Bildhafte Räume und begehbare Bilder

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In: Bildhafte Räume, begehbare Bilder
Authors:
Kassandra Nakas
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and
Philipp Reinfeld
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Technologien der Virtuellen Realität (VR) werden gegenwärtig meist isoliert in ihren jeweiligen Anwendungsfeldern betrachtet. Gleichzeitig bietet die immer noch junge Technik ein erstaunlich wirksames mediales Bindeglied, um sehr unterschiedliche Disziplinen und Arbeitsbereiche in einen produktiven Austausch zu bringen. Ausgehend von Ansätzen am Institute of Media and Design (IMD) der Technischen Universität Braunschweig, die aus entwurfstechnischer Perspektive in Forschung und Lehre das echtzeitliche und realmaßstäbliche Gestalten und Kommunizieren in VR untersuchen, versammelt die vorliegende Publikation zwölf Beiträge zu raumgenerierenden Praktiken aus unterschiedlichen Fachgebieten. Sie widmen sich theoretischen und praktischen Aspekten der Gestaltung virtueller Räume, ihrem Verhältnis zu realphysischen Orten sowie Modellen des kollektiven und kommunikativen (Inter-)Agierens in VR – mitsamt ihren körperlichen, kognitiven, ästhetischen und sozialen Konsequenzen.

Virtuelle Räume sind nicht erst seit Beginn der COVID-19-Pandemie prominente Orte sozialer Interaktion und prägen einen wesentlichen Teil unserer visuellen Umwelt. Die Vorarbeiten zu dieser Publikation gehen dementsprechend vor diesen historischen Einschnitt zurück; sie erwuchsen aus dem eingangs erwähnten, seit 2016 bestehenden universitären Lehr- und Forschungsschwerpunkt an der TU Braunschweig. In diesem Kontext fand im Oktober 2020 ein von der VolkswagenStiftung gefördertes, internationales und interdisziplinäres Symposium zum vorliegenden Themenkomplex statt. Unter dem Titel „Entwerfen bildhafter Räume und begehbarer Bilder. Virtuelle Architekturen im Spannungsfeld der Disziplinen“ trafen sich im Xplanatorium Schloss Herrenhausen in Hannover Expert:innen aus den Bereichen Informationstechnik und Engineering, Architektur und Kunstgeschichte, Theaterwissenschaft und Szenografie, bildende Kunst und museale Wissensvermittlung; sie erörterten Fragen und Potenziale, die sich aus der Verwendung von Virtual Reality für die Gestaltung künftiger Umwelten ergeben. Die Vorträge und Diskussionen im Rahmen dieses Symposiums bildeten den Ausgangspunkt für die vorliegende Publikation, für die weitere Beiträge gewonnen werden konnten. Sie alle beschäftigen sich aus je unterschiedlichem fachlichem Blickwinkel mit den inhaltlichen, gestalterischen, kognitiven und körperlichen Potenzialen des Entwerfens bildhafter Räume und begehbarer Bilder im virtuellen Raum.

Die Beiträger der ersten Sektion, „Bild-Räume des Entwerfens und Kommunizierens“, befassen sich mit den Herausforderungen und Möglichkeiten des ganzkörperlichen Zugriffs auf dreidimensionale digitale Objekte und Räumlichkeiten in VR-Umgebungen. Der echtzeitliche Umgang mit digitalen 3D-Artefakten mittels CAD und Modellierungsprogrammen ist seit über zwanzig Jahren verbreiteter Standard in der architektonischen Entwurfs- und Konstruktionsarbeit. Der Zugriff auf den virtuellen Raum und seine Objekte war jedoch bis vor kurzem durch die Interaktionsschranke des zweidimensionalen Bildschirms begrenzt. Die Überwindung dieser Vermittlungsebene durch VR-Systeme lässt indes viele der disziplinär etablierten Strategien und Methoden des Gestaltens von und Kommunizierens über Raum unzureichend erscheinen. Sie beinhaltet ein grundlegend verändertes Verständnis entwerferischen Tuns und der damit verbundenen Ziele, mithin die Notwendigkeit neuer Praktiken und Theorien. Die offensichtlichste Umstellung in der Entwurfsarbeit liegt dabei in der (ganz-)körperlichen Dynamik, die in VR-Umgebungen gegeben ist. In seinem Aufsatz „Vom Reißbrett in die Virtuelle Realität“ schlägt der Architekt Jan Philipp Drude einen Bogen zwischen heutigen Entwurfspraktiken in VR und den Baustellen des Hoch- und Spätmittelalters. In der Gotik bestand eine integrative Verbindung von Entwurfs- und praktischer Bautätigkeit, die Drude zufolge den Prozessen des Entwerfens mit und in VR vergleichbar ist. Demgegenüber fand seit der Renaissance eine zeitliche, örtliche, dimensionale und maßstäbliche Abgrenzung des Entwurfs- vom Bauprozess statt, die bis heute wirksam ist. Drude plädiert dafür, diese Trennung zu überwinden; zu diesem Zweck entwickelte er im Rahmen eines Dissertationsprojekts an der Leibniz Universität Hannover Project DisCo (Discrete Choreography in VR). Diese First-Person VR-Designumgebung, die auch durch mehrere Personen gemeinschaftlich genutzt werden kann, ermöglicht es, diskrete modulare Bausteine interaktiv zu komplexen Strukturen zu fügen. Im Vergleich zu herkömmlichen Entwurfsmethoden erweist sie sich als stark körperbezogener, intuitiver Gestaltungsprozess. Solch physisch-performative Aspekte der Entwurfstätigkeit verfolgt Philipp Reinfeld in seinem Beitrag „Performatives Entwerfen in Virtual Reality“ weiter. Bereits 2016 etablierte der Architekt am IMD der TU Braunschweig einen Lehr- und Forschungsschwerpunkt zu architektonischen Entwurfspraktiken in VR-Anwendungen, die vom jetztzeitlichen, medial bedingten und körperlich aktiven Wechselspiel zwischen Imagination, dreidimensionaler Szene und deren bildlicher Repräsentation geprägt sind. Charakteristisch ist die Aufweichung der Grenzen zwischen Entwerfen, Betrachten und Präsentieren. Reinfeld zufolge bietet der subjektive Blick auf den Raum aus der Innenperspektive aufschlussreiche Analogien zu künstlerisch-performativen Praktiken des Umgangs mit inneren wie äußeren Bildern. Das Entwerfen in einem betretbaren und fortwährend veränderlichen Bild-Raum wird zu einer neuen Spielart architektonischer Realität. Wie sich diese ausgestalten lässt, veranschaulicht Reinfeld anhand mehrerer Beispiele aus seiner Lehr- und Forschungsarbeit am IMD. Der Architekt und Softwareentwickler Carsten Jantzen hat maßgeblich an der Entwicklung des Multi-User VR-Design-Programms Cloud Modelling mitgewirkt. Im Interview mit Philipp Reinfeld erläutert er die Ziele und Herausforderungen, die mit diesem Vorhaben einhergingen. Es handelt sich um eine vom Unternehmen Volke Entwicklungsring SE eingesetzte virtuelle Umgebung, die in der Fahrzeugindustrie in unterschiedlichen Phasen des Designprozesses Anwendung finden kann. Sie ermöglicht es bis zu zehn Nutzer:innen, gleichzeitig und standortunabhängig dreidimensionale CAD-Modelldaten zu erstellen und zu verändern. Dabei kommt sie in hochspezialisierten Bereichen zum Einsatz, wo sie ein intuitives Agieren und somit einfacheres Kooperieren ermöglicht, und macht folglich ein spezifisches Potenzial von VR-Technologie für komplexe Arbeitszusammenhänge produktiv. Ein niederschwelliger und Fachgrenzen überschreitender Austausch über dreidimensionale Sachverhalte steht ebenso im Zentrum zweier Mixed-Reality-Projektionssysteme, die von den Fraunhofer-Instituten für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart sowie für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg entwickelt wurden. Im Interview mit Philipp Reinfeld beschreiben die Computervisualisten Matthias Aust (IAO) und Steffen Masik (IFF) die technischen Hintergründe und arbeitsmethodischen Leistungsmerkmale der jeweiligen Einrichtung: des Immersive Participation Lab in Stuttgart und des Elbedome des Virtual Development and Training Centre (VDTC) in Magdeburg. Hierbei handelt es sich um Projektionssysteme zur großflächigen Darstellung interaktiver Visualisierungen, die als virtuelle Arbeitsumgebungen fungieren. Wie in klassischen CAVES (Cave Automatic Virtual Environment) werden mittels stereoskopischer Bewegtbilder dreidimensionale Realitäten projiziert, die in Echtzeit auf die Bewegungen ihrer Nutzer:innen reagieren. Projektierte (bauliche) Anlagen können hier im Voraus gemeinschaftlich betrachtet, bewertet und weiterentwickelt werden. Der Wegfall von Head-Mounted Displays erleichtert die zwischenmenschliche Interaktion und Kommunikation. Angesichts der in den vergangenen Jahren lauter gewordenen Forderung nach gesellschaftlicher Teilhabe in architektonischen und städtebaulichen Gestaltungsprozessen eröffnen sich hier vielversprechende Möglichkeiten zur Kooperation.

Die zweite Sektion, „Bild-Räume des Erzählens und Vermittelns“, beleuchtet die Verbindung virtueller Welten mit realphysischen Räumen im Kontext musealer, szenografischer und unterhaltungsbezogener Zusammenhänge. Die (real-)physische Verfasstheit der virtuell erweiterten Orte spielt hierbei eine wichtige Rolle. Reale Räume ‚verschwinden‘ nicht vollends ‚hinter‘ den digital erzeugten, sondern treten mit diesen in ein hybrides Verhältnis, das von den Nutzer:innen als Schnittstelle erfahren wird. Diese Schnittstelle bildet, vor dem Hintergrund ihrer Arbeitsfelder Architektur, Theater(wissenschaft) und Szenografie, auch ein wesentliches Interesse von Franziska Ritter und Pablo Dornhege. In ihrem Forschungsprojekt Im/material Theatre Spaces untersuchen sie die Potenziale immersiver Technologien im Zusammenspiel mit den räumlichen, technischen und erzählerischen Qualitäten des Theaters. Ihr Beitrag „Hybride Realitäten“ entstammt einer künstlerisch-technischen Auseinandersetzung mit Virtual Reality, die diese wie das Theater als Imaginationsraum, Ort des gemeinsamen Erlebens und der reflexiven Selbstwahrnehmung versteht. Sie schildern zwei Fallbeispiele aus ihrer Forschung und setzen diese in Bezug zu weiteren Projekten aus Anwendungsbereichen im Museum, Game Design, Film und Theater. So entsteht in ihrem VR-Projekt Spatial Encounters durch das kokreative Zusammenwirken von Publikum, Musiker:innen und Medienkünstler:innen in einer Live-Situation ein musikalischer Interaktionsraum. Das hybrid-reale Setting konfiguriert sich immer wieder neu und erweist sich, so Ritter und Dornhege, gegenüber rein physischen oder rein virtuellen (Bühnen-)Räumen als deutlich vielschichtiger, komplexer und variabler. Der Medieninformatiker Alexander Schmidt beschäftigt sich als Koordinator des VRlab im Deutschen Museum München, einem der größten Wissenschafts- und Technikmuseen der Welt, mit VR-Technologie in der musealen Vermittlungsarbeit. Im Interview mit Kassandra Nakas und Philipp Reinfeld schildert er die experimentellen Räume, die sich dadurch eröffnen. Das 2018 gegründete VRlab versteht sich als offen konzipierter Ort für Kooperationen zwischen Forschung, Entwicklung und künstlerischen Arbeiten mit VR und AR (Augmented Reality). Es ist Teil des Verbundprojekts museum4punkt0 und wurde zusammen mit einem 3D-Scan-Labor eingerichtet, in dem anhand der umfangreichen Sammlungsbestände des Hauses unterschiedliche digitale Scan-Verfahren erprobt werden. Leitend ist die Frage, wie Digitalisierung genutzt werden kann, um technik- und kulturhistorisch bedeutende Exponate möglichst direkt begrifflich und sinnlich erfahrbar zu machen. Wirklichkeitsnahe Erfahrungen in VR-Umgebungen stehen auch im Fokus der Arbeit von Sebastian Marwecki. Im Interview mit Philipp Reinfeld gibt der Programmierer und Spieleentwickler Einblick in seine Forschung am Human Computer Interaction Lab des Hasso Plattner Instituts in Potsdam, wo er im Rahmen einer Dissertation das VR-System Virtualizing Physical Space entwickelt hat. Mit dessen Hilfe lassen sich realphysische Räumlichkeiten für virtuelle Spieleerfahrungen adaptieren. Der Umgebungsraum mit seinen haptischen Elementen wird so zum zentralen Medium der Vermittlung virtueller Erlebnisse. Marwecki zeigt damit, wie komplexe, nonlinear verlaufende Narrationen in VR ohne die Nutzung großflächiger, leerer Laborräume umsetzbar sind. Damit adressiert er auch eine Kostenfrage, da die Räume somit mehrfach und verdichtet für unterschiedliche VR-Erfahrungen nutzbar werden. Insofern erinnert die Zielsetzung seines Systems nicht zuletzt an experimentelle Konzepte in der Architektur, die auf räumlich-programmatische Verdichtung angelegt sind.

Die dritte und letzte Sektion des Bandes, „Bild-Räume aus historischer und theoretischer Perspektive“, richtet den Blick auf die geschichtlichen Anfänge, konzeptuellen Hintergründe und gegenwärtigen künstlerischen Spielarten virtueller Bild-Räumlichkeit. Eva Wilson untersucht in ihrem Beitrag „How and Where to Find a Virtual Image“ die Anfänge und Hintergründe der Begrifflichkeit virtueller Bilder. Ausgehend von der Unterscheidung zwischen realen und virtuellen Bildformen in der geometrischen Optik des 17. Jahrhunderts rekapituliert die Kunstwissenschaftlerin die Bestimmung des Virtuellen als nicht fixierbar: Es existiert ohne eindeutiges Trägermedium allein im Moment seines Erblicktwerdens. Durch die Bewegung der Betrachter:innen ändert es seine Erscheinung. Wilson zeigt, wie die Bindung an den individuellen Wahrnehmungsakt und die physische Präsenz der Betrachter:innen widersprüchliche imaginative Wirkungen erzeugt und Identitäten instabil und beweglich werden. Die Beobachtung, dass virtuelle Bilder ohne physische Trägermedien nur mit Hilfe des körperlichen Sensoriums erfasst werden können, weist auf heutige Diskussionen über Verkörperung (embodiment) und die ganzkörperliche Adressierung in VR-Erlebnissen voraus. Der Architekt und Architekturwissenschaftler Constantinos Miltiadis rekapituliert unter dem Titel „Spacetime-Craft“ die historisch-mathematische Entwicklung von Raumbeschreibungsmodellen und ihre Auswirkungen in Philosophie, Erkenntnistheorie, Kunst und Architektur. Raum als historisch veränderliches Konzept und die damit verbundene Einsicht in die Relativität des Wissens waren steter Antrieb kreativer Grenzüberschreitungen. Mit dem Aufkommen von VR im 20. Jahrhundert boten sich neue Möglichkeiten für raumzeitliche Experimente und die Erforschung des menschlichen Sensoriums. Miltiadis stellt die Entwicklung seit den 1960er Jahren in ein geschichtliches Kontinuum. In einer „selektiven Archäologie“ rekapituliert er einige künstlerisch-architektonische Beispiele raumzeitlicher Visionen. Sie interpretierten Raum auf poetische Weise neu und machten seine ästhetische Dimension erfahrbar. In diesem Sinne plädiert Miltiadis angesichts der heutigen Möglichkeiten der VR-Technologie für eine Besinnung auf deren experimentelles und spekulatives Potenzial. Auch der Beitrag „Das Echo der Bilder in der Tiefe des Raums“ der Kunstwissenschaftlerin Kassandra Nakas blickt zurück auf die optimistischen Anfänge von VR. Gegen die technoeuphorische Abwertung des Leibes in populärkulturellen Imaginationen formulierten Architekturkritikerinnen und feministische Theoretikerinnen in den 1990er Jahren die Hoffnung auf einen egalitären und empathischen Raum im Virtuellen. Sie spekulierten auf eine komplexe Verschachtelung realphysischer und digitaler Räume, die nicht weniger, sondern mehr körperlich-sinnliche Erfahrung ermögliche. Die dabei skizzierte, physisch erlebbare Materialisierung der virtuellen Sphäre findet heute, wie Nakas anhand einer VR-Rauminstallation der Australierin Lauren Moffatt ausführt, eine Aktualisierung in der bildenden Kunst; das spekulativ-utopische Potenzial der Technologie erweist sich als ungebrochen produktiv. Eine eingehende Analyse zweier weiterer bildkünstlerischer VR-Arbeiten liefert Annette Urban in ihrem Aufsatz „Re-Building Virtuality“. Die Kunsthistorikerin beschreibt die neuartige Kontinuität von realen und virtuellen Erlebnissphären im Alltag als paradigmatischen Prozess der Verlebensweltlichung. Kennzeichnend dafür sei der verstärkte Rückgriff auf Relikte der vorhandenen Welt, um virtuelle Welten zu ‚bauen‘. Ermöglicht wird dies durch den Einsatz technischer Verfahren wie softwarebasierter Photogrammetrie, 3D-Scanning oder Motion Capture. Deren zunehmende Amateurisierung durch die Implementierung in Smartphones und Tablets führt Urban zufolge zu einer Individualisierung dieser „Welterweiterungen“ und zur Schaffung hybrider „Mikrokosmen“. Anhand von Werken von Rachel Rossin und fleuryfontaine betrachtet sie eindrückliche künstlerische Auseinandersetzungen mit solchen Prozessen der Welterweiterung. Der Medienkünstler Clemens Schöll und die Architekturtheoretikerin Ortrun Bargholz fragen abschließend in ihrem Beitrag „Versprochene Realität“ kritisch nach dem eigentlichen Nutzen von VR. Angesichts einer regelrechten Konjunktur von Ausstellungen und Förderungen von VR-Kunst durchleuchten sie die Hoffnungen und Ziele, die sich vor allem in diesem Bereich, jenseits ökonomischer Zwecke, mit dem Einsatz der Technologie verbinden. Ihrer Auffassung nach ist die Freude an der Technik selbst ausschlaggebend, während der vorgebliche mediale Nutzen – als bloßes Versprechen – lediglich zur Rechtfertigung dient: ein Phänomen, das bereits frühere ‚Medien-Hypes‘ charakterisierte, wie Schöll und Bargholz feststellen. Nach ihrem Dafürhalten sollte der künstlerische Einsatz entsprechende medienkritische Implikationen reflektieren und die – auch gesellschaftlich relevanten – gestalterischen Potenziale der VR-Technologie ausloten; ein Anliegen, das die beiden selbst in künstlerischen Kollaborationen verfolgen, welche sie hier neben Arbeiten des Künstlers Dani Ploeger vorstellen. Die Sektion zeigt, wie in künstlerischen Ansätzen das spezifische mediale Potenzial der Technik bewusst reflektiert, gar zum eigentlichen Thema wird.

Die vorliegende Publikation versteht sich als substanzieller Beitrag zu einer produktiven und zukunftsweisenden Auseinandersetzung mit den Potenzialen und Herausforderungen von VR-Technologien. Deren Möglichkeiten in technischer, baulicher, ästhetischer und kommunikativer Hinsicht sind noch lange nicht ausgeschöpft. Das gilt sowohl für arbeitssoziologische Zusammenhänge, wie in den vorliegenden Interviewbeiträgen deutlich wird, als auch für spezifische, inhaltliche und körperlich-sinnliche Erfahrungen vermittelnde Bereiche wie Museen, Theater und Szenografien. In der bildenden Kunst werden unter anderem individuell-subjektive Modi der Re-/Produktion (virtueller) Welten erprobt, die den heterotopischen Horizont des Mediums adressieren. Anschaulich wird, dass das ‚Universalmedium‘ VR eine große Bandbreite medienreflexiver, ästhetisch innovativer und gesellschaftlich relevanter Einsatzweisen bietet. Der Architektur als genuin konstruktiver Kulturtechnik schließlich stellt es sich als originäre Herausforderung dar, aktiv zur Entwicklung von Möglichkeiten des Entwerfens in und mit VR beizutragen.

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