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Kathrin Berdelmann
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„Anders als in ihren Operationen gibt es die Erziehung nicht.

Sie ist in jedem Falle operativ.“ (Prange 2009, S. 24)

In seinem Buch Die Zeigestruktur der Erziehung, das im Jahr 2009 veröffentlicht wurde, legt Klaus Prange (1939–2019) die Erziehung als zentralen Begriff der Pädagogik dar. Prange (2009) fasst unter Erziehung alle Handlungen, die auf das Lernen einwirken. Erziehen wird durch artikulierte Zeigehandlungen ermöglicht, die gezielt auf das Lernen ausgerichtet sind. In diesem Verständnis beginnt Erziehung als Reaktion von Eltern und anderen Erziehungsberechtigten auf die Bedürfnisse des Kindes, sie schreitet im gesamten Lebensverlauf fort und differenziert sich in verschiedene „Pädagogiken“ (Prange 2012a, S. 16) mit je eigenen Praktiken, Institutionen und Reflexionszusammenhängen aus.

Die Kernhandlung – oder „Operation“ – jeglichen erzieherischen Tuns ist das Zeigen. Mit dieser klaren Bestimmung der operativen Basis der Erziehung grenzt Prange pädagogisches Handeln von anderen Tätigkeiten, wie dem medizinischen Behandeln oder dem juristischen Rechtsprechen, ab. Erziehung als „didaktisches Zeigen“ (Prange 1986, S. 187) erweist sich als Lernhilfe, die sich in einem zeitlichen Prozess entfaltet und mit den zeitlichen Erfordernissen des Lernens abgestimmt ist. In den Bauformen des Unterrichts bietet Prange eine „Operative Didaktik“ (Prange 1986, S. 18) an. Er argumentiert, dass Erziehung nicht ohne die Vermittlung von Wissen möglich ist und Erziehung insofern immer eine doktrinale Form hat. Wenn die „Grundgebärde des Zeigens“ (Prange 1986, S. 187) die operative Basis der Erziehung ist, dann ist Zeigen zugleich aber mehr als eine Gebärde. Es ist der Modus, in dem sich Erziehung als Lernhilfe im zeitlichen Prozess konstituiert. Die Artikulation überbrückt – in durchaus fragiler Weise – in einem zeitlichen Prozess die Differenz von Zeigen und Lernen.

Durch die Identifikation der erzieherischen Kernoperation, die eine jede Form von Erziehung kennzeichnet, und zwar adressaten-, zeit- und ortsunabhängig, kann umgekehrt eine Interaktion somit auch erst als Erziehung, Unterricht und Bildung erkannt werden. Prange hat mit dem Zeigen also nicht nur das Fundament erzieherischen Handelns bestimmt, sondern auch eine Art Heuristik entworfen, mit der erkannt werden kann, ob, wann und wo es sich um Erziehung handelt. Was aber macht die erzieherische Operation genau aus? Wie zeigt sich die Zeigeoperation und wie bringt das Zeigen spezifische Räume der Bildung und Erziehung in unterschiedlichen Feldern, wie der Schule, der Erwachsenenbildung oder der Beratung, hervor?

Seit Pranges Grundlegung hat die Operative Pädagogik und mit ihr die Theorie des Zeigens vielfältige Reaktionen ausgelöst. Der vorliegende Band führt eine Tradition von Tagungen und Sammelbänden (Berdelmann und Fuhr 2009; Fuhr und Schultheis 1999) und einer zusammenfassenden Monographie (Berdelmann und Fuhr 2020) fort, in denen der Forschungsstand zur Operativen Pädagogik abgebildet wird. Im Laufe der Zeit hat die Operative Pädagogik in unterschiedlichen pädagogischen Feldern an Bedeutung und Form gewonnen. Zahlreiche Publikationen der letzten Jahre untersuchen Zeigeoperationen in Bildungsprozessen über den gesamten Lebenslauf hinweg (Berdelmann und Fuhr 2020). Die Theorie des Zeigens fokussiert sich dabei nicht nur auf schulpädagogische Settings, sondern auch auf andere Bereiche, wie beispielsweise die Frühpädagogik (Ellinger und Hechler 2021) oder Erwachsenen- und Weiterbildung (in diesem Band die Beiträge von Dazer & Schwendemann, Dinkelaker, Fuhr, Klopstein und Reuten).

Die Theorie des Zeigens hilft neben anderen Ansätzen, Prinzipien pädagogischen Handelns herauszuarbeiten (Mikhail 2016). Darüber hinaus wurde das Zeigen als eine der zentralen pädagogischen Praktiken empirisch untersucht und in seinen subjektivierenden Wirkungen erforscht. So wurden beispielsweise die Unterschiede von Zeigeformen im schulischen Unterricht mit verschiedenen Organisationsformen ins Verhältnis gesetzt und erforscht, inwieweit Schüler*innen darin als pädagogische Subjekte hervorgebracht werden (Brinkmann 2019; Reh und Rabenstein 2013; Reh et al. 2011; Ricken 2009). Weitere Arbeiten untersuchen und erweitern das Zeigen für den geöffneten Unterricht (Rabenstein und Reh 2007). Gemeinsam ist einigen dieser Ansätze, dass sie das Zeigen in einer praxistheoretischen Perspektive erforschen. In phänomenologischen Perspektiven auf das Zeigen wird unter anderem der Aspekt der Leiblichkeit des unterrichtlichen Zeigens ausgearbeitet (Brinkmann und Rödel 2018). Aus sprachphilosophischer Sicht hat Thompson (2011) auf die Unbestimmtheit manchen pädagogischen Sprechens hingewiesen und die These vertreten, dass sich das Zeigen erst im Vollzug zeigt und sich nicht unbedingt einer Intention verdanken muss. Hellwig (2009) hat gezeigt, dass auch ein Setting wie die Montessori-Methode, die eine Fremdbestimmung des Kindes durch eine doktrinale Erziehung zurückweist, auf das Zeigen als Grundoperation angewiesen ist. Schließlich wurde das Zeigen nicht nur für Lehr-Lerninteraktionen erforscht und weiterentwickelt, sondern auch auf die Bereiche der Beratung und der Psychotherapie angewandt, für die je eigene Zeigestrukturen herausgearbeitet wurden (Hechler 2010; Kraft 2021).

In diesem Band wird der neue Forschungsstand zur Operativen Pädagogik abgebildet. Er präsentiert Beiträge zum Zeigen und Lernen aus theoretischer und empirischer Perspektive in verschiedenen erziehungswissenschaftlichen Feldern. Die Autor*innen haben sich dabei facettenreich auf Pranges Vorgaben bezogen, sie aufgegriffen und weiterentwickelt oder sich in kritischer Reflexion auf sie bezogen. Darüber hinaus werden Anschlüsse für weitere Forschungen aufgezeigt, die in diesem Bereich zu leisten sind. Der Band enthält zudem eine Bibliographie der Schriften Klaus Pranges.

Die Beiträge sind in fünf Teile gruppiert, beginnend mit zwei Teilen, in denen die Operative Pädagogik vorwiegend theoretisch diskutiert wird. Zwei Beiträge vergleichen die Operative Pädagogik mit der formalen Erziehungstheorie von Wolfgang Sünkel (1), einem phänomenologisch informierten Ansatz aus der Erziehungswissenschaft. Es folgen theoretische Weiterentwicklungen der Operativen Pädagogik (2). Die folgenden zwei Teile liefern qualitative empirische Anschlüsse an die Operative Pädagogik. Einige der hier versammelten Beiträge untersuchen Prozesse des Zeigens aus interaktionstheoretischer Perspektive (3), während die anderen Beiträge das Zeigen als Grundoperation der Erziehung untersuchen (4). Im letzten Teil (5) finden sich Informationen zu Pranges Schriften und ein Schluss der Herausgebenden.

Im ersten Beitrag von Teil 1 zeigt Ulrich Papenkort deutlich hervortretende Gemeinsamkeiten der Operativen Pädagogik Pranges und der formalen Erziehungstheorie Sünkels auf, nach denen die Struktur der Erziehung als ein Prozess markiert wird, der sich innerhalb von drei Faktoren abspielt. Papenkort arbeitet Differenzen zwischen den Theorien in Bezug auf jene Prozesse und Faktoren heraus. Diese Differenzen führen den Autor zu der abschließend diskutierten These, dass mit der Operativen Pädagogik Pranges eine individualpädagogische Theorie der Erziehung und mit der Theorie Wolfang Sünkels eine sozialpädagogische Theorie der Erziehung vorliegt.

Im zweiten Beitrag dieses Teils analysieren Johanna Hopfner und Agnes Trattner Erziehungsverständnisse in pädagogischer Ratgeberliteratur für Eltern. Den vornehmlich aus Disziplinierungen und Zurechtweisungen bestehenden, empfohlenen Erziehungsmaßnahmen setzen sie grundlegende Einsichten aus den Erziehungstheorien von Klaus Prange und Wolfgang Sünkel entgegen. Mit ihrer gezielten Zusammenführung der operativen (Prange) bzw. fundamentalen (Sünkel) Grundstruktur von Erziehung zeigen die Autorinnen auf, dass in Erziehungsratgebern wesentliche Einsichten in pädagogische Möglichkeiten und Grenzen systematisch vernachlässigt werden. Angesichts dessen plädieren die Autorinnen für eine theoretisch fundierte und reflektierte Praxis, die sich deutlich zwischen Erziehung und Machtausübung unterscheiden lässt.

Die Beiträge in Teil 2 entwickeln die Operative Pädagogik theoretisch weiter, ergänzen die von Prange gegebenen Begründungen für die Theorie, kritisieren einzelne Theoreme der Operativen Pädagogik und diskutieren ihre Grenzen. Nach Volker Kraft stellt die Operative Pädagogik einen Versuch dar, die Erziehung zu rationalisieren, was er durchaus begrüßt. Allerdings werden dabei die Gefühle der Lernenden und Zeigenden bislang nicht systematisch berücksichtigt. Aus diesem Grund geht er der Frage nach, wie die emotionale Dimension des Lernens in der Operativen Pädagogik systematisch berücksichtigt werden kann und entwickelt ein heuristisches Modell zu emotionalen Aspekten der Erziehung. Dieses ergänzt den Rationalisierungsversuch, den die Operative Pädagogik aufstellt, begrenzt ihn jedoch auch, denn Gefühle sind und bleiben nur eingeschränkt versteh- und beherrschbar.

In der Operativen Pädagogik fällt der Artikulation des Zeigens die Rolle zu, zwischen dem Erziehen und dem Lernen zu vermitteln. Allerdings sind die Analysen von Prange in dem Hauptwerk „Die Zeigestruktur der Erziehung“ knapp; er analysiert dort nur die gegenläufigen Zeitrichtungen des Erziehens und Lernens. Deshalb arbeitet Thomas Fuhr Pranges Aussagen zur Artikulation in anderen Werken auf, wobei er vor allem die vorliegenden unterschiedlichen Artikulationsschemata des Zeigens berücksichtigt. Sie entsprechen dem, was in anderen Zusammenhängen Workflows oder Prozessbeschreibungen genannt wird. Fuhr hält sie für ein bedeutendes Instrument der Qualitätssicherung und Professionalisierung und plädiert dafür, sie wissenschaftlich genauer zu untersuchen.

Katja Grundig de Vazquez begründet die Operative Pädagogik von einer evolutionären Anthropologie heraus. Sie vertritt in einer anthropologischen Analyse die These, dass sich die Synchronisation von Zeigen und Lernen im evolutionären Prozess ausgebildet hat. Mit der Synchronisation von Lernen und Zeigen wird es möglich, genetisch nicht tradierbare Tätigkeitsdispositionen zu übermitteln. Grundig de Vazquez bestätigt damit wesentliche Grundannahmen von Prange zum Verhältnis von Zeigen und Lernen, schlägt aber auch Neuakzentuierungen vor. Lernen versteht sie als wesentlich kulturelles Lernen, das nach Angeboten artikulierten Zeigens sucht, auch dann, wenn dieses nicht angeboten wird. Diese Sichtweise wiederum hat einen genaueren Blick auf die nicht durch Zeigen stipulierten Lernbewegungen der Lernenden zur Folge.

Stephan Ellinger und Oliver Hechler präsentieren in ihrem Beitrag einen biographischen Zugang zum Verständnis menschlichen Lernens und individueller Lernhemmungen. Die Autoren unterstreichen dabei die zentrale Rolle einer entwicklungspädagogischen Perspektive, die auf die vielschichtige Verbindung von Lernproblemen mit individuellen Lebensgeschichten verweist. Ihr Ansatz zur Diagnostik von Lernhemmungen aus entwicklungspädagogischer Sicht stärkt einen eigenständigen Zugang zum disziplinären und professionellen Gegenstand der Pädagogik, der sich von anderen Wissenschaften abgrenzt und insofern einen Beitrag zur Sache der Pädagogik leistet.

Yoshiki Sakurai verdeutlicht in seinem Beitrag anhand der japanischen Schule die Bedeutung der Bildungstheorie. Japanische Schulen sind auf die Vorbereitung für die Aufnahmeprüfungen der Universitäten ausgerichtet. Deshalb ist es wichtig zu fragen, welchen Sinn und Zweck die schulische Bildung haben sollte. Der Autor gibt einen kurzen Überblick über die Rezeption des deutschen Bildungsbegriffs in Japan und zeigt auf, dass die japanische Bildungstheorie sich darum bemüht, einen Erziehungsbegriff zu überwinden, der den Lernenden wenig Freiheit zur individuellen Selbstbildung erlaubt. Er vertritt die These, dass die pädagogische Ethik von Prange durchaus einen solchen Begriff von Bildung erlaubt und erläutert dies anhand einer Lektion zur Moralerziehung, welche die japanische Regierung für die Mittelschulen veröffentlicht hat.

Florian Dobmeier geht von der Tatsache aus, dass jedes Zeigen auch ein Nicht-Zeigen impliziert, schon weil nicht alles zu gleicher Zeit gezeigt und gelernt werden kann. Angesichts sogenannter postdemokratischer Einflussnahmen auf das Lernen durch Nudging und andere Maßnahmen der Manipulation schlägt er vor, unter dem Begriff der Agnotologie einen kritischen Diskurs zu solchen Zeigepraktiken zu entwickeln. Es ist nicht möglich, Macht- und Wissensasymmetrien aus der Erziehung zu verbannen, aber es sollte doch versucht werden, manipulative Formen des Zeigens im politischen Raum kritisch zu analysieren.

Die beiden nächsten Teile enthalten Beiträge, die das Zeigen und Lernen empirisch untersuchen. In Teil 3 sind Beiträge versammelt, welche eine interaktionstheoretische Perspektive einnehmen, während die Beiträge in Teil 4 das Zeigen nicht als eine pädagogische Operation unter anderen, sondern als Grundoperation ansehen.

Malte Brinkmann nimmt in Teil 3 aus phänomenologisch-praxeologischer Perspektive die Sozialität, Existenzialität und Mundanität des Zeigens in den Blick und analysiert diese videografisch. Er reflektiert die Grundlagen des Erziehens und der Erziehung anhand des Zeigens, das sich in einem interattentionalen Aufmerksamkeitsgeschehen manifestiert. Darüber hinaus geht er auf das Sich-Zeigen als existenzielles und verkörpertes Ereignis am Beispiel der Emotionalität des Schamerlebnisses ein. Als Letztes nimmt er Analysen zur Sachlichkeit des Zeigens vor, die er mit Überlegungen zur Welt und Welthaftigkeit von Erziehung verbindet.

Florian Weitkämper und Bettina Fritzsche untersuchen in ihrem Beitrag das komplexe Verhältnis von Autorität und Verletzlichkeit in pädagogischen Zeigepraktiken. Pranges Überlegungen zu Praktiken des Zeigens werden im Anschluss an Norbert Ricken und unter Bezug auf Judith Butlers Anerkennungskonzept weiterentwickelt. Dabei greifen die Autor*innen auf empirische Erkenntnisse einer schulethnographischen Studie zurück, die die Relevanz der sozialen Herkunft für die Aushandlung von Autorität zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen in inklusiven Grundschulen in Deutschland beleuchtet. Der Beitrag stellt eine Lesart des direktiven Zeigens als „doing authority“ vor und verweist auf die konstitutive Abhängigkeit von Anerkennung und die damit verbundene Verletzlichkeit im professionellen Handeln von Lehrkräften.

Jörg Dinkelaker legt in seinem Beitrag eine interaktionistische Reinterpretation des für die Operative Pädagogik konstitutiven Verhältnisses zwischen Zeigen und Lernen vor. Zeigen und Lernen werden hier allerdings nicht als gegebene Operationen vorausgesetzt, sondern als solche begriffen, die im pädagogischen Geschehen interaktiv hervorgebracht werden. Dinkelaker untersucht anhand eines Kurses der Erwachsenenbildung, wie die Beteiligten interaktiv und situativ auf Zeigen und Lernen Bezug nehmen. Anders als Prange versteht er Lernen nicht als einen innerpsychischen Prozess, sondern wie das Zeigen als eine soziale Wirklichkeit, welche durch körperliche Hinwendungsbewegungen auf einen Gegenstand hervorgebracht wird, die wie das Zeigen videographisch untersucht werden können. Das Zeigen induziert eine Zuwendung der lernenden Person zu sich selbst, bei der die Frage im Vordergrund steht, wie diese sich selbst verstehen kann.

Im ersten Beitrag von Teil 4 präsentiert Hannah Reuten auf der Basis von Zwischenergebnissen einer forschenden Gruppenwerkstatt mit Expert*innen ein Artikulationsschema für Live-Online-Seminare in der Erwachsenen- und Weiterbildung. Das Schema folgt in wesentlichen Zügen den von Prange vorgestellten grundlegenden Artikulationsstufen zur Gestaltung von Unterricht. Es bildet jedoch Erweiterungen ab, die auf die Komplexität und Spezifität des erwachsenenpädagogischen Handelns in Live-Online-Seminaren reagieren. Die Autorin betont die Notwendigkeit einer weiteren Erforschung der erforderlichen Kompetenzen für Erwachsenenbildner*innen in den spezifischen Artikulationsstufen, um Teilnehmende optimal bei der Aneignung und Reflexion von Wissen und dem Transfer in ihre Handlungspraxis zu unterstützen.

Im zweiten Beitrag dieses Teils verdeutlichen Jasmin Dazer und Nadja Schwendemann, dass trotz der Bemühungen der Erwachsenenbildung, sich vom Erziehungsbegriff zu distanzieren, Erziehungsbestrebungen in der Praxis durchaus eine Rolle spielen. Auf der Grundlage des Erziehungsbegriffs nach Prange rekonstruieren die Autorinnen in ihrem Beitrag anhand von zwei Fallbeispielen Erziehungsbestrebungen im Zusammenhang mit diskriminierenden Aussagen in der Erwachsenenbildungspraxis. Dabei stellen sie fest, dass Erziehungshandeln in der Erwachsenenbildung als begründbar erscheint, wenn bestimmte Grenzen des Tolerierbaren überschritten werden. Die Frage nach einem konstruktiven Umgang mit ethischen Herausforderungen wird zunehmend Gegenstand der Erwachsenenbildung. Diese Entwicklung stellt Erwachsenenbildner*innen vor die Herausforderung, die Legitimation erzieherischer Handlungen kritisch zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang plädieren die Autorinnen für eine erweiterte empirische Erforschung des Erziehungshandelns in der Erwachsenenbildung und sehen Pranges und Strobel-Eiseles Erziehungsbegriff als vielversprechende Grundlage für eine erwachsenenbildnerische Ethikforschung an.

Juliane Klopstein befasst sich in ihrem Beitrag mit der begrenzten Planbarkeit, die pädagogisches Handeln – auch im Verständnis der Operativen Pädagogik – kennzeichnet. Empirisch arbeitet sie heraus, wie Lehrende in der Erwachsenenbildung mit jener begrenzten Planbarkeit im Zuge der Planung und der Durchführung ihrer Kurse umgehen. Sichtbar werden komplexe geplante Artikulationsschemata, die neben eindeutigen, verbindlichen Artikulationen verschiedene Möglichkeiten für ein flexibles, situatives Handeln in der Kursdurchführung eröffnen. Diese können von den Lehrenden dafür genutzt werden, die Planung im Kurs entsprechend den Gegebenheiten zu konkretisieren. Zutage tritt somit ein prozesshafter Umgang mit begrenzter Planbarkeit, der durch eine enge Verknüpfung des Handelns in der Planung und der Durchführung von Lehr-Lernprozessen geprägt ist.

In Teil 5 folgt eine Bibliographie der Schriften von Klaus Prange.

Im Schluss wird zusammenfassend der nun neu vorliegende Forschungsstand diskutiert, es werden Entwicklungen der Operativen Pädagogik und neue Forschungsdesiderate identifiziert sowie über den Nachlass Pranges informiert.

Das vorliegende Werk ist Klaus Prange gewidmet, dessen Arbeiten einen grundlegenden Begriff in der Pädagogik etabliert haben. Dieser Begriff geht über die reine Operationslogik hinaus und erfordert eine eingehende Analyse seitens unserer wissenschaftlichen Disziplin. Zeigen als professionelles Tun und seine theoretische Fundierung hat so auch einen identitätsstiftenden Charakter für die Disziplin. Prange hat die These vom Zeigen als operative Form und Basis der Erziehung wie kein anderer auch persönlich vertreten. Er hat gerne ausführlich gezeigt, wie er denkt, und das immer auf eine anschauliche und unterhaltsame Weise, die neben Zustimmung auch Verwunderung und Kritik hervorbringen konnte, aber nie langweilte, sondern zum Lernen anregte. Er ist nie dem Kurzschluss unterlegen, dass das Lernen sich schon einstellen werde, wenn nur die Inhalte stimmten, sondern man müsse sie den Lernenden auch zeigen können. Die seiner Operativen Pädagogik innewohnende eigene Mischung aus pädagogischer Hoffnung, die sich aus der Zeigetechnologie speist, und der Bescheidenheit aufgrund der Eigensinnigkeit des Lernens hat Klaus Prange am Ende seiner Abschiedsvorlesung zu seiner Emeritierung an der Universität Tübingen selbst zum Ausdruck gebracht (Prange 2012b, S. 179).

Wir danken Erik Ode und Michael Obermaier für die Aufnahme dieses Bandes in die Reihe „Pädagogische Diskurse“ sowie der Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft und der Pädagogischen Hochschule Freiburg für die finanzielle Unterstützung. Unser herzlicher Dank geht auch an Martina Kayser für die freundliche und kompetente verlegerische Betreuung. Franziska Macho-Pumpmeier und Christine Heinicke haben das Manuskript korrigiert und formatiert, dafür allerbesten Dank!

Berlin und Freiburg, im April 2024

Literatur

  • Berdelmann, K. & Fuhr, T. (Hrsg.) (2009): Operative Pädagogik. Grundlegung, Diskussion, Anschlüsse, Paderborn: Schöningh.

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Von der Reflexion zur Operation

Stand und Perspektiven der Operativen Pädagogik

Series:  Pädagogische Diskurse, Volume: 4

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