Abstract
Søren Aabye Kierkegaard’s thought has often been regarded as a philosophy of inwardness, especially within the German-speaking world. Theodor W. Adorno takes an ambivalent attitude toward this view: He criticizes Kierkegaard’s conception of subjectivity as ‘objectless inwardness’, while pointing to its potential for self-reflection that enables the subject to recognize its relationship to the outside world. Beginning from this ambivalent interpretation, this study aims to read Kierkegaard against and with Adorno. First, it clarifies that Kierkegaard does not remain in a closed ‘objectless’ conception of inwardness. Second, it explores how Kierkegaard conceives of inward self-reflection on remorse for sin, which is brought about through the ‘other’ and makes the subject confront its own reality. Thus, Kierkegaard’s concept of inwardness not only overcomes its objectlessness, but also implies a subjective self-reflection through the ‘other’, which can lead to social critique.
I Einleitung: Adornos ambivalente Kierkegaard-Interpretation als Ausgangspunkt 1
Theodor W. Adorno wird oftmals als schonungsloser Kritiker Søren Aabye Kierkegaards angesehen. Diese Sichtweise stellt aber historisch betrachtet eine Übertreibung dar, die sich einer längst überholten ideologischen Kontroverse – nämlich derjenigen zwischen Existentialismus und westlichem Marxismus – verdankt. Die Diskussionen um Adornos Kierkegaard-Interpretation in den 1970er Jahren sind tatsächlich mehr oder weniger von einer solchen schematischen, klischeehaften Vorstellung geprägt, einer Vorstellung, die ihre Aktualität längst verloren hat. 2 Adornos Briefe und Briefwechsel, die ab 1994 sukzessive erschienen, veranschaulichen demgegenüber sogar, wie intensiv sich der junge Philosoph in seiner Jugendzeit mit Kierkegaard beschäftigt hat. 3
Es ist allerdings – abgesehen von diesem ideologischen Missverständnis – nicht zu leugnen, dass Adornos Kierkegaard-Interpretation im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Studien besonders unnachsichtig ist. Bereits in seiner Antrittsvorlesung von 1931 verurteilt Adorno den gedanklichen Entwurf Kierkegaards als „zerbrochen und unwiederherstellbar“; 4 zudem bezeichnet er in seinem ersten Buch Kierkegaard: Konstruktion des Ästhetischen aus dem Jahr 1933, das aus seiner Habilitationsschrift von 1931 hervorgegangen ist, Kierkegaards Subjektivitätskonzeption als „objektlose Innerlichkeit“ 5 und macht diese zum Gegenstand seiner Kritik: Die Kierkegaardsche Subjektivitätskonzeption stelle nämlich – wie Adorno bis zu seinen letzten Jahren wiederholt kritisiert – eine „Metaphysik des […] absoluten Subjekts“ 6 dar, die das Erbe der idealistischen Philosophie antrete.
Was Adorno damit ins Visier nimmt, ist nicht zuletzt jene These, die besagt „die Subjektivität ist die Wahrheit“ 7 und die Kierkegaard in seiner 1846 erschienenen Schrift Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift zu den Philosophischen Brocken aufstellt. Mit dieser These, die laut Adorno „gesamtidealistisch“ 8 ist, halte das Kierkegaardsche Subjekt, das mit der geschichtlichen Nichtidentität zwischen Denken und Wirklichkeit konfrontiert sei, immer noch am eigenen Denkvermögen fest, indem es mit dem leidenschaftlichen Sprung in den innerlichen Glauben versuche, selbst über die Wahrheit zu entscheiden. Aus den Argumentationen in der Unwissenschaftlichen Nachschrift, in denen dem objektiven ,Was‘ der Wahrheiten gegenüber das subjektive ,Wie‘ des Wahrheitsstrebens für zentraler gehalten wird, wird tatsächlich eine gewisse Neigung zur Verabsolutierung der subjektiven Innerlichkeit ersichtlich, die schließlich zur Vernachlässigung aller objektiven Äußerlichkeit führen kann. Adorno wirft Kierkegaard in diesem Sinne eine ,objektlose Innerlichkeit‘ bzw. eine ,Metaphysik des absoluten Subjekts‘ vor.
Beachtenswerterweise äußert sich Adorno allerdings – vor allem in den 1960er Jahren – auch weitaus weniger vorwurfsvoll gegenüber der Kierkegaardschen Konzeption von Subjektivität bzw. von Innerlichkeit. Dies lässt sich anhand von folgender Stelle in seinem Jargon der Eigentlichkeit: Zur deutschen Ideologie deutlich belegen:
Die Philosophen, die den unglücklichen Stand des für sich seienden Bewußtseins bezeugten, Hegel und noch Kierkegaard, erkannten, einig mit der protestantischen Überlieferung, Innerlichkeit wesentlich an der Selbstverneinung des Subjekts, der Reue. Die Erben, die aus dem unglücklichen Bewußtsein taschenspielerisch das glücklich-undialektische machten, hüten davon einzig noch die beschränkte Selbstgerechtigkeit, die Hegel mehr als hundert Jahre vorm Faschismus witterte. Sie säubern Innerlichkeit von dem, was Wahrheit an ihr wäre, der Selbstbesinnung, in der das Ich sich als Stück der Welt durchschaut, über die es sich stellt und der es gerade dadurch verfällt. 9
Aus dieser Stelle geht nicht nur hervor, dass Adorno die Hegelsche bzw. Kierkegaardsche Innerlichkeitskonzeption deutlich von der „zeitgenössischen Ontologie“ unterscheidet, die wider den äußerlichen „Weltlauf“ die innerliche „Reinheit“ zu vergöttern geneigt sei. 10 Denn Adorno liest aus der sich an der ,Reue‘ vollziehenden Selbstverneinung, die mit Kierkegaards Innerlichkeitskonzeption untrennbar verbunden ist, auch eine innere, reflexive Denkbewegung ab, durch die hindurch das Subjekt sich selbst als ein Stück der Außenwelt erkennen könne. Kurz gesagt: Adorno sieht in der Kierkegaardschen Innerlichkeitskonzeption auch eine mit der objektiven Welt verbundene Selbstbesinnung des Subjekts.
Somit zeigt Adorno eine ambivalente Einstellung gegenüber Kierkegaard, vor allem hinsichtlich dessen Innerlichkeitskonzeption: Adorno bezichtigt Kierkegaard einerseits der ,objektlosen Innerlichkeit‘, während er bei ihm andererseits ein Erkenntnispotential in Hinblick auf eine Reflexion über das geschichtliche Verhältnis zwischen der objektiven Wirklichkeit und dem subjektiven Denken erblickt. Dies entspricht gerade Adornos Auffassung in der Gedenkrede von 1963, in der er den Kierkegaardschen Gedanken nicht nur den unwahren Weg zu jener „Metaphysik des […] absoluten Subjekts“, sondern auch den wahren zum „schneidende[n] Angriff auf die Ideologie des Profitsystems“ 11 entnimmt. Dabei räumt er ausdrücklich ein, dass Kierkegaard in seiner Gedankenentwicklung nicht bei der verschlossenen ,Objektlosigkeit‘ stehenbleibe, sondern vielmehr „aus der Innerlichkeit herausgetreten“ 12 sei.
Dieses entscheidende, wenn auch heikle Schwanken der Einschätzung Adornos in Hinblick auf den Kierkegaardschen Innerlichkeitsbegriff ist aber in der früheren Forschung meistens außer Acht gelassen worden: Dabei ist der Blick fast immer auf Adornos kritische Aussagen über die idealistische ,objektlose Innerlichkeit‘ in seinem 1933 veröffentlichten Kierkegaard-Buch gerichtet gewesen, während seine Einsicht in die in Verbindung mit dem Anderen durchzuführende Selbstreflexion des Kierkegaardschen Subjekts kaum behandelt worden ist. Dies lässt sich freilich darauf zurückführen, dass sich Adorno selbst nur sporadisch und selten über das objektbezogene Erkenntnispotential der Kierkegaardschen Innerlichkeitskonzeption äußert. Denn Adorno weist zwar, wie aus obigen Zitaten hervorgeht, darauf hin, dass die Konzeption der inneren ,Reue‘ bei Kierkegaard ein solches Potential impliziert; mit ihr setzt er sich aber nicht eingehend auseinander. Es mag daher den Anschein haben, als läge der Kernpunkt von Adornos Kierkegaard-Interpretation doch nirgendwo anders als in der Kritik an der ,Objektlosigkeit‘ des subjektiven Innenraums, wie dies die bisherigen Studien unterstellt haben.
Der vorliegende Beitrag gibt sich allerdings nicht mit einer solchen fixierten, etwas klischeehaften Interpretation zufrieden, sondern versucht, Kierkegaard gegen und mit Adorno zu lesen. Hier wird nämlich zuerst – in Distanz zu Adornos Interpretation – deutlich gemacht, ob und inwiefern die von ihm formulierte kritische Charakterisierung der ,objektlosen Innerlichkeit‘ dem Kierkegaardschen Denken überhaupt gerecht wird. Es wird dann herausgearbeitet, wie und in welchem Sinne jenes von Adorno angedeutete, aber nicht ausreichend entwickelte Erkenntnispotential, das über den verschlossenen Innenraum hinausgeht und damit ein gewisses Verhältnis zur Außenwelt ermöglicht, bei Kierkegaard selbst abgelesen werden kann. Aus diesem Versuch geht hervor, dass die Kierkegaardsche Innerlichkeits- bzw. Subjektivitätskonzeption – trotz ihrer Neigung zur Selbstverabsolutierung – keinesfalls in der bloßen Objektlosigkeit stehen bleibt, sondern sich durch die Erfahrung einer Selbstnegation hindurch zur eigenen objektiven Wirklichkeit verhält. Kierkegaard will gerade auf eine Subjektivitätskonzeption hinaus, die vom Bewusstsein eines Scheiterns der sich vertiefenden inneren Denkbewegung an der Sünde bzw. Reue ausgeht und sich – sich selbst dadurch strukturell transformierend – dem Verhältnis zu einem Anderen öffnet.
Hiermit bietet der vorliegende Beitrag im Hinblick sowohl auf Adornos Kierkegaard-Interpretation als auch auf das Verständnis des Kierkegaardschen Innerlichkeitsbegriffs neue Perspektiven an. Die meisten von Adorno inspirierten Studien zu Kierkegaard sind, wie bereits erwähnt, in den Diskussionen um seine Kritik an der ,objektlosen Innerlichkeit‘ bzw. seine Deutung des bürgerlichen Intérieurs als Metapher dafür verstrickt, wobei der Aspekt des außenbezogenen Verhältnisses zum Anderen vernachlässigt worden ist. 13 Selbst Hermann Deuser, der im Zusammenhang mit der Adornoschen Ideologiekritik den praktischen Aspekt des Kierkegaardschen Denkens herausstellt, führt diesen Aspekt allein auf den faktischen (also nicht theoretischen) Umstand des Angriffs auf die Kirche zurück. 14 Der vorliegende Beitrag hingegen versucht nicht zuletzt in subjektivitätstheoretischer Hinsicht zu zeigen, dass sich die Kierkegaardsche Innerlichkeitskonzeption als solche dem Anderen gegenüber öffnet und damit aus der eigenen Verschlossenheit ausbricht.
Dies ist freilich ein Aspekt, der auch in der Kierkegaard-Forschung bislang oft übersehen worden ist. Seit Theodor Haecker haben manche Studien im deutschsprachigen Raum das Kierkegaardsche Denken als Philosophie der Innerlichkeit behandelt. 15 Dabei wird zwar darauf hingewiesen, dass Kierkegaards Innerlichkeitskonzept „keine bloße Innenwelt des Individuums“ vertritt, sondern „unter sozialpraktischen Vorzeichen […] innere Haltung und weltbezogenes Handeln“ beinhaltet. 16 Es wird allerdings selbst in der Studie von Eberhard Harbsmeier, der zu der Einsicht gelangt, dass sich bei Kierkegaard in Bezug auf den Begriff der Innerlichkeit im Laufe der Zeit „eine Veränderung bzw. Verschiebung“ 17 vollzieht, nicht hinreichend nachgezeichnet, wie das Kierkegaardsche Subjekt durch die sich an der Entstehung des Sündenbewusstseins vollziehende Selbstreflexion die verschlossene Innerlichkeit hinter sich lässt und sich damit strukturell wandelt, um sich zu einem ihm fremden Anderen verhalten zu können. Der vorliegende Beitrag geht daher – vor allem anhand der theoretischen Schriften, die Kierkegaard unter Pseudonymen publizierte – dem Ablauf eines solchen Strukturwandels des inneren Subjekts nach. Dies könnte zugleich zur Konzeption eines modernen Subjektivitätsmodells beitragen, das weder sich selbst verabsolutiert noch vollkommen der Außenwelt gehorcht.
II ,Die Subjektivität, die Innerlichkeit ist die Wahrheit‘: Die Objektlosigkeit des ,Opfers der Vernunft‘ im reinen Innenraum
Die Subjektivitätskonzeption, die der objektiven Wirklichkeit den Rücken kehrt und sich in den eigenen Innenraum zurückzieht, lässt sich vor allem in der unter dem Pseudonym Johannes Climacus erschienenen Schrift Unwissenschaftliche Nachschrift finden. Hier geht Climacus zunächst davon aus, dass das objektive Wissen bzw. das spekulative Begreifen der Weltgeschichte nur „eine Approximation“ erreichen könne, sodass es von der höchsten Wahrheit unendlich weit entfernt sei. 18 Dann wird einem solchen objektiven Wissen die subjektive Herangehensweise an die Wahrheit gegenübergestellt. Hier unterscheide sich nämlich das objektive ,Was‘ der Wahrheiten streng vom subjektiven ,Wie‘ des Wahrheitsstrebens: „Objektiv wird akzentuiert: was gesagt wird; subjektiv: wie es gesagt wird.“ 19 Unter diesem Gesichtspunkt betont Climacus, dass nicht das objektive Wissen, sondern nur das subjektive Handeln eine Anteilnahme an der höchsten Wahrheit – an der christlichen ,ewigen Seligkeit‘ im Jenseits – ermögliche.
Die Betonung des subjektiven Handelns könnte zwar insofern naheliegend erscheinen, als der christliche Glaubensbegriff auch bestimmte praktische Aspekte umfassen würde; das subjektive Handeln radikalisiert sich allerdings in der Unwissenschaftlichen Nachschrift – weit über eine bloße Hervorhebung des praktischen Charakters des Glaubens hinaus – zu einer Lebensanschauung, die das Verhältnis des einzelnen Subjekts zur objektiven Wirklichkeit vernachlässigt. So wird letztendlich jene subjektivistische These, die da lautet „die Subjektivität, die Innerlichkeit ist die Wahrheit“ 20 – die These, wonach die Wahrheit nicht in der objektiven Erkenntnis der äußerlichen Welt, sondern allein in der innerlichen Bewegung des einzelnen Subjekts gefunden werden könne – aufgestellt. Das Subjekt, das auf wahre Weise etwas anstrebe, partizipiere demnach an der Wahrheit, auch wenn das Objekt dieses Strebeprozesses in Wirklichkeit unwahr sei:
Wenn objektiv nach der Wahrheit gefragt wird, so wird objektiv auf die Wahrheit als einen Gegenstand reflektiert, zu dem der Erkennende sich verhält. Es wird nicht auf das Verhältnis reflektiert, sondern darauf, daß es die Wahrheit, das Wahre ist, wozu er sich verhält. Wenn das, wozu er sich verhält, bloß die Wahrheit, das Wahre ist, so ist das Subjekt in der Wahrheit. Wenn subjektiv nach der Wahrheit gefragt wird, so wird subjektiv auf das Verhältnis des Individuums reflektiert; wenn nur das Wie dieses Verhältnisses in Wahrheit ist, so ist das Individuum in Wahrheit, selbst wenn es sich so zur Unwahrheit verhielte. 21
Beachtenswert ist, dass es hier um die Vertiefung der innerlichen Reflexion des Subjekts geht. Die Wahrheit liege nämlich nicht im bloßen Ignorieren des objektiven Wissens mit einer reflexionslosen Leidenschaft, sondern in der inneren Reflexion des subjektiven Verhältnisses zur Wahrheit.
Dementsprechend wird in der Unwissenschaftlichen Nachschrift die paradoxe Auffassung der Wahrheit geltend gemacht, zufolge der das Subjekt eine Vergewisserung seines Wahrheitsstrebens eben darin sehen kann, dass es eine Reflexion seiner eigenen Ohnmacht beim objektiven Wissen anstellt. Je paradoxer und ungewisser dem Subjekt die anzustrebende Wahrheit erscheine, desto weiter verstärke sich – gerade wegen dieser objektiven Ungewissheit – die Gewissheit des inneren Wahrheitsverhältnisses: „Die objektive Ungewißheit, in der Aneignung der leidenschaftlichsten Innerlichkeit festgehalten, ist die Wahrheit“. 22 Nicht zu übersehen ist, dass diese Bestimmungen der ,objektiven Ungewissheit‘ bzw. des Paradoxes – trotz ihres irrationalistisch erscheinenden Gestus – die Produkte vernunftgeleiteter Reflexion sind. 23 Hier spielt sich eine rationale Reflexion ab, durch die das Subjekt die Grenze des objektiven Begreifens erkennt, womit es sich negativ zu einem Unbegreifbaren verhält, das nur als „das schlechthin Verschiedene“ 24 zu bestimmen ist.
Die Bewegung dieses reflexiven Denkens, die nach Adorno eine „,intellektualistische‘, wesentlich rationale Struktur“ 25 aufweist, entwickelt sich basierend auf der geschichtlichen Einsicht in die Nichtidentität zwischen innerem Denken und äußerer Wirklichkeit: Kierkegaard geht nämlich von der geschichtlichen Unmöglichkeit des idealistischen Systems, das auf „die Einheit von Denken und Sein“ abzielt, aus und versucht mit Hilfe des sich an der menschlichen Existenz orientierenden konkreten Denkens zwischen beidem „die Trennung“ zu setzen. 26 In diesem Sinne wird Kierkegaards Denken, das sich der trügerischen Versöhnung zwischen Denken und Sein widersetzt, einerseits dem geschichtlichen Prozess gerecht, in dem das einzelne Subjekt von der Übermacht der objektiven Realität verschluckt wird. Dies räumt auch Adorno ein, indem er Kierkegaard von „Identitätsphilosoph[en]“ unterscheidet und dessen Gedanken eine gewisse „geschichtliche Konstellation“ entnimmt. 27 Andererseits zeigt aber Kierkegaard, der sich mit dem vorhandenen geschichtlichen Prozess nicht als solchem auseinandersetzt, auch die Tendenz, vor der äußeren Wirklichkeit zu flüchten und allein in der immanenten Denkbewegung die Wahrheit beschwörend anzustreben: Laut Adorno „wird bei Kierkegaard das Ich von der Übermacht der Andersheit auf sich selber zurückgeworfen“. 28 In ebendieser Flucht aus der Übermacht der Außenwelt bestehe Kierkegaards ,objektlose Innerlichkeit‘.
Das Kierkegaardsche Subjekt strebt somit, von der Außenwelt zurückgeworfen, innerhalb der eigenen Reflexion nach der Wahrheit der Wirklichkeit. Dies läuft aber – wegen der Einsicht in die Unmöglichkeit der begrifflichen Identifikation der objektiven Wirklichkeit mit dem subjektiven Denken – keineswegs auf das positive Auffassen der Wahrheit an sich hinaus; das Subjekt hält trotzdem – oder gerade deswegen – an dem Vermögen, selbst über die Wahrheit zu entscheiden, fest, indem es nach der Reflexion sein vernünftiges Denken opfert und dadurch in negativer Weise die Wahrheit beschwört. Kierkegaard fordert also, „daß das Individuum zugleich sein Denken wagt, es wagt, gegen den Verstand zu glauben“; 29 diese Forderung führt schließlich dazu, „das Martyrium des Glaubens“ – nämlich die praktische Verwirklichung der christlichen Wahrheit – damit zu identifizieren, „seinen Verstand zu kreuzigen“. 30 Eine solche Herangehensweise an die Wahrheit, die auf die Preisgabe des vernünftigen Denkens abzuzielen scheint, wird aber insofern immer noch von diesem Denken geleitet, als sie sich doch allein innerhalb der subjektiven Reflexion vollziehen soll. Das Denksubjekt besteht dabei – wie Adorno kritisiert – fast verzweifelt auf dem eigenen Absolutheitsanspruch, indem es im reflexiven Innenraum den letzten Schauplatz des Sinns sieht.
In dieser Auffassung der Wahrheit wird selbst das Gottesverhältnis, das eigentlich durch den Glauben verwirklicht werden soll, vom reflexiven Subjekt bestimmt: Gott lässt sich nach der Unwissenschaftlichen Nachschrift „nur indirekt (negativ) beweisen“, da er „eine höchste Vorstellung, die sich nicht durch etwas anderes […] erklären läßt“, darstelle. 31 Der so bestimmte Gott ist aber nichts anderes als ein leerer Platzhalter, der allein durch die Reflexion des menschlichen Denkens beschworen werden soll: „Auf diese Weise wird Gott freilich ein Postulat“. 32 Das Postulieren Gottes wird zudem nur durch die Selbstverleugnung des denkenden Subjekts definiert: Denn „wiederum ist hier das Gottesverhältnis am Negativen kenntlich, und die Selbstvernichtung die wesentliche Form des Gottesverhältnisses“. 33 Das derart nur formell bestimmte Gottesverhältnis ist so gegenstandslos, dass schließlich der Inhalt des konkreten Lebens Christi nahezu vernachlässigt wird. 34 Selbst das Gottesverhältnis, das einzig übriggebliebene Verhältnis zum Anderen, wird hier nur immanent aufgefasst.
Nach dieser immanenten Subjektivitätskonzeption werden sowohl der Vollzug des Glaubens als auch der zu glaubende Gegenstand völlig der individuellen Innerlichkeit überlassen. Selbst die Frage, ob die Glaubensbewegung des Einzelnen eigentlich wahr ist, lässt sich demnach wegen ihrer Unsichtbarkeit auf bloße Innerlichkeit zurückführen, „weil die verborgene Innerlichkeit die wahre Religiosität ist“. 35 In dieser ,verborgenen Innerlichkeit‘ wird das objektive bzw. äußere Verhältnis – selbst das religiöse Gottesverhältnis mit einem äußeren Gestus – als ein unreiner Fremdkörper, welcher die Reinheit einer inneren Wahrheit verletzt, ausgeschlossen: „Der Gott, auf den man hinzeigen kann, ist ein Götze, und die Religiosität, auf die man hinzeigen kann, ist eine unvollkommene Art von Religiosität.“ 36 Das Kierkegaardsche Subjekt zieht sich somit – als ein „wahre[r] Ritter der verborgenen Innerlichkeit“ 37 – alle objektiven Verhältnisse ablehnend in den eigenen Innenraum zurück, um dort die höchste Wahrheit anzustreben. Dieses Subjektivitätskonzept in der Unwissenschaftlichen Nachschrift stellt gerade jene ,objektlose Innerlichkeit‘ im Adornoschen Sinne dar. 38
III Wider die ,versteckte Innerlichkeit‘: Ausbruch aus der Verschlossenheit und Transformation zum theologischen Selbst
Kierkegaard bietet zwar, wie im vorherigen Abschnitt gezeigt, vor allem in seiner Unwissenschaftlichen Nachschrift jene Subjektivitätskonzeption an, die als ,objektlose Innerlichkeit‘ bezeichnet werden kann. Nicht zu übersehen ist allerdings Kierkegaards Aussage, die Schrift Unwissenschaftliche Nachschrift gehöre nicht ihm selbst, sondern seinem Pseudonym Johannes Climacus, dessen Äußerungen streng von seinen eigenen zu unterscheiden seien. 39 Denn das Pseudonym Climacus stellt laut Kierkegaard ein „Parodieren der Spekulation“ 40 dar, sodass es keineswegs die christliche Religiosität erreichen könne. Es lässt sich somit vermuten, dass die Subjektivitätskonzeption, die unter dem Namen Climacus entwickelt wird, nicht mit Kierkegaards eigener Auffassung gleichgesetzt werden kann, sondern eher eine absichtlich inszenierte Perspektive der immanenten Spekulation darstellt, um deren Grenzen zu verdeutlichen. Dementsprechend verwendet Kierkegaard für seine späteren Werke, wie Krankheit zum Tode bzw. Einübung im Christentum, ein anderes Pseudonym: Anticlimacus. Dieses Pseudonym steht, wie der Name bereits zeigt, für die Antithese zu Climacus’ immanentem Standpunkt und gleichzeitig für eine transzendente Perspektive, die als „höchste[] Idealität“ 41 des Christentums zu bezeichnen sei.
Wichtig ist für den vorliegenden Beitrag vor allem, dass Anticlimacus in seinen Schriften – als würde er auf Climacus anspielen wollen – die ,versteckte Innerlichkeit‘ angreift. Dies lässt sich am deutlichsten an einer Stelle von Krankheit zum Tode erkennen, an der von einem höchst verzweifelten Selbst die Rede ist, welches sich durch das Festhalten an der Unendlichkeit seines eigenen Vermögens schließlich auf den „Trotz“ gegenüber Gott zuspitze. 42 Wer in einem solchen Trotz verharre und so verzweifelt sei, der wolle demnach „vermöge dessen, daß er die unendliche Form ist, es [sein Selbst; ky] selber konstruieren“, 43 während er tatsächlich auf die eigene Ohnmacht gegenüber der realen Welt, in der er lebt, stoßen müsse. Er müsse nämlich, obwohl er sich als „sein eigner Herr“ auf dieser Welt angebe, letztendlich zum Bewusstsein kommen, „daß dieser absolute Herrscher ein König ohne Land ist“. 44 Das Subjekt, das auf diese Weise von der Übermacht der objektiven Wirklichkeit zurückgeworfen sei, flüchte insofern in „die Verschlossenheit, oder was man eine Innerlichkeit nennen könnte, deren Schloß sich versperrt hat“, als es immer noch auf dem Absolutheitsanspruch seines Vermögens bestehe, denn diese „Verstecktheit“ der subjektiven Innerlichkeit fungiere als „Vorbeugungsmittel, um sich gleichsam hinter der Wirklichkeit den Besitz einer Einschließung zu sichern, einer Welt ausschließlich für sie selbst“. 45 Somit stellt Kierkegaard von der christlichen Perspektive Anticlimacus’ aus jene an der inneren Wahrheit festhaltende Subjektivitätskonzeption Climacus’ – und damit auch jene ,objektlose Innerlichkeit‘ – in Frage.
Bemerkenswerterweise kommt Kierkegaard – durch die Einsicht in die Verschlossenheit der ,objektlosen Innerlichkeit‘ hindurch – zu einem anderen, offenen Subjektivitätskonzept: D. h. zum Konzept eines Subjekts, das sich gegenüber einer ihm fremden transzendenten Kraft öffnet und danach trachtet, sich selbst mit einem unbedingten Vertrauen in dieser Kraft zu gründen. In ebendieser Offenheit des Subjekts liegt bei Kierkegaard der Kernpunkt des christlichen Glaubens, der durch die folgende Formel zu definieren sei: „[I]ndem es es selbst sein will, gründet sich das Selbst durchsichtig in der Macht, welche es gesetzt hat.“ 46 Ein solches Subjekt erkenne hierbei sein eigenes Gesetztsein durch ein Anderes an und nehme eine Seinsweise an, in der es sich selbst der überwältigenden Macht gegenüber offenhalte: „Dies Selbst ist nicht mehr das bloß menschliche Selbst, sondern ist, was ich, in der Hoffnung nicht mißverstanden zu werden, das theologische Selbst nennen möchte, das Selbst Gott gegenüber.“ 47 Kierkegaard präsentiert mit diesem ,theologischen Selbst‘, das sich dem göttlichen Anderen öffnet, ein neues Subjektivitätskonzept für den christlichen Glauben, welches die ,objektlose Innerlichkeit‘ wie bei Climacus hinter sich gelassen hat.
Es darf nicht ignoriert werden, dass es hierbei nicht um eine bloße Gegenüberstellung zweier ganz unterschiedlicher Subjektivitätskonzeptionen, sondern eher um eine Transformation zwischen ihnen geht. Kierkegaard verurteilt nämlich nicht nur das Climacus’sche Subjekt als Unwahrheit, sondern will vielmehr auf dessen qualitative Veränderung in ein wahres Subjekt hinaus: „Eine neue Qualität […] und Qualifizierung wird dem Selbst dadurch zuteil, daß es das Selbst Gott gegenüber ist.“ 48 Was hier mit der ,Qualifizierung‘ gemeint ist, wäre nichts anderes als eine Veränderung, durch die das Subjekt die von außen empfangene Offenbarung anerkennt und sich dadurch einer außenstehenden Macht öffnet. Das derart veränderte Subjekt des Glaubens – „ein menschliches Selbst […], dessen Maßstab Gott ist“ 49 – tritt in diesem Sinne aus dem verschlossenen Innenraum des reflexiven Denkvermögens heraus und verhält sich zu einer ihm fremden, transzendenten Kraft, die über den Rahmen des immanenten Begreifens hinausgeht. 50
Dass es Kierkegaard tatsächlich nicht auf die bloße Gegenüberstellung von zwei Subjektivitätskonzeptionen, sondern auf deren Transformation durch die Verschränkung ankommt, wird in einem Tagebucheintrag aus dem Jahr 1849 ersichtlich. Denn dort äußert sich Kierkegaard – die beiden Pseudonyme Climacus und Anticlimacus erwähnend – zu seiner eigenen Position wie folgt:
Mit Joh. Climacus hat Anticlimacus verschiedenes gemeinsam; aber der Unterschied ist folgender: wie Joh. Climacus sich selber so niedrig stellt, daß er sogar von sich selbst sagt, er sei kein Christ, so scheint man an Anticlimacus merken zu können, daß er glaubt, in außerordentlichem Maße Christ zu sein […], daß er sich selbst mit der Idealität verwechselt (das ist das Dämonische an ihm), aber seine Darstellung der Idealität kann völlig wahr sein, und ihr beuge ich mich. Ich habe mich höher bestimmt als Joh. Climacus, niedriger als Anticlimacus. 51
Nach dieser Äußerung vertritt Climacus, der in der ,objektlosen Innerlichkeit‘ stehenbleibt, eine ,niedrigere‘ unchristliche Perspektive, während Anticlimacus einen so ,höheren‘ Standpunkt darstelle, dass er sich selbst mit der transzendenten Idee des Christentums gleichsetze; Kierkegaard, der trotz seines Wissens über die Wahrheit des Christentums seine eigene „Unvollkommenheit als Christ“ 52 kenne, finde sich selbst zwischen den beiden. Das Kierkegaardsche Subjektivitätskonzept schwankt dementsprechend gerade zwischen objektloser Verschlossenheit und auf das Andere bezogener Offenheit. Hier geht es nämlich um eine durch die Verschränkung der beiden Seinsweisen herbeizuführende, dynamische Transformation.
Die Interpretationsweise, nach der die Kierkegaardsche Subjektivitätskonzeption als solche die ,objektlose Innerlichkeit‘ darstellt, verkennt also ebendiese Dynamik seines Denkens. Kierkegaard beschäftigt sich zwar in seiner Unwissenschaftlichen Nachschrift intensiv mit der verschlossenen ,objektlosen Innerlichkeit‘ als Vorbedingung für den Glauben; es liegt ihm aber vielmehr daran, durch die Glaubensbewegung den verschlossenen Innenraum des Subjekts zu durchbrechen und damit dessen Innerlichkeit in der äußerlichen Realität – trotz der Nichtidentität zwischen den beiden – auszudrücken. Gerade in diesem Sinne bemängelt Kierkegaard von der Anticlimacus’schen Perspektive aus, dass die Konzeption des Glaubens als „versteckte[] Innerlichkeit“ in der zeitgenössischen Christenheit eine schwerwiegende „Verwirrung“ verursacht habe, denn in der „bestehenden Christenheit“, in der der „Schauplatz“ für den Glauben völlig in die geheimnisvolle Innerlichkeit versetzt worden sei, werde die Frage nach der äußerlichen Praxis kaum gestellt. 53 „Dergestalt ließ man das äußere Wesen fahren, und verlegte nun das Christ Sein in die Innerlichkeit.“ 54 An dieser Stelle problematisiert Kierkegaard in dezidierter Weise die ,objektlose‘ Konzeption der Subjektivität, die die bestehende äußere Realität als solche bejaht und sich dadurch in den eigenen Innenraum zurückzieht. Ihm kommt es gerade darauf an, durch die innere Reflexion des Subjekts hindurch mit dessen versteckter Innerlichkeit – und hier wiederum mit deren Objektlosigkeit – zu brechen.
IV ,Die Subjektivität ist die Unwahrheit‘: Der Bruch mit der Identität und die Selbstreflexion am Sündenbewusstsein
Wird der Blick unter diesem Gesichtspunkt erneut auf die Subjektivitätskonzeption in der Unwissenschaftlichen Nachschrift gerichtet, stellt sich heraus, dass es selbst darin nicht um die bloße Betonung der verborgenen Innerlichkeit, sondern eher um den Bruch mit der Selbstidentität geht, der erst durch den Vollzug der inneren Reflexion stattfinden soll. Diese Subjektivitätskonzeption zielt überhaupt, wie bereits ausgeführt, nicht auf das positive Begreifen der objektiven Wirklichkeit im Ganzen ab; hingegen ist sie durchweg vom negativen Bewusstsein der eigenen Ohnmacht geprägt. Das reale Subjekt sei nämlich so fragmentarisch, dass es notwendigerweise eine „Wunde der Negativität“ 55 tragen müsse, die keineswegs vom systematischen Wissen geschlossen werden könne. Die Subjektivitätskonzeption bei Kierkegaard ist daher – bereits in der Unwissenschaftlichen Nachschrift – ihrer geschichtlichen Ohnmacht gegenüber der realen Objektivität innegeworden. Sie lehnt gerade deshalb die Hegelianischen Lehren von der Identität zwischen Denken und Wirklichkeit, wie sie durch die ‚Aufhebung‘ bzw. ‚Vermittlung‘ zustande kommen würde, hartnäckig ab. Die Konzeption Kierkegaards läuft in diesem Sinne darauf hinaus, durch die Reflexion über das Negative des einzelnen Subjekts hindurch „die systematische Idee“ – nämlich „die Einheit von Denken und Sein“ – aufzuspalten. 56
Das Kierkegaardsche Subjekt scheint zwar auf den ersten Blick allein innerhalb der eigenen innerlichen Reflexion den Absolutheitsanspruch anzustreben, über die höchste Wahrheit entscheiden zu können, denn es versuche – insofern man Adornos Kritik an seiner Objektlosigkeit folgt – verzweifelt, durch die immanente Bewegung der reflexiven Selbstverneinung und zugleich durch die damit herbeizuführende Entscheidung für ein Aufopfern der Vernunft eine transzendenzbezogene positive Wahrheit zu beschwören: „[S]eine Positivität besteht in der fortgesetzten Verinnerlichung, in welcher er [der subjektive existierende Denker; ky] um das Negative weiß.“ 57 Was Adorno als ,objektlose Innerlichkeit‘ beklagt, ist gerade eine solche Hypostasierung der immanenten, verschlossenen Selbstverneinungsbewegung, wie sie in der Unwissenschaftlichen Nachschrift mit der These ,die Subjektivität ist die Wahrheit‘ formuliert wird.
Kierkegaard selbst bezieht sich aber, wie im vorherigen Abschnitt verdeutlicht wurde, auf eine Art theologische Perspektive, welche den Rückzug in die Climacus’sche innerliche Reflexion problematisiert. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich sagen, dass Kierkegaard selbst in der extrem subjektivistisch erscheinenden Unwissenschaftlichen Nachschrift keine Hypostasierung der verschlossenen innerlichen Reflexion verlangt, sondern eher auf deren Bruch hinauswill, der erst im Verhältnis zum außenstehenden Anderen zustande kommen kann. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Kierkegaard darin mit jener These „die Subjektivität, die Innerlichkeit ist die Wahrheit“ zugleich auch die Antithese „die Subjektivität ist die Unwahrheit“ aufstellt. 58 Diese Antithese mag zwar dem Anschein nach – zumindest im Rahmen der Unwissenschaftlichen Nachschrift – nicht mehr sein als eine Provokation, um die innerliche Reflexion über die subjektive Wahrheit zu vertiefen. 59 Wird jedoch der spätere Angriff Anticlimacus’ auf die ,versteckte Innerlichkeit‘ berücksichtigt, darf diese Antithese über die subjektive Unwahrheit keineswegs vernachlässigt werden. Bei Kierkegaard kommt es m. E. eher auf das Bewusstsein von der Unwahrheit des Subjekts an als auf die Betonung von dessen Wahrheit. Hier stellt sich aber die Frage, was Kierkegaard mit der subjektiven Unwahrheit meint.
Die Unwahrheit der Subjektivität liegt Kierkegaard zufolge eben darin, dass das einzelne Subjekt inmitten seines zeitlichen bzw. geschichtlichen Lebens in die Sünde gerät: „[D]ie Unwahrheit kann das Subjekt nicht ewig sein […]; es muß sie in der Zeit geworden sein oder in der Zeit werden. […] Laß uns nun die Unwahrheit des Individuums Sünde nennen.“ 60 Zu betonen ist hier, dass die Sünde bei Kierkegaard keinesfalls vom immanenten Denkvermögen des menschlichen Subjekts erreichbar ist, sondern ihm erst durch die außerhalb von ihm stehende, transzendente Kraft offenbart werden kann. 61 Gerade darin, dass die Sünde allein durch eine von außen kommende Kraft offenbart werden kann, liegt nach Kierkegaard der Kernpunkt des Christentums, denn dieses – anders als das Heidentum – nehme an, „es gehöre eine Offenbarung von Gott dazu, um an den Tag zu bringen, was Sünde ist“. 62 Das Subjekt kommt daher „durch den qualitativen Sprung“, 63 der allein im Verhältnis zum äußeren Anderen erfahren wird, zum Sündenbewusstsein als Erkenntnis der eigenen Unwahrheit: „Die Sünde kommt also hinein als das Plötzliche, d. h. durch den Sprung“. 64
Das Subjekt muss somit in der Entstehung des Sündenbewusstseins, das zugleich die Erkenntnis der eigenen Unwahrheit darstellt, sowohl seine innere Grenze als auch die Einwirkung von außen anerkennen. Dementsprechend zeichnet Kierkegaard im allerletzten Teil seiner Unwissenschaftlichen Nachschrift die entscheidende Bewegung des subjektiven Innewerdens der eigenen Unwahrheit – nämlich den Prozess des Bruchs mit der subjektiven Selbstidentität an der Entstehung des Sündenbewusstseins – wie folgt nach: „Das Sündenbewußtsein ist das Paradoxe, und an diesem ist wiederum ganz konsequent das das Paradoxe, daß der Existierende es nicht durch sich entdeckt, sondern es von außen zu wissen bekommt. Dadurch ist die Identität gebrochen.“ 65 An dieser Stelle ist hervorgehoben, dass es beim Sündenbewusstsein weniger um die bloße Erkenntnis der eigenen Unvollkommenheit durch die immanente Reflexion geht als um eine augenblickliche Erfahrung der Negativität, die am transzendenten Maßstab von außen her offenbart wird. Indem das Subjekt mit dem Sündenbewusstsein sowohl das eigene Gesetztsein als auch die von außen erfahrene Kraft vernimmt, zerfällt die Selbstidentität seiner verschlossenen Innerlichkeit.
Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang Kierkegaards Einsicht, dass die Entstehung des Sündenbewusstseins mit einer strukturellen Änderung der Subjektivität einhergeht. Der Bruch mit der subjektiven Selbstidentität am Sündenbewusstsein führt nämlich ihm zufolge nicht so sehr „eine Veränderung des Subjekts innerhalb des Individuums“, sondern eher „die Veränderung des Subjekts selber“ herbei:
[D]as Sündenbewußtsein ist der Bruch; dadurch daß es wird, wird das Individuum ein Anderes […]; das Sündenbewußtsein […] ist die Veränderung des Subjekts selber, was zeigt, daß die Macht außerhalb des Individuums sein muß, die es darüber aufklärt, daß der Mensch dadurch, daß er geworden ist, ein anderer geworden ist, als er war, daß er Sünder geworden ist. 66
Das Subjekt erfährt also am Sündenbewusstsein den Zerfall seiner vermeintlichen innerlichen Identität und transformiert sich durch die Reflexion, mit der es eine außerhalb des eigenen Vermögens stehende Kraft als etwas Nichtidentisches anerkennt, zu einer anderen Subjektivität. Das Subjekt wird dabei – mit dem Bewusstsein des eigenen Gesetztseins durch das außenstehende Andere – dessen inne, dass es nicht mehr im Zentrum der Wirklichkeit steht. Das Subjekt wird nämlich, indem es jene Erfahrung des Bruchs mit der inneren Identität durchreflektiert, gleichsam de-zentriert.
Das derart dezentrierte Subjekt stellt jenes ,theologische Selbst‘ – ,ein menschliches Selbst, dessen Maßstab Gott ist‘ – dar. Ebendiese theologische Subjektivität, die am transzendenten Maßstab eine Selbstreflexion über die eigene Weltbezogenheit anstellt und sich damit zu einem fremden Anderen verhält, ermöglicht die „Religiosität B“, 67 die nach der Unwissenschaftlichen Nachschrift für den Zustand des wahren christlichen Glaubens steht. Denn das Leben des wahren Glaubens verwirkliche sich keinesfalls im bloßen Innenraum, sondern bedürfe der Anerkennung der Sünde und deren Vergebung, die erst durch den Eingriff der äußeren Macht offenbart werde, auch wenn es nicht um eine unmittelbare Versöhnung zwischen Innen und Außen gehe. Die Konzeption der Innerlichkeit lässt sich in diesem Sinne auch als das auffassen, was aus der eigenen Immanenz heraustritt und sich damit zur außenstehenden Transzendenz verhält. Die Aussage, „daß die Innerlichkeit das Verhältnis des Individuums zu sich selbst vor Gott ist, seine Reflexion in sich selbst“, 68 kann also in diesem Zusammenhang nicht mehr als eine bloße Erklärung der Selbstverabsolutierung der ,objektlosen Innerlichkeit‘ verstanden werden; dabei geht es eher um die innerliche Selbstreflexion des Subjekts, in der es – durch die Erfahrung seiner Unwahrheit von außen her – die immanente Verschlossenheit der eigenen Innerlichkeit in Frage stellt. Das Subjekt kann erst durch eine solche Selbstreflexion hindurch aus dem sich selbst verabsolutierenden Innenraum heraustreten und sich mit der eigenen negativen Realität – der eigenen Unwahrheit – konfrontiert sehen.
Es kann nicht ignoriert werden, dass Kierkegaard die subjektive Selbstreflexion am Sündenbewusstsein – den damit herbeizuführenden Ausbruch aus der verabsolutierten Innerlichkeit sowie den Zusammenstoß mit der äußeren Realität – untrennbar mit „Leiden“ verbunden sieht. 69 Denn das Sündenbewusstsein als Erkenntnis der Unwahrheit, in der es nicht um eine abstrakte Negationsbewegung, sondern um die reale Erfahrung des eigenen Abgesperrtseins von der Wahrheit geht, soll für eine subjektive Reue sorgen, die mit dem eigenen realen Leben verknüpft ist. Bemerkenswerterweise kann die hier gemeinte Reue einerseits gerade in der subjektiven Innerlichkeit geschehen, während sie aber andererseits nur in einem gewissen Verhältnis zu etwas Äußerlichem ermöglicht wird: „Bereuen ist keine positive Bewegung von etwas fort oder zu etwas hin, sondern eine negative Bewegung nach innen zu, nicht ein Tun, sondern ein durch sich selbst sich etwas widerfahren Lassen.“ 70 Wie in diesem Zitat angedeutet, spielt sich die Reue, die innere Selbstnegation, in Verbindung mit einem ,Etwas‘ ab, das dem Subjekt passiv widerfährt. Das Subjekt kann nämlich nur im Verhältnis zur äußeren Wirklichkeit, derer es nicht mächtig wird, wesentlich das eigene Leben bereuen und die eigene innerliche Reflexion darüber vollziehen. Die Reue fungiert in diesem Sinne als eine Art Selbstbesinnung, durch die das Subjekt dessen innewird, dass es von etwas Äußerem gesetzt ist. Die reflexive Selbstverneinung an der Reue eröffnet also dem Subjekt – gerade wie Adorno andeutet – die Möglichkeit des bewussten Verhaltens gegenüber jenem Anderen, das es gesetzt hat. 71
Kierkegaard erblickt eben in dieser reflexiven Selbstverneinung durch die Reue eine mögliche Rettung aus der Unwahrheit. Denn der Vollzug der inneren Selbstreflexion des Bereuens öffnet sich – in negativer Weise – einem möglichen Anderen gegenüber als dem unwahren Bestehenden: „Wenn die Reue […] mehr gründlich entwickelt wird, hat man im Allgemeinen doch das Auge vor allem geöffnet, um die Versöhnung zu Gesicht zu bekommen.“ 72 Was Kierkegaard hier mit der ,Versöhnung‘ meint, ist freilich die christliche Sündenvergebung, die von der göttlichen Macht offenbart wird; es könnte aber hier – subjektivitätstheoretisch betrachtet – auch um eine Art negative Partizipation an der Wahrheit gehen, die durch das Bewusstsein von der eigenen Unwahrheit ermöglicht wird. Jedenfalls wird dem Subjekt, durch die Selbstverneinung an der Reue, „eine wirklich gegebene Möglichkeit“ angeboten. 73 Das Kierkegaardsche Subjekt bezieht sich daher durch das Bereuen nicht nur auf sein reales ,Gesetztsein‘, sondern auch auf das mögliche Andere als das Bestehende. In ebendieser Selbstbesinnung der Reue hat das Subjekt bereits strukturell den verschlossenen Innenraum hinter sich gelassen, ist zur eigenen Außenwelt zurückgekehrt und hat begonnen, sich mit dieser auseinanderzusetzen.
V Schluss: Zur subjektiven Polemik gegen das Bestehende
In den bisherigen Überlegungen ist, von Adornos ambivalenter Interpretation ausgehend, die Kierkegaardsche Konzeption der Innerlichkeit vor allem in subjektivitätstheoretischer Hinsicht behandelt worden. Daraus ist hervorgegangen, dass das Kierkegaardsche Subjekt – selbst in der Unwissenschaftlichen Nachschrift, in der jene These der subjektiven Wahrheit aufgestellt wird – nicht in einer Flucht aus der Außenwelt, welche Adorno als ,objektlose Innerlichkeit‘ bezeichnet, stehenbleibt; vielmehr erkennt es durch die innere ,Reflexion in sich selbst‘ an der Reue sein reales Gesetztsein an und verhält sich damit zu einer äußeren Wirklichkeit. Gerade hier findet sich – wie Adorno in seinem Jargon der Eigentlichkeit andeutet – eine innere Selbstbesinnung des Subjekts, die ihm die Erkenntnis seiner Zugehörigkeit zur Außenwelt ermöglicht. In einer solchen Selbstbesinnung wird sogar eine Art Strukturwandel der Subjektivität vollzogen.
Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass das Andere für das Kierkegaardsche Subjekt der inneren Reflexion doch allein eine göttliche Schöpfungskraft bezeichnet, nicht soziale Machtverhältnisse, auf die Adorno mit seiner Rede vom „Vorrang des Objekts“ 74 referiert. Eine solche göttliche Kraft offenbart bei Kierkegaard dem Subjekt dessen Sündhaftigkeit sowie die mögliche Erlösung davon, während sie aber keineswegs als solche zum Gegenstand der kritischen Reflexion des Subjekts gemacht werden kann. Die innere Selbstreflexion bei Kierkegaard ermöglicht nämlich einerseits mit dem Bewusstsein des eigenen Gesetztseins ein Verhältnis des Subjekts zur äußeren Macht, die es gesetzt hat; sie richtet aber andererseits keinen kritischen Blick auf diese Machtverhältnisse. Die Kierkegaardsche Subjektivitätskonzeption ist daher zwar aus der Objektlosigkeit ihrer Innerlichkeit herausgetreten, aber in ihr bleibt immer noch eine Tendenz erhalten, die objektive Außenwelt als solche nicht ganz ernst nehmen zu können. Kierkegaard ist dementsprechend oftmals einem dualistischen, einigermaßen defätistischen Welthass zugeneigt, der die diesseitige Welt im Ganzen negiert und dadurch die jenseitige ,ewige Seligkeit‘ affirmiert. 75
Das Kierkegaardsche Subjekt gibt allerdings keineswegs sein Verhältnis zur konkreten Wirklichkeit, von der es selbst je bestimmt ist, auf. Dieses extrovertierte Verhältnis verwirklicht sich sogar nicht nur in der christlichen Praxis im Sinne des Ausdrucks des inneren Glaubens in der Außenwelt. 76 Denn das Kierkegaardsche Subjekt, welches sich mit dem Selbstbewusstsein der eigenen Unwahrheit zum jenseitsbezogenen Anderen reflexiv verhält, wahrt auch zur bestehenden Welt, in der es lebt, eine bestimmte Distanz, während das sich selbst als Wahrheit verabsolutierende Subjekt diese Welt als solche naiv affirmieren würde. Kierkegaard sieht sogar in seiner Subjektivitätskonzeption, welche an der inneren Reflexion über die Wahrheit festhält, einen unvermeidbaren Zusammenstoß mit der bestehenden Ordnung:
Im gleichen Augenblick nun, da ein Einzelner sich dem Bestehenden nicht unterordnen will, oder gar auch es als das Wahre nicht anerkennt, ja, es der Unwahrheit bezichtigt, wohingegen er von sich sagt, er sei in der Wahrheit, und von der Wahrheit sagt, daß sie eben in der Innerlichkeit liege: ist der Zusammenstoß da. 77
Die hier gemeinte Wahrheit in der Innerlichkeit stellt freilich weniger die verschlossene, sich selbst verabsolutierende Denkbewegung dar als das reflexive Verhältnis zur außenstehenden Macht, das mit dem Selbstbewusstsein der eigenen Unwahrheit einhergeht. Das Subjekt, das durch eine solche Reflexion sowohl sich selbst als auch die es setzende Wirklichkeit in Frage stellt, wird gerade von dieser verfolgt. Somit widersetzt sich das Subjekt dem Bestehenden, um seine transzendenzbezogene, wenn auch innerliche Reflexion zu bewahren.
Das besagte Subjekt vollzieht jenen ,Angriff auf die Ideologie des Profitsystems‘, den Adorno der ,Metaphysik des absoluten Subjekts‘ gegenüber als den wahren Weg des Kierkegaardschen Denkens unterstreicht. Zu beachten ist, dass dieser von Kierkegaard durchgeführte ,Angriff‘ – nämlich die Polemik gegen die dänische Staatskirche in seinen späteren Jahren – nicht nur aus taktischen Gründen betrieben wurde; denn Kierkegaard kam es gerade darauf an, den Betrug der „Vergöttlichung des Bestehenden“, 78 in der die vorhandene Welt als solche bejaht wird, zu entlarven, um Platz für die sich zum Anderen verhaltende innere Reflexion zu schaffen. Somit stellt Kierkegaard der Konzeption des verschlossenen Subjekts, das mit seinem eigenen Innenraum zugleich die diesen bestimmende Außenwelt als einzige Wahrheit bejaht, eine subjektive Selbstbesinnung gegenüber, die vom Sündenbewusstsein im Sinne der Erkenntnis der eigenen Unwahrheit ausgeht und sich auch vom Bestehenden kritisch distanziert. Seine gedankliche Aufgabe liegt deshalb darin, mit einer solchen Selbstreflexion „im Verhältnis zum Bestehenden ein Korrektiv anzubringen“. 79 Die innere Reflexion des Subjekts, das sich, in der Reue seine eigene Unwahrheit anerkennend, immer noch zu einem wahren Anderen zu verhalten versucht, wird auf polemische Weise mit der äußeren, sozialen Realität konfrontiert. Aus Kierkegaard ist in dieser Weise selbst ein gesellschaftskritisches Potential der Innerlichkeit – gegen und mit Adorno – herauszulesen.
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Eine solche vertritt etwa Susan Buck-Morss, die in Adornos Kierkegaard-Interpretation kaum mehr als einen Angriff auf den Existentialismus von Seiten des modifizierten Marxismus sieht. Vgl. Susan Buck-Morss, The Origin of Negative Dialectics: Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, and the Frankfurt Institute (New York: The Free Press, 1977), 114. Vgl. dazu auch Shoshu Kawakami, Doitsu ni okeru kirukegoru siso no juyo [Die Rezeption der Gedanken Kierkegaards in Deutschland] (Tokyo: Sobun-sha, 1999), 27, sowie David Sherman, Sartre and Adorno: The Dialectics of Subjectivity (Albany: State University of New York Press, 2007), 17.
In einem Brief an Alban Berg aus den 1920er Jahren räumt Adorno ein, dass er auf der Thematik „Personalität und Innerlichkeit des ,Einzelnen‘ selbst […] jahrelang kierkegaardisch herumgeritten“ sei. Theodor W. Adorno, „Adorno an Berg, 28.06.1926“, in Briefe und Briefwechsel, hrsg. vom Theodor W. Adorno Archiv (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1994ff.), Bd. 2, 87–8. Zur intensiven Beschäftigung des jungen Adorno mit Kierkegaard vgl. auch Leo Löwenthal u. Siegfried Kracauer, In steter Freundschaft. Briefwechsel Leo Löwenthal und Siegfried Kracauer 1921–1966, hrsg. von Peter Erwin Jansen u. Christian Schmidt (Lüneburg: zu Klampen, 2003), 51; Peter Šajda, „Theodor W. Adorno: Tracing the Trajectory of Kierkegaard’s Unintended Triumphs and Defeats“, in Kierkegaard’s Influence on Philosophy, Bd. I, German and Scandinavian Philosophy (Kierkegaard Research: Sources, Reception and Resources, Bd. 11), hrsg. von Jon Stewart (Aldershot: Ashgate, 2012), 3–48; Peter E. Gordon, Adorno and Existence (Cambridge Massachusetts: Harvard University Press, 2016), 12–36; Keisuke Yoshida, „Von Kierkegaard zu Adorno: Zur Möglichkeit der negativ-dialektischen Philosophie“ (Diss., J. W. Goethe-Universität Frankfurt am Main, 2019).
Theodor W. Adorno, „Die Aktualität der Philosophie“ [1931], in Gesammelte Schriften [ gs ], hrsg. von Rolf Tiedemann unter Mitwirkung von Gretel Adorno, Susan Buck-Morss u. Klaus Schultz (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1962–1986), Bd. 1, 329.
Theodor W. Adorno, Kierkegaard: Konstruktion des Ästhetischen [1933], in gs , Bd. 2, 42–6.
Theodor W. Adorno, „Kierkegaard noch einmal“ [1963], in gs , Bd. 2, 251–2.
Vgl. Søren Aabye Kierkegaard, Afsluttende uvidenskabelig Efterskrift til de philosophiske Smuler [1846], in Søren Kierkegaards Skrifter [ sks ], hrsg. von Niels Jørgen Cappelørn et al. (Kopenhagen: Gad, 1997–2013), Bd. 7, 173–228 (Dt. Übersetzung: Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift zu den Philosophischen Brocken, Erster Teil, in Gesammelte Werke [ gw ], übers. u. hrsg. von Emanuel Hirsch, Hayo Gerdes u. Hans Martin Junghans (Düsseldorf/Köln: Eugen Diederichs, 1950–69), Bd. 10, 179–243).
Adorno, „Kierkegaard noch einmal“, 250.
Theodor W. Adorno, Jargon der Eigentlichkeit: Zur deutschen Ideologie [1964], in gs , Bd. 6, 461–2.
Ebd., 462.
Adorno, „Kierkegaard noch einmal“, 251–2.
Ebd., 258. Bereits im Kierkegaard-Buch aus dem Jahr 1933 wird eine ähnliche Auffassung zwar angedeutet; diese wird aber erst in der Gedenkrede von 1963 auf konkretere Weise formuliert. Vgl. Adorno, Kierkegaard, 57–61.
Vgl. Asaf Angermann, Beschädigte Ironie: Kierkegaard, Adorno und die negative Dialektik kritischer Subjektivität (Berlin/Boston: Walter de Gruyter, 2013), v. a. 125–195; Peter Šajda, „From Objectless Inwardness to Political Irrationalism: Adorno’s Critique and Defense of Kierkegaard“, in Religion und Irrationalität: Historisch-systematische Perspektiven, hrsg. von Jochen Schmidt u. Heiko Schulz (Tübingen: Mohr Siebeck, 2013), 151–8.
Vgl. Hermann Deuser, Dialektische Theologie: Studien zu Adornos Metaphysik und zum Spätwerk Kierkegaards (München/Mainz: Kaiser-Grünewald, 1980), v. a. 145.
Theodor Haecker, Sören Kierkegaard und die Philosophie der Innerlichkeit (München: J. F. Schreiber, 1913). Zur Forschungsgeschichte hinsichtlich des Kierkegaardschen Innerlichkeitsbegriffs im deutschsprachigen Raum sowie dessen ideengeschichtlichem Kontext vgl. Matthias Engmann, Innerlichkeit: Struktur- und praxistheoretische Perspektiven auf Kierkegaards Existenzdenken (Berlin/Boston: Walter de Gruyter, 2017), v. a. 1–69.
Engmann, Innerlichkeit, 555–6.
Eberhard Harbsmeier, „Der Begriff der Innerlichkeit bei Søren Kierkegaard“, Kierkegaardiana 20 (1999): 44; ders., „Innerlichkeit und Glaubensgewissheit. Kierkegaard zwischen pietistischem Erbe und philosophischer Subjektivitätstheorie“, in Innerlichkeit – Existenz – Subjekt: Kierkegaard im Kontext, hrsg. von Eberhard Harbsmeier u. Christian Senkel (Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2017), 166.
Kierkegaard, Afsluttende uvidenskabelig Efterskrift, 36 (Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift, Erster Teil, 25–6).
Ebd., 185 (ebd,, 193). Im Original alles kursiv, nur die Worte „was“ und „wie“ sind fett gedruckt.
Ebd., 189 (ebd,, 198).
Ebd., 182 (ebd., 190). Im Original alles kursiv, Hervorhebung von mir.
Ebd., 186 (ebd., 194). Im Original alles kursiv.
In der Unwissenschaftlichen Nachschrift räumt Kierkegaard tatsächlich ein, dass der menschliche Verstand durch die Reflexion die paradoxe Wahrheit, die ihm als „das Unverständliche“ erscheine, von einem bloßen „Nonsens“ bzw. „Unsinn“ zu unterscheiden vermöge. Vgl. ebd., 516 (Dt. Übersetzung: Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift zu den Philosophischen Brocken, Zweiter Teil, in gw , Bd. 11, 279–80).
Vgl. Søren Aabye Kierkegaard, Philosophiske Smuler eller En Smule Philosophi [1844], in sks , Bd. 4, 249 (Dt. Übersetzung: Philosophische Brocken oder ein Bröckchen Philosophie, in gw , Bd. 6, 42); vgl. auch ebd., 244–5 (ebd., 37).
Adorno, Kierkegaard, 48–9.
Kierkegaard, Afsluttende uvidenskabelig Efterskrift, 118 (Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift, Erster Teil, 116). Diese Einsicht in die Nichtidentität zwischen innerem Denken und äußerer Wirklichkeit findet sich bereits im ersten Satz des „Vorworts“ zum im Jahr 1843 erschienenen Buch Entweder/Oder. Hier schreibt Kierkegaard auf Hegels Wissenschaft der Logik anspielend Folgendes: „Vielleicht ist es dir doch unterweilen beigekommen, lieber Leser, ein wenig an der Richtigkeit des bekannten philosophischen Satzes zu zweifeln, daß das Äußere das Innere ist, das Innere das Äußere.“ Søren Aabye Kierkegaard, Enten – Eller [1843], in sks , Bd. 2, 11 (Dt. Übersetzung: Entweder/Oder, Erster Teil, in gw , Bd. 1, 3); vgl. auch ebd., 244–5 (ebd., 37).
Adorno, Kierkegaard, 45–6.
Ebd., 45.
Kierkegaard, Afsluttende uvidenskabelig Efterskrift, 390 (Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift, Zweiter Teil, 136).
Ebd., 508 (ebd., 270).
Ebd., 201 (Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift, Erster Teil, 211–2).
Ebd., 183 (ebd., 191).
Ebd., 418–9 (Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift, Zweiter Teil, 169).
Vgl. Kierkegaard, Philosophiske Smuler, 300 (Philosophische Brocken, 101). Vgl. auch Adorno, Kierkegaard, 166.
Kierkegaard, Afsluttende uvidenskabelig Efterskrift, 430–1 (Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift, Zweiter Teil, 183).
Ebd., 431 (ebd., 183).
Ebd., 460–1 (ebd., 217).
Engmann weist darauf hin, dass Adornos schonungsloser Auseinandersetzung mit der Kierkegaardschen ,objektlosen Innerlichkeit‘ dessen kritische Einsicht in die Konzeption der ,deutschen Innerlichkeit‘, die der nationalsozialistischen Ideologie entspricht, zugrunde liegt. Vgl. Engmann, Innerlichkeit, 55–6.
Vgl. Kierkegaard, Afsluttende uvidenskabelig Efterskrift, 570–1 (Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift, Zweiter Teil, 340–1): „Es ist also in den pseudonymen Büchern nicht ein einziges Wort von mir selbst […]. Es ist daher mein Wunsch, meine Bitte, daß man, wenn es jemand einfallen sollte, eine einzelne Äußerung der Bücher zitieren zu wollen, mir den Dienst erweisen wolle, den Namen des respektiven pseudonymen Verfassers zu zitieren, nicht meinen […].“
Ebd., 249–50 (Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift, Erster Teil, 270).
Søren Aabye Kierkegaard, Indøvelse i Christendom [1850], in sks , Bd. 12, 15 (Dt. Übersetzung: Einübung im Christentum, in gw , Bd. 18, 4).
Søren Aabye Kierkegaard, Sygdommen til Døden [1849], in sks , Bd. 11, 181–7 (Dt. Übersetzung: Die Krankheit zum Tode, in gw , Bd. 17, 67–74).
Ebd., 182 (ebd., 68).
Ebd., 183 (ebd., 69).
Ebd., 186–7 (ebd., 73–4).
Ebd., 242 (ebd., 134)
Ebd., 193 (ebd., 77–8).
Ebd., 193 (ebd., 77).
Ebd., 193 (ebd., 78).
Zur terminologischen Unterscheidung zwischen ,Vermögen‘ und ,Kraft‘ vgl. Christoph Menke, Kraft: Ein Grundbegriff ästhetischer Anthropologie [2008] (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2017), 8–9; ders., Die Kraft der Kunst (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2013), 12–3.
Søren Aabye Kierkegaard, Journalen, NB 11:209 [1849], in sks , Bd. 22, 130 (Dt. Übersetzung: Die Tagebücher, übers. u. hrsg. von Hayo Gerdes, (Düsseldorf/Köln: Eugen Diederichs 1962–1974), Bd. 3, 257).
Søren Aabye Kierkegaard, Om min Forfatter-Virksomhed [1851], in sks , Bd. 13, 23 (Dt. Übersetzung: Über meine Wirksamkeit als Schriftsteller, in gw , Bd. 23, 11).
Vgl. Kierkegaard, Indøvelse i Christendom, 209–12 (Einübung im Christentum, 204–8).
Ebd., 211 (ebd., 206).
Kierkegaard, Afsluttende uvidenskabelig Efterskrift, 84 (Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift, Erster Teil, 77).
Ebd., 118 (ebd., 116).
Ebd., 84 (ebd., 76).
Ebd., 189 (ebd., 198).
Vgl. ebd., 195 (ebd., 205): „Innerlicher kann es nicht ausgedrückt werden, daß die Subjektivität die Wahrheit ist, als wenn die Subjektivität allererst die Unwahrheit ist, und doch die Subjektivität die Wahrheit ist.“ Vgl. auch ebd., 189 (ebd., 198).
Ebd., 190–1 (ebd., 199).
Vgl. Søren Aabye Kierkegaard, Begrebet Angest [1844], in sks , Bd. 4, 355 (Dt. Übersetzung: Der Begriff Angst, in gw , Bd. 7, 48–9): „Die Sünde ist nun eben jene Transzendenz, jene kritische Wende (discrimen rerum), in welcher die Sünde in den Einzelnen als den Einzelnen eintritt.“ Vgl. auch ebd., 325–6 (ebd., 15–6).
Kierkegaard, Sygdommen til Døden, 202 (Die Krankheit zum Tode, 89).
Kierkegaard, Begrebet Angest, 352 (Der Begriff Angst, 45).
Ebd., 338 (ebd., 29).
Kierkegaard, Afsluttende uvidenskabelig Efterskrift, 485 (Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift, Zweiter Teil, 244).
Ebd., 530–1 (ebd., 297). Genauer gesagt, geht es an dieser Stelle um den Unterschied zwischen dem Schuldbewusstsein und dem Sündenbewusstsein. Nach Climacus ist das „Schuldbewußtsein“ eine immanente Bestimmung, welche das Subjekt mit seinem eigenen Denkvermögen erreichen kann, wobei „die Identität des Subjekts mit sich selbst bewahrt“ ist und daher allein „eine Veränderung des Subjekts innerhalb des Subjekts selber“ geschieht; „Sündenbewußtsein“ hingegen wird dem Subjekt erst durch eine transzendente göttliche Kraft offenbart, wobei „die Veränderung des Subjekts selber“ entsteht, die mit einem Bruch mit seiner Identität einhergeht.
Ebd., 505 (ebd., 267).
Ebd., 397 (ebd., 144).
Ebd.
Søren Aabye Kierkegaard, Stadier paa Livets Vei [1845], in sks , Bd. 6, 439 (Dt. Übersetzung: Stadien auf des Lebens Weg, in gw , Bd. 9, 506–7).
Roman Winter stellt heraus, dass die Reue im Kierkegaardschen Sinne „nicht primär Akt des Subjekts“, sondern eher „Gnade, Geschenk des Göttlichen, des Anderen“ ist. Vgl. Roman Winter, „Reue als Schlüssel zur existentiellen Selbstwerdung. Überlegungen im Anschluss an Kierkegaards Beichtrede von 1847“, Kierkegaard Studies Yearbook (2016): 121–138, v. a. 130–1.
Kierkegaard, Stadier paa Livets Vei, 413 (Stadien auf des Lebens Weg, 476).
Ebd., 435 (ebd., 502).
Vgl. Theodor W. Adorno, Negative Dialektik [1966], in gs , Bd. 6, 184–7.
Zur „Tendenz der Vereinfachung und Schematisierung“ des Verhältnisses zwischen der diesseitigen Welt und dem jenseitsbezogenen Christentum beim späten Kierkegaard vgl. Deuser, Dialektische Theologie, 72. Vgl. auch ebd., 89.
Engmann arbeitet diesen christlich-praktischen Aspekt der Innerlichkeitskonzeption Kierkegaards nicht zuletzt anhand von dessen Reden zwischen 1843 und 1845 heraus. Vgl. Engmann, Innerlichkeit, 388–551.
Kierkegaard, Indøvelse i Christendom, 95 (Einübung im Christentum, 80).
Ebd., 99 (ebd., 85).
Kierkegaard, Journalen, nb 21:122 [1850], in sks , Bd. 24, 74 (Dt. Übersetzung: Einübung im Christentum, 1, Beilage, in gw , Bd. 18, 283).