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Einleitung: Eine Unternehmerbiographie in der

                   Debatte






                   Otto Beisheim war einer der Pioniere des deutschen Einzel- und Großhandels

                   und ist besonders durch die Mitgründung des Cash & Carry-Geschäfts Metro
                   bekannt, bei dem er 1964 im Alter von 40 Jahren Hauptgeschäftsführer wurde.
                   Dank des gemeinsam mit den Familien Schmidt-Ruthenbeck und Haniel
                   weiterentwickelten Cash & Carry-Modells wurde die expandierende Metro-
                   Kette zu einem international erfolgreichen Handelsunternehmen. Beisheims
                   Geschäftssinn sowie sein Gespür für Innovationen hatten hieran einen ent-
                   scheidenden Anteil. Die Geschichte der Metro ist jedoch nicht Gegenstand

                   dieser Studie, da dies über die Person Otto Beisheims hinausgehen und die
                   Einbeziehung aller an der Gründung des Unternehmens beteiligten Familien
                   voraussetzen würde. Otto Beisheim stammte wie zahlreiche andere Handels-
                   unternehmer aus der Kaufmannsstadt Mülheim an der Ruhr. Und wie viele
                   andere führende Kaufleute führte er ein abgeschirmtes Privatleben, von dem
                   wenig an die Öfffentlichkeit drang. Selbst als der in bescheidenen Verhältnissen
                   aufgewachsene Beisheim, inzwischen zu einem der reichsten Deutschen ge-
                   worden, im Jahr 2013 hochbetagt starb, konnten  Wirtschaftsjournale und
                   Boulevardblätter ihren Lesern nur wenige biografijische Details mitteilen.

                      Dies galt für seine gesamte Vita, aber erst recht für die Zeit, in der er noch
                   keine Persönlichkeit des öfffentlichen Lebens gewesen war. Seine Kindheit und
                   Jugend in den 1920er und 1930er Jahren, seine Zeit als Angehöriger der Wafffen-
                   SS im Zweiten Weltkrieg, aber auch sein unternehmerischer Aufstieg in den
                   Jahren des „Wirtschaftswunders“ in der Bundesrepublik, all das ist bis heute
                   weitgehend unbekannt und in mancher Hinsicht sogar geheimnisumwittert.
                   Da Beisheim selbst nur in Ausnahmefällen über jene Zeit Auskunft gegeben

                   hat, entstanden zahlreiche Gerüchte, die – von ihm bzw. seinen Sprechern
                   weitgehend unkommentiert geblieben – weitergetragen wurden und im Inter-
                   netzeitalter rasch  Verbreitung fanden. Einen deutlichen Schwerpunkt der
                   Debatten bildete die Zeit des Nationalsozialismus, seit in der Mitte der 1990er
                   Jahre bekannt wurde, dass Beisheim im Zweiten Weltkrieg Angehöriger der
                   Wafffen-SS gewesen war.
                      An und für sich sind Diskussionen dieser Art wenig spektakulär, und
                   öfffentlich in der Presse ausgetragene Streitigkeiten sind keineswegs ein
                   Novum der bundesrepublikanischen Geschichte. Die bekannte Nahrungs-

                   mittelfijirma Dr. August Oetker war schon im Jahr 1968 in einen heftigen
                   öfffentlichen Streit um ihr Mäzenatentum geraten, als sie eine von ihr gestiftete



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                   © Verlag Ferdinand Schöningh, 2020 | doi:10.30965/9783657704293_002
                                 © 2020 Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn
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