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Anthologien der Frühen Neuzeit im europäischen Kontext: Definition und Kontext

Einführung

Anthologies from Early Modernity in the European Context: Definition and Context

Introduction
In: Daphnis
Authors:
Nicolas Detering Institut für Germanistik, Universität Bern Bern Schweiz

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Dirk Rose Institut für Germanistik, Universität Innsbruck Innsbruck Österreich

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Isabella Walser-Bürgler Institut für Klassische Philologie und Neulateinische Studien, Universität Innsbruck Innsbruck Österreich

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“Die Anthologie,” heißt es in dem betreffenden Artikel im Historischen Wörterbuch der Rhetorik, “bezeichnet eine unter vorwiegend nichtliterarischen Gesichtspunkten zusammengestellte Auswahl.”1 Im Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft wird ergänzt, dass “in der Regel Anthologien bereits anderswo veröffentlichte Texte bringen.”2 Und das Handbuch Kanon und Wertung fasst zusammen, Anthologien gelten im literarästhetischen Diskurs “als eine grundsätzlich parasitäre Publikationsform, die Originalprodukte exzerpiert, verzerrt und extrinsischen Werten unterordnet.”3 Ihnen könne allenfalls der Status eines “Museums der Literatur”4 zukommen.

Diese Einschätzungen orientieren sich fast ausschließlich am großen Erfolg von Überblicksanthologien im 19. und 20. Jahrhundert, also jenen Anthologien, die einen exemplarischen Überblick über zentrale Texte und Epochen der Literaturgeschichte versprechen.5 Deren medientechnische Voraussetzung ist ein über Archivinstanzen erschlossener und durch Kanoninstanzen strukturierter Buchmarkt, der als Ressource für die jeweiligen Anthologien dient. Die Realität des weit gespannten Anthologienmarktes bildet dieses Modell aber nur unzureichend ab. Denn bis in die Gegenwart hinein werden Anthologien auch dafür genutzt, um neue Texte – oft sogar von unbekannten Autorinnen und Autoren – zu veröffentlichen und sie unter einem gemeinsamen Dach im literarischen Feld zu positionieren. Kaum ein Medium ist besser geeignet, im materiellen Beieinander unterschiedlicher Texte eine symbolische Gemeinschaft zwischen diesen und ihren Verfassern zu stiften. Auch deshalb sind Anthologien ein ideales Medium für literarische Gruppenbildungsprozesse.6 Oder um es mit Stefanie Lethbridge zu sagen: “Anthologien sind aus kulturwissenschaftlicher Perspektive nicht nur Ausdruck, sondern vor allem auch Gestalter kultureller Werte.”7

Das ist freilich kein modernes Phänomen. In den anthologischen Sammlungen der Frühen Neuzeit dominierte die gegenwartsbezogene Funktion sogar, besonders in Lyrikanthologien. Sie waren eben keine Museen der Literatur, sondern im Gegenteil: Zukunftsprojekte. Anthologien wurden als Plattform genutzt, um aktuelle Texte – oft von jungen Dichterinnen und Dichtern – zu publizieren und damit die Leistungsfähigkeit der zeitgenössischen Dichtung sowohl in den jeweiligen Volkssprachen als auch in Latein unter Beweis zu stellen. Das machte sie attraktiv für kulturpolitische Interventionen und in Folge dessen für Kanonbildungsprozesse.

Diese Entwicklung zeichnete sich bereits früh in der humanistischen Dichtung Italiens sowie im Umfeld der Pléiade in Frankreich ab, lässt sich aber – teilweise zeitversetzt – quer durch Europa verfolgen. In vielen Ländern entsteht, inspiriert durch die neulateinische Dichtung und ihre Adaption in diversen Volkssprachen, eine zeitgenössische Lyrik, die zwar durch ihre Verwurzelung in der europäischen Gelehrtenrepublik überregionale und übernationale Tendenzen aufweist, aber zugleich als dezidiert eigenständige Dichtung einer jeweiligen Region oder Sprachgemeinschaft verstanden sein will. Damit ist in vielen Ländern der Grundstein für ein nationalliterarisches Dichtungsverständnis gelegt, das durch fortschreitende Kanonisierungsprozesse weiter ausgebaut und institutionalisiert werden wird: mit der ‘Poesie’, also gereimter Dichtung, im Zentrum. Anthologien kommt dabei eine doppelte Schlüsselstellung zu: Einerseits speisen sie diese Texte in das literarische Feld ein und fordern zur Nachahmung auf, das heißt: zur anhaltenden Produktion. Andererseits tradieren und kanonisieren sie schrittweise diesen Textbestand, bis er schließlich über Bildungsinstitutionen und weitere Kanoninstanzen wie Schule, Universität und Verlagswesen zum festen Bestand der jeweiligen Dichtungstradition erklärt werden kann.

Frühneuzeitliche Anthologien dienten daher nicht nur als Ausweis einer aktuellen Dichtung, sondern bald auch als Forum der jeweils aktuellen Dichtung. Aufgrund dieser Dynamik fungierten sie auch als wichtiger Motor für die Herausbildung einer volkssprachlichen humanistischen Dichtungstradition, die sich in ihnen sowohl ihrer Muster versichern konnte als auch generationell zu erneuern verstand. Ihre ‘ästhetische Eigenzeit’, um einen aktuellen Begriff aus der Forschung dafür aufzugreifen,8 ist derjenigen von Überblicksanthologien, welche das Bewahrenswerte der literarischen Tradition versammeln, geradezu diametral entgegengesetzt. Denn über weite Strecken sind diese Anthologien, vor allem in der Frühphase der neuhumanistischen Poesietradition, in die literarhistorische Zukunft hinein projiziert; am anschaulichsten vielleicht bei der Sammlung Den Bloem-Hof Van de Nederlandsche Jeught beplant (1608), wo die lyrischen Blumen und Blüten einer jungen Generation, bildlich gesprochen, noch im Medium der Anthologie heranwachsen müssen, um dann – im selben Medium – als Blumenlese zusammengestellt werden zu können.

Neulateinische Perspektiven

Diese Entwicklung lässt sich in der Frühen Neuzeit freilich nicht losgelöst von der parallel gelagerten lateinsprachigen Dichtungspraxis verstehen. Was die neulateinische Literatur anbelangt, könnte man sogar sagen, dass die Anthologie gegenwärtig eine Renaissance feiert. Allein in den letzten 60 Jahren sind nicht weniger als 20 Anthologien neulateinischer Prosa und Dichtung auf dem Markt erschienen, darunter einflussreiche Sammlungen wie Francesco Arnaldis Poeti latini del Quattrocento (1964), Pierre Laurens’ und Claudie Balavoine’s Anthologie de la poésie latine dans l’Europe de la Renaissance (1975) oder Fred Nichols Anthology of Neo-Latin Poetry (1979) – und erst kürzlich wurde diese kanonisierte Riege komplettiert von Sammlungen wie Mark Riley’s Neo-Latin Reader (2016), Milena Minkova’s Florilegium recentioris Latinitatis (2017) oder Martin Korenjak’s Neulatein. Eine Textsammlung (2019). Diese Fülle an neulateinischen Anthologien ist natürlich an den disziplinären Aufstieg der neulateinischen Studien gebunden. Die Neulateiner müssen sich sozusagen ständig einen erneuten Überblick darüber verschaffen, welche Texte überhaupt vorhanden sind, welche Texte neu entdeckt wurden und welche Texte sich lohnen, von einer breiteren Leserschaft gekannt und gelesen zu werden. In mancher Hinsicht ließe sich hier von Ansätzen eines modernen Kanonisierungsprozesses sprechen.

Ähnliche Bemühungen finden sich bereits in der Frühen Neuzeit. Am bekanntesten war dabei die erste neulateinische Anthologie, die ihr Textmaterial nach Nationen, das heißt nach dem Herkunftsgebiet der Gedichtautoren, ordnete und die der niederländische Universalgelehrte Jan Gruter zwischen 1608 und 1614 in mehreren Bänden herausgegeben hat: die Delitiae poetarum Italorum, Gallorum, Germanorum und Belgicorum.9 Inwiefern Gruters Sammlungen von politischen Motiven getrieben waren, ist schwer zu sagen. Ganz von der Hand weisen lässt sich das Argument einer politisierten Anthologie in seinem Fall wohl aber nicht, gerade wenn man in Betracht zieht, welche Gedichte Gruter im Angesicht von Konfessionalisierungs- und Staatenbildungskriegen nebeneinander vereint. Vom politischen Moment abgesehen trieb viele neulateinische Autoren bei der Erstellung von Gedichtsammlungen aber auch einfach nur das persönliche Interesse an bestimmten Autoren oder Texten. Ein solches Beispiel stellen etwa die drei Bände lateinischer Lehrgedichte dar, die unter dem Titel Poemata didascalica 1749 in Paris vom französischen Jesuiten Francois Oudin herausgegeben wurden und 1813 sogar eine erweiterte Zweitauflage erlebten.10 Oudin sammelte, was ihm gefiel, und fügte der Sammlung zudem zahlreiche Gedichte aus eigener Hand hinzu – eine geschickte PR-Strategie, um seine eigene wissenschaftliche Arbeit in die bestehende Forschungstradition einzureihen.

Neulateinische Gedichtsammlungen spiegeln häufig die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wider, innerhalb derer viele als Dichter tätige Männer agierten. Zahlreiche Sammlungen entstanden etwa im Kontext regionaler literarischer Zirkel und Gesellschaften, die die Werke ihrer Mitglieder durch eine Sammelpublikation öffentlich machen wollten. Ein schönes Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum ist der von Georg Philipp Harsdörffer gegründete Pegnesische Blumenorden, dessen jeweilige Präsidenten typischerweise ihre eigenen Gedichte gesammelt veröffentlichten und die Gedichte ihrer Freunde und Bekannten im Blumenorden um ihre Texte herum gruppierten. Einen wichtigen Bezugspunkt zwischen den Gedichten solcher Sammlungen stellen außerdem namhafte Mäzene dar, die die Dichter finanziell unterstützten und förderten. Dadurch wurde der Leser gleichsam wie beiläufig an die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen neulateinischer Dichtung herangeführt, die von Freundschaft und Mäzenatentum lebte bzw. diesen beiden Umständen häufig ihr Entstehen verdankte. So manchen anthologischen Publikationsformaten wurde damit Vorschub geleistet.

Dies gilt nicht zuletzt auch für den frühneuzeitlichen Schul- und Universitätsbetrieb. In der Zeit zwischen 1500 und 1700 waren die meisten west-, zentral- und osteuropäischen Bildungsstätten bestrebt, ihren lateinlernenden Schülern und Studenten einen möglichst großen Schatz an loci communes zu vermitteln. Hierfür wurden neben Sentenz- und Sinnspruchsammlungen auch fleißig Gedichte zusammengetragen, die vor allem herausragende Beispiele aus der antiken Literatur enthielten. Sobald diese aber sozusagen ‘aufgebraucht’ waren, fanden die recentiores, zeitgenössische (und manchmal sogar volkssprachliche) Gedichte Eingang in diese Kollektaneenhefte. Hierfür dienten auf dem Markt kursierende Anthologien, Florilegien, Mellificia und dergleichen als Hilfsmittel bei der Erstellung der pädagogischen Sammlungen, da diese natürlich die Suche nach jeglichem zur copia und zur Bildung gereichenden Material erleichterten.

Übrigens ist es bis heute nicht üblich, zwischen all den sammelnden Gattungen – Anthologien, Florilegien, Mellificia, Kollektaneenheften und anderen – trennscharf zu unterscheiden, da bis dato verlässliche Unterscheidungskriterien fehlen, die es erlauben würden, die jeweiligen Traditionen einzeln bis zu ihren Ursprüngen zurückzuverfolgen. Meist werden die Gattungsbezeichnungen daher synonym verwendet, auch wenn eine präzisere begriffliche Differenzierung wünschenswert wäre.11 Ein über die Grenzen der einzelnen Disziplinen hinausgehender komparatistischer Blick könnte diesbezüglich neue Impulse geben, ebenso wie die gegenseitige Beeinflussung von frühneuzeitlichen lateinischen und volkssprachlichen Sammlungen und Sammelprinzipien deutlicher herausgestellt und neue Einblicke in die verschiedenen Funktionen und Formen der ‘sammelnden Literatur’ gewonnen werden könnten.

Komparatistische Perspektiven

Zwischen der Anthologie als Medium und der Komparatistik als Methode besteht möglicherweise eine heimliche Verwandtschaft. Verkürzt man die Komparatistik um ihre literaturtheoretische Seite, so ist sie als Vergleichende Literaturwissenschaft zunächst damit befasst, nach Ähnlichkeiten und Differenzen zwischen sprachlichen Phänomenen zu suchen, Phänomene also nicht zu isolieren, sondern anhand ihrer Vergleichspunkte zu analysieren, sei es im Lichte gleicher Entstehungsbedingungen, Rezeptionsverhältnisse oder motivlicher, formästhetischer, gedanklicher oder generischer Analogien. Um zu vergleichen, muss die Komparatistik sich ihre Gegenstände zusammensuchen, und das hat dann – wie man kritisch sagen muss – wirklich bisweilen etwas Gesuchtes, Erzwungenes oder etwas Programmatisches. Die Zusammenstellung des zu Vergleichenden nimmt das Ergebnis des Vergleichs zu einem gewissen Grad schon vorweg, und aus diesem Zirkel kann die Komparatistik ebenso wenig entfliehen wie im Übrigen die nationalen Philologien.

Auch die Anthologie stellt Texte verschiedener Provenienz zusammen, meist – wenn auch nicht immer – verschiedener Autorinnen und Autoren, aber jedenfalls vereint sie Verschiedenes unter der Annahme irgendeiner Art von Ähnlichkeit. Das Tertium, das der Auswahl zugrunde liegt, wird freilich nicht immer expliziert, und gerade im 16. und 17. Jahrhundert besteht es oft schlicht in der Zuschreibung von Mustergültigkeit. Aber immerhin: Anthologien müssen selektiv sein – sie unterscheiden sich daher notwendig von Gesamtausgaben sowie auf Vollständigkeit zielenden Zusammenstellungen –, und sie müssen ihrer Selektion gewisse Prinzipien zugrunde legen, seien es solche des Raums (etwa Poesie der Niedersachsen), der Zeit (Anthologia Graeca), der Sprache, oder sei es das Tertium einer gesellschaftlichen Gruppe, einer Poetik, einer Form oder eben der literarischen Qualität. Die Suggestion der Ähnlichkeit wird meist paratextuell untermauert, etwa im Titel und durch gewisse Gestaltungsweisen wie Buchornamente, Nummerierung, Arrangements von Texten zueinander etc. Gelegentlich wird der Ähnlichkeitsaspekt im Vorwort oder in programmatischen Gedichten auch ausgeführt. So laden Anthologien zum Vergleich ein, sie begünstigen eine bestimmte Lektürepraxis, oder neumodisch gewendet: Durch die Analogiebildung eignet ihnen eine komparatistische ‘Affordanz’, das Angebot des Vergleichens.

In den folgenden Beiträgen geht es jedoch weniger darum, die anthologisierten Texte zu vergleichen, als vielmehr die Vergleichsparameter des frühneuzeitlichen Anthologisierens zu analysieren. Dabei soll sich die komparatistische Perspektive keineswegs darin erschöpfen, bestimmte Unterschiede zwischen den nationalen Anthologietraditionen zu konstatieren. Eine solche Klassifikationskomparatistik bleibt am Ende jener Idee von Nationalliteratur verhaftet, die sie mit ihrem internationalen Ansinnen eigentlich verabschieden wollte. Ziel dieser Zusammenstellung ist es hingegen, in gewisser Weise eine Komparatistik zweiter Ordnung zu betreiben, das heißt anthologische Praktiken zu vergleichen, denen selbst schon ein Vergleichen vorausgeht: ein Auswählen unter einem bestimmten Gesichtspunkt, ein Kürzen und Zurechtschneiden, ein Disponieren, ein grafisches Inszenieren und gelegentlich auch eine programmatische Reflexion des Gesichtspunkts, aus dem das geschieht.

So kommt den hier vorgelegten Einzelstudien in ihrer Gesamtheit eine systematische literatur- und kulturtheoretische Funktion zu, welche Anthologien als zentrales Medium interkultureller Prozesse adressiert: zwischen der lateinischen und volkssprachlichen Dichtung, zwischen einzelnen Sprachregionen, zwischen Gelehrtenkultur und populären Medienformaten, zwischen Buchmarkt und schulischer Praxis, ja sogar zwischen unterschiedlichen Sammlungen und Sammlungskonzepten selbst. Denn Anthologien verzeichnen nicht nur Literaturgeschichte, sie sind – gerade in der Frühen Neuzeit – aktiv an ihrer Herstellung beteiligt.12 Sie werden damit zu Gründungsdokumenten von nationalliterarischen Bewegungen, die sich dann im späten 18. und insbesondere im 19. Jahrhundert der Literaturgeschichte als genuinem Projekt annehmen sollten; wie etwa der Beitrag von Anna Kathrin Bleuler am Beispiel frühneuzeitlicher Sammlungen mittelalterlicher Texte zeigt.

Allerdings sollte dieser Prozess nicht allein teleologisch vom 19. Jahrhundert aus gedacht werden. Je nach Region, Sprache, Kulturpolitik und literarischer Tradition zeigt diese Entwicklung eine unterschiedliche Gestalt; und spielen Anthologien eine jeweils andere Rolle darin. Der Beitrag von Johan Oosterman beispielsweise verdeutlicht, wie stark anthologische Sammlungen von Liedtexten am Niederrhein für eine kulturelle Identität über fluide Territorial- und Sprachgrenzen hinweg gesorgt haben. Er unterstreicht zugleich, welche Bedeutung gerade Liedtexten bei anthologischen Transfers zukommt. Auf der anderen Seite führt der Beitrag von Lucie Storchová vor Augen, wie die Konzentration auf lateinische Sammlungszusammenhänge auf dem Gebiet des heutigen Tschechien die Etablierung einer volkssprachigen Poesietradition blockiert oder sie zumindest auf dem Anthologienmarkt wenig präsent werden lässt. In beiden Fällen spielen Aspekte des Medienwandels bzw. des Nebeneinanders von gedruckten und handschriftlichen Sammlungen eine wichtige Rolle.

Wie auch immer der Beitrag von Anthologien im Prozess einer Korpus- und Kanonbildung in den einzelnen Nationalliteraturen bzw. Literatursprachen im Einzelnen ausfällt: Deutlich wird in allen Aufsätzen, dass ihnen eine zentrale, in ihrer europäischen Dimension kaum zu überschätzende Bedeutung zu- kommt.

Danksagung

Die vorliegenden Aufsätze gehen auf die Tagung Anthologische Nationalpoesie: Der Beitrag von Lyrikanthologien zur Herausbildung von Nationalliteraturen in der Frühen Neuzeit zurück, die Ende November 2022 an der Universität Innsbruck stattgefunden hat. Die Veranstalter danken der Fritz-Thyssen-Stiftung, dem Ludwig-Boltzmann-Institut für Neulateinische Studien sowie dem Vizerektorat für Forschung an der Universität Innsbruck für die großzügige Förderung. Dank der engagierten Mitarbeit von Frau Sophie Modert war es möglich, die Tagung in drei Sprachen – Deutsch, Französisch und Englisch – durchführen zu können. Für die vorliegende Publikation wurden die Beiträge dann entweder auf Deutsch oder Englisch verfasst. Für redaktionelle Unterstützung danken wir herzlich Ilja Loutsenko (Bern). Ein großer Dank geht zudem an die Herausgeber der Zeitschrift Daphnis für die Möglichkeit, zentrale Beiträge der Tagung als Themenschwerpunkt innerhalb der Zeitschrift vorstellen zu dürfen.

Die Tagung in Innsbruck, bei der Forscherinnen und Forscher aus neun Ländern über Anthologien in zehn verschiedenen Sprachen gesprochen haben, hat gezeigt, wie notwendig der internationale Austausch über dieses Thema ist: und wie gewinnbringend für alle. Wir freuen uns daher sehr, dass dieser Austausch bei drei Tagungen zum Hortus europaeus an der Villa Vigoni zwischen 2024 und 2026 fortgeführt werden kann. Der europäische Dialog und die europäische Vernetzung, welche die Anthologien der Frühen Neuzeit dokumentieren, muss auch den Bezugsrahmen ihrer Erforschung darstellen. Für die Offenheit zu solcher Vernetzung sei allen Beiträgerinnen und Beiträgern dieser Publikation, aber auch allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagungen in Innsbruck und an der Villa Vigoni sowie den vielen Kolleginnen und Kollegen gedankt, die das Interesse für Anthologien in der Frühen Neuzeit – fürwahr ein sperriges Thema auf den ersten Blick – mit uns teilen, und die uns auf vielfältige Weise beratend und unterstützend zur Seite gestanden haben.

Literatur

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1

Bark, 1992: 678.

2

Häntzschel, 1997: 98.

3

Lethbridge, 2013: 182.

4

Straubel, 2015.

5

In Anlehnung an die Unterscheidung in Überblicks- und programmatische Anthologien bei Lethbridge, 2014: 21.

6

Vgl. Parr, 2000; wo Anthologien freilich kein eigenes Kapitel gewidmet ist.

7

Lethbridge, 2014: 45.

8

Vgl. aus der Reihe ‘ästhetische Eigenzeiten’ den hier relevanten Band von Geyer/Lehmann, 2018.

9

Gruters extensive Sammelleidenschaft, die sich nicht nur auf Lyrikanthologien beschränkte, sondern u. a. auch eine Sammlung von Sprichwörtern in verschiedenen Sprachen sowie die Sammlung griechischer und lateinischer Inschriften umfasste, wird überblicksmäßig behandelt in Smend, 1939.

10

Oudins Sammlungen dienen wiederholt als Anschauungsmaterial in Yasmin Haskells Untersuchung jesuitischer neulateinischer Lehrdichtung des 18. Jahrhunderts: Haskell, 2003.

11

Eine Vorstudie zu solcher Begriffsarbeit bildet der Aufsatz von Wiedemann, 1969. Die erste der drei Tagungen an der Villa Vigoni, die an die Innsbrucker Tagung anschließen (vgl. den Schlussabschnitt hier), wird sich in diesem Jahr (2024) schwerpunktmäßig mit der Terminologie und Gattungstheorie von Anthologien in Abgrenzung zu verwandten Formen in der Frühen Neuzeit beschäftigen.

12

Vgl. Rose, 2022: bes. 50–51.

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