Search Results
Bei der Prioritätensetzung im Kontext des solidarfinanzierten Gesundheitssystems durchdringen sich Fragen des guten Lebens und Fragen der Gerechtigkeit. Dies stellt eine Herausforderung für das liberale Postulat staatlicher Neutralität dar. Der Aufsatz diskutiert drei mögliche Reaktionen: Die Preisgabe des Neutralitätspostulats im Rahmen einer essentialistischen Theorie des guten Lebens (»Essentialismus«); die Verteidigung des Neutralitätspostulats durch Verweis auf gemeinsame Realisierungsvoraussetzungen verschiedener Entwürfe des guten Lebens (»Transzendentalisierung«) sowie die Abschwächung des Neutralitätspostulats im Rahmen einer prozeduralistischen Konzeption politischer Gerechtigkeit (»Prozeduralisierung«). Plädiert wird für eine Kombination der zweiten und der dritten Strategie.
In medizinethischen Debatten wird oft auf die Pflicht zur Wahrung der Menschenwürde Bezug genommen. Häufig ergeben sich jedoch Kontroversen über die Konsequenzen, die sich aus dieser Pflicht für den Einzelfall ergeben. Dementsprechend wird mitunter der Verdacht geäußert, die Menschenwürdenorm sei nicht klar definierbar oder es handele sich gar um eine bloße Leerformel. Dieser Verdacht wird durch die Annahme verstärkt, dass Versuche einer Begründung der Menschenwürdenorm auf einem naturalistischen Fehlschluss basieren. Der vorliegende Beitrag sucht hingegen zu zeigen, dass die Menschenwürdenorm durchaus einen eigenen Gehalt hat. Es wird argumentiert, dass ernsthafte Kontroversen über den Gehalt der Menschenwürdenorm nur in Bezug auf bestimmte, klar eingrenzbare Fragestellungen und nur aus bestimmten, erklärbaren Gründen auftreten. Auch der Naturalismusvorwurf lässt sich zurückweisen, wenn die Menschenwürdenorm transzendentalphilosophisch (z. B. diskursethisch) begründet wird. Die Menschenwürdenorm ist also weder unbegründbar noch inhaltslos; sie beinhaltet aber keine Patentlösungen für alle ethischen Fragen.
Tue obligation to respect and protect human dignity plays an important role in current debates about medical ethics. But it does not always seem clear, which conclusions have to be drawn from this obligation. Therefore it is sometimes suggested, that the notion of human dignity is not clearly definable or that it is even an empty notion. This suspicion is agwavated by the assumption that any attempt to justify that norm fails by naturalistic fallacy. Tue article tries to show that the concept of human dignity has quite its own content. It argues that serious disputes over the interpretation of the norm of human dignity merely arise in limited areas of discussion and only for certain, explainable reasons. Tue reproach of naturalistic fallacy can also be rejected if it is possible to justify the norm of human dignity within the framework of transcendental philosophy (like discourse ethics). The obligation to respect and protect human dignity is neither unfounded nor empty; it contains no ready-made solutions for all ethical problems, however.