Abstract
While biblical texts generally tend to conciliatory endings, this does not seem to hold true regarding the traumatic destruction of Jerusalem in 587 v.Chr. (cf. 2 Kgs 25//Jer 52). The article presents how some texts manage to transport comforting messages along with the reference to the catastrophic event, e.g. Lev 26; Dtn 4 and 28–32 as well as 2 Kgs 25 in the context of Jos 1 – 2 Kgs 17 and more specifically 2 Kgs 17–24. Jer 52 is interpreted in connection with Jer 39–40 and 29–33. Thr 1; 3 and 5 at the end open up some comfort in the hope of being heard by God. 2 Chr 36 presents the catastrophe as a way to new beginnings. Bar 4–5 and the Letter of Jeremiah can be read as continuations of the Book of Jeremiah with a stronger accent on hope.
Die Abschlüsse von Büchern sind aufschlussreich. Autoren nützen die letzte Chance, noch Wesentliches mitzuteilen, und das Ende hinterlässt einen bleibenden Eindruck bei den Adressaten. Unter dieser Rücksicht lohnt es sich, auch den Schlüssen biblischer Schriften Aufmerksamkeit zu schenken.1
Dabei zeigen sich große Unterschiede und eine klare Tendenz zu ‚heilvollen‘, versöhnlichen Abschlüssen.2 Bei manchen Büchern sind die Enden nicht so eindeutig einzuordnen.3 Im Kontrast dazu stehen 2 Kön 25 // Jer 52 und 2 Chr 36, die trotz positiver Momente von Unheil weitgehend dominiert werden4 und allesamt den Untergang Jerusalems 587 v.Chr. zum Thema haben.
Diese Eroberung kann als das Trauma in der Geschichte Israels gelten, dessen Folgen noch Jahrhunderte spürbar waren und das erst langsam, auch in den entstehenden biblischen Schriften, aufgearbeitet wurde. Die Beschäftigung mit dieser Katastrophe spiegelt sich in etlichen Darstellungen wider, die teils unterschiedliche Sichtweisen vertreten. Insbesondere seit den letzten zehn Jahren haben sich vermehrt Forschende diesem Thema gewidmet5 und damit neue, fruchtbare Perspektiven auf viele Texte der Hebräischen Bibel eröffnet.6
In den bisherigen Studien war dabei vor allem der traumatische Aspekt im Blick, weniger Trost enthaltende Momente.7 Doch setzt alleine schon das Aufschreiben mindestens eine Annahme von etwas Bleibendem oder Sinn voraus. Damit stellen sich Fragen wie: Welche Hoffnungen gibt es? Wo gehen Wege weiter? – Unser Beitrag möchte diesen Fragen nachgehen und an Hand einiger Schlüsselstellen Antworten versuchen.
1 Andeutungen in der Tora
Die erzählte Welt der Tora liegt vor der Landnahme und damit weit zurück in einer Vergangenheit, lange vor dem Untergang Jerusalems. Dennoch lassen einige Texte jene Katastrophe und deren Folgen erahnen. Sie werfen gleichsam „Blicke in die Zukunft“ und bereiten damit die Adressaten auf das ‚Kommende‘ vor, das aber für diese schon erlebte Realität geworden ist.
Ein markantes Kapitel mit dieser Orientierung ist Levitikus 26. Nach Gottes Verheißungen im Fall des Gehorsams folgen seine Warnungen bei Nicht-Hören und sich ihm Entgegenstellen ab V. 14. Die sich zusehends steigernden Konsequenzen erwähnen die Zerstörung von Land und Städten (V. 31–33) und mehrfach auch Exilierung.8 Diese und andere Motive deuten auf eine Aufarbeitung der schrecklichen Erlebnisse im Zusammenhang mit der babylonischen Eroberung Judas hin.9
Doch bleibt es in Lev 26 nicht bei der Vernichtung des Volkes in der Fremde; die abschließenden Verse 39–45 lassen auf neues Heil schließen.10 Entscheidende Momente dafür sind das Bekennen der Schuld durch die Übriggebliebenen in V. 40, vor allem aber Gottes Gedenken und Festhalten an seinem Bund, das ihn sie nicht verwerfen lässt (V. 42 und 44–45). Wozu diese Wende aber konkret führt, wird nicht weiter entfaltet.11
Ähnliches gilt für einen weiteren Text, der ebenfalls – diesmal aus der Perspektive Moses – in die „Zukunft“ ausschaut. Er kündigt in Deuteronomium 4 für den Fall, dass Israel sich dem Götzendienst zuwendet, an, dass es „schnell zugrunde gehen wird vom Land“ und dass Gott sie „zerstreuen wird unter die Völker“, wo sie eine starke Dezimierung erfahren (V. 26–27). Moses Ansagen haben wie Lev 26 Exilierung im Blick.12
Auch hier in Dtn 4 bleibt es nicht beim Untergehen in der Fremde. Erneut findet eine Umkehr statt, die gegenüber Lev 26 von der menschlichen Seite her wesentlich stärker entfaltet ist. Sie beinhaltet Suchen und Fragen nach Gott sowie Hören auf ihn (V. 29–30) und erhält die Zusage, dass Israel ihn „finden“ wird, weil Jhwh ein „barmherziger Gott“ ist (V. 31). Dazu gehört, dass er sein Volk nicht aufgibt, nicht vernichtet und auch nicht den Bund mit den Vätern vergisst. Diese „mosaische Heilsankündigung“13 lässt auf eine neuerlich gelingende Beziehung zwischen Gott und seiner Gemeinschaft schließen und weckt Hoffnung.
Gegen Ende des Deuteronomiums erscheint dieselbe Dynamik wieder, sogar in verstärkter Form und mehrfach. Dtn 28–32 zeigt die Bewegung gleich zweimal, ein erstes Mal in Dtn 28–30: Die Fluchsprüche ab Dtn 28,15 weisen Erweiterungen in V. 45–57 mit zusätzlichen Ansagen und in V. 58–68 mit bedingten Flüchen auf.14 Dabei schildern V. 52–57 die Gräuel der babylonischen Belagerung so drastisch wie kein anderer biblischer Text. Ab dem Ende von V. 63 bis V. 67 ist die unruhige, notvolle und gefährdete Existenz in der Fremde im Blick, ebenfalls in ungewöhnlicher Schärfe. Auf diese fiktive ‚Vorausschau‘ und auf ihrer Basis erfolgt dann der Moab-Bundesschluss in Dtn 29, der für den Fall der Abwendung von Jhwh nochmals das Bild eines zerstörten Landes in V. 21–22 zeichnet und vom Herausreißen und Werfen der Menschen „in ein anderes Land“ spricht.15
Diese äußerst düsteren Ansagen werden im nächsten Kapitel aufgefangen. Die Funktion und Tragweite von Dtn 30 hat Ernst Ehrenreich wohl erstmalig in ihrem vollen Ausmaß erfasst und beschrieben.16 Nach ihm werden darin vier Problemfelder von Dtn 28–29 gelöst; drei von ihnen seien hier genannt: Die Beschneidung des Herzens (30,6) kehrt dessen mögliche Abwendung in der Verstocktheit um (29,18). Gottes Schadenfreude und Zorn (28,63; 29,27) finden eine Umkehrung in Erbarmen und positiver Freude (30,3.9). Der Grund für das Eintreffen der Flüche, das fehlende Hören auf Gottes Stimme (28,15), fällt weg, weil Israel nun diese Bedingung für die Beziehung mit ihm erfüllt.17 Dazu vermitteln die Motive der Umkehr und der Schicksalswende (30,2–3 und öfter) weitere tröstende Momente.
Diese Abfolge von drohendem völligem Untergang und unerwartetem Überleben begegnet ein zweites Mal unmittelbar anschließend in Dtn 31–32. Das verstärkt diese Dynamik und vertieft sie noch einmal. Gott selbst18 informiert Mose über den bevorstehenden Bundesbruch des Volkes und über die schweren Folgen, die es treffen werden (31,16–18.20–21). Die „vielen Übel und Bedrängnisse“ finden im Lied des Mose eine poetische Ausgestaltung in 32,21–35, als Folge des Verbergens von Gottes Angesicht und seines Zornes.19
Der Sprecherwechsel in Dtn 32,36 deutet eine Wende an. Mit
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Auch wenn die Tora fiktiv in der Zeit vor der Landnahme angesiedelt ist, spielt sie dennoch mehrfach auf die Katastrophe von 587 und die Exilserfahrung an. Mindestens viermal begegnet dabei deutlich die Abfolge, dass auf jene schweren Nöte hin Gott eine Wende zu neuem Heil schenkt. Damit kann die Gemeinschaft Hoffnung schöpfen und Trost erfahren.21 Dies erweckt den Eindruck, dass – aus der Perspektive der Schreibenden und Überlebenden – dieses enorme Leid bereits anfänglich überwunden ist oder zumindest ein Weg dazu sichtbar wird.
2 (K)ein Licht am Ende des Tunnels für die Vordere Prophetie in 2 Kön 25,27–30
Um das Trauma von 2 Kön 24f. und das Trostpotential dort richtig einschätzen zu können, bedarf es eines Rückblicks in den Erzählbogen von Jos 1 bis 2 Kön 17.
Josua führt und verteilt im Auftrag Gottes das Volk im verheißenen Land, wobei immer wieder die Gebote der Tora eingespielt werden. Wichtig ist vor allem die Aufforderung, „nicht abzuweichen nach links oder rechts“ (Jos 1,7; 23,6; Dtn 5,32; 17,11.20; 28,14), da sonst die Bedrängung durch andere Völker droht, die Israel bei der Landnahme nicht vernichten konnte (Jos 15,63 unter Bezug auf Dtn 9,5; Jos 23,13–16).22 Genau dies geschieht immer wieder im Richterbuch. In 1 Sam 8,7–18 findet sich dann bereits alles angelegt, was den Untergang Jerusalems evozieren wird.23 Dies entfaltet sich in den folgenden Kapiteln und Büchern, da sowohl die Sauliden (1 Sam 9–31), als auch die beiden Hoffnungsträger David und Salomo (2 Sam 7,11–16; 1 Kön 3,3–14) und nahezu alle ihre Nachfolger im Nord- und im Südreich versagen und das Königsgesetz nicht einhalten (Dtn 17,14–20; 2 Sam 11; 1 Kön 11,1–13).24
2.1 Die letzte Warnung für Juda, Reformversuche und Scheitern (2 Kön 17–24)
Mit der Reichsteilung in 1 Kön 12 beginnt der unaufhaltsame Niedergang von Nord- und Südreich, der in den traumatischen Untergang beider Reiche mittels Tod und Exil der Bevölkerung sowie die Zerstörung ihrer Hauptstädte und Heiligtümer mündet.25
In 2 Kön 17 wird das Nordreich von Assur erobert, die Bevölkerung deportiert, das Königtum und die Hauptstadt Samaria werden ausgetilgt. Als Grund dafür wird das permanente Versagen dieser zehn Stämme Israels und ihrer Könige vor Jhwh genannt, wobei ein ausführlicher Richtspruch alle für den Untergang (auch den späteren Untergang Jerusalems26 ) relevanten Vergehen auflistet: Israel hat sich gegen seinen rettenden Gott gewandt und verehrte stattdessen andere Gottheiten (V. 7.12.17), wobei die bamot und die Kultpfähle ein besonderes Ärgernis sind (V. 9–11.16). Es hörte nicht auf Gott und seine Weisungen, sondern verwirft sie, verlässt die Wege Jhwhs und bricht den Bund (V. 15–16). Den Höhepunkt dieser Aussagen trifft die Verallgemeinerung, dass nicht nur der König, sondern das ganze Volk der Sünde Jerobeams nacheiferte und daher auch zur Gänze verworfen werden muss (V. 21–22).
Betrachtet man die Schuldzuweisung, so bezieht sie sich vor allem auf das erste Gebot des Dekalogs (Ex 20,1–6; Dtn 5,6–10), d.h. das Grundübel ist das Vergessen des Gottes, der Israel einst gerettet hatte, und das Brechen seines Bundes.27 Explizit wird dabei auf die Warnung der Propheten hingewiesen (V. 13.23). Dann tritt der Untergang ein, das Trauma wird ausgelöst.
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In 2 Kön 17,13.19 wird zweimal direkt auf das Südreich Juda verwiesen und so ein Vorhalt auf 2 Kön 25 gesetzt, kombiniert mit der Mahnung, doch noch umzukehren, um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden.28 Diese zeigt kurzfristig Wirkung, da König Hiskija (2 Kön 18–20) eine Kultreform startet. Doch bevor sie Früchte tragen kann, stirbt er, und seine beiden Thronfolger Manasse und Amon kehren erneut und verstärkt zu den anderen Gottheiten zurück (2 Kön 21).
Die Thronbesteigung Joschijas, der vor Gott bestehen kann wie David (2 Kön 22,2.25), ist ein letzter großer Hoffnungswurf. Er führt die lang erwartete Kultreform konsequent durch, verdrängt die Völker aus dem Land und findet sogar die Tempelabschrift der Tora wieder (V. 8.10–11), die er sich umgehend von der Prophetin Hulda deuten lässt (V. 13–20), um sie anschließend zu befolgen (2 Kön 23,1–24).
Mit der Feier des Pessachfestes, das in diesem Fall den Übergang zurück in die Nähe Gottes bedeutet, könnte das Zweite Buch der Könige glücklich enden, doch Joschija stirbt bei einem Kriegszug (2 Kön 23,29b). Kein Happy End für das verbliebene Südreich ist gegeben und somit auch kein Trost für die Flüchtlinge aus dem Norden.
Die vier letzten Könige kehren zur Verehrung fremder Gottheiten zurück und besiegeln damit auch Judas Schicksal (2 Kön 23,30–25,7). Jojakim übertrumpft sogar die Taten Manasses und bringt Jhwh dazu, die Vertragsflüche aus Dtn 28,15–68 in die Tat umzusetzen.29 Gott sendet keine*n Prophet*in mehr, um die Könige zur Räson zu bringen, sondern hebt seinen göttlichen Schutz gegen das Land kurzzeitig auf, sodass feindliche Räuberbanden in Juda einfallen können (2 Kön 24,2–4) und es heißt: „Und nicht wollte Jhwh vergeben.“ (V. 4). Das Ende rückt unaufhaltsam näher, doch Jojachin kann es durch freiwillige Kapitulation in 2 Kön 24,12 noch ein letztes Mal verzögern und so den Weg der Hoffnung für sich als letzten Davididen und den deportierten Tempelschatz offenhalten.
2.2 Das absolute Trauma und ein kleiner Hoffnungsfunke im tosenden Feuer (2 Kön 25)30
Den eigentlichen Untergang beschwört Jojachins Onkel – als non-linearer Nachfolger – herauf, indem er Nebukadnezar gegenüber wortbrüchig wird (2 Kön 24,20). Dieser rückt erneut heran, lässt Jerusalem plündern, niederbrennen und die Mauern schleifen. König Zidkija wird gedemütigt und seine Söhne ermordet, sodass die davidische Linie bis auf Jojachin erloschen ist. Das Volk wird verschleppt oder ermordet, nur die wenigen Fronbauern verbleiben, die jedoch nach der Ermordung Gedaljas nach Ägypten fliehen (2 Kön 25,1–26).
Würde die Geschichte hier enden, dann wäre die Tragödie von Jhwh und seinem Volk zu Ende. Das Trauma wäre absolut, die einzig offene Frage wäre noch: Wozu wurde diese Geschichte von den Israeliten selbst überliefert?
Doch mit der Erhebung Jojachins aus dem Gefängnis Jahrzehnte später (2 Kön 25,27–30) wird der heillosen Geschichte eine tröstliche Wende gegeben.31 Die große Leerstelle von 26 Jahren zwischen der Zerstörung Jerusalems lässt viel Raum zur Spekulation darüber ob das Volk sich im Exil bekehrt hat (V. 27; vgl. den Exkurs zu Baruch). Im Text wird nur gesagt, Jojachin werde aus dem Gefängnis erhoben und erhalte einen Platz an der königlichen Tafel sowie eine ausreichende Versorgung am babylonischen Hof, für „alle Tage seines Lebens“ (V. 28–30).
Dieses Ende hat also zwei Seiten. Einerseits gibt es einen Aufstieg Jojachins, d.h. eine Verbesserung seiner Lebensumstände, andererseits bleibt er als Geisel am Hof des Fremdherrschers. Da es keine Todesnotiz gibt (im Gegensatz zu Jer 52,34), wird die Handlung vom zweiten Buch der Könige bewusst offengehalten. Obwohl eine Art „Epilogszene“ erzeugt wird, ist diese nicht abgeschlossen, sodass Lesende eine Fortsetzung erwarten.32 Jhwh tritt in dieser letzten Szene nicht auf, d.h. eine Wende im Schicksal Israels, wie sie die Tora verheißt (s.o.), bleibt aus.33 Das Buch bietet auf den ersten Blick also keinen Trost, nur der Fortbestand des gestürzten Königshauses scheint gesichert.
Im kanonischen Kontext tritt jedoch eine tröstlichere Perspektive auf, wenn die Joseferzählung einbezogen wird. Dann nämlich zeigt sich, dass 2 Kön 25,27–30 ein bewusst auf andere Texte hin offen gehaltenes Ende ist (anti-closure). Es ist Hinweis auf einen neuen Exodus und bietet tröstliche Anklänge auf eine erneute Zuwendung Gottes zu seinem Volk in der Zukunft. Wann und ob diese eintreten wird, bleibt aber völlig offen. Der Trost von 2 Kön 25 ist folglich sehr gedämpft.
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Die Bücher der Vorderen Prophetie legen einen Pfad des Verstehens für die Lesenden aus, weshalb Gott sein Volk der traumatisierenden Exilserfahrung aussetzte. Unzählige Male wird dabei das rettende Handeln Jhwhs in den Vordergrund gestellt, die Vertragsbrüche von Volk und Königen werden benannt und in Form barmherziger Gerechtigkeit exekutiert. Jhwh hält den Bund mit Israel notfalls auch einseitig durch und erweist sich damit wiederholt als der Gott, der seinem Volk beisteht. Diese tröstliche Perspektive jedoch kann bestenfalls aus den letzten Versen erwartet werden.
Indem die Jojachinperikope an den Exodus erinnert, wird Volk und König ein (möglicher) Neustart und eine Rückkehr ins verheißene Land in Aussicht gestellt – ein Hoffnungsfunke, auf den sich die erste Exilgeneration stützen konnte. Völlig neu hingegen wird diese Perikope bewertet, wenn sie im Kontext des später abgeschlossenen Jeremiabuches begegnet.
3 Eine Intensivierung in Jeremia
Die Beschäftigung mit den Ereignissen am Ende der Königszeit in Juda und Jerusalem samt deren Folgen prägt das gesamte Jeremiabuch mehr als jede andere Schrift der Bibel. Zudem stellen die Übereinstimmungen zwischen dem Ende von 2 Könige und Jer 52 einen Spezialfall innerhalb der Hebräischen Bibel dar. Kein anderer Text innerhalb der Prophetie deckt sich nämlich so weitgehend und so präzise mit einem anderen wie diese beiden.34 Da Gattung und Sprache dieses Textes deutlich stärker mit den Büchern der Könige verbunden sind und auch deren Dynamik auf dieses Ende zuläuft, wird nahezu einhellig angenommen, 2 Kön 24,18–25,30 sei die Vorlage und Jer 52 übernehme sie.35
Damit findet sich erneut ein massiver Akzent auf dem traumatischen Aspekt im Abschluss eines biblischen Buches, konkret in der Auseinandersetzung mit der Katastrophe von 587 v.Chr. Zusätzlich erscheint eine ähnliche Schilderung jenes Untergangs bereits zuvor in Jer 39. Abermals stellt sich die Frage, ob und wie irgendwo Trost erkennbar wird.
3.1 Veränderungen in Jer 52
Die Nähe der beiden Enden von 2 Kön und Jer hat mehrfach zu vergleichenden Studien geführt, oft auch mit Blick auf die differierenden hebräischen und griechischen Versionen.36 Für unsere Fragestellung sind die Unterschiede zwischen beiden Texten bedeutsamer. Dabei zeigen sich mehrere Zuspitzungen. Gegenüber 2 Kön 25,4 benennt Jer 52,7 das königliche Verlassen Jerusalems ungeschönt als „flüchten“. Das „Schlachten der Edlen“ in Jer 52,10 hat keine Entsprechung in 2 Kön 25,7 und verschärft damit Nebukadnezzars Strafmaßnahme. Die Ausweitung der Entleerung des Tempels lässt den Verlust größer erscheinen.37 Die Liste der Exilierungen in 52,28–30 ist Sondergut in Jer. Die vier Schlussverse 31–34 decken sich weitgehend38 mit deren oben detailliert besprochenen Vorlage 2 Kön 25,27–30; die markanteste Veränderung besteht in der Zufügung von „bis zum Tag seines Todes“ in V. 34, was das Ende Jojachins und damit der davidischen Dynastie (s. Jer 22,30) noch verschärft.39
Eine vorsichtige Bewertung dieser Unterschiede gegenüber dem Schluss von 2 Kön lässt eine Tendenz zu einer düstereren Darstellung als in der Vorlage erkennen. Jer 52 bringt zwar auch am Ende die Rehabilitierung Jojachins, enthält aber deutlich mehr und stärker negative Züge als 2 Kön 25 und lässt damit noch weniger Hoffnung als jener Text. Dazu kommt die unchronologische Positionierung im Buch; anstatt Jer 52 an der ‚passenden‘ Stelle nach Jer 38 ganz zu bringen, findet sich dort nur eine knappe, wesentliche Elemente auslassende Version. Dies alles legt nahe, das Schlusskapitel von Jer als stark traumatisch zu begreifen. Von Trost kann nur sehr beschränkt die Rede sein.
3.2 Jer 39 als ‚Version light‘
Die Gemeinsamkeiten von Jer 39,4.6 mit 52,7.10 gegenüber dem Ursprungstext 2 Kön 25 belegen,40 dass Jer 39 nicht direkt von 2 Kön abhängig ist, sondern mit Jer 52 zusammenhängt. Gegenüber dem Schlusskapitel handelt es sich um eine verkürzte Version, die zwar zusätzlich die Namen der babylonischen Heerführer in V. 3 nennt, aber das Geschick des Tempels und seines Inventars völlig ausblendet, obwohl es die einen Monat später erfolgenden Strafmaßnahmen auch kennt.41 Das fehlende Erwähnen des Niederbrennens des Tempels lässt offen, was mit ihm passiert ist. In dieser Logik stehen auch die 80 Pilger, die später in Jer 41,5 Opfer zum „Haus Jhwhs“ bringen wollen.
Andere Züge unterstreichen verbleibende Hoffnungen. Jer 39,10 akzentuiert mit „Volk der Niedrigen“ und Nebusaradans „geben“ von Weinbergen und Äckern stärker als 52,16 gute Aussichten für jene, die im Land wegen ihrer offenbar geringen Verantwortung an der Auflehnung gegen Babel zurückgelassen wurden. Mit dieser positiven Note schließt auch die Darstellung des babylonischen Zerstörungswerks. Darauf folgen in 39,11–14 ein Bericht von der Befreiung Jeremias auf oberste Anweisung hin sowie – eigens nachholend – die zeitlich vorausliegende Rettungszusage an Ebedmelech in V. 15–18.
Im Vergleich mit Jer 52 lässt Jer 39, trotz der Schilderung desselben grausamen Geschehens, einen völlig anderen Eindruck erstehen. Das Eingreifen der Babylonier 587 v.Chr. kommt dem Wiederherstellen von Gerechtigkeit nahe: Unschuldige Arme können sich mit dem anvertrauten Land selbst erhalten. Der bis dahin verfolgte und verachtete Prophet erhält Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Und auch für den äthiopischen Diener gibt es eine Stärkung inmitten des Untergangs, als eine Art ‚Belohnung‘ dafür, dass er Jeremia aus der Zisterne gerettet hat. Jer 39 zeigt in Verbindung mit dem Trauma der Zerstörung Jerusalems dreifach Trost.
3.3 Hoffnung in der ‚Mitte‘
Nach Jer 39 lässt auch das folgende Kapitel 40 noch Hoffnungen anklingen. Zunächst schildert es eine neuerliche Befreiung Jeremias, diesmal aus dem Sammellager in Rama, und eine Bestätigung seiner Botschaft durch Nebusaradan (V. 1–4). Der Prophet darf sich frei entscheiden und begibt sich zum von den Babyloniern eingesetzten Statthalter Gedalja (V. 5–6). Diesem gelingt eine Sammlung der Gemeinschaft; es kommt zu einer Rückkehr der Versprengten, und reichliche Ernten lassen weiterhin Gutes erwarten (V. 7–12).
Doch diese positive Entwicklung nach dem Untergang kippt durch die Bluttat und den Terror Ischmaels in Jer 41. Dies führt, aus Angst vor babylonischen Repressalien, zur Absicht, ihnen durch Flucht nach Ägypten zu entgehen (41,16–18), und schließlich zu deren Umsetzung in Jer 43–44, in erneutem Nicht-Hören auf Jeremia und wortbrüchig dem ihm gegebenen Versprechen (Jer 42,1–43,4).42 Damit kehrt sich nicht nur Gottes Befreiung aus Ägypten im Exodus um, sondern es kommt auch zur fast völligen Vernichtung des Volkes in der Fremde (44,27–28).43 Nach dem Trauma der Zerstörung Jerusalems folgt wegen fortgesetzter Nicht-Befolgung der göttlichen Weisung als zweites Trauma das Vergehen in der Ferne.44
Angesichts dessen, dass der Buchverlauf bis Jer 44 und auch das – chronologisch ‚deplatzierte‘ – Schlusskapitel 52 nur sehr wenig Hoffnung durchscheinen lassen, ist anderswo zu suchen, wo die tiefgehenden Verletzungen und Erschütterungen aufgefangen werden, die der Fall Jerusalems und die Zerstörung des Tempels ausgelöst haben. In unüblicher Weise bringt das Jeremiabuch knapp nach der Mitte, in Jer 29–33, eine Fülle heilvoller Ansagen. Sie funktionieren unterschiedlich: Jer 29 setzt die erste Exilierung von 597 v.Chr. voraus und spricht denen, die mit der Deportation das göttliche Gericht bereits erfahren haben, eine Wende zum Guten zu.45
Im Unterschied dazu sind die folgenden vier Kapitel, die ebenfalls Heil in großem Maß versprechen, anders situiert. Jer 30–31, die „Trostrolle“, ist zeitlich überhaupt nicht bestimmt. Jer 32 und 33 sind in die Zeit der Belagerung Jerusalems und Jeremias Aufenthalt im Wachhof angesetzt. Sie rechnen mit dem in wenigen Monaten erfolgenden Untergang46 und ‚antworten‘ gleichsam schon vorweg mit dem Ausblick auf ganz entscheidende, von Gott geschenkte Veränderungen zu neuem Leben. Sie enthalten vielfach Trost und geben so, noch vor den auf die Katastrophe hinlaufenden Kapiteln 34–39, die Aussicht auf ein Überleben. Mit dieser ungewohnten Anordnung, Heil in der ‚Mitte‘ statt am Ende zu bringen, trifft Jer eine besondere Aussage. Es zeigt damit, dass Hoffnung nicht erst ‚danach‘, am Ende kommt, sondern dass Gott auch die Phase des Scheiterns und des Zugehens auf die Zerstörung hin begleitet und die Beziehung zu ihm durch alle Nöte, Schmerzen und Verluste hindurch trägt.47
Exkurs: Die poetische Suche nach Worten in den Klageliedern
Kein poetischer Text der Bibel setzt sich so detailreich und intensiv mit der Zerstörung Jerusalems auseinander wie die Klagelieder.48 Klgl 1,1 beginnt mit einem Wehschrei, der sogleich durch schier nie enden wollende Tränen begleitet wird (1,2.16–17), weil Juda ins Exil gehen musste (V. 3). Die traumatischen Erfahrungen werden in den folgenden Liedern in zahlreichen Ausdrücken von Klage und Trauer gesammelt, und die eigene Schuld im Angesicht des göttlichen Gerichtes wird beweint.49 Es wird, so scheint es, eine Sprache gesucht, um die Schockstarre des Traumas zu durchbrechen und erste Worte zu finden.50
Klgl 3,22–33 bilden die Buchmitte und stehen zugleich in deutlicher Spannung zum vorangegangenen Buch, sodass man durch den Stilwechsel zum Innehalten und Nachdenken angeregt wird.51 Es wird von Gottes nicht endendem Erbarmen (
Das letzte der Threni beginnt mit dem Gottesnamen „Jhwh“ und einem Hilferuf (Klgl 5,1). Auch dieses Mal folgt eine Klage, doch sie ist nicht mehr geprägt vom Hunger, sondern von den Nöten des Sklavendaseins und der Depression (5,2–13.14–18).52 Von der Schockstarre ist Israel in den Überlebensmodus gewechselt und erinnert sich seines Gottes als Retter in der Not und nicht mehr als Richter (V. 19–22).53 Dabei lobt es zuerst in V. 19 seine ewig anhaltend Souveränität54 und fügt in V. 21 eine Bitte nach Umkehr an, die den Doppelungen der Wurzel
Die Klagelieder sind „kein Rezept für die Bewältigung des Leids. Vielmehr unterstreichen sie die Bedeutung der Klage, der eine zentrale Rolle im Umgang mit dem Leid zukommt.“57 Die Klagelieder bringen die traumatische Erfahrung von 587 v.Chr. zum Ausdruck und suchen ihren Trost im Gehörtwerden durch Gott. Am Ende findet eine Wende statt, die zwar wenig Trost, zumindest aber Kraft zum Weiterleben schenkt.58
4 Durchgang zu neuem Leben in 2 Chronik 36
Das Ende von 2 Chronik beschreibt wie der Abschluss von 2 Könige und Jer 52 die Ereignisse im Zusammenhang mit Jerusalems Fall 587 v.Chr., doch deutlich anders. Die ersten Verse stimmen in den wesentlichen Inhalten mit den Vorlagen in 2 Kön überein.59 Nachdem der Beginn der Darstellung von König Zidkija in 2 Chr 36,11–12a noch 2 Kön 24,18–19 aufgenommen hat, wandelt sich jedoch die Beschreibung der Schlussphase ab V. 12b mit „nicht demütigte er sich vor dem Propheten Jeremia“ völlig.
Hatte 2 Kön 25 „kommentarlos und unbeteiligt erzählt“,60 wie es zum Untergang kam, so bringt 2 Chr 36 demgegenüber eine stark reflektierende Sicht ein und bezeugt damit eine intensive Auseinandersetzung mit jenem Trauma. Die markanteste Veränderung gegenüber dem Vorlagentext ist die enorm gesteigerte Rolle Gottes.61 Schon im Vorfeld, in 2 Chr 36,5–12a, fällt fünfmal sein Name Jhwh. Ab V. 12b wird er oft erwähnt. Besonders treten hervor sein Sprechen, rahmend in V. 12b und 21, jeweils verbunden mit dem Auftreten Jeremias, sowie sein unaufhörliches,62 von Mitleid getragenes Bemühen in V. 15, sein Volk doch noch zur Umkehr zu bewegen.
Andere neue Momente in der Darstellung sind die Schuld Vieler und die Verunreinigung des Tempels in V. 14, die bewusste Ablehnung und Verspottung der Boten Gottes in V. 16 und das mitleidlose Umbringen der vier in V. 17 genannten Gruppen. V. 21 nimmt mit „ersetzen die Sabbate“ (für das Land) eine seltene Formulierung aus Lev 26 auf63 und kombiniert es überdies mit dem Motiv der „70 Jahre“ aus Jer 25,11–12; 29,10.64 Beide Themen bringen an ihren Ursprungsstellen die Aussicht auf ein Ende des Exils ein und lassen damit auch in 2 Chr 36 Hoffnung aufscheinen.
Noch viel stärker aber zeigen die beiden Schlussverse 22–23 die entscheidende Wende. Sie sind genommen aus Esra 1,1–3a, erwähnen zum dritten Mal Jeremia und rücken erneut Jhwh ins Zentrum des Geschehens.65 Mit universalem Horizont66 erhält Gottes „Volk“ die Erlaubnis zum Neubau des Tempels und zur Rückkehr. Dies fängt dessen Zerstörung sowie die bei den Eroberungen von 597 und 587 v.Chr. erfolgten Deportationen auf und führt die Gemeinschaft gleichsam auf einen ähnlichen Zustand wie früher zurück. Die Katastrophe erscheint von daher als Durchgang zu einem neuen Anfang.67
Im Unterschied zu allen zuvor behandelten Stellen zeigt 2 Chr 36 das intensive Bemühen, das Trauma des Untergangs Jerusalems zu verstehen und zu deuten. Anders als Lev 26; Dtn 4 und 28–32 kann es explizit auf 587 Bezug nehmen, und verschieden von den anderen Enden in 2 Kön 25 und Jer 52 nimmt es eine theologisch bestimmte Perspektive ein und gelangt von daher gegenüber den ambivalenten Schlussversen bei jenen zu einem eindeutig positiven Abschluss.68 In 2 Chr 36 ist das Reden vom Trauma von Trost durchtränkt.
Exkurs: Der Blick auf das Exil in Baruch und dem Brief des Jeremia
In der späten Baruchschrift69 wird ein exilisches Setting zu Lebzeiten Jojachins angedeutet, in welchem Baruch das vorliegende Buch vorliest, und zwar Volk und König in Babel (Bar 1,2–4). Vom vergangenen Trauma ist hier wenig zu spüren, vielmehr geht es um die Umkehr zu Gott und die Sorge für Jerusalem, während sich das Volk im Exil eingerichtet hat (Bar 1,11–13; 2,11–35; 3,9–14). Der Höhepunkt dieser Bemühungen liegt in Bar 4,2.6.21–23, denn dort wird Israel gebeten, endgültig zu Jhwh umzukehren, und es wird daran erinnert, dass eine Strafe, nicht aber die Vernichtung des Volkes geschehen ist.
Der Trost liegt auch in dieser Schrift in der Hoffnung auf Heimkehr, wenn es im Freudenlied Jerusalems heißt: „Und siehe die Freude, die dir durch deinen Gott entgegengeht. Siehe, deine Söhne, die du einst fortziehen lassen musstest, sie kommen zurück.“ (Bar 4,36b–37a) Im Schlussvers (Bar 5,9) ist der Trost vollkommen und die Verzweiflung des Exils in Freude (
Auch im Brief des Jeremia wird von einer zeitlich begrenzten Strafe für Israel im Exil gesprochen (
5 Fazit
Die besprochenen Texte zeigen eine wiederholte Beschäftigung mit dem Untergang Jerusalems und Judas 587 v.Chr. Viele von ihnen stehen in Endposition, als Abschluss der jeweiligen Schriften, was ihre Bedeutung unterstreicht und der Verarbeitung dieses Traumas Gewicht gibt. Dabei gibt es markante Unterschiede, sei es in der Darstellung der Katastrophe, sei es in den lichtvollen Ausblicken.
Die Tora hofft vor allem auf eine Wende Gottes und setzt nur wenig auf die Einsicht oder Treue der Menschen.71 In den folgenden Büchern der Vorderen Prophetie bleiben bei der intensiven Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Spuren einer Hoffnung bestehen. Israel sucht dort nach den Ursachen des Untergangs und findet sie bei sich selbst und nicht bei Gott. Wie in der Tora ist es nicht die Seite der Menschen, auf die sich deshalb die Hoffnung – wenn überhaupt – richtet. Am Ende gibt es mit dem Schicksal Jojachins einen kleinen Lichtblick auf eine Rückkehr oder zumindest ein Überleben.
Das Ende des Buches Jeremia kann neben Klgl 1 und 2 als Tiefpunkt der Hoffnungslosigkeit angesehen werden. Kein Trost scheint mehr denkbar, das Buch des Lebens steht kurz davor, zugeklappt zu werden. Jer 39, vor allem aber die Buchmitte setzen diese düstere Sicht ins rechte Licht und relativieren sie. Die Trostrolle Jer 30–31 samt den ihr folgenden Kapiteln 32–33 gibt dem Volk schon Hoffnung, bevor es den Gang ins Exil wirklich antreten muss.72
Baruch überdenkt die negative Perspektive von Jer 52 und versucht sich an einem alternativen Ende. Dafür steigt er in die Lücke der 26 Jahre ein, die 2 Kön 25,26 auf V. 27 //Jer 52,30 auf V. 31 hinterlassen hat. Volk und König kommen zur Einsicht, eine Rückkehr aus dem Exil gilt hier – ebenso im Brief des Jeremia – als sicher. Daher überwiegen im Buch Baruch in den beiden Schlusskapiteln 4–5 Hoffnung und Jubel; das Volk sieht sich bereits getröstet durch Jhwh.
Anders steht es im Buch der Klagelieder. Die ausführliche, hoch poetische73 Klage hilft den Leidenden, im Gebet zu Gott ihr Trauma ins Wort zu bringen. Die Perspektive liegt zunächst nicht in der Hoffnung, sondern im Zurückkämpfen ins Leben. Die Betenden klammern sich in den abschließenden Versen 5,19–22 an das Bild eines richtenden Jhwh, der irgendwann die Strafe für beendet erklären wird und sich ihnen wieder zuwendet.
2 Chr 36 ist wohl das triumphalste Ende. Zwar benennt es, teils deutlicher als die früheren Texte, die Schuld der Gemeinschaft, doch allein hier wird explizit davon gesprochen, dass das Volk mit der Heimkehr beginnen soll. Das Gericht bzw. die Strafe ist offiziell beendet, Gott hat sich seinem Volk bereits wieder zugewandt.
Die Durchsicht der Haupttexte zum Untergang Jerusalems und Judas 587 v.Chr. lässt ein Muster erkennen. Auch wenn jenes Ereignis einer Art ‚Tod‘ gleichkommt und ein Ende bedeutet haben könnte, zeigt sich überall eine ‚Überwindung‘: Auf Trauma folgt Trost.
Dabei schwingen wohl verschiedene Dimensionen mit. Die literarischen Darstellungen dürften Wurzeln in der Geschichte haben.74 Die Abfolge von Trost nach Trauma könnte auch einem psychologischen „Bedürfnis nach Hoffnung“ entspringen.75 Doch noch mehr sind die besprochenen Texte theologische Zeugnisse einer Zuversicht, in einem Gott wurzelnd, der auf Heil ausgerichtet ist und sich bereits zuvor vielfach als Retter erwiesen hatte.
Susan Zeelander, Closure in Biblical Narrative (BIS 111), Boston 2012, hat die zusammenfassende und die transformative Funktion von Erzählabschlüssen herausgearbeitet (144; 170–174). Offene Enden, wie sie in diesem Artikel benannt werden, zeichnen sich durch eine „anti-closure“, d.h. einen Sinnüberhang aus, der auf ein zukünftiges Ereignis („moving about“) hindeutet, ohne es zu evozieren (ebd. 181–183).
Gen 50 wird dominiert von der Aussöhnung unter den Brüdern nach dem Tod des Vaters Jakob. Ex 40 bildet mit der Errichtung des Heiligtums und Gottes Herrlichkeit darin einen Höhe- und Zielpunkt des Buches. In seiner Abschiedsrede in Jos 24 gelingt es Josua, das Volk für Dienst / Verehrung Jhwhs zu gewinnen. Sogar das Ende des Richterbuches zeugt vom Versuch, dem Stamm Benjamin ein Überleben zu ermöglichen (Ri 21). 2 Sam 24 berichtet das Ende der Plage, und nahezu alle Schriftpropheten schließen mit Ausblicken auf Heil. Auch weisheitliche Bücher enden positiv, so Ijob 42; Spr 31; Hld 8; Koh 12, und gleichfalls fast alle Psalmen; die markanteste Ausnahme ist Ps 88 mit „Finsternis“ als letztem Wort in Vers 19.
Zu ihnen zählen etwa Lev 27 mit Gelübden und Bestimmungen zum Zehnten; Esra 10 mit der Auflösung der Mischehen, ähnlich ebenso Neh 13 – je nach Bewertungsmaßstab wird das Urteil verschieden ausfallen. Dies gilt besonders auch für Ester 9–10 mit der Vergeltung der Juden an ihren Feinden.
Als Kriterien für diese Zuordnung zählen Schwere und Umfang der Unheilsschilderungen. Eine kurze Bemerkung wie z.B. in Jes 66,24 ist im Verhältnis zur vorher breit ausgefalteten Erneuerung nicht so gewichtig. Dagegen sind in den drei genannten Texten die Aspekte des Gerichts beherrschend.
Kathleen O’Connor, Pain and Promise, Minneapolis 2011, hat dies am Beispiel des Jeremiabuches untersucht. Breiter angelegt ist der Sammelband von Angelika Berlejung (Hg.), Disaster and Relief Management in Ancient Israel / Palestine, Egypt and the Ancient Near East. Katastrophen und ihre Bewältigung im Alten Israel / Palästina, in Ägypten und im Alten Orient (FAT 81), Tübingen 2012. Gute Überblicke zum Begriff „Trauma“ für die Geschehnisse von 587 geben Dominik Markl mit seinem Artikel „Trauma“ im Wibilex; Jean-Pierre Sonnet, Writing the Disaster. Trauma, Resilience and Fortschreibung, in: Peter Dubovksý / Dominik Markl / ders. (Hg.), The Fall of Jerusalem and the Rise of the Torah (FAT 107), Tübingen 2016, 349–357; David Janzen, The violent gift. Trauma Subversion of the Deuteronomistic History’s Narrative (LHBOT 561), London 2012, 186–211. Weitere Aspekte bietet Dominik Markl, Cultural Trauma and the Song of Moses (Deut 32), in: OTE 33/3 (2020) 674–689, hier: 676f., sowie ders., The Babylonian Exile as the Birth Trauma of Monotheism, in: Bib 101 (2020) 1–25.
S. dazu auch den von P. Dubovský / D. Markl / J-P. Sonnet herausgegebenen Sammelband (s. Anm. 5).
Der zweite Begriff unseres Titels betrifft mehrere Ebenen und ist von daher schwer zu fassen. Wir greifen für das Reden von „Trost“ auf die Studie von Christoph Schneider-Harpprecht, Trost in der Seelsorge, Stuttgart 1989, zurück, der psychoanalytische, soziologische und (besonders pastoral-) theologische Aspekte berücksichtigt. Er nennt als wesentliche Momente das Erschließen von bewusstlosem Leiden, die Entwicklung exakter Zukunftsperspektiven sowie die Hilfe zum Aushalten der Spannung zwischen gegenwärtigem Leid und Hoffnungsphantasien (103–104). Angelika Berlejung, Disaster (s. Anm. 5) 3–38, bes. 27–28, nennt als weitere Mechanismen zur Bewältigung einer Krise u.a. die Sicherung des Systems, die Integration in das kollektive Gedächtnis sowie die Einbeziehung der Rettungserfahrungen der Überlebenden. Im selben Sammelband verweist Jan Dietrich, Katastrophen im Altertum aus kulturanthropologischer Sicht, 85–116, hier 97, auf die wichtige Rolle von Poesie und Erzählung dabei.
V. 33: „Und euch werde ich ausstreuen unter die Nationen“; V. 36: „in den Ländern eurer Feinde“, auch in V. 39; V. 38: „ihr werdet zugrunde gehen unter den Nationen“; V. 41 und 44: „ins / im Land ihrer Feinde“; V.43: „und das (= ihr eigenes) Land wird von ihnen verlassen sein“.
In diesem Sinn deutet Thomas Staubli, Die Bücher Levitikus und Numeri (NSKAT 3), Stuttgart 1996, 194, die Stelle: „… stellt die Exilserfahrung als Gipfel der Schande und als ein Trauma dar, das die Menschen verstört und derart zerrüttet, …“.
Dazu T. Staubli, Lev und Num (s. Anm. 9) 194: „Der letzte Abschnitt widerspiegelt zwei Stadien der Verarbeitung und Bewältigung des Exilsschicksals, das die IsraelitInnen 587 v.Chr. ereilt hat“.
Treffend spricht Markus Zehnder, Leviticus 26 and Deuteronomy 28, in: M. Armgardt u.a. (Hg.), Paradigm Change in Pentateuchal Research (BZAR 22), Wiesbaden 2019, 115–175, hier 159, von „relatively undeveloped character of the description of new hope in Leviticus 26“.
Ebenso sieht es Eckart Otto, Deuteronomium 1,1–4,43 (HThKAT), Freiburg iBr 2012, 571; er diskutiert auch die Spannung mit der „völligen Vernichtung“ am Ende von V. 26 und löst sie dahingehend, dass er Vernichten „unspezifisch“, d.h. allgemein versteht, während „JHWH konkreter durch die Exilierung“ handelt.
E. Otto, Deuteronomium 1,1–4,43 (s. Anm. 12) 574.
Georg Braulik, Deuteronomium II. 16,18–34,12 (NEB), Würzburg 1992, 203, sieht darin eine Redaktion „in der Zeit des babylonischen Exils oder noch später“ am Werk. Eckart Otto, Deuteronomium 23,16–34,12 (HThKAT), Freiburg 2017, 2000, rechnet mit einer „nachexilischen Fortschreibung“.
G. Braulik, Deuteronomium II (s. Anm. 14) 215, sieht die Verbannung Israels als „schlimmste Auswirkung“ an. Dominik Markl, Gottes Volk im Deuteronomium (BZAR 18), Wiesbaden 2012, 101, schreibt zu V. 24–27: „die Rede … aber streut schmerzhaftes Salz in die Wunde der Exilserfahrung“. Diese Traumata halten an, was am Ende von V. 27 mit „wie am heutigen Tag“ deutlich wird.
Ernst Ehrenreich, Wähle das Leben! Dtn 30 als hermeneutischer Schlüssel zur Tora (BZAR 14), Wiesbaden 2010, s. besonders seine Zusammenfassung 272–275.
E. Ehrenreich, Wähle (s. Anm. 16) 115–121, zeigt die Steigerung dabei in 30,2.8.10 auf; zusätzlich findet sich die Wendung noch in 30,20.
Zur Schlüsselrolle dieser Rede und ihrer Struktur s. D. Markl, Gottes Volk (s. Anm. 15) 180–196.
Die beiden Motive in 32,20.22 nehmen seine Ankündigungen in 30,17–18 auf. Weitere Verbindungen nennt D. Markl, Gottes Volk (s. Anm. 15) 244. Eine Steigerung zum vorausliegenden Kapitel liegt im aktiv und stark schadenden Vorgehen Gottes gegen Israel, wie E. Otto, Deuteronomium 23,16–34,12 (s. Anm. 14) 2182, bemerkt.
HALAT 651.
M. Zehnder, Leviticus 26 (s. Anm. 11) 160–169, untersucht ausführlich diesen Aspekt. Er zieht dabei vergleichend für Lev 26 und Dtn 28–32 auch Dtn 4; Jer 30 und 32 heran; dabei scheint für ihn Lev 26 allen anderen Texten vorauszuliegen.
Vgl. Egbert Ballhorn, Israel am Jordan. Narrative Topographie im Buch Josua (BBB 162), Göttingen 2011, 229f.; J. Cornelis de Vos, Das Los Judas. Über Entstehung und Ziele der Landbeschreibung in Josua 15 (SVT 95), Boston 2003, 289–291.
Vgl. Shimon Bar-Efrat, Das Erste Buch Samuel. Ein narratologisch-philologischer Kommentar (WMANT 176), Stuttgart 2007, 138; 145–149; Walter Brueggemann, First and Second Samuel (Interpretation), Louisville, KN 1990, 62f.
Das fatale Scheitern Sauls und die spätere Einschränkung des göttlichen Zorns durch die Natanweissagung (2 Sam 7) bringt Jeremias in eine heilsgeschichtliche Linie mit der Fluterzählung aus Gen 6–9 in Verbindung, die mit der Selbstverpflichtung Gottes endet, nie wieder die gesamte Schöpfung zu gefährden (vgl. Jörg Jeremias, Der Zorn Gottes im Alten Testament. Das biblische Israel zwischen Verwerfung und Erwählung [BThS 104], Neukirchen-Vluyn 2009, 9–12; 46; 56; 67–75; 186).
Der direkte Zusammenhang von schlechten Königen und dem Verlust ihrer Macht durch den Verlust des Landes lässt sich noch häufiger in Texten des Alten Orients ausmachen und geht zumeist mit einer dem Vergehen entsprechenden „Spiegelstrafe“ einher (vgl. Hans-Peter Schaudig, Erklärungsmuster von Katastrophen im Alten Orient, in: A. Berlejung, Desaster [s. Anm. 5], 425–443, hier: 430f.; 435–440).
Vgl. Peter Dubovský, Suspicious Similarities. A Comparative Study of the Falls of Samaria and Jerusalem, in: Ders. / D. Markl / J.-P. Sonnet (Hg.), Fall of Jerusalem (s. Anm. 5) 47–71, hier: 67.
Vgl. Erik Aurelius, Der Ursprung des Ersten Gebots, in: ZThK 100 (2003) 1–21.
Kristin Weingart, Stämmevolk – Staatsvolk – Gottesvolk? Studien zur Verwendung des Israel-Namens im Alten Testament (FAT 2/68), Tübingen 2014, 17; 255; 362–363, hat in ihrer Arbeit gezeigt, dass der Untergang des Nordreiches eine Übertragung des Israel-Namens auf das Südreich zur Folge hatte bzw. auf das nachexilische Volk, sodass die Mahnungen an Israel zusätzlich an Gewicht gewinnen.
Vgl. Hans U. Steymans, Deuteronomium 28 und die âde zur Thronfolgeregelung Asarhaddons. Segen und Fluch im Alten Orient und in Israel (OBO 145), Fribourg 1995, 23; 27; 209, Fußnote 4. Zugleich betont er aber: „Der Fluch ist nur der negative Hintergrund der eigentlich von Jhwh und Israel angestrebten gegenseitigen Treue, aus der für Israel Segen und Leben fließen“ (ebd. 382). Für die Deutung der Sünde Manasses als Auslöser und ausgehend von 2 Kön 17 sei auf die bisher unveröffentlichte Dissertation am PBI verwiesen Krzysztof Kinowski, The Meaning of Bloodshed in 2 Kgs 21:16, 24:4 in the Context of the Fall of Judah [Rom 2017].
Die nachfolgenden Ausführungen skizzieren die Argumentationslinie von Benedikt J. Collinet, Die letzten Könige von Juda. Eine narratologische und intertextuelle Lektüre von 2 Kön 23,30–25,30 (BBB 188), Göttingen 2019, bes. 79–80; 96–106; 132–138; 161–167; 187–190; 199–232.
Die Deutung dieser Perikope gehört seit Martin Noth und Gerhard von Rad zu den meistumstrittenen in der Vorderen Prophetie. Einen guten Überblick zum Diskussionsstand bietet Paul S. Evans, The End of Kings as Presaging an Exodus. The Function of the Jehoiachin Epilogue (2 Kgs 25:27–30) in Light of Parallels with the Joseph Story in Genesis, in: MJTM 16 (2014/15) 65–100, bes. 77–84; 90–91; B. Collinet, Könige (s. Anm. 30) 216–226. Jüngste Beiträge stammen von Johanna W. H. van Wijk-Bos, The Land and Its Kings. A People and a Land, Grand Rapids, MN 2020, 298–301; Dalit Rom-Shiloni, Voices from the Ruins. Theodicy and the Fall of Jersusalem in the Hebrew Bible, Grand Rapids, MN 2021, 87; 245–251.
Weitere offene Enden finden sich 2 Chr 36,23 und Apg 28,30 und evtl. in Ex 40,38, da Israel nicht am Sinai verbleiben soll, sondern auf dem Weg ins verheißene Land ist.
Anders ist es etwa in Ez 16, das die Geschichte Israels bis zum Exil in a nutshell präsentiert. Das Schicksal Jerusalems wird personifiziert als Braut Jhwhs, die untreu wird und anderen Völkern und Gottheiten folgt (V. 1–35). Verglichen mit dem Untergang Samarias muss auch Jerusalem nun unter Demütigungen untergehen (V. 36–59). Tröstlich wird es in den letzten Versen 60 bis 63, denn dort findet die Wende im Herzen Gottes statt. Er will seines Bundes gedenken und Israel seine beschämend großzügige Barmherzigkeit schenken, um Versöhnung möglich zu machen.
Vergleichbar wären nur, allerdings im Kanonteil der Schriften, die ausgedehnten Parallelen der Chronik mit den Samuel- und Königebüchern sowie die Aufnahme von 2 Sam 22 in Ps 18.
Georg Fischer, Jeremia 26–52 (HThKAT), Freiburg 2005, 637–638.
Die letzte umfangreiche Untersuchung stammt von Henk de Waard, Jeremiah 52 in the Context of the Book of Jeremiah (VTS 183), Leiden 2020. Er gibt, im Unterschied zu G. Fischer, Jeremia 26–52 (s. Anm. 35) 639–640, der LXX den Vorzug.
Wilhelm Rudolph, Jeremia (HAT), Tübingen 31968, 321–322. Es werden mehr geraubte Kultgegenstände genannt und die Bronzesäulen ausführlicher beschrieben.
Für die Einzelheiten s. G. Fischer, Jeremia 26–52 (s. Anm. 35) 654–657.
Matthew H. Patton, Hope for a Tender Sprig (BBRS 16), Winona Lake, IN 2017, deutet anders und will im Kontext von Jeremia die markierten Änderungen als positiv sehen (S.81–85). Da aber nur eine Todesnotiz und keine Nachfahren Jojachins genannt werden, ist das Fenster für eine Zukunft der Davididen geschlossen.
Es handelt sich um explizites Erwähnen von „flüchten“, das „Schlachten der Edlen“ und Narrativ im Singular mit dem „König von Babel“ als Subjekt des Tötens der Kinder Zidkijas.
Jer 39,8–9 decken sich inhaltlich mit 52,13–15 bezüglich der Zerstörung wichtiger Häuser in Jerusalem und dessen Mauern sowie der Exilierung eines Teils der Bevölkerung.
Für Rocco Caruso, Il Paradigma della Scelta Disobbediente. Studio narratologico di Ger 40–44 (Tesi Gregoriana. Serie Teologia 244), Rom 2020, sind diese Kapitel ein Beispiel des auch noch nach der Katastrophe fortdauernden Ungehorsams der 587 v.Chr. überlebenden Judäer.
Dies gilt literarisch; in Wirklichkeit bildete sich in Ägypten eine relativ starke jüdische Diaspora. Zur besonderen Rolle von Ägypten in Jer s. Michael P. Maier, Ägypten – Israels Herkunft und Geschick. Studie über einen theo-politischen Zentralbegriff im hebräischen Jeremiabuch (ÖBS 21), Frankfurt M. 2002.
Doch gibt es auch hier im Anschluss einen kleinen Lichtblick: Parallel zur Darstellung in Jer 39, dort für Ebed-Melech, folgt in Jer 45 ein Rettungswort für Baruch; es wird allerdings ebenso ‚verspätet‘ gebracht wie jenes, da es im Zusammenhang mit Jer 36 steht und auf das Jahr 605 v.Chr. angesetzt ist.
Erstmalig begegnet im Buch dabei in V. 14 die Fügung
Siehe z.B. Jer 30,5–7a.12–15; 31,15.18–19; 32,24; 33,4–5.
Mit „Hope through the wreckage“ fasst Louis Stulman, Conflicting Paths to Hope in Jeremiah, in: C. R. Yoder u.a. (Hg.), Shaking Heaven and Earth (FS Walter Brueggemann), Louisville 2005, 43–57, hier 48, treffend diese Eigenart von Jer und entfaltet sie dann in sieben Aspekten (bis S. 55).
Da es in diesem Beitrag vor allem um Buchenden geht, fallen Detailuntersuchungen zu den poetischen Texten innerhalb der Bücher aus. Es böte sich sonst etwa an, die Psalmen zu untersuchen. Ps 137 schildert die Erfahrung des Exils als eines Ortes der Trauer (V. 1 „weinen“; V. 4 „wie hätten wir singen können … auf fremder Erde“). Die V. 8–9 sind von Rachephantasien gegen Babel geprägt, die jedoch keinen Trost zu spenden vermögen. Auch Ps 87 erhält eine direkte Anspielung auf Babel (V. 4). Dort ist der Zion die Geburtsstätte aller Menschen, ein versöhnliches Bild, das jedoch nicht weiter entfaltet wird.
Vgl. Ulrich Berges, Klagelieder (HThKAT), Freiburg iBr 2002, 103; 105; 115; 121–123; 246; 252–254; Christian Frevel, Die Klagelieder (NSKAT), Stuttgart 2017, 102; 125; 142f.; 160f.; 194.
Vgl. C. Frevel, Klagelieder (s. Anm. 49) 194.
Vgl. C. Frevel, Klagelieder (s. Anm. 49) 224–232.
Vgl. U. Berges, Klagelieder (s. Anm. 49) 278.
Vgl. C. Frevel, Klagelieder (s. Anm. 49) 353.
U. Berges, Klagelieder (s. Anm. 49) 296: „… das unbegrenzte Thronen JHWHs“.
S. Jer 31,18, weiters 4,1; 15,19 sowie die Bitten des Propheten in Jer 17,14 mit zwei anderen Verben.
Vgl. C. Frevel, Klagelieder (s. Anm. 49) 298; 303; 318.
Christian Frevel / Ivo Meyer, Die Klagelieder, in: Erich Zenger / Christian Frevel (Hg.), Einleitung in das Alte Testament, Stuttgart 92016, 583–591, hier: 589.
Vgl. auch die Ausführungen zur Theologie der Klagelieder bei C. Frevel, Klagelieder (s. Anm. 49) 73–82.
2 Chr 36,1–10 verwenden in Auszügen die Notizen über die Könige Joahas, Jojakim und Jojachin aus 2 Kön 23,30–24,17, setzen aber dennoch dabei eigene Akzente, z.B. mit der Betonung von „Bruder“, zweimal in V. 4, mit den „Fesseln“, der Wegführung der Geräte schon unter König Jojakim und dessen „Gräueln“ in V. 6–8. Eine grobe Übersicht zum Vergleich gibt Sara Japhet, 2 Chronik (HThKAT), Freiburg iBr. 2003, 498.
So S. Japhet, 2 Chronik (s. Anm. 59) 507; dies gilt großteils auch für Jer 52. Im Vergleich dazu zeigt die Behandlung des Untergangs Samarias und des Nordreichs in 2 Kön 17 eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Suchen nach den Ursachen (s. die Bemerkungen dazu oben).
Gott wird am Ende von 2 Kön nur in 24,19–20 und 25,16 erwähnt (// Jer 52,2–3.17.20), ist dabei aber nie Subjekt.
Die Fügung
So Thomas Hieke, Levitikus 16–27 (HThKAT), Freiburg iBr. 2014, 1085–1086. Die Wendung
S. dazu John Applegate, Jeremiah and the Seventy Years in the Hebrew Bible, in: Adrian Curtis / Thomas Römer (Hg.), The Book of Jeremiah and its Reception. Le livre de Jérémie et sa reception (BEThL 128), Leuven 1997, 91–110, hier 91; 97f., sowie Benjamin Ziemer, Das 23. Jahr Nebukadnezars (Jer 52,30) und die ‚70 Jahre für Babel‘, in: Jens Kotjako-Reeb / Stefan Schorch u.a. (Hg.), Nichts Neues unter der Sonne? Zeitvorstellungen im Alten Testament (FS Ernst-Joachim Waschke; BZAW 450), Berlin 2014, 187–212.
Sein Name wird viermal genannt. Auch ist er derjenige, der den Geist des Kyrus erweckt und ihn zu diesem Handeln beauftragt.
Siehe die Ausdrücke „in seinem ganzen Königreich“, „alle Königreiche der Erde“ und „Gott des Himmels“.
Dafür sprechen zwei Aspekte: Der fremde Herrscher ist dem Volk Jhwhs gewogen. Außerdem spielt bei diesem Beginn das davidische Königtum keine Rolle mehr.
S. Japhet, 2 Chronik (s. Anm. 59) 510, sieht darin „den Beginn einer neuen, hoffnungsvollen Epoche in der Geschichte Israels“.
Vgl. die Diskussion der Datierung bei Odil H. Steck, Das apokryphe Baruchbuch. Studien zur Rezeption und Konzentration „kanonischer Überlieferung“ (FRLANT 160), Göttingen 1993, 285–302.
Vgl. Georg Fischer, Simulated Similarities: The Intricate Relationship between the Books of Baruch and Jeremiah, in: Sean A. Adams (Hg.), Studies on Baruch. Composition, Literaray Relations, and Reception (DCLS 23), Berlin 2016, 5–24; ders., Baruch, Jeremiah’s Secretary? The Relationships between the Book of Jeremiah and the Book of Baruch, in: ders. (Hg.), Jeremiah Studies. From Text and Contexts to Theology (FAT 139), Tübingen 2020, 195–212.
Doch siehe die „Bekehrungsnotizen“ in Lev 26,39–40 und Dtn 30,1–2, am Übergang zum Wandel des Geschicks.
Jer 29 (bes. V. 4–14) exemplifiziert diesen Zusammenhang als frohe Botschaft an die 597 mit König Jojachin nach Babel Verschleppten.
S. dazu C. Frevel, Klagelieder (s. Anm. 49) 18–36, und zur akrostichischen Form der ersten vier Lieder 34–35.
Zu denken ist an die Rückwanderung aus dem Exil, den Wiederaufbau des Tempels und Jerusalems, die Neuorganisation der Gemeinschaft in der Heimat, u.a. Diese Aufbrüche dürften zumindest teilweise bereits Realität geworden sein.
Vgl. Georg Fischer, A Need for Hope. A Comparison of the Dynamics in Lev 26 and Deut 28–30, in: Roy E. Gane / Ada Taggar-Cohen (Hg.), Current Issues in Priestly and Related Literature. The Legacy of Jacob Milgrom and Beyond (SBL Resources for Biblical Literature 82), Atlanta, GA 2015, 369–385, neu in: Georg Fischer, Gott und sein Wort. Studien zu Hermeneutik und biblischer Theologie (SBAB 70), Stuttgart 2019, 145–163.