Das Deutsche Literaturarchiv Marbach beherbergt neben unzähligen Textträgern eine Sammlung an Bildern und Objekten,1 die unter anderem Totenmasken und Handabgüsse umfasst. Verweisen die Totenmasken einerseits auf tradierte Vorstellungen zum Verhältnis von Autor:innenschaft2 und Maskerade3, suggerieren sie andererseits – als Abdrücke der Gesichter verstorbener Autor:innen – eine spezifische Form von Authentizität. Die Handabgüsse wiederum betonen Vorstellungen von Literatur als körperlich Gemachtem, die nicht zuletzt auch Reminiszenzen an den Begriff der Handarbeit erlauben. Der Umgang mit Literatur und Literaturschaffenden, das zeigt die Marbacher Sammlung, ist auf Textproduktion ebenso bezogen wie auf die physische Instanz von Autor:innen. Ganz literal greifbar machen die Totenmasken aber auch, dass Autor:innen als (Ab-)Bild in die Literaturgeschichte und das kulturelle Gedächtnis eingehen. Begegnen Autor:innenbilder dem Publikum heute kaum noch in der Form von Totenmasken, sind sie dennoch in verschiedenen Formen wie dem materiell fixierten Porträt4 oder in diversen medialen Kanälen zirkulierendem Bild- und Videomaterial präsent – und nach wie vor interessieren sich Leser:innen für die empirische Person hinter dem Text, das ›Gesicht hinter den Zeilen‹.5 Ist von Autor:innenbildern die Rede, meint das aber auch jene auf Literaturschaffende bezogene imaginativen Bilder und Phantasmen, die durch das Wechselspiel von Selbst- und Fremdinszenierungen entstehen – wobei diese Inszenierungen durchaus auf Bildmaterial wie das oben erwähnte rekurrieren.
Die Marbacher Sammlung an Totenmasken und Handabgüssen, wie sie das Cover dieses Bandes zeigt, rückt einen inventarisierenden und systematisierenden Umgang mit auktorialen Artefakten in den Fokus. Ähnliches lässt sich für die Funktionsweisen von Autor:inneninszenierung beobachten, schließlich erweisen sich Autor:innenbilder als Produkte auktorialer Inszenierungen, die auf kulturelle Vorräte an einschlägigen Motiven, Topoi und Praktiken zurückgreifen und nicht zuletzt darauf abzielen, Autor:innen und ihre Texte im literarischen Feld6 und im kulturellen Betrieb zu platzieren. Mögen Autor:innen dabei betont öffentlichkeitsbezogen oder zurückhaltend7 agieren, avancieren sie zugleich zu Projektionsflächen für Fremdinszenierungen und ›Bildentwürfe‹, die von Verlagen, von Leser:innen und nicht zuletzt auch von Literaturkritik und Literaturwissenschaft ausgehen.
»Inszenierungsakte, -logiken und ‑wahrnehmungen« sind indes nicht nur für Autor:innen »konstitutiv«.8 Sie prägen sämtliche Funktionsstellen der Literatur, sind relevant für das literarische Geschäft und das Geschäft der Literatur in toto – und das meint auch die literaturwissenschaftliche Praxis der Interpretation. Spätestens mit der Entwicklung einer »Subjektform ›Autor‹«9 um 1800 beeinflussen und strukturieren inszenatorische Akte Selbst- und Fremddarstellungen sowie Text- und Schreibverfahren von Autor:innen, deren »Rückkehr« nach ihrem durch Roland Barthes10 oder Michel Foucault11 erklärten ›Tod‹ seit der Jahrtausendwende außer Frage steht.12 Die dabei entstehenden Autor:innenbilder beeinflussen, wie Lesepublikum oder Literaturwissenschaft auf Autor:innen und deren Texte blicken: Ob beispielsweise eine Textpassage ironisch gelesen wird oder nicht, ob eine Provokation ernst genommen oder als Spiel mit dem Publikum gewertet wird, hat auch mit den jeweils prominenten Autor:innenbildern zu tun, die sich nicht zuletzt als Lektüre- und Interpretationseffekte erweisen.13 Interpretiert werden auf extra- wie intraliterarischer Ebene angesiedelte Inszenierungsformen, die auf die Lektüre von Texten einwirken, während die Textlektüre ebenfalls Autor:innenbilder generiert. Zu beobachten ist somit ein ebenso spannendes wie mitunter verwerfungsreiches Wechselverhältnis zwischen den sich reziprok beeinflussenden Autor:innenbildern und Texten.
Bild-Text-Verhältnisse
Der vorliegende Sammelband widmet sich eben diesen Bild-Text-Relationen: Er fragt danach, in welchem Verhältnis materielle und imaginative Autor:innenbilder und Texte stehen. Der Begriff der Inszenierung weist in diesem Kontext auf einen grundlegenden Bestandteil von Autor:innenschaft in der Moderne.14 Inszenierung, mit dieser Erkenntnis schließt der Sammelband an eine Reihe wichtiger Forschungsbeiträge an,15 ist strukturbildend für einen Literaturbetrieb, der maßgeblich auf die öffentliche Wahrnehmung der Autor:innenfigur angewiesen ist. Diese ist ihrerseits »polykontextural«16 zu denken, sie ist also sowohl außerhalb als auch innerhalb des literarischen Textes von Bedeutung und produziert (Be-)Deutung. »Inszenierungspraktiken« meinen damit vor allem »grundsätzlich resonanzbezogene paratextuelle und habituelle Aktivitäten und Techniken«,17 werden also mit Rückgriff auf Gérard Genette als spezielle Formen des Peri- oder Epitextes18 verstanden oder rücken mit Pierre Bourdieus Habitus-Feld-Theorie19 in Bezug auf aufmerksamkeitspolitische20 und marktstrategische Aspekte in den Blick. Dabei gerät auch die Verweigerung öffentlicher Inszenierung nolens volens zur Inszenierungsform: »Ein Autor kann sich nicht nicht inszenieren, oder andersherum gesagt: Selbst oder sogar gerade die radikale Verweigerung von Öffentlichkeit ist ein öffentlichkeitswirksamer Akt«.21 Als »Werkpolitik und Reklame«22 sind auktoriale Inszenierungen auf die literarische Öffentlichkeit ebenso ausgerichtet wie auf das eigene Werk. Sie sind weiterhin zu fassen als ästhetische Kategorie, die, wie Erika Fischer-Lichte für theatrale Kontexte etabliert hat, auf Öffentlichkeit und Rezeption hin angelegt ist.23 Als »ästhetische Konstruktion«24 setzen Autor:inneninszenierungen »eine unabschließbare, semiotische Oszillation zwischen Bild, abgebildeter Person, Autor und Werk«25 in Gang.
In den Blick nehmen lassen sich solche und weitere Oszillationen – sowohl auf intradiegetischer Ebene zwischen Autor:in, Erzählinstanz und Figuren als auch auf extradiegetischer Ebene zwischen Fakt und Fiktion, Leben und Werk – mit dem Begriff der Autofiktion.26 Die Autofiktionsdebatte lenkt den Blick auf inszenatorische und fiktionale Elemente der Selbstdarstellung von Autor:innen in ihren Texten als »textuelle Inszenierungspraktik«27; die autofiktionale Perspektive erscheint damit sowohl als probater methodischer Zugang zu diesen Inszenierungen als auch, auf Seiten der Autor:innen, als Strategie einer »möglichst markante[n] Positionierung im Literaturbetrieb« unter einer »medialen Wahrnehmungs- und Inszenierungskultur«28. Auch die im Kontext auktorialer Inszenierungen beliebte Frage nach dem Verhältnis zwischen Autor:in und Autor:innenbild – oder auch: Person und persona – beschäftigt die Autofiktionsdebatte und lässt sich für die Analyse der zwischen Selbstreferenz und Fiktion oszillierenden Inszenierungspraktiken fruchtbar machen.
Autor:innenbilder sind zu denken als grundlegend dynamische Größe. »[L]iteraturtheoretische[] Hypostasen des Autors im Text«, konstatiert Martina Wagner-Egelhaaf im Rekurs auf Autor-Text-Theoreme Wayne Booths, Umberto Ecos oder Gérard Genettes, »sind von einer hybriden, zwischen pictura, imago und figura schwankenden Bildlichkeit«.29 An diese Auffächerung des Bildbegriffs schließt der vorliegende Sammelband an, fragt dabei aber weniger nach literaturtheoretischen Hypostasierungen denn nach extra- wie intraliterarischen Anordnungen auktorialer Inszenierung. Der Begriff des Autor:innenbilds umfasst erstens materielle Bildträger, zweitens phantasmatische Anordnungen, in denen imagines der Autor:innenpersona in den literarischen und literaturwissenschaftlichen Diskurs eingehen, und drittens textuelle Figurationen. Um die ambigue30 Bildbezogenheit von Autor:inneninszenierung zu fassen, die einerseits Momente des Entziehens und der Latenz, andererseits eine Gleichzeitigkeit und Unauflösbarkeit potenziell disparater Bilder kennzeichnet, greift der Sammelband auf den Terminus des Vexierbildes zurück.
Vexierbilder
Die Malerei bezeichnet als Vexierbild eine piktorale Form von Bedeutungspluralität respektive Ambiguität. Als »Phänomen der kontinuierlichen Reversibilität« wird das Vexierbild durch ein »Oszillieren zwischen mehreren Modi und Bedeutungen«31 charakterisiert: Durch die besondere Konstruktion des Bildes ›kippt‹ dieses bei der Betrachtung.
Im Spiel mit alternativen Betrachtungsmöglichkeiten pluralisieren sich auch die Deutungsangebote: Zwar können die beiden Bildinhalte nicht simultan rezipiert und der Moment des Umschlagens nicht festgehalten werden,33 dennoch »schärft sich im Erlebnis nicht nur der Sinn für die Relation des Entweder-Oder, sondern auch für das abstrakte Sowohl-als-auch«.34 Während nur eine Variante des Bildes ›scharfgestellt‹ wahrgenommen werden kann, bleibt der andere Aspekt latent präsent. Gerade in diesem Modus des Sowohl-als-auch lässt sich der Begriff des Vexierbildes auch literaturwissenschaftlich produktiv machen.35 Im Vexierbild rückt ein Aspekt in den Blick, der sich für einen Moment in den Vordergrund schiebt, um dann beim erneuten Kippen wieder zurückzutreten, ohne dabei gänzlich zu verschwinden.36 Damit geraten »Uneindeutigkeit«, »Mehrfachcodierung« und hieraus hervorgehende »Fragen der Lektüre und Interpretation«37 ebenso in den Fokus wie Momente der In- und Reversion38. In dieser Hinsicht eignet sich der Terminus des Vexierbilds in mehrfacher Hinsicht für die Beschäftigung mit Autor:innenbildern: Zum einen vermag er, ein In- und Gegeneinander von Person und persona von Autor:innen zu beschreiben, zum anderen betont er, dass Autor:innenbilder resonanzbezogen sind, indem sie das Publikum und dessen hermeneutische Kompetenz adressieren. So sind es auch beim piktoralen Vexierbild die Betrachter:innen, die wahrnehmen und deuten beziehungsweise die Besonderheit und Komplexität des Bildes im Moment der Rezeption zur Entfaltung bringen. In der Auseinandersetzung mit auktorialen Selbst- und Fremdinszenierungen ist das Publikum wiederum oftmals mit koexistierenden, auch disparaten Bildern konfrontiert, die es zu interpretieren gilt: Sowohl Produktion als auch Rezeption von Autor:innenbildern gleichen damit einem Vexierspiel, das ambigue Bedeutungs- und Lektüreangebote gleichzeitig evoziert wie entzieht – und mitunter auch jene etymologische Konnotation des Verbes »vexieren« aufruft, die dieses als »quälen, ärgern, necken, irreführen« signifiziert.39
Zum Band
Die Beiträge des vorliegenden Sammelbandes untersuchen habituelle Inszenierungsformen ebenso wie Schreibverfahren und Textprogramme, die beispielsweise im redigierenden Rekurs auf kanonische Texte, Genrevorgaben und Topoi bestehen. Diskutiert werden Formen und Funktionen sowie Medien und Medialität intra- und extraliterarischer Autor:inneninszenierung. Historizität, Typologie40 und Formenrepertoire von Inszenierungspraktiken geraten ebenso in den Fokus wie Dynamiken von Innovation und Nachahmung oder Zusammenhänge von Inszenierung und Präsenz. Das Oszillieren zwischen Performanz und (angeblicher) Authentizität bereitet den produktiven Nährboden für zahlreiche der hier untersuchten auktorialen Strategien. Nicht zuletzt geht es um die Beziehung von Autor:inneninszenierung, literarischem Text und Werkzusammenhang sowie um Spielarten der Autofiktion – und darum, wie all dies auf das ›Geschäft der Interpretation‹ wirkt und die Lektüre von Texten beeinflusst.41 In den Blick kommen dabei Selbstdarstellungen, die sich beispielsweise in Briefen, Tagebüchern und Essays sowie in Vor- und Nachworten oder über »›leibhaftige‹ […] Praktiken der Selbstinszenierung und Selbststilisierung«42, wie etwa im Rahmen von Interviews, Lesungen oder Internetauftritten, vollziehen. Dem zur Seite stehen beispielsweise Verlagspolitiken, die ihrerseits aufmerksamkeitsökonomische Strategien verfolgen. Die besprochenen medialen Formate umfassen literarische Texte, Briefe, Poetikvorlesungen, Blog, Comic, Film, künstlerische Aktionen, Internetauftritte und Fotografien vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Im Fokus stehen dabei mitunter auch intermediale Inszenierungsformen innerhalb autor:innenspezifischer Œuvres.
Der Sammelband folgt einer chronologischen Ordnung, die einen diachronen Blick auf auktoriale Inszenierungspraktiken und -potenziale eröffnet und in synchroner Perspektive textuelle wie medien- und habitusgebundene Inszenierungsformen in zeitgenössischen Kontexten verortet. Die Beiträge besprechen auktoriale Strategien der Verweigerung und des Anschlusses gegenüber den Gesetzen des Literaturbetriebs im Rahmen von auf Agonalität setzender Autorinszenierung und der mit ihr verbundenen Werkpolitik (Katja Holweck zu Christian Dietrich Grabbe) oder untersuchen autorbezogene Festakte sowie deren Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung und literargeschichtliche Verortung (Maria Magnin zu Gottfried Keller). Sie fokussieren ein die öffentliche persona thematisierendes selbstreflexives Spiel mit Selbst- und Fremdimagines und dessen Fortschreibungen durch andere Akteure des Literaturbetriebs (Alina Boy zu Franziska zu Reventlow) und perspektivieren das Verhältnis von (Auto-)Biografie, Autofiktion und literarischen Einschreibungen (Sebastian Brass zu Gertrude Stein und Christa Wolf). Sie beschäftigen sich mit der Funktion von Autor:innenverhältnissen als Bühne für auktoriale Inszenierungsstrategien (Vanessa Höving zu Else Lasker-Schüler und Gottfried Benn) und diskutieren, wie schriftliche Berichterstattungen und Aufzeichnungen von Aufführungspraktiken ein Künstlerkollektiv nachträglich ›hervorbringen‹ und dessen Außenwahrnehmung prägen (Lena Hintze zur Wiener Gruppe). Sie verhandeln (Nicht‑)Schreiben, ungeschriebene Werke und daraus resultierende Autor- und Verlagspolitiken und Rezeptionserwartungen (Björn Moll zu Wolfgang Koeppen) und untersuchen medienspezifische Formen von Bild-Text-Relationen im Comic, die die Beziehung von Autorperson und -persona sowie populäre Rezeptionsmuster betreffen (Annika Frank zu Robert Crumb). Sie fokussieren das im Rahmen von Poetikvorlesungen erzeugte, mithin spannungsreiche Verhältnis von Auftritt, autofiktionaler (Selbst-)Lektüre und die dabei verfolgte Positionierung von Autor:in, Werk und auch (Lese-)Publikum (Gundela Hachmann zu Hilde Domin und Marlene Streeruwitz; Karin Bauer zu Christian Kracht); sie besprechen metareflexive Inszenierungen, die sowohl das Format des Autorfotos als auch Auftritte in Interviews, bei Lesungen und Literaturwettbewerben sowie im digitalen Raum umfassen (Amelie Meister zu Wolfgang Herrndorf). Sie thematisieren einen mit Erwartungshaltungen spielenden künstlerischen Umgang mit Person und persona, der darauf zielt, Kategorien wie Repräsentation und Präsenz, Authentizität oder Wahrhaftigkeit zu problematisieren (Janneke Schoene zu Christoph Schlingensief). Nicht zuletzt fragen sie auch nach typografischen Inszenierungsformen und deren autofiktionalen Dimensionen (Judith Niehaus zu Wolf Haas, Clemens J. Setz, Michael Lentz). Weisen diese Beiträge zum einen auf die Vielfalt und Komplexität auktorialer Selbst- und Fremdinszenierung hin, so halten sie zum anderen fest: ›Arbeit am Bild‹ erfordert literaturwissenschaftliche ›Arbeit am Text‹.
* * *
Der vorliegende Sammelband geht auf eine Panel-Series anlässlich der 43. Jahrestagung der German Studies Association 2019 in Portland, Oregon zurück und wurde für die Publikation um einige Beiträge erweitert. Wir danken allen Beiträger:innen für ihr Interesse an dem Projekt. Cornelia Ruhe, Schamma Schahadat und Thomas Wortmann danken wir für die Aufnahme als ersten Band in die Reihe »Medienkulturwissenschaft«, Henning Siekmann für die freundliche verlegerische Begleitung sowie Mara Kirchmann und Leon Igel für die Unterstützung bei der Einrichtung des Manuskripts für den Druck. Dem Deutschen Literaturarchiv Marbach danken wir für die Abdruckgenehmigung des Coverbildes.
Köln, Hagen und Mannheim im Mai 2021
Alina Boy, Vanessa Höving, Katja Holweck
Vgl. zu dieser Sammlung:
Im Begriff der Autor:innenschaft nimmt der Sammelband eine denominative Erweiterung der auktorialen Funktionsstelle vor. Damit sei betont, dass es sich bei dieser Funktionsstelle um einen Diskurseffekt handelt: Die rein männliche Codierung des Autorbegriffs verdeckt weitere auktoriale Formen und Modelle, während sich aus historischer Perspektive Begriffe wie Autorin, Dichterin oder Schriftstellerin – besonders für das 18. und 19. Jahrhundert – als nachträgliche Konzeptionen für die Autorschaft von Frauen ergeben. Der Begriff Autor:innenschaft macht einerseits diverse auktoriale Konstellationen sichtbar. Zugleich aber ist fortlaufend zu reflektieren, dass vor allem auch, aber nicht ausschließlich in historischer Perspektive unterschiedliche soziokulturelle und sozioökonomische Produktions- und Rezeptionsbedingungen zu beobachten sind, die durch den Terminus Autor:innenschaft nicht getilgt oder entproblematisiert werden sollen. Die Beiträge des Sammelbands nutzen je nach Entscheidung ihrer Verfasser:innen inklusive Formulierungen oder das generische Maskulinum.
Vgl. in Bezug auf die Gattung der Autobiografie einschlägig: Paul de Man: Autobiographie als Maskenspiel, in: ders.: Die Ideologie des Ästhetischen, hg. v. Christoph Menke, Frankfurt am Main 1993, S. 131–146.
Matthias Bickenbach: Das Autorenfoto in der Medienevolution. Anachronie einer Norm, München 2010.
Dies zeigt sich ebenfalls an der Popularität von Literaturausstellungen, Poetikvorlesungen oder Leseauftritten, die den Fokus meist auf das Leben ›hinter‹ dem Werk richten.
Vgl. dazu Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes, Frankfurt am Main 1999.
Auch der Verzicht auf eine öffentliche Ausrichtung ist als öffentlichkeitswirksam zu werten, betont Gerhard Kaiser in Bezug auf den »prinzipiell paradoxalen, weil letztlich immer öffentlichkeitsbezogenen Status von Verweigerungsstrategien innerhalb des literarischen Feldes«. Gerhard Kaiser: Inszenierungen des Authentischen: Martin Kessel und »Die epochale Substanz der Dichtung«, in: Martin Kessel (1901–1990), hg. v. Claudia Stockinger und Stefan Scherer, Bielefeld 2004, S. 109–142, hier S. 113.
Christel Meier und Martina Wagner-Egelhaaf: Einleitung, in: Autorschaft. Ikonen – Stile – Institutionen, hg. v. dens., Berlin 2011, S. 9–28, hier S. 19.
Sabine Kyora: Subjektform ›Autor‹? Einleitende Überlegungen, in: Subjektform Autor. Autorschaftsinszenierungen als Praktiken der Subjektivierung, hg. v. ders., Bielefeld 2014, S. 11–20, hier S. 14.
Vgl. Roland Barthes: Der Tod des Autors, in: Texte zur Theorie der Autorschaft, hg. v. Fotis Jannidis u.a., Stuttgart 2000, S. 185–193.
Vgl. Michel Foucault: Was ist ein Autor?, in: ders.: Schriften zur Literatur, hg. v. Daniel Defert u.a., Frankfurt am Main 2003, S. 234–270.
Vgl. Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Matias Martinez und Simone Winko (Hg.): Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs, Tübingen 1999.
Auf Lesbarkeit und Interpretierbarkeit verweisen in Bezug auf »Autorenviten« und Selbstdarstellung auch Robert Leucht und Magnus Wieland: Dichterdarsteller. Prolegomena zum Konzept der biographischen Legende, in: Dichterdarsteller. Fallstudien zur biographischen Legende des Autors im 20. und 21. Jahrhundert, hg. v. dens., Göttingen 2016, S. 7–33, hier S. 7.
Der hier verwendete Inszenierungsbegriff folgt einem auf Öffentlichkeit und Rezeption angelegten Verständnis, das Selbst- und Fremddarstellung von Autor:innen in sozialen und kulturellen Kontexten als Mittel zur Generierung von Aufmerksamkeit und kulturellem Kapital verortet. Vgl. dazu grundlegend Erving Goffman: The Presentation of Self in Everyday Life, Garden City, N.Y. 1959; Martin Seel: Inszenieren als Erscheinenlassen. Thesen über die Reichweite eines Begriffs, in: Ästhetik der Inszenierung. Dimensionen eines künstlerischen, kulturellen und gesellschaftlichen Phänomens, hg. v. Josef Früchtl und Jörg Zimmermann, Frankfurt am Main 2001, S. 48–62; Erika Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen, Frankfurt am Main 2004.
Als grundlegend für diachrone wie synchrone Perspektiven auf Autor:inneninszenierung, Autofiktion und Autor:innenschaft seien hier in Auswahl angeführt: Dirk Niefanger: Der Autor und sein ›Label‹. Überlegungen zur ›fonction classificatoire‹ Foucaults (mit Fallstudien zu Langbein und Kracauer), in: Autorschaft. Positionen und Revisionen, hg. v. Heinrich Detering, Stuttgart 2002, S. 521–539; ders.: Provokative Posen. Zur Autorinszenierung in der deutschen Popkultur, in: Pop – Pop – Populär. Popliteratur und Jugendkultur, hg. v. Johannes Pankau, Bremen/Oldenburg 2004, S. 85–101; Christine Künzel und Jörg Schönert (Hg.): Autorinszenierungen. Autorschaft und literarisches Werk im Kontext der Medien, Würzburg 2007; Gunter E. Grimm und Christian Schärf (Hg.): Schriftsteller-Inszenierungen, Bielefeld 2008; Christoph Jürgensen und Gerhard Kaiser (Hg.): Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Typologie und Geschichte, Heidelberg 2011; Marco Lucas Gisi, Urs Meyer und Reto Sorg (Hg.): Medien der Autorschaft. Formen literarischer (Selbst)-Inszenierung von Brief und Tagebuch bis Fotografie und Interview, München 2013; Sabine Kyora (Hg.): Subjektform Autor; Andrea Bartl, Martin Kraus und Kathrin Wimmer (Hg.): Skandalautoren. Zu repräsentativen Mustern literarischer Provokation und Aufsehen erregender Autorinszenierung, 2 Bde., Würzburg 2014; Carolin John-Wenndorf: Der öffentliche Autor. Über die Selbstinszenierung von Schriftstellern, Bielefeld 2014; Christopher F. Laferl und Anja Tippner (Hg.): Künstlerinszenierungen: Performatives Selbst und biographische Narration im 20. und 21. Jahrhundert, Bielefeld 2014; Matthias Schaffrick und Marcus Willand (Hg.): Theorien und Praktiken der Autorschaft, Berlin/Boston 2015; Alexander M. Fischer: Posierende Poeten. Autorinszenierungen vom 18. bis zum 21. Jahrhundert, Heidelberg 2015.
Niels Werber und Ingo Stöckmann: Das ist ein Autor! Eine polykontexturale Wiederauferstehung, in: Systemtheorie und Hermeneutik, hg. v. Henk de Berg und Matthias Prangel, Tübingen/Basel 1997, S. 233–259.
Christoph Jürgensen und Gerhard Kaiser: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Heuristische Typologie und Genese, in: Schriftstellerische Inszenierungspraktiken – Typologie und Geschichte, S. 9–30, hier S. 10.
Vgl. Gérard Genette: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches, Frankfurt am Main 2001. Vgl. zur Autorinszenierung als Para- und Epitext Niefanger, Provokative Posen, S. 88f. Vgl. ebenfalls Martin Gerstenbräun-Krug und Nadja Reinhard (Hg.): Paratextuelle Politik und Praxis. Interdependenzen von Werk und Autorschaft, Wien 2018.
Vgl. Bourdieu, Die Regeln der Kunst.
Vgl. dazu u.a. Georg Franck: Ökonomien der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf, München 1998; Boris Groys: Über das Neue. Versuch einer Kulturökonomie, München/Wien 1992; Markus Joch, York-Gothart Mix und Christian Wolf (Hg.): Mediale Erregungen? Autonomie und Aufmerksamkeit im Literatur- und Kulturbetrieb der Gegenwart, Tübingen 2009.
Christoph Jürgensen: »Ich bin kein guter Archivar meiner selbst«. Zu Formen der Autorinszenierung bei Ulrich Peltzer, in: Die Gegenwart erzählen. Ulrich Peltzer und die Ästhetik des Politischen, hg. v. Paul Fleming und Uwe Schütte, Bielefeld 2014, S. 27–43, hier S. 29.
Fischer, Posierende Poeten, S. 33, Herv. i. O. Vgl. auch Steffen Martus: Werkpolitik. Zur Literaturgeschichte kritischer Kommunikation vom 17. bis ins 20. Jahrhundert mit Studien zu Klopstock, Tieck, Goethe und George, Berlin/New York 2007, S. 1–112.
Vgl. Erika Fischer-Lichte: Theatralität und Inszenierung, in: Inszenierung von Authentizität, hg. v. ders. u.a., Tübingen 2007, S. 9–30.
Leucht und Wieland, Dichterdarsteller, S. 10, Herv. i.O.
Matthias Schaffrick und Markus Willand: Theorien der Inszenierung von Autorschaft, in: Theorien und Praktiken der Autorschaft, S. 83–120, hier S. 92. Schaffrick und Willand beziehen sich hier auf den von Wagner-Egelhaaf etablierten »Ikonoklasmus« des Autor:innen-Bildes. Vgl. Martina Wagner-Egelhaaf: Ikonoklasmus. Autorschaft und Bilderstreit, in: Autorschaft. Ikonen – Stile – Institutionen, S. 347–363.
Der in deutschsprachiger und französischer Literaturwissenschaft vielfach diskutierte Begriff der Autofiktion unterliegt meist einer uneinheitlichen Definition. Die Autofiktion wird hier vor allem im Hinblick auf ihren Bezug zu selbstreferenziellen, zwischen Fakt und Fiktion changierenden Inszenierungsformen verstanden. Vgl. zum Autofiktionsbegriff grundlegend Serge Doubrovsky: Nah am Text, in: Kultur & Gespenster. Autofiktion 7/2008, S. 123–133; Frank Zipfel: Autofiktion. Zwischen den Grenzen von Faktualität, Fiktionalität und Literarität?, in: Grenzen der Literatur. Zu Begriff und Phänomen des Literarischen, hg. v. Simone Winko, Fotis Jannidis und Gerhard Lauer, Berlin/Boston 2008, S. 285–314; Martina Wagner-Egelhaaf (Hg.): Auto(r)fiktion. Literarische Verfahren der Selbstkonstruktion, Bielefeld 2013, bes. S. 7–21; Elio Pellin und Ulrich Weber (Hg.): »… all diese fingierten, notierten, in meinem Kopf ungefähr wieder zusammengesetzten Ichs«. Autobiographie und Autofiktion, Göttingen/Zürich 2012; Sonja Arnold, Stephanie Catani, Anita Gröger, Christoph Jürgensen, Klaus Schenk, Martina Wagner-Egelhaaf (Hg.): Sich selbst erzählen. Autobiographie – Autofiktion – Autorschaft, Kiel 2018; Martina Wagner-Egelhaaf (Hg.): Handbook of Autobiography/Autofiction, Berlin 2019.
Jörg Pottbeckers: Der Autor als Held. Autofiktionale Inszenierungsstrategien in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, Würzburg 2017, S. 14.
Ebd., S. 13.
Wagner-Egelhaaf, Ikonoklasmus, S. 256. Vgl. Wayne C. Booth: Der implizite Autor, in: Texte zur Theorie der Autorschaft, S. 142–152; Umberto Eco: Zwischen Autor und Text, in: Texte zur Theorie der Autorschaft, S. 279–294; Gérard Genette: Implizierter Autor, implizierter Leser?, in: Texte zur Theorie der Autorschaft, S. 233–246.
Vgl. dazu: Ambiguity in contemporary art and theory. Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft (ZÄK), Sonderheft 16/2018, hg. v. Frauke Berndt und Lutz Koepnick; Amphibolie – Ambiguität – Ambivalenz. Modelle und Erscheinungsformen von Zweiwertigkeit, hg. v. Frauke Berndt und Stephan Kammer, Würzburg 2009.
Hans-Georg von Arburg und Marie Theres Stauffer: Einleitung, in: Kippfiguren/Figures réversibles (=figurationen 2/2012), hg. v. dens., S. 7–12, hier S. 10.
Wenzel Hollar (1607–1677): Landscape shaped like a face, Thomas Fisher Rare Book Library, University of Toronto Libraries, Wenceslas Hollar Digital Collection: P1241.
Vgl. Christine Abbt: Ente oder Hase? Vom Vergegenwärtigen und Vergessen, in: Kippfiguren/Figures réversibles, S. 13–25, hier S. 13.
Ebd., S. 20.
Den zumeist synonym verwendeten Begriff der Kippfigur nutzt auch Wagner-Egelhaaf in Bezug auf die ›Bildlichkeit‹ des Autors: »Natürlich ist das ›Bild‹ des Autors auch eine Metapher und da die Metapher auch ein Bild ist, erweist sich die Rede vom ›Bild des Autors‹ als rhetorische Kippfigur zwischen pictura und figura«. Wagner-Egelhaaf, Ikonoklasmus, S. 350.
Von Arburg und Stauffer, Einleitung, S. 9.
Ebd., S. 7.
Vgl. hierzu Thomas Fries: Das Kippen der Figuren. Auerbach, Baudelaire, Nietzsche, Keller, in: Kippfiguren/Figures réversibles, S. 26–46, hier S. 26.
»vexieren«, in: Wolfgang Pfeifer u.a.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache,
Eine » [k]leine Dichtertypologie« listet John-Wenndorf, Der öffentliche Autor, S. 431–441.
Christian Schärf konstatiert gar eine »universale Überlagerung der Texte durch die Bilder«, meint damit aber vornehmlich Autor:innenportraits – also in Wagner-Egelhaafs Sinne: Bilder als pictura –, die sich im kulturellen Gedächtnis als Subsumation des auktorialen Schaffens verankern. Christian Schärf: Belichtungszeit. Zum Verhältnis von dichterischer Imagologie und Fotografie, in: Schriftsteller-Inszenierungen, S. 45–58, hier S. 57.
Christine Künzel: Einleitung, in: Autorinszenierungen, S. 9–24, hier S. 11.