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Dieser Sammelband, der aus einer von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Tagung hervorgegangen ist, die im Dezember 2022 an der Universität Konstanz stattfand, befasst sich mit der Frage nach den Bedingungen und Möglichkeiten einer ‚digitalen Philosophie‘.

Die für den Band leitende Frage nach einer ‚digitalen Philosophie‘ ist ambivalent, denn sie ist auf zwei Weisen verstehbar: Entweder als digitale Philosophie im Sinne eines Philosophierens über das Digitale. Oder im Sinne eines Philosophierens im Medium des Digitalen und unter Einsatz datenintensiver, digitalisierter Verfahren. Die Beiträge des Bandes thematisieren beide Dimensionen aus unterschiedlichen Perspektiven, indem Phänomene, Formen und Methoden einer so verstandenen ‚Philosophie des Digitalen‘ exploriert und kritisch reflektiert werden. Die transformative, von vielen als disruptiv erfahrene Natur der Digitalisierung lädt dazu ein zu prüfen, inwieweit die überkommenen disziplinären Einteilungen – etwa in Ontologie, Epistemologie, Moralphilosophie, Ästhetik – sinnvoll und hilfreich sind, um die mit der Digitalisierung verbundenen theoretischen Probleme zu bearbeiten. Es geht also auch darum, die phänomenologische und methodische Reichhaltigkeit philosophiespezifischer Disziplinen am Phänomen des Digitalen kritisch zu erproben.

Im Zentrum des Bandes stehen folgende fünf Perspektiven, die für die lebensweltliche Bedeutung der Philosophie besonders zentral sind, und die anhand verschiedener digitaler Medien – wie etwa dem Internet, Künstlicher Intelligenz, virtueller Realität und Computerspielen – eröffnet werden:

(1) Digitalisierung und Kritik: Was ist überhaupt das Digitale und wie kann (medien)philosophisch adäquat über das Digitale gesprochen werden? Diese Frage diskutiert Sybille Krämer (Lüneburg) in Ihrem den Band eröffnenden Beitrag. Wie lassen sich Phänomene, Formen und Methoden des Digitalen und der Digitalisierung, wie sie uns in der Gesellschaft immer mehr begegnen, angemessen bestimmen? Dieser Frage widmet sich Gabriele Gramelsberger (Aachen). Markus Bohlmann (Münster) und Daniel Martin Feige (Stuttgart) thematisieren in ihren Beiträgen jeweils aus unterschiedlicher Perspektive die Frage, wie sich der Prozess der Digitalisierung angemessen bewerten und auch kritisieren lässt.

(2) Ethik und Privatheit: Inwiefern stellt uns die Digitalisierung für neue ethische Probleme? Welche ethischen Zugänge eignen sich dafür am besten, und wo liegen ihre Grenzen? Diese Fragen untersuchen Christoph Böhm (Stuttgart) und Oliver Zöllner (Stuttgart) in ihrem gemeinsam verfassten Beitrag. Lea Watzinger (Graz) diskutiert die Frage, inwiefern noch Privatheit angesichts der allgegenwärtigen Digitalisierung existieren und gefordert werden kann.

(3) Realität und Virtualität: Maria Schwartz (Wuppertal) widmet sich in ihrem Beitrag der Frage, inwiefern sich eine philosophische Beschäftigung mit Computerspielen lohnt und welcher ästhetische und anthropologische Status ihnen zukommt. Wie erfahren wir virtuelle Körper? Diese Frage diskutieren Patrizia Breil (Bochum) und Alisa Kronberger (Bochum) in ihrem gemeinsam verfassten Beitrag. Saša Josifović (Köln) behandelt die Frage, welchen ontologischen Status digitale Objekte und Ereignisse im Metaversum besitzen.

(4) Digitale Philosophie: Christian Vater (Mainz) diskutiert in seinem Beitrag die Frage, inwiefern wir mit und durch digitale Medien philosophieren können und wie wir von bloßen Daten zu (philosophischem) Wissen gelangen. Jonathan D. Geiger (Mainz) befasst sich mit der Frage, welche wissenschaftstheoretische und philosophische Rolle digitale Daten besitzen.

(5) Digitalisierung und Verantwortung: Christoph Böhm (Stuttgart) erörtert im Ausgang von Amartya Sen die Frage, wie wir globale und ökonomische Gerechtigkeit im Digitalen erreichen und kritisieren können. Jörg Noller (München) plädiert abschließend in Anknüpfung an Kants Aufklärungsbegriff für die Notwendigkeit einer spezifisch digitalen Aufklärung und diskutiert die Frage, wie digitale Tugenden für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Digitalisierung beschaffen sein sollten.

Der Tagungsband bezweckt damit, das hochaktuelle Feld der Digitalisierung aus philosophischer Perspektive zu kartieren, begriffliche Orientierung zu schaffen und zu weiteren Forschungen anzuregen.

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