verlassen können, ohne offensichtlich gealtert zu sein, eine Moral oder Erziehung durch ihre Erfahrungen erhalten zu haben.68 Als Beispiel kann dafür Ralphs Entführung durch die Piraten dienen: Ralph befreundet sich auf dem Piratenschiff mit dem Piraten Bloody Bill. Dieser verhilft Ralph zur Flucht, stirbt aber dabei an den Folgen einer Verwundung.69 Kaum ist Ralph erfolgreich auf die Koralleninsel zu seinen Freunden zurückgekehrt, spielt der Tod seines Retters Billy keinerlei Rolle mehr, sein Name fällt im Text nicht mehr. Dies steht im scharfen Kontrast zu Jim Hawkins Piratenabenteuern in Stevensons Treasure Island, die offensichtlich nachhaltigen Eindruck auf Jim hinterlassen haben:
Oxen and wainropes would not bring me back again to that accursed island; and the worst dreams that ever I have are when I hear the surf booming about its coasts, or start upright in bed, with the sharp vice of Captain Flint still ringing in my ears: ‚Pieces of eight! pieces of eight!‘70
Trotz des fehlenden Erziehungs- und Bildungsprogramms liefert Ralphs Hinweis auf seine eigene Abenteuerlust und ihre Ursache, nämlich die Lektüre anderer Abenteurer, eine Funktion dieser Abenteuererzählung:
Ralph’s exciting chronicle seems calculated to produce the same effect on boy readers that the sailor’s stories had on him: to inspire to venture out into the world that has afforded him such intense and various pleasures.71
Die spielerische Aneignung, ein ‚Anderer‘ sein zu wollen, wird in der zweiten Hälfte der Erzählung allerdings zurückgenommen: „This island story, therefore, allows the boys to get as close as possible to being both pirates (defiant daring, individualistic) and savages (survivors taming nature) but without turning into them.“72 Ralph, Peterkin und Jack werden, sobald der Kontakt mit Vertretern des Empire – hier insbesondere den Missionaren – wiederhergestellt ist, zu Instrumenten, deren Überleben nicht mehr spielerisch in den „regions of fun“ verortet ist, sondern in einem Missionsauftrag wirkmächtig wird: Kannibalen werden erst durch die Hilfe der Jungs konvertiert und deren Götzen verbrannt. Das Vorwort maskiert die imperialen Zwecke und Ziele als Spiel und verortet das Abenteuer in einem Erwachsenen-freien Raum, der Spiel, Spaß und Spannung verspricht. Dem Wunscherfüllungsversprechen des Vorworts wird besonders das Ende des Textes entgegengesetzt, als die Jungs nach England zurückkehren und der Erzähler, der nun nicht mehr vorgibt, von „boyish feelings“ geleitet zu werden, die Rückkehr nicht nur auf ihre christliche Dimension hin auslegt, sondern auch die patriotische Sehnsucht nach der Heimat als unwiderrufliches Ende des spielerischen Abenteuers festlegt:
To part is the lot of all mankind. The world is a scene of constant leave-taking, and the hands that grasp in cordial greeting to-day are doomed ere long to unite for the last time, when the quivering lips pronounce the word – „Farewell.“ […] May it not, perchance, teach us to devote our thoughts more frequently and attentively to that land where we meet, but part no more?73
5 Abenteuerliches Ende
Ein wichtiges Ziel der Rahmung der viktorianischen Abenteuerromane durch Vorworte ist es, trotz aller Differenzen, diese Erzählungen explizit als Abenteuer auszugeben. Dabei wird der (jugendliche) Leser aufgefordert, bewusst in den Raum des Abenteuers ein- und auszutreten, damit er keinesfalls Gefahr läuft, diesen mit der Alltagswelt zu verwechseln. Gerade im Falle von Masterman Ready scheint das insbesondere durch die Betonung der realistischen Raumdarstellung auf den ersten Blick kontraintuitiv, allerdings wird die Fiktionalität des Textes gerade durch die Notwendigkeit dieser Legitimationsverfahren erst betont. Masterman Ready ist diesbezüglich auch deswegen ein Sonderfall, da der Roman, im Gegensatz zu vielen anderen Abenteuertexten, nicht nur ein Vorwort beinhaltet, sondern auch mit einem Paratext das Ende der Erzählung beschließt: Die ersten Ausgaben des Masterman Ready schließen mit einer „Notice“ ab, in der die Fiktionalität der genannten Figuren ausdrücklich betont wird, da sich angebliche Verwandte eines ‚echten‘ Masterman Ready über die Namensgebung beschwert haben sollen.74 Die „Notice“ inszeniert damit, wie bereits das Vorwort, den Anspruch einer realistischen Darstellung durch die mögliche Verwechslung des ‚realen‘ mit dem fiktionalen Protagonisten. Gerade die Richtigstellung der Verwechslung markiert jedoch den notwendigen Wieder-Eintritt und die folgende Re-Integration in eine bürgerliche, viktorianische Lebenswelt. Während Mrs Seagrave das Ende des Abenteuerraums betrauert, erhofft Mr Seagrave in der Alltagswelt das gleiche Maß an Glück:
„We shall never be more happy than we were on that island, Seagrave.“
„It will indeed be well, my dear, if we never are less happy,“ replied her husband.75
Nach diesem kurzen Ausbruch weiblicher Abenteuernostalgie übernimmt aber am Ende die väterliche Erzählinstanz wieder explizit die Federführung in Masterman Ready; sie erläutert den jungen Lesern in einem Postskriptum, wie es Familie Seagrave nach ihrer Rückkehr nach England ergangen ist: Sie alle sind Musterbeispiele bürgerlicher Ordnung und Beschaulichkeit geworden.76 Dadurch wird dieses Abenteuer als einmaliges Ereignis inszeniert, und der jugendliche Leser wird kaum in Versuchung sein, selbst Abenteurer werden zu wollen. Obwohl Masterman Ready im Erzählverlauf und besonders in seiner Antwort auf die Crusoe-Lektüre des jungen Seagraves das Abenteuer als Erfahrungsmodell der Erzählform ‚Abenteuer‘ vorzieht, tritt mit der scharfen Abgrenzung des Abenteuerraums durch die Paratexte der pädagogische Effekt ein, dass gerade die Lektüre des Abenteuers zur Bildung eines vorbildlichen viktorianischen Jungen und potentiellen Familienvaters ausreicht.
Die Re-Integration der Abenteurer in die Gesellschaft wird im Falle von The Coral Island durch Heimweh und gleichzeitig eine nostalgische Rückschau auf die Insel beschlossen. Während eine religiöse Sehnsucht nach der endgültigen Heimkehr formuliert wird, die Ruhe und Frieden und damit auf keinen Fall mehr Abenteuer verspricht, bleibt die Gefahr und Möglichkeit des nächsten Grenzübertritts nicht ausgeschlossen, da die Zukunft der Jungen nicht erzählt wird und daher eine mögliche Serialisierung des Abenteuers erhalten bleibt. Tatsächlich folgte nur drei Jahre nach seinem erfolgreichsten Buch The Coral Island Ballantynes Fortsetzung The Gorilla Hunters. The Coral Island wird jedoch wesentlich wirkmächtiger über Ballantyne hinaus fortgesetzt und fungiert als Intertext zu William Goldings bekanntem Text Lord of the Flies (1954), der über hundert Jahre nach The Coral Island erschienen ist. Kurz nach dem unvermittelten Beginn von William Goldings Lord of the Flies vergleichen die jugendlichen Protagonisten der Erzählung ihre bisherigen Erlebnisse und besonders den Raum, in dem sie sich befinden, mit literarischen Vorgängern: „‚It’s like in a book.‘ At once there was a clamour. ‚Treasure Island –‘ ‚Swallows and Amazons –‘ ‚Coral Island –‘“.77 Die Rahmung, den Text als Abenteuer zu lesen, wird hier innerhalb des Textes angesiedelt. „It’s like in a book“ formuliert nicht nur das Versprechen, dass der abenteuerliche Raum, in den die Kinder und Jugendlichen in Lord of the Flies nach einem Flugzeugabsturz hineingeworfen sind, ebenso paradiesisch wie die Koralleninsel bei Ballantyne sein wird, sondern auch, dass die Abenteuer darüber hinaus den gleichen spielerischen Charakter besitzen. Doch dieses textinhärente Versprechen weist keine väterliche Autorität auf wie in Masterman Ready. Genauso wenig beinhaltet sie die Überlebensgarantie der Abenteurer, wie das die Autorfiktion von Ralph Rover in The Coral Island zusichert. So wird die Hoffnung auf einen lustvollen, aber angstfreien Abenteuerraum, die die Kinder mit der Referenz auf die gelesenen Abenteuer formulieren, in Lord of the Flies enttäuscht, allenfalls Jims Alpträume aus Treasure Island 78 finden eine Resonanz bei Golding. Trotz der fehlenden Paratexte, die Ein- und Austritt aus dem Abenteuerraum markieren, endet Lord of the Flies, wie es begonnen hat: mit einer Referenz auf The Coral Island, die die Rückkehr aus dem alptraumhaften Abenteuer markiert:
‚I should have thought that a pack of British boys – you’re all British aren’t you? – would have been able to put up a better show than that – I mean –‘ ‚It was like that at first,‘ said Ralph, ‚before things –‘ He stopped. ‚We were together then –‘ The officer nodded helpfully. ‚I know. Jolly good show. Like the Coral Island.‘79
Auch der Officer, der die Kinder am Ende des Buches von der Insel retten wird, hat demnach die Hoffnung, dass The Coral Island als Abenteuerraum noch möglich ist, inklusive der imperialistischen Implikationen britischer Männlichkeit. Obwohl Goldings Buch selbst auf Paratexte weitgehend verzichtet, rahmt der Text die Ereignisse dennoch durch die expliziten intertextuellen Bezüge zu Beginn und Ende des Buches und lässt so zu, dass der Text in der Tradition des viktorianischen Abenteuerromans gelesen wird. Ein- und Austritt in die Abenteuerwelt werden hier allerdings nicht mehr markiert und heben so die Grenzen des abenteuerlichen Raums auf, der im viktorianischen Kinder- und Jugendroman noch aufrechterhalten wird, um die Gefahr des Abenteuers einzuhegen.
Samuel Langhorne Clemens veröffentlichte viele seiner Texte unter diesem pen name.
Für diese und weitere hilfreiche Anmerkungen und Kommentare danke ich den Teilnehmern des Workshops sowie den Mitgliedern der Forschungsgruppe „Philologie des Abenteuers“.
Peter Brooks, Reading for the Plot. Design and Intention in Narrative, Cambridge u. a.: Harvard University Press 2002, S. 4.
Mark Twain, The Adventures of Tom Sawyer, London u. New York: MacMillan 1962, S. 52.
Twain, The Adventures of Tom Sawyer, S. 52.
„Mark Twain’s last book excluded from a Public Library“, in: St. Louis Globe Democrat, 17. März 1885, S. 1, zitiert nach Shelley Fisher Fishkin, Was Huck Black? Mark Twain and African-American Voices, Oxford u. New York: Oxford University Press 1993, S. 115.
In einigen US-Bundesstaaten wurde das Buch wieder aus dem Lektürekanon der High-Schools genommen, „because of his racial slurs and the use of the N-word“. Vgl. „Banned Books, The Adventures of Huckleberry Finn“, Marshall University Libraries, 27. August 2018. https://www.marshall.edu/library/bannedbooks/books/huckfinn.asp (abgerufen am 19. März 2019).
Toni Morrison, „This Amazing, Troubling Book“, in Twain, Adventures of Huckleberry Finn, S. 385–392, hier S. 385.
Morrison, „This Amazing, Troubling Book“, S. 385.
Chinua Achebe schreibt beispielsweise in Home and Exile: „As the years passed and I got better adjusted to the ways of school, I began to enjoy aspects of its offering, especially reading and English composition. This interest led me in my early teenage, boarding school years to such treasures as Treasure Island, Mutiny on the Bounty, Gulliver’s Travels, Ivanhoe, School for Scandal “ (Home and Exile, Oxford: Oxford University Press 2000, S. 20).
Robert Louis Stevenson, „A Gossip on Romance“, in: Essays of Robert Louis Stevenson, hg. v. William Phelps, New York: Charles Scribners 1906, S. 101–123, hier S. 101.
Die Vorworte dieser beiden Texte werden nur am Rande und ohne genauere Untersuchung ihrer Form und Funktion in Bezug auf die Abenteuererzählung selbst genannt (vgl. John Bristow, Empire Boys: Adventures in a Man’s World, London: Harper Collins 1991, S. 105 sowie Richard Philipps, Mapping Men and Empire: A Geography of Adventure, London: Routledge 1997, S. 40).
Erich Auerbach, Mimesis: Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, Tübingen: Francke 2001, S. 120–136.
Nick Davis, „Bunyan and Romance“, in: The Oxford Handbook of John Bunyan, hg. v. Michael Davies u. W. R. Owens, Oxford: Oxford University Press 2018, S. 379–396, hier S. 379.
Auerbach, Mimesis, S. 131.
Huckleberry Finn ist allerdings tatsächlich komplexer: Denn nach der „Notice“ findet sich ein weiterer Paratext, dessen Ton, Rhetorik und Adressat gänzlich anders ist als die „Notice“. Dort nimmt der Autor eine Bewertung vor und legt eine Intention nahe, indem er auf Dialekt und Sprechakte der Figuren hinweist und ihre Authentizität bezeugt.
Die Paratexte, die in seriellen Formen auftreten, sind gerade wegen ihrer Verortung in einem übergeordneten Publikationsmedium gänzlich anderer Natur und werden daher an dieser Stelle vernachlässigt.
Dies gilt bei einer kursorischen Betrachtung von zahlreichen Abenteuertexten, insbesondere für die Abenteuer, die als Monographien erschienen sind. Die Existenz von Vorworten lässt sich quantitativ unterscheiden: Während Kingston fast nie Vorworte schreibt, schreiben Henty und Ballantyne diese fast immer, Marryat und Stevenson dagegen seltener.
R. M. Ballantyne, Philosopher Jack. A Tale from the Southern Seas, London: James Nisbet & Co. 1879, unpag. (Preface).
Sowohl Cervantes’ Don Quijote als auch Swifts Gulliver’s Travels sind einschlägige Beispiele für diese Praxis.
Georg Simmel, „Philosophie des Abenteuers“, in: ders., Aufsätze und Abhandlungen 1909–1918, hg. v. Rüdiger Kramme u. Angela Rammstedt, Suhrkamp: Frankfurt/Main 2001, Bd. 1 (= Simmel, Gesamtausgabe, hg. v. Otthein Rammstedt, Bd. 12), S. 97–110, hier S. 99.
Northrop Frye beschreibt ebenfalls die Tendenz, dass Abenteuer, trotz ihres seriellen Charakters, eine übergeordnete Struktur annehmen, sobald sie in Narrativen geformt sind: „as soon as romance achieves a literary form, it tends to limit itself to a sequence of minor adventures leading up to a major or climacteric adventure, usually announced from the beginning. We may call this major adventure, the element that gives literary form to the romance, the quest“ (Northrop Frye, Anatomy of Criticism, Princeton: Princeton University Press 1990, S. 186).
Gérard Genette, Paratexte: Das Buch vom Beiwerk des Buches, übers. v. Dieter Hornig, hg. v. Harald Weinrich, Frankfurt/Main: Suhrkamp 2001, S. 9–10.
Genette, Paratexte, S. 10.
Der französische Titel von Genettes Monographie Seuils (dt. ‚Schwelle‘, erschienen 1987) stellt noch wesentlich stärker als der formalistische deutsche Titel Paratexte die räumliche Figuration des Ein- und Austritts in den Mittelpunkt, die eine Grunderfahrung des Lesens darstellt.
Für ausführliche literatur- und kulturtheoretische Auseinandersetzungen mit dem Paratext als „kommunikative[m] Anschluss“ (Lotman), der sich rekursiv verhält, vgl. Till Dembeck, Texte rahmen: Grenzregionen literarischer Werke im 18. Jahrhundert (Gottsched, Wieland, Moritz, Jean Paul), Berlin u. a.: De Gruyter 2007, S. 1–52; als Sprechakt vgl. Uwe Wirth, Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion. Editorale Rahmung im Roman um 1800: Wieland, Goethe, Brentano, Jean Paul und E. T. A. Hoffmann, München: Wilhelm Fink 2008.
Wirth, Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion, S. 45.
Die Rolle des Anfangs diskutiert Edward Said ausführlich und beschreibt, welche besondere Rolle gerade der Anfang in der Konstruktion von Sinn einnimmt (vgl. Said, Beginnings: Intention and Method, London: Granta 2012, S. 5).
Jacques Derrida, Dissemination, übers. v. Barbara Johnson, London: Athlone Press 1981, S. 7.
Simmel, „Philosophie des Abenteuers“, S. 98.
Während andere Begriffe, die eng mit dem Abenteuer verknüpft sind, wie das Heroische und Romance im 19. Jahrhundert in den kritischen Diskursen stark vertreten sind, finden sich keine kritischen Essays aus dieser Zeit, die adventure als ästhetisches Erzählmodell diskutieren.
Genette, Paratexte, S. 10.
Wirth, Die Geburt des Autors aus dem Geist der Herausgeberfiktion, S. 87.
Genette, Paratexte, S. 191.
Vgl. Horst Zander, „ ‚Non enim adjectio haec ejus, sed opus ipsum est‘: Überlegungen zum Paratext in ‚Tristram Shandy‘“, in: Poetica 28 (1996), S. 132–153, hier S. 152.
Twain, Adventures of Huckleberry Finn, S. 13.
Vgl. Wirth, Die Geburt des Autors aus der Herausgeberfiktion, S. 82 sowie Dembeck, Texte rahmen, S. 23.
W. H. G. Kingston, The Rival Crusoes, London: Griffith, Farran, Browne 1878, unpag. (Preface).
Richard Phillips, Mapping Men and Empire: A Geography of Adventure, London: Routledge 1997, S. 34.
G. A. Henty, With Clive in India or the Beginning of An Empire, New York: Scribner 1883, unpag.
Eve Bannet zeigt, dass die unzähligen Veränderungen, Umschriften und gekürzten Versionen des Robinson Crusoe im 18. Jahrhundert hingegen nicht die Insel-Episode präferieren, sondern eher die sie rahmenden Abenteuer (vgl. Transatlantic Stories and the History of Reading, 1720–1810: Migrant Fictions, New York u. Cambridge: Cambridge University Press 2011, S. 32).
Daniel Defoe, Robinson Crusoe, hg. v. Thomas Keymer, Oxford: Oxford University Press 2008, unpag.
Vgl. Ian Watt, The Rise of the Novel [1957], London: Penguin 2015.
Peter Hulme, Colonial Encounters: Europe and the Native Caribbean, London u. New York: Methuen 1986, S. 210.
Hulme, Colonial Encounters, S. 177.
Frederic Marryat, Masterman Ready; or, The Wreck of the Pacific. Written for Young People, London: Longman 1841, S. vii.
Marryat, Masterman Ready, S. 60.
Marryat, Masterman Ready, S. vii [Herv. i. O.].
Verena Rutschmann stellt berechtigterweise fest, dass im Gegensatz zu Masterman Ready Wyss’ Robinsonade wenig Abenteuerliches bietet, sondern eher einer Enzyklopädie ähnelt (vgl. „ ‚Der Schweizerische Robinson‘ – Eine erzählte Enzyklopädie“, in: Populäre Enzyklopädien. Von der Auswahl, Ordnung und Vermittlung des Wissens, hg. v. Ingrid Tomkowiak, Zürich: Chronos 2002, S. 159–174, hier S. 172).
Marryat, Masterman Ready, S. 3.
Phillips, Mapping Men and Empire, S. 93.
Jean-Jacques Rousseau, Emil; oder über die Erziehung [1762], übers. v. Ludwig Schmidts, Paderborn: Ferdinand Schöningh 1971, S. 180 f.
Rousseau, Emil, S. 175 f.
Marryat, Masterman Ready, S. 2.
Marryat, Masterman Ready, S. 32.
Marryat, Masterman Ready, S. 268.
Marryat, Masterman Ready, S. 143.
Marryat, Masterman Ready, S. 310.
R. M. Ballantyne, The Coral Island, A Tale of the Pacific [1858], London: Nisbet 1901, unpag.
Phillips, Mapping Men and Empire, S. 38.
Ballantyne, The Coral Island, S. 1.
Defoe, Robinson Crusoe, S. 5.
Ballantyne, The Coral Island, unpag.
Marryat, Masterman Ready, S. viii.
Ballantyne, The Coral Island, unpag.
Ballantyne, The Coral Island, S. 4.
Marryat, Masterman Ready, S. viii.
Genauso beschreibt es Bachtin als Bedingung für den Chronotopos des Abenteuers (vgl. Michail Bachtin, Chronotopos, übers. v. Michael Dewy, Frankfurt/Main: Suhrkamp 2008, S. 12 f.).
Ballantyne, The Coral Island, S. 196–255.
Robert Louis Stevenson, Treasure Island [1883], hg. v. Peter Hunt, Oxford: Oxford University Press 2011, S. 183.
Marah Gubar, Artful Dodgers: Reconceiving the Golden Age of Children’s Literature, Oxford: Oxford University Press 2009, S. 72.
John Bristow, Empire Boys: Adventures in a Man’s World, London: Harper Collins 1991, S. 107.
Ballantyne, The Coral Island, S. 336.
Marryat, Masterman Ready, unpag.
Marryat, Masterman Ready, S. 313.
Marryat, Masterman Ready, S. 313.
William Golding, The Lord of the Flies, London: Guild Publishing London 1984, S. 30.
Robert Louis Stevenson, Treasure Island, S. 183.
William Golding, The Lord of the Flies, S. 181 f.